Titel: Ueber Kunstbutter.
Fundstelle: Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 204
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Ueber Kunstbutter. Ueber Kunstbutter. Die erste Anregung zur Kunstbutterfabrikation ging von Napoleon III. aus, welcher den Chemiker Mège-Mouriès beauftragte, Versuche über Erzeugung einer billigern Butter für die Marine und die ärmere Bevölkerung anzustellen. Die ersten Versuche wurden auf dem kaiserlichen Pachthof zu Vincenne gemacht, und kurze Zeit vor dem Kriege hatte Mège bereits eine kleine Fabrik zur Butterbereitung (Oleo-Margarin) zu Poissy eingerichtet. Der Krieg unterbrach die Fabrikation; erst Anfang 1872 kamen neue Quantitäten Kunstbutter in Paris zum Verkauf. Es bildete sich die Société anonyme d'Alimentation (Kapital 800 000 Franken) zur Verwerthung der Entdeckung Mège-Mouriès' und in Folge des erstatteten Gutachtens von F. Boudet (Rapport fait au Conseil d'Hygiene et de Salubrité autorisant la vente de la Margarine Mouriés. 10. avril 1872) erlaubte der Gesundheitsrath am 12. April 1872 den öffentlichen Vertrieb des Mège-Mouriès'schen Productes, jedoch nur unter der Bedingung, daß es nicht unter dem Namen „Butter“ verkauft werde. Jetzt liefert Paris täglich 20 bis 30t dieser Kunstbutter und versendet dieses Product, wie auch die Fabrik in Nancy, selbst nach Deutschland, obgleich hier Fabriken in Hamburg, Frankfurt a. M. und München errichtet sind. Außerdem finden sich solche Fabriken in Wien und in Liesing, in Moskau und Petersburg, in New-York und Hamilton (Canada). In der Fabrik von Sarg in Liesing bei Wien verfährt man nach Th. v. GohrenFühling's landwirthschaftliche Zeitung, 1877 S. 38. und R. GodeffroyArchiv der Pharmacie, 1877 Bd. 210 S. 146. in folgender Weise. Der aus den Schlachthäusern bezogene Talg, namentlich das sogen. Nierenfett und Lungenfett, wird von den unreinen und fleischigen Theilen befreit, dann mittels eines Paternosterwerkes zwischen zwei mit conischen Zähnen versehene Walzen gebracht, welche es zerkleinern und die Membranen, von denen das Fett umschlossen ist, zerreißen. Von diesen Walzen fällt es in einen Bottich, der mit Dampf geheizt ist, und wo für 1000k Fett 300k Wasser, 1k Potasche und zwei zerschnittene Schaf- oder Schweinemagen zugesetzt werden, während eine Temperatur von 45° eingehalten wird. Nach ungefähr 2 Stunden ist durch den Einfluß des Fermentes im Schweinemagen und die Wärme das Fett vollständig von den es einschließenden Membranen befreit und hat sich flüssig an der Oberfläche angesammelt. Nun wird es decantirt und durch ein Sieb in ein zweites Gefäß gegeben, das in einem Wasserbad von 45° steht; außerdem fügt man noch zur Förderung der Reinigung 2 Proc. Salz zu. Zwei Stunden Ruhe genügen, um das Fett zu klären. Es sieht dann schön gelb aus, hat einen frischen Geruch und ähnelt zerlassener Butter. Jetzt wird es in 25 bis 30l fassende viereckige Gefäße von verzinntem Eisenblech gefüllt und zum Krystallisiren in einen auf 20 bis 25° erwärmten Raum gestellt. Am folgenden Tage ist die Masse geronnen und in einem solchen Zustand, daß man mittels einer hydraulischen Presse den flüssigen Theil von dem ausgeschiedenen festern Stearin trennen kann. Die Masse wird zu diesem Zweck zerstückelt, in Tücher eingeschlagen und, zu größern oder kleinern Kuchen geformt, bei einer Temperatur von 25° in die Presse gebracht. Von 100 Th. verwendeter Masse erhält man etwa 40 bis 50 Th. festes Stearin, schmelzbar zwischen 40 bis 50° und 50 bis 60 Th. flüssig bleibendes Oleo-Margarin. Nun werden 50k dieses flüssigen Fettes in einem Butterfaß mit 25l Kuhmilch und 25k Wasser, welches die löslichen Theile von 100g möglichst zerkleinerter Milchdrüse einer Kuh enthält, mit der entsprechenden Menge Butterfarbe, Butteräther, Cumarin u. dgl. geschlagen. Nach etwa 2 Stunden hat sich die Butter abgeschieden. Dann wird kaltes Wasser zugegeben, damit sie erstarrt; schließlich wird sie zwischen zwei Cylindern mit reinem Wasser gewaschen. Die fertige Kunstbutter wird in Stücke zu 0,5 bis 1k Gewicht geformt, in leichten baumwollenen Stoff eingeschlagen und in Kisten von 50 bis 100k versendet. Beifolgende Tabelle, die keiner weitern Erklärung bedarf zeigt, daß ein Ochse etwa 83k Rohtalg liefert; daraus werden erhalten: Butter etwa 18k Stearinsäure etwa 24 Oleïnsäure etwa 23,5 Reines Glycerin etwa  2,5 Abfälle etwa 16,5. Die Preise der betreffenden Rohmaterialien und Producte stellen sich etwa folgendermaßen: 100k Talg kosten 80 M. 100k kunftbutter kosten 150 bis 160 M. 100k Milchbutter kosten 280 bis 300 M. So lange dieses Product unter einem andern Namen wie ButterIn Wien darf dasselbe nur als „Prima Wiener Sparbutter“ verkauft werden. in den Handel gebracht und ohne Wissen des Käufers zum Versetzen anderer Butter verwendet wird, kann die Ausbreitung dieser Industrie nur gewünscht werden. Textabbildung Bd. 224, S. 206 Ein Ochse liefert etwa 83k Rohtalg. Durch vorsichtiges Trennen der fleischigen und unreinen Stücke erhält man:; A ca. 28k sogen. Nierenfett Dasselbe geschmolzen und gepreßt gibt; B ca. 55k Rohtalg; derselbe wird gebleicht, indem man ihn mit Dampf unter Zusatz von Schwefelsäure schmilzt, und dies gibt:; C ca. 16k sogen. Oleo-Margarin. Mit Wasser gewaschen und unter Zusatz von Milch verarbeitet gibt:; D ca. 8k, 5 sog. Neutralstearin, Schmelzpunkt 54°. Gibt mit E zusammen:; F ca. 3k Abfälle, mit F1 vereinigt:; E ca. 41k, 5 Talg. Schmelzpunkt 45° Gibt mit D zusammen:; F1 ca. 13k, 5 Abfälle mit F vereinigt u. zur Entfernung des Wassers gepresst:; G ca. 50k Talg. Schmelzpunkt 46,5°. Mit Wasser und Kalk unter 10at Druck gespalten und mit Schwefelsäure gewaschen gibt:; H ca. 47k, 5 Fettsäuren, diese kalt gepreßt geden:; J ca. 15k Glycerin von 5° B.; Im Vacuum eingedampft, liefert es:; K ca. 32k, 5 Fettsäuren; diese warm gepreßt geben:; L ca. 15k flüssige Fettsäuren; diese krystallisirt und filtrirt geben:; M ca. 14k Stearinsäure:; N ca. 18k, 5 sog. Retourgang.; O ca. 4k Feste Fettsäuren.; P ca. 11k Oleïnsäure.; J1 ca. 2k, 5 Rohglycerin von 30° B.; dieses filtrirt und destillirt gibt:; N und O vereinigt und mit H gemischt, ergeben noch:; M1 ca. 10k Stearinsäure.; P1 ca. 12k, 5 Oleïnsäure.; C1 ca. 18k Butter, in den Handel gebracht als Sparbutter oder Kunstbutter.; M + M1 ca. 24k Stearinsäure, in den Handel gebracht als Stearinsäure, Millykerzen (unvermischt), Stellakerzen (mit Paraffin gem).; P+P1 ca. 23k, 5 Oleïnsäure, in den Handel gebracht als Oleïnsäure, Oleïnseife (Natronseife), Schmierseife (Kaliseife).; J2 ca. 2k, 5 reines Glycerin, in Handel gebracht als raffinirtes Glycerin als destillirtes Glycerin als Glycerinseife n. dgl., als Walzenmasse.; F + F1 ca. 16k, 5 trockene Abfälle, als Dünger verwendet. Die in der erwähnten Weise hergestellte Kunstbutter hat ein blaßgelbes vollkommen homogenes Aussehen, schmeckt nicht im mindesten talgig oder unangenehm und zergeht im Munde grade so wie echte Butter. Sie unterscheidet sich von letzterer durch den Mangel des die echte Butter charakterisirenden Geschmackes, durch einen meist niedrigern Schmelzpunkt, durch einen geringern Wassergehalt und durch eine geringere Menge von in Aether unlöslichen käsigen Stoffen.Zur Vergleichung seien einige Analysen von Butter angeführt.Textabbildung Bd. 224, S. 207Buttersorte; In 100 Theilen: Fett; Caseïn; Asche; wasser; Erstarrungstemperatur; Analytiker; Theebutter; Gute Marktbutter; Schlechte Marktbutter; Gutes Rindsschmalz; Schlechtes Rindsschmalz; Butter von Stockholm (gesalzen); Butter aus Holstein (gesalzen); Frische Schweizer Heubutter; Kunstbutter von Isigny; Butter von Calvados; Amerikanisc Butterine; (Kunstbutter); J. Moser; A. Müller; J. Frey; Boudet.; Brown Wenn hiernach auch die Unterscheidung echter Butter von Kunstbutter leicht ist, so fehlt doch bis heute ein zuverlässiges Verfahren, die bereits häufig vorkommende Verfälschung der echten Butter mit der viel billigern Kunstbutter schnell und sicher nachzuweisen (vgl. 1877 223 225). Nach Brown unterscheidet man die Kunstbutter am besten von der gewöhnlichen Butter dadurch, daß im polarisirten Lichte das unregelmäßige krystallinische Gefüge der erstern schön gesehen wird, und auch dadurch, daß sie, kurze Zeit bis 110° erhitzt, ihre Farbe verliert. Nach LechatierAnnales agronomiques,1875 p. 456. zeigt bei mikroskopischer Untersuchung reine, frische, nicht geschmolzene Kuhbutter nur eiförmige Körner, aber keine Krystalle, welche die Kunstbutter stets enthält. Letztere schmilzt ferner beim Erwärmen erst unter Bildung einer weißlichen Flüssigkeit, während reine Butter sofort zu einem klaren Oel zerfließt. Da reine Butter außer den gewöhnlichen, oben erwähnten Fettsäuren auch Buttersäure, Capronsäure, Capryl- und Caprinsäure enthält, welche im Talge fehlen, so liefern 50g Butter, mit 25g Natron verseift und mit 50g Weinsäure zersetzt, beim Destilliren so viel dieser flüssigen Fettsäuren, daß nach dem Sättigen des Destillates und Abdampfen wenigstens 6g Barytsalze zurückbleiben. Oleo-Margarin liefert auf dieselbe Weise behandelt kaum 0g,3 dieser Barytsalze.