Titel: Die Reinigung der Abgangswässer aus Zuckerfabriken; von W. Riehn.
Autor: W. Riehn
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 403
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Die Reinigung der Abgangswässer aus Zuckerfabriken; von W. Riehn. Mit Abbildungen. Riehn, über die Reinigung der Abgangswässer aus Zuckerfabriken. Bei der Reinigung von Abgangswässern aus Zuckerfabriken kommt es einerseits darauf an, die wahrhaft nachtheiligen Erscheinungen – zeitweise unerträgliche Ausdünstungen u.s.w. – der Abflußleitungen zu verhüten, anderseits aber auch, höchst werthvolle Düngstoffe zu gewinnen und dem häufigen Wassermangel einzelner Fabriken abzuhelfen durch Wiederbenutzung des gereinigten Wassers. Nächst mechanischer Reinigung reicht hierzu eine nur desodorisirende Wirkung nicht aus, sondern es ist eine Desinfection im vollen Sinne des Wortes erforderlich, eine mit geringstem Kostenaufwand, praktisch ausführbare Abscheidung sämmtlicher verunreinigenden und zersetzungsfähigen Bestandtheile des betreffenden Wassers. Selbstverständlich ist die für eine jede Fabrik mehr oder weniger verschiedene Qualität des vorhandenen Betriebswassers, sowie die Verschiedenheit der Verfahren von Einfluß auf die Verunreinigungen und dürften Abänderungen in dem Reinigungsverfahren bedingen. Es war daher erforderlich, mit den Abflußwässern verschiedener Fabriken Versuche auszuführen und die verunreinigenden Stoffe in den mannigfaltigsten Beziehungen möglichst kennen zu lernen; hiernach glaube ich, der Hauptsache nach, eine Durchschnittsbeschaffenheit zu Grund gelegt zu haben, deren geringe Abweichungen von jeder Fabrik durch das Resultat leicht erkannt und ausgeglichen werden können. Durch das im Nachstehenden angegebene Verfahren wird es in allen Fällen möglich sein, die schädlichen Wirkungen der abfließenden Wässer zu beseitigen, sowie letztere selbst mit geringem Verlust wiederzugewinnen, wenn auch nicht als Trinkwasser, so doch in einem solchen Zustande, daß sie keine Beschwerde der Anwohner begründen können und für eigene oder anderweite Wiederbenutzung vollkommen geeignet sind. Nur ist nicht zu versäumen, daß Nachlässe aus früherer Zeit, alte Ablagerungen in den Gräben u. dgl. vollständig beseitigt werden, um Täuschungen zu vermeiden betreff der jetzt erzielten Reinigung. Hinzu kommt noch, daß die Ausführung ohne erheblichen Kostenaufwand, welcher außerdem durch die gewonnenen Düngstoffe gedeckt wird, geschehen kann und nur eines zuverlässigen Arbeiters bedarf unter sorglicher Ueberwachung von Seiten der Fabrik. Die betreffende Reinigung soll also drei Ziele erreichen: Verhütung der gesundheitsschädlichen Belästigungen, Gewinnung werthvollen Düngers und Wiederbenutzung des Wassers, ohne irgend durch Fermente oder sonstige Verunreinigungen der Fabrik Nachtheil zuzuführen. Bezüglich der auszuführenden Manipulationen sind sämmtliche unreinen Abflußwässer, je nach ihrer durchschnittlichen Beschaffenheit und unter Berücksichtigung der Fabrikseinrichtungen, in drei Abtheilungen zu fassen: 1) Wasser aus der Rübenwäsche und der Rohsaft-Gewinnungsstation, 2) Wasser von der Knochenkohlenbehandlung und event. Beutel- oder Tücherwäsche und 3) Condensations- und condensirtes Wasser vom Verkochen des Saftes. Die gesondert und sorgfältig gesammelten Condensationswässer von Dampfmaschinen und sonstigen Apparaten, das Brütenwasser aus den Verdampfapparaten, sowie Absüßwasser der Filter bedürfen hier keiner besondern Erwähnung, da dieselben in einer jeden richtig geleiteten Fabrik schon bestens verwendet werden (zum Kesselspeisen, zur Behandlung der Knochenkohle, zur Kalkbereitung, zur Wäsche o. dgl.) und keine weitere Uebelstände veranlassen. 1) Wasser aus der Rübenwäsche und der Rohsaft-Gewinnungsstation. Die Temperatur dieser Wässer im Abflußgraben wechselt zwischen 18 bis 32°; ihre Verunreinigungen sind größtentheils mechanisch aufgenommene Erde, sonstige Schmutz- und Rübentheile, also Sinkstoffe, außerdem in geringer Menge Saft resp. Zucker, Salze u.a. Die Reinigung dieser Wässer ist sehr einfach und wird bezüglich der Sinkstoffe in den sogen. Absatz- oder Schlammbehältern a₁ und a₂ (Fig. I bis III) vollständig erreicht, wie auch die geringe Menge Zucker, Salze etc. nach dem Passiren der Behälter und der daselbst stattfindenden, unter Abtheilung 2 bezeichneten Wechselwirkung von dem Inhalt der Reinigungsfilter c, d₁ und d₂ vollständig aufgenommen wird; die hier im Sammelbehälter e erhaltenen Wässer sind mindestens ebenso rein als das ursprüngliche Betriebswasser war, wie auch die nöthige Abkühlung – besonders leicht zur Winterszeit – in den offenen Behältern und Leitungen zu erzielen ist. Fig. 1–3., Bd. 223, S. 404 Fig. I–III Die Absatz- oder Schlammbehälter a₁ und a₂ sind gemauert, je nach örtlichen Verhältnissen mehr oder weniger in die Erde versenkt und für eine tägliche Verarbeitung von 100t Rüben je 8,8 bis 9m,5 lang, 3,8 bis 4m,4 breit und 1m,9 tief. Bei größerem Rübenquantum und sehr schmutzigen Rüben ist noch ein dritter solcher Behälter anzulegen. Die ebenfalls gemauerten Behälter b₁ und b₂ sind zusammen ähnlich groß wie a₁ oder a₂ und nur durch eine mit Uebersteigöffnungen versehene Scheidewand getrennt. Es ist erforderlich, daß die auf den Figuren angezeigten Schieber gut eingerichtet, sowie sämmtliche Leitungen mit richtigem Gefälle versehen werden. Die Manipulation ist einfach: Bei Beginn laufen sämmtliche Abflußwässer nach a₁, von da durch die Leitung g nach dem Behälter b₁ u.s.w. Ist a₁ mit Sinkstoffen gefüllt, so werden die Schieber umgestellt, die Abflußwässer gelangen nach a₂, während a₁ entleert wird. Aus den Behältern b₁ oder b₂, in welchen sich die letzten Sinkstoffe ablagern, kommen die Wässer in das erste Filter c, welches 1,9 bis 2m,5 im Quadrat oder Durchmesser mißt und mit den vorhergehenden Behältern gleiche Tiefe hat; es ist mit Schichten verschieden körniger Schlacke, Kies oder sonst zur völligen mechanischen Reinigung der Wässer geeignetem Material angefüllt; man kann diese Füllung noch zweckmäßig mit Alaunschlamm, Eisenchlorid, übermangansaurem Kali etc. mengen, falls solche Abfälle in der Nähe der Zuckerfabrik billig zu haben sind. Aus dem Filter c treten die Wässer von unten in das Filter d₁, von hier durch Uebersteigen nach d₂ (1,6 bis 1m,9 im Quadrat oder Durchmesser) und zuletzt durch eine Bodenleitung in den Sammelbehälter e (3,2 bis 3m,8 Durchmesser); von hier wird das gereinigte Wasser mittels Saugrohr f nach der Fabrik geschafft. Der Filterinhalt ist zu wechseln, sobald er in Folge Verschlammung nicht mehr wirksam ist. d₁ und d₂ werden am zweckdienlichsten mit Torfkohle gefüllt; nur wenn diese durchaus nicht zu beschaffen ist, nimmt man Knochenkohle-Abgänge oder die von Dr. Jünemann empfohlene präparirte Holzkohle (grob gekörnte Holzkohle, mit einer Lösung von 5 Th. saurem phosphorsaurem Kalk und gleichviel schwefelsaurer Thonerde gekocht, dann getrocknet und geglüht). Diese Füllung ist während der Campagne nur ein, höchstens wenige Mal zu erneuern, sobald die verminderte Reinheit des filtrirten Wassers es erforderlich macht. Die Leitungscanäle müssen bequem zum Reinigen eingerichtet sein, was, wenn für einigermaßen Gefälle gesorgt ist, nur vor und nach der Campagne einmal nöthig ist. Vor den Schlammbehältern und den Filtern ist bis zum Reservoir e ein Canal oder eine Rohrleitung h mit den entsprechenden Anschlußsträngen und Schiebern angelegt, um die Wässer nach der Campagne oder bei etwa vorzunehmenden Reparaturen direct ablassen zu können. 2) Wässer von der Knochenkohlenbehandlung und Beutel- oder Tücherwäsche. Das Reinigen dieser Abflußwässer verursacht dagegen größere Schwierigkeiten. Die Temperatur in den Ableitungen wechselt zwischen 20 und 60°, und ist die Menge und Verschiedenheit der als suspendirt oder gelöst darin befindlichen Verunreinigungen eine sehr bedeutende. Es sind bekanntlich organische Stoffe, Eiweiß, Alkalien und alkalische Verbindungen, Salze, Säuren, Producte der fauligen Gährung u.s.w. Für diese durchschnittlichen Verunreinigungen ein Universalreinigungsmittel festzustellen, hat einer großen Anzahl Versuche bedurft. Die Mehrzahl unserer bekannten antiseptischen und desinficirenden Mittel genügten dem Zweck nicht vollständig, vorzugsweise auch nicht in nachhaltiger Weise; das Wasser wurde nicht absolut frei von Fermenten, stickstoffhaltigen Verbindungen etc.; außerdem waren einzelne Mittel zu kostspielig und nicht für praktische Ausführung, sowie die meisten nicht im Stande sind, den werthvollsten Theil der Effluvien, das Ammoniak, in einer solchen Weise gänzlich zu fällen, wie es für die demnächstige landwirthschaftliche Verwendung erforderlich ist, und ohne das Präparat mit Stoffen zu vereinen, welche dem Feldbau schädlich sind. Das von einigen Fabriken eingeführte Berieselungs- oder Drainagesystem ist kein allgemeines Hilfsmittel, da selbst bei entsprechenden Localverhältnissen Widersprüche mit den unterhalb gelegenen Wasserberechtigten durch dasselbe nicht vermieden werden (vgl. 1877 223 222). Aus diesem Grunde habe ich, wie oben erwähnt, die billig zu beschaffende Torfkohle, im Großen am zweckmäßigsten in Meilern zu brennen, mit besten Resultaten zum Anfüllen der Filter d₁ und d₂ gewählt und gefunden, daß mittels derselben in Folge ihrer großen Porosität und dieser entsprechenden Absorptionsfähigkeit eine jede Spur von Zucker, Salzen, Düngstoffen u.a. aus dem durchfließenden Abwasser entfernt wird. Außerdem scheint in den Poren der Torfkohle, mehr noch als in andere Kohlenarten, das Ammoniakgas durch Oxydation in salpetersaures Ammoniak übergeführt zu werden, und dieselbe überhaupt in hohem Grade die Eigenschaft zu besitzen, nicht blos absorbirend, auch für übelriechende Gase, kohlensaures Gas etc., sondern durch den sich darin verdichtenden Sauerstoff oxydirend zu wirken. Der Gehalt an mineralischen Beimengungen, Eisen, Gyps, Kalk, läßt sie in gewissem Grade selbst desinficirend wirken, und ein erheblicher Vorzug besteht noch darin, daß die aufgenommenen Stoffe nichts von ihrem Werth als Pflanzennahrungsmittel verlieren und die Torfkohle mit denselben einen in jeder Beziehung werthvollen Compostzusatz abgibt. Bezüglich einer vollständigen Desinficirung des hier in Rede stehenden Abflußwassers hat sich nur, nach vielen Versuchen und Erfahrungen, allein zweckentsprechend die von Blanchard und Chateau schon empfohlene Verbindung von saurer phosphorsaurer Magnesia mit basischem Eisensalz – das Doppelsalz von Magnesia und Eisen – erwiesen. Es wird hiermit sämmtlicher Stickstoff fixirt durch Bildung von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia; ebenso werden die andern organischen Stoffe gefällt, durch das basische Eisensalz die Schwefelverbindungen, Schwefelwasserstoff u.s.w. gebunden, und das Wasser für die vollständige Reinigung so weit vorbereitet, daß nach dem Passiren der Schlammbassins nur noch die Filtration durch Torfkohle erforderlich ist. Fig. 4–5., Bd. 223, S. 407 Ein dem Blanchard'schen ähnliches Fällungsmittel – schwefelsaure Magnesia, phosphorsaurer Kalk und phosphorsaures Eisen, unter Garantie von 11 bis 12 Proc. Phosphorsäure, aus Rückständen der Kali-Industrie – ist ebenfalls vor mehreren Jahren schon von Dr. A. Frank in Staßfurt hergestellt und derzeit zu dem sehr billigen Preis von 2,50 M. pro 50k offerirt. Dieses Präparat wird für die vorliegende Desinficirung in nachstehender Weise angewendet. Es werden 100 Th. davon mit 66 Th. gewöhnlicher Salzsäure in einem beliebigen Gefäß oder Bottich angerührt und 2 bis 3 Tage stehen gelassen, wobei noch 300 bis 400 Th. Wasser zuzusetzen sind. Von dieser Masse wird das Gefäß i (Fig. IV und V) gefüllt und durch das Ablaufrohr mit Hahn in die erste Abtheilung des Gefluders y₁, soviel als erforderlich, zum Schmutzwasser abgelassen und durch das Rührwerk vermischt. In dem zweiten Gefäß k befindet sich Kalkmilch und wird davon in die zweite ebenfalls mit Rührwerk versehene Gefluderabtheilung y₂ so viel zulaufen gelassen, bis die Flüssigkeit alkalisch reagirt, um eventuell noch freie Phosphorsäure als drei basisch phosphorsauren Kalt zu gewinnen. Das Absetzen des meistens sehr bedeutenden, werthvollen Niederschlages findet in den je zwei mit einander verbundenen und abwechselnd in Betrieb gesetzten Klärbehältern n₁ bis n₄ statt. Bei geöffnetem Schieber l gelangt die Flüssigkeit in den Behälter n₁, dann durch Uebersteigen nach n₂; analog durch den Schieber m nach n₃ und n₄. Das geklärte Wasser fließt durch den Abflußcanal z nach den Schlammbehältern a₁, b₁ oder a₂, b₂ (Figur I bis III), vereinigt sich mit dem Inhalt derselben – unter gegenseitiger, dem Zweck entsprechender Wechselwirkung – und durchfließt zusammen zur letzten Reinigung die Filter c, d₁ und d₂. Die nähere Ausführung dieser Reinigungsanlage betreffend, so ist das Gefluder y₁, y₂ aus Holzbohlen oder Backsteinen ausgeführt, etwa 63cm breit und 95cm hoch, mit zwei Abtheilungen je 63cm lang (rund oder quadratisch). Das Rührwerk wird in geeignetster Weise von der nächstgelegenen Maschinenkraft betrieben. Der Zufluß findet vorn unten statt, der Abfluß entgegengesetzt oben; in der hintern Wand jeder Abtheilung ist unten über dem Boden ein Schieber zum Ablassen des Inhaltes. – Die Gefäße i und k sind aus Holz oder Eisen, 79cm weit und 95cm hoch. – Die Klär- oder Absatzbehälter n₁ bis n₄ sind gemauert, offen oder gedeckt, je zwei zusammengehörige in solcher Verbindung, daß das Wasser aus dem einen in das andere übersteigt; jedes Bassin mißt beiläufig 1m,3 im Quadrat und hat 1m,6 Tiefe. Der aus den Bassins n₁ bis n₄ ausgebrachte Niederschlag besitzt einen hohen agricultur-chemischen Werth und ergab in mehreren Analysen phosphorsaure Ammoniak-Magnesia mit einem Gehalt bis 28 Proc. Phosphorsäure und 10 Proc. Ammoniak, sowie verschiedene Mengen leicht löslichen basisch phosphorsauren Kalk, ferner die durch das Eisensalz gebundenen Schwefelverbindungen und anderweite stickstoffhaltige und organische Substanzen. Derselbe liefert mit dem Absatz der Schlammbehälter und dem Inhalt der Filter eine ausgezeichnete Compostmasse, welche alle hierauf verwendeten Kosten deckt. Mit der im vorstehenden behandelten Desinficirung der Abgangswässer unter Abtheilung 1 und 2 würde – nach richterlichen Erkenntnissen für Dedeleben, Schaafstädt u.a. das Condensationswasser als unschädlich frei laufen lassen zu dürfen – die in Frage stehende Aufgabe schon erledigt sein. Zur Vervollständigung gehört aber noch die Behandlung und Wiederbenutzung des Abflußwassers der Abtheilung: 3) Condensations- und condensirtes Wasser vom Verkochen des Saftes. Die Temperatur desselben im Abfluß wechselt zwischen 30 bis 60°; es ist verunreinigt durch geringe Menge flüchtiger organischer Substanzen, Ammoniak, Saft, sowie Fett und Fettsäuren u. dgl. Da in den meisten Fällen zur Condensation das mehr oder weniger kalkhaltige Brunnenwasser mit möglichst niedriger Temperatur benutzt wird und durch die Erhitzung mittels der Saftdämpfe sich der Kalkgehalt theilweise ausscheidet, wie die oft bedeutende Incrustation im Apparat und Fallrohr schon ergibt, so ist das betreffende Abgangwasser in dieser Beziehung meistens reiner, als das ursprünglich angewendete war. Von dieser großen Wassermenge wird die Kaltbereitung besorgt, auch darf es zum Speisen der Dampfkessel unbedenklich zugesetzt werden, ferner im Nothfall zum Behandeln der Knochenkohle, sowie bei starkem Frost zur Rübenwäsche. Das übrige muß, falls es noch bedeutend ist, mittels einer entsprechenden einfachen Gradir- oder Terrassenanlage, wodurch gleichzeitig auch Regeneration stattfindet, oder durch eine in Bierbrauereien übliche Flächenabkühlung möglichst in der Temperatur erniedrigt werden und ist sodann zur vollständigen Reinigung der 1. oder 2. Abtheilung, je nach der Localität, zuzuführen; bei nur geringem Ueberschuß bedarf es der vorherigen besondern Abkühlung nicht.