Titel: Ueber den Verbrennungspunkt; von A. Mitscherlich.
Fundstelle: Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 61
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Ueber den Verbrennungspunkt; von A. Mitscherlich. Mit Abbildungen. Mitscherlich, über den Verbrennungspunkt. Unter Verbrennungspunkt eines Körpers verstehe ich die Temperatur, bei welcher derselbe zuerst freien reinen Sauerstoff aufnimmt, mag diese Aufnahme nun in einer Oxydation des unzersetzten Körpers beruhen, oder mag sie unter Zerlegung desselben vor sich gehen; mag diese langsam unter schwer beobachteter Wärmeerzeugung oder schnell unter heftiger Wärme- und Lichtentwicklung entstehen. Die Lichtentwicklung wird häufig in den Begriff der Verbrennung hineingezogen. Da dieselbe aber von nebensächlichen Umständen abhängt, so darf sie nicht als Erforderniß für die Verbrennung oder den Verbrennungspunkt gelten. Obgleich seit langer Zeit die Verbrennungserscheinungen mit der größten Aufmerksamkeit studirt werden, so finden wir doch nur bald hier, bald dort sehr vereinzelte Angaben über die Temperatur, bei der ein Körper sich oxydiren oder verbrennen soll; genauere Untersuchungen fehlen uns hierüber gänzlich. Der Grund dafür, daß man diesen Erscheinungen bis jetzt so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, liegt wohl wesentlich in der Beobachtung, daß die Temperatur, die zur Einleitung des Verbrennungsprocesses nothwendig ist, je nach Umständen eine verschiedene sein kann. So wird bekanntlich die Entzündung des Wasserstoffes leicht durch fein vertheiltes Platin bei gewöhnlicher Temperatur bewirkt, welche sonst nur bei sehr hohen Temperaturen entsteht. Außerdem nahm man in der Regel an, daß die Verbrennung unter einfachen Verhältnissen meist nur bei nicht mehr bestimmbarer Temperatur vor sich geht. Ehe ich die bei den Untersuchungen erhaltenen Resultate vorführe, will ich das Verfahren kurz angeben, durch welches sie gewonnen sind, und zunächst die Apparate beschreiben, welche zur Bestimmung des Verbrennungspunktes der Gasarten bei hohen Temperaturen erforderlich sind, und dann die Abänderungen angeben, welche dieselben bei andern Bestimmungen erleiden. Sie können bei diesen meist unverändert oder in einfacherer Zusammenstellung wieder angewendet werden. Zur Bestimmung des Verbrennungspunktes der Gasarten bei hohen Temperaturen benutze ich einen größern Gasofen, bestehend in einem Brenner a mit einem doppelten Mantel von Eisenblech b, über welchen letztern ein Schornstein von Eisenblech c gestülpt werden kann, wie in der beigegebenen Zeichnung zum Theil im Durchschnitt und zum Theil in der Ansicht dargestellt ist. Der Schornstein c hat auf der einen Seite einen Ausschnitt von unten mit der Weite von 15mm bis zur Höhe von 115mm und ferner noch andere ganz kleine Ausschnitte für später beschriebene Röhren i an den für diese erforderlichen Stellen. Um den ganzen Gasofen ist ein kreisförmig gebogener Schirm f von der Höhe des Ofens mit einem Ausschnitt für den Gas zuführenden Schlauch gestellt, welcher die starke Wärmeausstrahlung des Ofens mildert und die Luft, die zwischen Ofen und Schirm hindurch zu den Brennern gelangt, schon stark erwärmt. Auf Metallstäben d steht ein 123mm hoher und 80mm weiter Tiegel e von Eisen, in welchem ein zweiter Tiegel h von gezeichneter Form aus gebranntem und glasirtem Thone hängt. Theetassen sind von der Form und dem Material des letztern sehr leicht zu beschaffen und erfüllen den Zweck vollkommen. Dieser Tiegel h wird verdeckt mit einem kreisförmig ausgeschnittenen Eisenblech, welches auf der obern Erweiterung des Tiegels h ruht und einen Durchmesser von 78mm hat. In diesem Blech ist ein Ausschnitt bis über die Mitte in der Weite von 14mm angebracht, um dasselbe bei dem Rohr eines Thermometers vorbeizuschieben. Das Blech ist wegen seiner einfachen Form nicht besonders in der Zeichnung aufgeführt; ebenso ein dritter Tiegel von derselben Form wie h, dessen Boden zum größten Theil entfernt ist, um der Kugel des Thermometers den Durchgang zu gestatten, und dessen Rand für eine oder zwei Röhren von der Form i bis zur nöthigen Tiefe an den betreffenden Stellen eingefeilt ist. Derselbe wird umgekehrt auf den Tiegel h gestellt und nach der Zusammenstellung der übrigen Apparate mit Ausnahme des Schornsteins c durch die Oeffnung im Boden mit lockerem Asbest gefüllt. Textabbildung Bd. 224, S. 62 Außer dieser Heizvorrichtung wird noch ein Druckthermometer mit einer Porzellankugel benutzt. Die Kugel des Thermometers befindet sich im Thontiegel h, das Rohr an derselben geht durch die angegebene Oeffnung des Bedeckungsbleches, durch die Oeffnung des obern Tiegels und nach rechtwinkliger Biegung durch den erwähnten größern Ausschnitt des Schornsteins. Mittels des beschriebenen Gasofens wird nun eine sehr hohe Temperatur bewirkt. Zur Ausgleichung der durch diesen entstehenden einseitigen Erwärmung und zur Beseitigung einer einseitigen Abkühlung des Tiegels h sind die eben beschriebenen Einrichtungen nothwendig geworden. Um die auf den Verbrennungspunkt zu untersuchende Gasart den hohen Temperaturen auszusetzen, wird ein Glasrohr i von sehr schwer schmelzbarem Glase, mit enger Oeffnung und einer Erweiterung bei j, wie die Zeichnung angibt, gebogen. Das Rohr i wird gegen die directe Erwärmung durch die Flamme da, wo letztere Zutritt hat, durch einen um dasselbe gebogenen Streifen Eisenblech geschützt. Mit diesem Rohre steht mittels eines Kautschukschlauches, in welchem sich etwas Asbest befindet, ein kleines Röhrchen l mit wasserfreier Phosphorsäure auf der einen Seite in Verbindung; an der andern Seite desselben und an dem Rohr l befinden sich zwei U-förmig gebogene, mit etwas Schwefelsäure gefüllte Röhrchen k und m. In das Röhrchen k tritt die mit Sauerstoff gemengte Gasart durch den fast vollständig mit Wasser gefüllten Cylinder n mittels eines Tubulus und des Kautschukschlauches p aus einem kleinen Gasbehälter hinein. Durch einen Quetschhahn findet die Regulirung des Gasstromes statt. In dem U-förmigen Rohre m läßt sich durch Veränderung des Standes der Flüssigkeit leicht erkennen, ob in dem Glasrohr I j eine Verdichtung der Gasart stattfindet, oder ob eine Explosion in demselben vor sich geht. Zur bessern Wahrnehmung des dabei entstehenden Schalles wird das Rohr m zweckmäßig entfernt. Davor, daß eine solche Explosion nicht gefährlich werden kann, schützen die kleinen Mengen Asbest in dem Kautschukschlauche zwischen Rohr l und i, welche das Weitergehen der Explosion fast immer verhindern, ferner das Phosphorsäurerohr l, das U-förmige Rohr k und bis zur vollkommenen Sicherheit der Cylinder n. Die Röhrchen k und l haben den Zweck, die Gasart zu trocknen. Die Erweiterung des Rohres ij gestattet eine größere Aufnahme der Gasarten, während Temperaturveränderungen außerhalb des Tiegels h der geringen Menge des Gases im Rohre i wegen keine bemerkbare Veränderung des ganzen Gasvolums bewirken. Scheidet sich durch den Verbrennungsproceß ein fester oder flüssiger Körper im Rohre ij ab, so muß dasselbe wiederholt nach den entstandenen Verbrennungen gereinigt oder erneuert werden. Es gilt dies auch für alle nachfolgenden Bestimmungen. Sollen Verbrennungspunkte bestimmt werden, so werden die Apparate nach Anbringen von ein, zwei oder mehr Röhren von der Form ij, wie beschrieben, zusammengestellt. Nachdem durch die Gasflammen die Erwärmung bewirkt und die Bestimmung gemacht ist, läßt man in der gleichen Zusammenstellung die erhitzten Apparate erkalten, damit nicht durch schnellere Abkühlung die Kugel des Thermometers springen kaun. Sobald der Verbrennungspunkt erreicht ist, verbrennt sehr schnell, meist plötzlich das Gasgemenge, da die Molecüle des Sauerstoffes und der Gasart sich dicht neben einander befinden. Ist das Gemenge des Sauerstoffes und der Gasart nicht zu verschieden von dem, welches der Zusammensetzung des Verbrennungsproductes entspricht, so tritt Entzündung unter Explosion ein. Auf drei verschiedene Weisen kann jetzt der Verbrennungspunkt gefunden werden, entweder durch die mittels Auge und Ohr wahrnehmbaren Entzündungen oder durch das Zurücktreten der Flüssigkeit im Rohr m oder durch Erkennung eines Verbrennungsproductes. Die erste Methode ist, wenn sie möglich, in den meisten Fällen als die bequemste vorzuziehen. Man läßt bei dieser durch Rohr ij einen nicht zu langsamen Gasstrom (ungefähr in jeder Secunde eine Blase im Rohr k) treten und beobachtet bei der Erwärmung die Temperatur der ersten und bei der Abkühlung die der letzten Explosion. Dieselbe Operation wird dann zur genauen Bestimmung unter ganz langsamer Erwärmung und Abkühlung in der Nähe der zuerst gefundenen Temperaturen wiederholt. Diese letztern beiden Bestimmungen dürfen nicht um einen Grad von einander abweichen. Ist der Verbrennungspunkt erreicht oder überschritten, so folgen die Explosionen regelmäßig auf einander. Läßt sich der Verbrennungspunkt durch Explosionen nicht feststellen, so wird derselbe bei Gasarten, welche bei der Verbrennung des Gasgemenges eine Verdichtung erleiden, durch Zurücktreten der Flüssigkeit im Rohre m erkannt, welche vorher in Folge der Ausdehnung der Gasarten durch die Wärme emporgedrängt wurde. Auch diese Beobachtungen werden zur genauern Feststellung des Verbrennungspunktes unter ganz langsamer Steigerung der Temperatur wiederholt. Das Gasgemenge wird bei diesen Bestimmungen unter zeitweiligem Oeffnen des Quetschhahnes häufiger erneuert. Werden Gasgemenge untersucht, bei denen keine Explosion und keine Verdichtung bei der Verbrennung stattfindet, oder will man Erscheinungen beobachten, die eine sehr schwache Verbrennung geben, so wird der Verbrennungspunkt durch Nachweisung eines Verbrennungsproductes erkannt. Für Körper, in denen durch gebildetes Wasser der Verbrennungspunkt nachgewiesen werden soll, wird nach dem sorgfältigen Trocknen von Rohr ij zwischen Rohr l und i ein innerhalb mit wasserfreier Phosphorsäure durch Schütteln wenig bestäubtes dünnes Glasrohr eingeschaltet und ein eben solches zwischen Rohr i und m. Die hierbei in Anwendung kommenden Kautschukverbindungen werden mit Provenceröl durch Bepinseln stets gut bedeckt gehalten, um die Diffusion des Wasserdampfes aus der atmosphärischen Luft in den Schlauch zu verhindern. Durch das erste Röhrchen wird zunächst erkannt, ob vollkommen trockne Gasarten in Rohr ij hineintreten, und durch das zweite, ob ein vollkommenes Trocknen des Rohres ij bewerkstelligt ist. Ist dies letztere bewirkt, so wird unter langsamem Hindurchleiten des Gasgemenges mittels des Quetschhahnes mit Hilfe des Durchsichtigwerdens der wasserfreien Phosphorsäure im zweiten Röhrchen das entstandene Wasser nachgewiesen. Für Körper, in denen durch gebildete Kohlensäure der Verbrennungspunkt erkannt werden soll, wird bei der frühern Zusammenstellung der Apparate statt des Röhrchens k ein mit Kalilösung gefüllter Kaliapparat eingeschaltet, an dessen Ausgang ein Rohr angebracht ist, welches, um jede Spur Kohlensäure aufzunehmen, zusammengerolltes, mit Kalilösung getränktes Filtrirpapier enthält. Statt des Röhrchens m wird weiter ein Röhrchen qr in der angegebenen Form befestigt, welches Barytwasser enthält und häufig erneuert werden muß. Durch einen weißen ringartigen Beschlag bei r und später durch eine Trübung der Lösung, herrührend von der entstandenen kohlensauren Verbindung, wird jede Spur von gewonnener Kohlensäure nachgewiesen und eine starke Entstehung derselben durch eine weiße, um jede Blase sich bildende Haut erkannt. Sind Gasarten auf den Verbrennungspunkt zu untersuchen, welche hierzu keiner hohen Temperatur bedürfen, so sind die beschriebenen Apparate angemessen zu vereinfachen. Liegt der Verbrennungspunkt unter 300°, so wird die bekannte, aus l½ G. Th. Cadmium, 2 Th. Zinn, 7½ Th. Wismuth und 4 Th. Blei bestehende Metalllegirung, welche bei ungefähr 70° schmilzt, in den Tiegel h gethan und die Erwärmung statt durch den Ofen mittels eines stärkern Brenners bewirkt, wobei ein Umrühren der Legirung zweckmäßig ist, um überall die gleiche Temperatur zu erzielen. Hierbei muß die Porzellankugel des Thermometers sorgfältig vorgewärmt und abgekühlt werden, damit dieselbe nicht springen kann. — Nach dem Gebrauche muß die Legirung ausgeschüttet werden, weil dieselbe beim Festwerden das Gefäß zersprengt. Für sehr hohe Temperaturen eignen sich Legirungen nicht, weil sie zu stark verbrennen und die Oxyde die Porzellankugel des Thermometers angreifen. Für Temperaturen zwischen 180 bis 350° kann man eine Legirung von 1 Th. Zinn und 1 Th. Blei zweckmäßig verwenden, weil sie bei einem geringen Preise in dem Tiegel stets bleiben kann. Liegt der zu bestimmende Verbrennungspunkt unter 70°, so wird zur Erwärmung von Rohr ij nur ein einfaches Wasserbad benutzt; auch hierbei muß für fleißiges Umrühren Sorge getragen werden. Soll der Verbrennungspunkt flüssiger oder fester Körper bestimmt werden, so wird die beschriebene Vorrichtung in folgender Weise abgeändert. Bei der Untersuchung von leicht flüchtigen Körpern bringt man dieselben statt Schwefelsäure in das Röhrchen k hinein, welches, wenn erforderlich, durch ein Wasserbad erwärmt werden kann. Sauerstoff läßt man nach Entfernung von Cylinder n durch dasselbe im langsamen Strome treten und bestimmt, wie beschrieben, aus einem auftretenden Verbrennungsproduct den Verbrennungspunkt. Bei schwer flüchtigen Körpern fällt auch Röhrchen k fort. Dafür ist Rohr ij nach l hin etwas weiter. Die sorgfältig getrocknete Substanz wird in den weiten Theil desselben gebracht und dann, wie eben angegeben, der Verbrennungspunkt bestimmt, indem die Substanz nach Bedürfniß erwärmt wird. Nicht flüchtige Körper, deren Verbrennungspunkt durch ein gasförmiges Verbrennungsproduct bestimmt werden soll, werden fein zerrieben und gut getrocknet in die Erweiterung j des zuletzt beschriebenen Röhrchens gebracht, dann weiter getrocknet und der Verbrennungspunkt derselben bei einem langsamen Sauerstoffstrom durch die Verbrennungsproducte erkannt. Findet Verbrennung solcher Körper ohne Entstehung gasförmiger Producte statt, wie bei der Verbrennung von Metallen u. f. w., so erleidet das Rohr ij, bei dem i jetzt wieder überall einen kleinen innern Durchmesser hat, folgende Abänderung. Anstatt daß die Erweiterung j an beiden Seiten an i angeschmolzen ist, ist das dünne Rohr, wie im Holzschnitt s t s zeigt, in die Erweiterung bei t gut eingeschliffen. Bei solchen Körpern, deren Verbrennungspunkt nicht sehr hoch liegt, kann die Biegung, welche Rohr i zu Bestimmungen bei hohen Temperaturen hat, fortfallen und die einfachere Biegung s t s bekommen. Nachdem die zu untersuchenden, vollständig oxydfreien Körper in möglichst fein vertheiltem und trocknem Zustande in die Erweiterung bei t eingeschüttet sind, wird der Schliff eingepaßt und das Rohr vorsichtig in die Legirung gebracht. Dieselbe tritt nicht durch den Schliff in das Rohr, verhindert aber jedes Austreten von Gasarten zwischen beiden Schliffen. Nach dem abermaligen Trocknen im Kohlensäure- oder Stickstoffstrom, wenn ein Luftstrom nicht gebraucht werden kann, wird Sauerstoff hineingelassen und nach Abstellung des Stromes die Sauerstoffaufnahme durch Zurücktreten der Flüssigkeit im Röhrchen m erkannt. Eine zweite Bestimmung wird zweckmäßig mit neuer Substanz gemacht, da das entstandene Verbrennungsproduct leicht den Verbrennungspunkt verändert. (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 1171.)