Titel: Ueber die Anforderungen, welche an ein zu häuslichen Zwecken bestimmtes Wasser zu stellen sind; von Ferd. Fischer.
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 517
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Ueber die Anforderungen, welche an ein zu häuslichen Zwecken bestimmtes Wasser zu stellen sind; von Ferd. Fischer. Fischer, über die Anforderungen an Trink- und Brauchwasser. Die vierte Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Düsseldorf am 29. Juni bis 1. Juli 1876 nahm folgende Thesen an: 1. Die zwiefache Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege, Reinhaltung der menschlichen Wohnplätze und Versorgung derselben mit gesundem Trinkwasser ist namentlich für Städte nur mittels allgemeiner Wasserleitungen zu lösen. 2. Eine einheitliche Zuführung von Brauch- und Trinkwasser ist einer Trennung beider vorzuziehen. 3. Was die Qualität anbetrifft, so können Grenzwerthe für die erlaubte und unschädliche Menge fremder Bestandtheile im Wasser zur Zeit nicht aufgestellt werden. Die Hauptsache ist, daß durch die Art der Anlage eine Verunreinigung namentlich durch animalische und excrementielle Stoffe, sowie durch häusliche Abfallstoffe ausgeschlossen ist. Der Härtegrad soll ein solcher sein, daß das Wasser ohne wirthschaftlichen Nachtheil zu allen häuslichen und gewerblichen Zwecken verwendet werden kann. 4. Die disponible Quantität soll, unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Bevölkerungszunahme und des wachsenden Consums des Einzelnen, eine solche sein, daß entweder durch Vergrößerung des Werkes oder durch Eröffnung neuer Bezugsquellen zu jeder Jahreszeit und auf Jahre hinaus allen Ansprüchen mit größter Sicherheit genügt werden kann. 5. Quellwasser, Grundwasser, filtrirtes Flußwasser vermögen die gestellte Aufgabe zu erfüllen; welche Art von Wasserversorgung im einzelnen Falle den Vorzug verdient, hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Unter sonst gleichen Qualitä'ts- und Quantitäts-Verhältnissen ist dem Wasser der Vorzug zu geben, welches a) durch die Sicherheit und Einfachheit der Anlage die größte Garantie für den ungestörten Bezug bietet, b) den geringsten Aufwand an Anlage- und kapitalisirten Betriebskosten erheischt. 6. Das Wasser ist unter solchem Druck zur Abgabe zu bringen, daß es in sämmtlichen Wohnräumen des Orts aus Rohrleitungen entnommen werden kann, wobei auf künftige Stadterweiterung die nöthige Rücksicht genommen werden muß. 7. Die Abgabe des Wassers soll eine constante, nicht auf einzelne Tageszeiten beschränkte sein. 8. Da erfahrungsgemäß die Qualität des Wassers einem Wechsel unterworfen sein kann, so ist es dringend erwünscht, daß regelmäßige, etwa monatliche Wasseruntersuchungen vorgenommen werden. Vom Verein ist eine Commission niederzusetzen, welche anzugeben hat, auf welche Stoffe diese Untersuchungen auszudehnen und welche einheitlichen Untersuchungsmethoden zur Anwendung zu bringen sind; diese Commission wird auch mit der Aufstellung von Grenzwerthen sich zu befassen haben.“ Hier wird also filtrirtes Flußwasser auf gleiche Stufe mit dem Quellwasser gestellt und bei Anlage einer Wasserversorgung namentlich der Kostenpunkt berücksichtigt. Die geringe Majorität (42 gegen 40), mit welcher diese principielle Gleichstellung des Fluß- und Quellwassers ausgesprochen wurde, der Widerspruch, den dieser Beschluß bereits gefunden hat, wird eine Besprechung der Anforderungen, welche an ein Trink- und Brauchwasser zu stellen sind, rechtfertigen. Bekanntlich enthält der Körper eines erwachsenen, 70k schweren Menschen etwa 41k Wasser (1874 214 384), von dem durch den Stoffwechsel täglich erhebliche Mengen als Harn, bei der Stuhlentleerung, als Schweiß oder Ausdünstung und beim Athmen ausgeschieden werden und somit wieder ersetzt werden müssen. Dieser Ersatz geschieht theils als Trinkwasser, theils als künstlich zubereitete Getränke, theils aber auch durch die verschiedenen Speisen, welche sämmtlich wasserhaltig sind. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß die Beschaffenheit des Genußwassers auf das Wohlbefinden des Menschen von großem Einfluß sein muß. Schon im Alterthum legte man großen Werth auf die Beschaffung eines guten Trinkwassers. Hippokrates meint, der Genuß des Sumpfwassers habe Milzanschwellung und Abmagerung zur Folge, Flußwasser bewirke Stein und Nierenkrankheiten. Plinius fordert von einem Trinkwasser, daß es wie die Luft geruchlos und ohne Geschmack sei; es soll nicht lehmig sein, keinen Absatz machen und nicht schwer im Magen liegen. Stagnirendes Wasser wird verworfen, lebhaft fließendes Wasser vorgezogen, da es im Laufe besser werde. Auch die Indier, Perser und Aegypter schrieben den verschiedenen Wässern gute oder schlechte Eigenschaften zu.Lersch: Das Trinkwasser S. 8 und 10. Fortgesetzte Beobachtungen haben bei den Aerzten die Ueberzeugung begründet, daß gewisse epidemische Krankheiten, wie Cholera und Typhus, durch das Trinkwasser verbreitet werden. Dies ist namentlich bestimmt ausgesprochen in dem sechsten Bericht der englischen Rivers Pollution Commission (p. 427):Rivers Pollution Commission (1868). Sixth report of the Commissioners appointed in 1868 to inquire into the best means of preventing the pollution of rivers. (London 1874.) 1. Daß Wasser, welches durch die Entleerungen der an Cholera und Typhus Leidenden verunreinigt ist, diese Krankheiten fortpflanzt, unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr. 2. Selbst Wasser, welches nur sehr wenig inficirt ist, verbreitet diese Epidemien. 3. Die beste künstliche Filtration verhindert die Ansteckung nicht. Ein halbstündiges Kochen ist wahrscheinlich ein Mittel, um einer Verbreitung dieser Krankheiten vorzubeugen. 4. Andere Epidemien, wie Ruhr und Diarrhöe, werden wahrscheinlich auch durch Trinkwasser fortgepflanzt; doch ist dies noch nicht ganz sicher festgestellt. Gestützt ist dieser Ausspruch auf die Erfahrungen der bedeutendsten Aerzte aus London, Manchester, Glasgow, Bristol, Southampton und zwanzig andern großen englischen Städten, sowie aus Calcutta bezüglich der Cholera, und aus zwölf der bedeutendsten Städte Englands über Typhus. Es ist hier nicht der Ort, auch nur einen Auszug dieses auf 44 Folioseiten niedergelegten, ungemein reichen Materials zu geben, und kann lediglich auf den Bericht (p. 140 bis 184) selbst verwiesen werden. Die Verbreitung der Cholera durch das Genußwasser hat unter den deutschen Aerzten namentlich Prof. Förster Förster: Die Verbreitung der Cholera durch die Brunnen (Breslau 1973). eingehend behandelt. Nach ihm wird das Choleracontagium in den Abtrittsgruben, in welche die Choleraabgänge hineingerathen, oder in dem Boden ihrer Umgebung gereift, vermehrt sich vielleicht daselbst, dringt durch die Erdschichten in unsere Brunnen und wird durch deren Wasser dem menschlichen Körper zugeführt. Dies ist der häufigste – obschon nicht der einzige Weg, welchen das Choleragift nimmt, vielleicht aber der einzige, der die Entstehung größerer Epidemien bedingt. Förster stützt diese Trinkwasser-Theorie durch den Nachweis, daß Orte, welche nicht aus dergleichen von den Abtritten inficirten Brunnen ihr Wasserbedürfniß befriedigen, sondern auf einem Wege, welcher die Infection des Wassers ausschließt, cholerafrei bleiben; sowie daß alle unsere gewöhnlichen, in die Erde gegrabenen Brunnen unter dem Einflusse der Abtritte stehen. Den Zusammenhang der Cholerafrequenz mit dem Schwanken des Grundwassers erklärt Förster dahin, daß bei hohem Grundwasserstand, wo das den Brunnen umgebene Erdreich vollgesogen ist, aus den Abtrittsgruben nur wenig austreten wird, daß aber beim Sinken des Grundwassers die Abtrittsjauche nicht nur reichlich in den Boden, sondern auch, namentlich bei raschem Sinken, schneller den Brunnen zugeführt wird. Lang dauernder niedriger Grundwasserstand ist der Verbreitung der Cholera ebenfalls hinderlich, da die Jauche von dem Boden zurückgehalten wird; steigt dann aber in Folge von Regen das Grundwasser wieder, so werden die inficirten obern Bodenschichten von neuem ausgelaugt, die Cholera nimmt wieder zu. Daß ein durchlässiger, poröser Boden dieses Fortwandern der das Choleracontagium enthaltenden Abtrittsflüssigkeiten begünstigen, ein undurchlässiger Felsen- oder fetter Thonboden hindern, ja unmöglich machen muß, ist selbstverständlich. – Förster führt hier und in einer spätern ArbeitZeitschrift für Epidemiologie, 1874 S. 81. (Abgekürzt: Z. E.) eine größere Anzahl Orte an, welche entweder durch Leitungswasser von außen versorgt werden, oder aber sorgfältig gesammeltes Regenwasser verwenden und von der Cholera verschont geblieben sind, selbst wenn diese Krankheit eingeschleppt wurde. Nach ihm ist zur Ausbildung einer Ortsepidemie nothwendig: 1. Eine Person, die an Cholera oder Choleradiarrhöe leidet. 2. Daß die Dejectionen derselben in den Boden gelangen. 3. Daß der Boden gewisse Eigenschaften habe in Bezug auf Durchlässigkeit, Feuchtigkeit u.s.w. Nur unter den aus diesen Eigenschaften resultirenden Verhältnissen entwickelt sich das Choleragift, das nur ein organisches sein kann. 4. Der Boden muß Wasser enthalten, welches in Brunnen, Pfützen, Gruben u.s.w. sich sammelt. Statt der Punkte 2 bis 4 genügt es auch, daß die Dejectionen direct in Wasserläufe gelangen. 5.Dieses inficirte Wasser muß zu Haushaltungszwecken benutzt werden. 6. Es muß eine individuelle Disposition vorhanden sein. SanderCorrespondenzblatt des niederrheinischen Vereins für Gesundheitspflege, 1872 S. 141. legt in einer längern kritischen Arbeit die Gründe dar, welche für die Verbreitung der Cholera durch die Brunnen sprechen, und nach denen nur falsch ist, das Wasser als den einzigen Träger des Cholerastoffes anzusehen. Wolf Wolf: Der Untergrund und das Trinkwasser der Städte (Erfurt 1873). theilt eine große Anzahl Fälle mit, aus denen bestimmt hervorgeht, daß schlechtes Trinkwasser Diarrhöe hervorruft und zum Verbreiter von Cholera, Marschfieber, Ruhr und Typhus werden kann. Besonders wird hervorgehoben, daß solches Wasser oft vollkommen klar, frisch, wohlschmeckend und daher sehr beliebt ist, daß aber die Untersuchung eine Verunreinigung desselben durch Grubeninhalt nachwies. Nach dem Bericht über die Choleraepidemie des J. 1873 im Regierungsbezirk Gumbinnen wurde in 8 Orten das Wasser als Träger des specifischen Ansteckungsstoffes bezeichnet. (Z. E. 1874 S. 247 u. 267.) A. Hirsch hat in seinem an das Reichskanzleramt erstatteten Reisebericht über die Cholera in Posen und Preußen im J. 1873 (S. 18) eine Anzahl Thatsachen über die Verbreitung der Cholera durch (inficirtes, resp. durch Choleradejectionen verunreinigtes) Wasser festzustellen vermocht, läßt aber unentschieden, ob die Wirkung des durch excrementielle Stoffe verunreinigten Wassers eine specifische gewesen ist, oder ob der Genuß desselben nur einen allgemein schädlichen Einfluß auf den Organismus und speciell auf die Darmschleimhaut geäußert, also nur prädisponirend gewirkt hat. Auch die Choleraberichte von Breslau (Z. E. 1874 S. 463), MagdeburgDeutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, 1875 S. 185. (Abgekürzt: V. G.) und aus den Niederlanden (Z. E. 1874 S. 213) schreiben dem Wasser einen Einfluß auf die Verbreitung der Cholera zu.Vgl. Küchenmeister: Verbreitung der Cholera (Erlangen 1872) S. 72. Verhandlungen der Choleraconferenz in Weimar am 28. und 29. April 1867 S. 13 bis 68; V. G. 1872 S. 174 n. 183. 1874 S. 48. 1875 S. 283. Wie bereits erwähnt, wird von den englischen Aerzten die Verbreitung des Typhus durch Trinkwasser für bewiesen erachtet; auch die deutschen Aerzte sehen das Wasser theils als Hauptträger des Typhuskeimes an, theils schreiben sie der inficirten Luft (1873 210 126) einen mehr oder minder großen Einfluß auf die Verbreitung dieser Krankheit zu. Prof. Lindwurm, Arzt am Allgemeinen Krankenhause in München, hält den Abdominaltyphus für eine specifische Infectionskrankheit parasitärer Natur, ähnlich dem Milzbrande. Die Keimstätte des Giftes (wahrscheinlich Bakterien) liegt außerhalb des Organismus an Orten, an denen der pflanzliche Parasit unter den ihm nöthigen Bedingungen keimt, sich weiter entwickelt, reift. Eine für Lindwurm zweifellose Verbreitungsweise des Typhus ist die durch das Trinkwasser, und grade in ihr liegt für ihn ein Argument für die Natur des Typhus als Bodenkrankheit. (V. G. 1873 S. 498.) Nach Biermer Entstehung und Verbreitung des Abdominaltyphus: Sammlung klinischer Vorträge Nr. 53. wird die Entstehung von kleinern und größern Erkrankungsgruppen durch infectiöses Trinkwasser durch so zahlreiche Erfahrungen unterstützt, welche auf keine andere Weise befriedigend erklärt werden können, daß sie für den Typhus als gesichert anzusehen ist. Lersch (Trinkwasser S. 46) stellt eine große Anzahl Fälle zusammen, in denen besonders fauliges Wasser, welches organische, in Zersetzung befindliche Stoffe enthielt, zum Erzeuger oder Verbreiter von Typhus und anderer Krankheiten wurde. Küchenmeister (Z. E. 1874 S. 1) führt eine Typhusepidemie auf einen stark verunreinigten Brunnen zurück. Aehnliche Mittheilungen liegen vor von Hägler (V. G. 1874 S. 154), Köstlin (V. G. 1874 S. 157), Liebermeister Deutsches Archiv für klinische Medicin 1870., F. Schulze (1868 188 199), G. Varrentrapp G. Varrentrapp: Entwässerung der Städte (Berlin 1868) S. 101., Wiehn Wiehn: Ueber Trinkwasser (Hildesheim 1874) S. 9., Wolfsteiner (V. G. 1872 S. 570. 1873 S. 95), Zuckschwerdt (V. G. 1873 S. 585), dem ärztlichen Vereine in Hannover (1874 212 78) und Andern.Z. E. 1874 S. 25, 473 u. 476. 1875 S. 300. V. G. 1870 S. 94. 1872 S. 274, 336, 342 u. 511. 1873 S. 393. 1874 S. 159. 1876 S. 148. Daß man übrigens auch schlechtes Wasser trinken kann, ohne gerade Typhus und Cholera zu bekommen, ist wohl selbstverständlich. Schlechte Luft, verdorbenes Wasser (wenn dieselben nicht etwa den Ansteckungsstoff selbst aufgenommen haben) wirken nach Ackermann Ackermann: Ueber die Ursachen epidemischer Krankheiten (Berlin 1873). an sich nur prädisponirend, sie schwächen die Widerstandsfähigkeit unseres Körpers gegen Ansteckung. Pettenkofer, welcher die directe Uebertragbarkeit des Typhus durch Trinkwasser bezweifelt (V. G. 1874 S. 233)Medicinalrath Köllner theilt mit, daß in den Annales d'hygiène publique, Januar 1877 S. 23 angegeben sei, Pettenkofer habe, in Rücksicht auf die Erfurter Verhältnisse im J. 1866 um Rath gefragt, sich dahin ausgesprochen, daß unter gewissen Bedingungen das Trinkwasser unbestreitbar zur Verbreitung der Cholera beitrage., spricht sich an einer andern StellePettenkofer: Was man gegen die Cholera thun kann. (München 1873.) Verhandlungen der Choleraconferenz in Weimar 1867 S. 56.Prof. v. Pettenkofer bemerkt zu dieser Zusammenstellung brieflich (11. Februar 1877): So sehr ich mit dem chemischen und technischen Theile des vorliegenden Berichtes über Trinkwasser einverstanden bin, so wenig ist es der Fall mit den hier vorgetragenen Ansichten über den Einfluß von Trinkwasser auf das Entstehen von Typhus- und Choleraepidemien. Man glaubt nur, man müsse Typhus und Cholera herbeirufen, um die Menschen zu bewegen, kein schmutziges Wasser zu trinken, ihre Wohnungen überhaupt mit reinem Wasser zu versorgen; aber dies ist ganz überflüssig und bringt hintennach nur gesundheitswirthschaftlichen Schaden, da die Leute glauben, wenn sie nur ein gewisses Wasser trinken, dann brauchen sie weiter nichts; und wenn diese Epidemien doch wieder kommen, dann erfolgt eine große Entmuthigung, ein Widerwille gegen alle sanitäre Reformen. Da nach Canalisirung und Wasserversorgung Croydon, Cambridge und andere englische Orte wieder Typhoidepidemien erhalten haben, so sagt man dort jetzt die sewers und die sewer-Luft hätten diese Epidemien gemacht, man habe damit ein größeres Unheil angerichtet, als zuvor da war. Die Leute halten sich betrogen, weil man ihnen gesagt hat, sie brauchen weiters nichts zu thun, als die excrementiellen Stoffe fortzuspülen, um vor Typhoid sicher wohnen zu können. – v. Pettenkofer verweist dann auf die von ihm im nächsten (2.) Hefte der Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege erscheinende Arbeit über Trinkwasser und Cholera, und auf die „Vorlesungen über allgemeine und experimentelle Pathologie“ von Prof. Stricker (S. 128) und schließt: „Gute Canalisirung, reines Wasser haben so viele Gründe für sich, daß man auch ohne so doctrinäre zweifelhafte Behauptungen dafür wirken kann.“ – In der soeben als Separatabdruck aus der Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege (bei Fr. Bieweg und Sohn in Braunschweig) erschienenen, oben erwähnten Abhandlung Pettenkofer's sagt Verfasser S. 40: „Ich stelle im Gegentheil diesen Werth (des reinen Trinkwassers) viel höher als die Trinkwasser-Theoretiker, denn ich behaupte, daß reines Trinkwasser nicht nur zur Cholerazeit, sondern zu jeder Zeit ein Erforderniß für unsere Gesundheit ist. dahin aus, daß wenn der Genuß eines reinen Trinkwassers schon zu gewöhnlichen Zeiten für die Gesundheit nothwendig sei, so sei das bei jeder Art von Epidemie noch mehr der Fall. Man brauche nicht einmal der Ansicht zu sein, daß dieselben geradezu aus den Brunnen geschöpft werden, um den Werth eines reinen Trinkwassers gehörig und richtig zu schätzenNach Farr würde man in England und Wales die Zahl der jährlichen Todesfälle um 30000 verringern können, wenn man für reine Luft und gesundes Trinkwasser sorgte. (V. G. 1870 S. 95.); „es ist mit dem unreinen Trinkwasser wie mit dem Schmutz im Hause: beide sind schädlich, auch wenn keine Epidemie herrscht. Man würde den Werth von reinem Boden, reinem Wasser und reiner Luft viel zu gering schätzen, über Gebühr herunterwürdigen, wenn man annehme, daß diese Dinge nur bei einzelnen, zeitweise auftretenden specifischen Krankheiten von Werth und Einfluß wären; sie sind es immer, denn sie ersparen unserm Organismus fortwährend viele unnütze Reibung und Abnutzung und damit auch Kraft, sie machen uns dadurch überhaupt gesunder und stärker und widerstandsfähiger gegen alle Krankheiten und damit selbstverständlich auch gegen Cholera und Typhus.“ Auch auf die Verbreitung von Ruhr und Wechselfieber ist schlechtes Trinkwasser von Einfluß (Correspondenzblatt des niederrheinischen Vereins für Gesundheitspflege, 1876 S. 45. V. G. 1871 S. 463. 1875 S. 637. Lersch: Trinkwasser S. 49). Wenn somit auch über die Größe des Einflusses, welchen das Wasser auf die Verbreitung von Krankheiten hat, die Ansichten der Aerzte noch aus einander gehen, so stimmen doch sämmtliche darin überein, daß ein zu Genußzwecken bestimmtes Wasser vor allen Dingen nicht verunreinigt sein darf durch menschliche Excremente oder sonstige thierische Abfallstoffe. (Daß ein derartig verunreinigtes Wasser jedenfalls im höchsten Grade unappetitlich ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung). Sache des Chemikers ist es nun, im gegebenen Falle festzustellen, ob ein Wasser verunreinigt ist oder nicht, während der Ingenieur die Aufgabe hat, das für rein befundene Wasser in geeigneter Weise den Wohnungen zuzuführen. In dem Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungscommission des Gemeinderathes der Stadt Wien (Wien 1864) sind auch die Erfordernisse festgestellt, denen ein gesundes Wasser genügen muß: 1. Ein in allen Beziehungen tadelloses Wasser muß klar, hell und geruchlos sein. 2. Es soll nur wenig feste Bestandtheile enthalten und durchaus keine organisirten. 3. Die alkalischen Erden in Summe dürfen höchstens 18 Th. Kalk in 100000 Th. Wasser entsprechen (0g,18 im Liter). 4. Die für sich im Wasser löslichen Körper dürfen nur einen kleinen Bruchtheil der gesammten Salzmenge betragen; besonders dürfen keine größern Mengen von Nitraten und Sulfaten vorkommen. 5. Der chemische Bestand, sowie die Temperatur soll in den verschiedenen Jahreszeiten nur innerhalb enger Grenzen schwanken. 6. Verunreinigende Zuflüsse jeder Art sollen fern gehalten werden. 7. Den gestellten Anforderungen genügt nur ein weiches Quellwasser; dieses ist allein zur Trinkwasserversorgung geeignet. 8. Die Industrie bedarf für ihre Zwecke ein Wasser von nahezu derselben Beschaffenheit. 9. Filtrirtes Flußwasser, wenn es jederzeit frei von Trübungen erhalten werden kann, ist zu den Gewerbebetrieben geeignet, aber wegen der nicht erfüllten Bedingungen in 5 und 6 als Trinkwasser nicht anwendbar. 10. Zur Bespritzung und Reinigung der Straßen taugt jedes Wasser, das geruchlos ist und keine erheblichen Mengen von faulenden Substanzen enthält. WeltzienDie Brunnenwasser der Stadt Carlsruhe. Nach den Vorträgen von Weltzien, bearbeitet von C. Birnbaum (Carlsruhe 1866) S. 10. und Reichardt Reichardt: Grundlagen zur Beurtheilung des Trinkwassers (Jena 1875) S. 4. schließen sich diesen Anforderungen an, während der Verfasser (1873 210 287) sie etwas anders faßte. Wiebel Wiebel: Die Fluß, und Bodenwässer Hamburgs (Hamburg 1876) S. 101. fordert von einem zur rationellen Versorgung einer Stadt bestimmten Wasser in gesundheitlicher Beziehung: 1. Das Wasser muß klar, farb- und geruchlos sein und ist um so besser, je reicher es an Kohlensäure und Sauerstoff, und je gleichmäßiger seine Temperatur ist. 2. Das Wasser darf keine gröbern, schwimmenden Organismen enthalten. 3. Das Wasser darf in keiner erkennbaren Weise inficirt, d.h. mit menschlichen und thierischen Abfallstoffen und Fäulnißproducten verunreinigt sein. 4. Deshalb darf dasselbe zunächst bei mikroskopischer Prüfung keine irgendwie reichlichere Entwicklung niederer Fäulnißorganismen offenbaren. 5. Aus demselben Grunde darf dasselbe in seiner chemischen Constitution die sogenannten Grenzzahlen nicht gleichzeitig in mehreren Werthen übersteigen. Von besonders hohem Werthe ist es natürlich, die verunreinigenden thierischen AbfallstoffeDie menschlichen Fäces bestehen aus etwa 75 Proc. Wasser, Speiseresten, geringen Mengen von Cholestearin, Excretin, Taurin, Cholsäure, Buttersäure, Milchsäure, enthalten bei Typhus und Dysenterie Albumin, bei Cholera auch Leucin und Tyrosin; an unorganischen Stoffen: phosphorsauresphoshporsaures Magnesium und Ammonmagnesium, phosphorsaures Calcium, Eisen, Kieselsäure, dagegen wenig Alkalien. Cholerastühle sind reich an Kochsalz; auch Typhusstühle enthalten Chloralkalien. 1l Harn enthält im Durchschnitt 23g Harnstoff, 11g Chlornatrium, 1g,3 Schwefelsäure, Harnsäure u.s.w. im Wasser selbst nachzuweisen. Dieselben zerfallen jedoch unter dem Einfluß niederer Organismen (1876 221 285) sehr rasch in noch wenig gekannte Zwischenproducte und bilden unter Absorption des atmosphärischen Sauerstoffes Kohlensäure, sowie Ammoniak, dann salpetrige Säure und Salpetersäure. Diese Oxydation geht in Wasserläufen nur langsam vor sich, rasch dagegen im porösen Boden. Die Phosphate, die stickstoffhaltigen organischen Stoffe und das Ammoniak werden vom nicht verunreinigten Boden zurückgehalten, so daß selbst unreines Wasser, wenn es durch eine dicke Erdschicht hindurch gesickert ist, verhältnißmäßig rein abläuft. Die Chloride und Nitrate, sowie auch die Sulfate werden dagegen von dem Wasser aufgenommen und den Brunnen oder Quellen zugeführt. Haben sich jedoch die Verunreinigungen so stark angehäuft, daß sie nicht mehr völlig oxydirt werden können, so wird die Absorptionskraft des Bodens erschöpft, und es treten in dem abfließenden Wasser salpetrige Säure und Ammoniak, sowie auch die in Zersetzung begriffenen organischen Stoffe auf. Die aus den organischen Stoffen gebildete Kohlensäure wird ebenfalls vom Wasser aufgenommen, ertheilt demselben den bekannten angenehmen Geschmack und veranlaßt die Lösung von kohlensaurem Kalk und kohlensaurer Magnesia als Bicarbonate, so daß auch die Härte des Brunnenwassers meist in mehr oder weniger hervortretender Beziehung zu den übrigen Verunreinigungen steht. Bei Beurtheilung eines Genußwassers sind also namentlich die Stoffe ins Auge zu fassen, welche eine Verunreinigung mit thierischen Substanzen beweisen, folglich außer den organischen Stoffen selbst Ammoniak, salpetrige Säure, Salpetersäure und Chlor; minder wichtig ist die Bestimmung der Schwefelsäure, des Kalkes, der Magnesia und der übrigen Bestandtheile. (Schluß folgt.)