Titel: Ueber das Lecken der Hohofenformen.
Fundstelle: Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 598
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Ueber das Lecken der Hohofenformen. Ueber das Lecken der Hohofenformen. Es gibt wohl keinen Hohofenbetriebsführer, dem nicht das Lecken der Formen schon schlaflose Nächte verursacht, und welcher diese Plage nicht schon oft verwünscht hat. In dem Engineering and Mining Journal, März 1877 S. 206 ist eine Notiz enthalten, laut welcher Atkins Brothers in Pottsville (Penn.) ein untrügliches Mittel gefunden haben wollen, um das Lecken der im Hohofen liegenden Formen zu entdecken. Sie sagen: „Wenn der Wind abgestellt ist, nehmen wir eine dünne eiserne Stange, welche bis zum Formmaul reicht, und stecken sie in die Formhöhlung. Wenn die Form leckt, so wird die Stange stets Dampf zeigen, selbst wenn sich das Leck an der Außenseite der Form befindet. Diese Methode ist sehr einfach, und wir haben sie stets als zuverlässig befunden.“ Abgesehen davon, daß diese Art und Weise, das Undichtsein einer Form zu constatiren, nicht neu ist — Referent dieses Journals bediente sich derselben schon vor 20 Jahren — ist sie auch durchaus unzuverlässig. Ein absolut sicheres Mittel, zu erfahren, ob eine im Hohofen liegende Form leckt, gibt es bis jetzt nicht, es sei denn, daß man sie herausnimmt. Ist die Undichtigkeit bedeutend, so wird allerdings in der Regel die vor der betreffenden Form befindliche Schmelzmasse weniger hellleuchtend sein, als dies vor den übrigen Formen der Fall ist, und wenn das Gebläse abgestellt wird, entstehen von Zeit zu Zeit Explosionen, in Folge der Zersetzung des in den Ofen laufenden Wassers, oder man sieht letzteres auch wohl vor der Form kochen. Ist die Form dagegen in geringerm Maße beschädigt, so ist es in vielen Fällen unmöglich, die betreffende Form ausfindig zu machen, ohne sie vorher aus dem Ofen herauszunehmen, damit sie von allen Seiten zugänglich wird. Und selbst dies führt nicht immer zum Ziel, wie ich im Nachstehenden zeigen werde. Das Einstecken einer Stange bis zum Formmaul und schnelles Zurückziehen derselben ist natürlich nur dann von Erfolg, wenn sich hierbei Wasser auf der Stange niedergeschlagen hat. Liegt die Schmelzmasse locker im Ofen, so daß sie der Gebläseluft leichten Durchgang läßt, so wird während des Stillstandes der Gebläsemaschine, wenn die Gicht offen ist, ein continuirlich aufsteigender Gasstrom im Hohofen vorhanden sein; dieser hat zur Folge, daß unausgesetzt durch die Formen atmosphärische Luft eingesogen wird. Die Dämpfe des aus der Form entweichenden Wassers werden diesem allgemeinen Strome natürlich folgen. Befindet sich nun das Leck in der Formhöhlung, äußerlich unter oder seitlich von der Form oder unmittelbar am Maul, so ist es möglich, daß die entweichenden Dämpfe mit der eingesteckten Stange in Berührung kommen; hat das Leck aber seine Stelle äußerlich auf der obern Hälfte der Form, so ist das Sondiren mit Stange fast immer vergebens, weil der aufsteigende Dampfstrom die Stange nicht trifft. Bekanntlich ist eine ganz unbedeutende Undichtigkeit einer Form schon hinreichend, wenn sie nicht bald entdeckt wird, auf den Gang des Hohofens störend einzuwirken. Einst zeigte ein Hohofen, dessen Leitung mir oblag, eine allmälig fortschreitende Abkühlung ohne sichtbaren Grund. Die aufgegebenen Materialien waren tadellos und alle Formen gleich hell. Beim Stillstand der Gebläsemaschine zeigte sich nichts Außergewöhnliches, und auch die Untersuchung mit der Eisenstange ließ nicht auf Undichtigkeit der Formen schließen. Trotz Verminderung der Erzcharge, bei gleichbleibendem Kokessatz, zeigte sich keine Besserung. Ich kam daher zu der Vermuthung, daß doch wohl eine Form lecken müsse, und ließ dieselben — es waren deren sechs aus Kupferbronze — der Reihe nach herausreißen. Selbst bei der genauesten Besichtigung zeigte sich an keiner eine Beschädigung. Auf den Kopf gestellt und mit Wasser gefüllt, blieben sie vollständig dicht. In Folge dieses Resultates nahm ich keinen Anstand, dieselben Formen wieder einzusetzen. Doch das Uebel dauerte fort und wurde schlimmer. Den Tag darauf, noch immer im Zweifel wegen der Formen, ließ ich dieselben wieder sämmtlich herausnehmen und durch neue ersetzen. Der Erfolg war gänzliche Wiederherstellung des normalen Ofenganges in sehr kurzer Zeit. Die herausgenommenen Formen schienen ebenso tadellos wie zuvor. Daraufhin unterzog ich dieselben einer etwas wirksamern Probe, indem ich eine nach der andern mit Wasser füllen und unter Zuhilfenahme eines Manometers mit einer Druckpumpe bearbeiten ließ. (Dieselben Formen hatten diese letztere Probe vor dem ersten Einsetzen in den Ofen glänzend bestanden.) Nun aber zeigte eine derselben bei 2at Ueberdruck am Maul eine Stelle von der Größe eines 5-Mark-Stückes, welche durch und durch porös das Wasser gleich einer Brause von sich gab. Die einzelnen Oeffnungen waren so klein, daß sie auch nach dieser Druckprobe dem unbewaffneten Auge kaum sichtbar waren. Die betreffende Stelle befand sich, als die Form noch im Ofen lag, vertical über der Düsenspitze. Dies war also offenbar ein Gußfehler, der sich erst durch die Ausdehnung des Formmetalles in der Hitze des Ofens bemerklich machte und bei jeder Abkühlung der Form wieder unsichtbar wurde. Dieser Fall beweist, wie schwierig es zuweilen ist, an Formen ein Leck zu entdecken. Ein allgemein giltiges Erkennungsmittel hierfür aufstellen zu wollen, ist daher mindestens verfrüht. Um sich in Bezug auf die Dichtigkeit der Formen möglichst zu sichern, beobachte man dagegen stets Folgendes: 1) Man beziehe die Formen nur aus einer allgemein als gut bekannten Fabrik. 2) Man unterwerfe sie vor dem Gebrauche — auch dann, wenn schon gediente Formen wieder zur Verwendung kommen — stets einer Wasserdruckprobe. Hierbei muß man indessen, wenn es sich um Formen aus Kupferblech handelt, vorsichtig sein, weil das Blech bei hohem Druck sich leicht ausbaucht und schließlich ausreißt. Bei gegossenen Formen kann man ohne Gefahr bis auf ein Paar Atmosphären gehen. 3) Wenn die Form im Ofen sitzt, soll die Achse derselben vollkommen horizontal liegen. 4) Man gebe so reichlich Wasser — möglichst rein — daß das ausfließende Wasser höchstens lauwarm ist. 5) Die Form muß schon vor dem Einsetzen in den Ofen mit Wasser gefüllt werden. 6) Der Wasserabfluß befinde sich über dem Wassereinfluß. 7) Man bringe an der Außenseite der Form zwei möglichst weite Löcher mit Schraubengewinde an, welche für gewöhnlich verschlossen gehalten werden. Diese Löcher haben einmal den Zweck, daß man in regelmäßigen Zeitabschnitten, deren Dauer für jeden Betrieb die Erfahrung lehren muß, die Form im Ofen mittels einer starken Feuerspritze vom Wasserstein reinigen kann, und dann, um bei sehr festsitzenden Formen, zum Herausziehen derselben, Schrauben anwenden zu können, wodurch eine verhältnißmäßig sehr große Kraft ausgeübt und die Form am wenigsten beschädigt wird. 8) Man lasse dieselbe Form nicht zu lange — hier ist auch die Erfahrung maßgebend — im Ofen liegen, ohne sie einer gründlichen Besichtigung und wiederholten Druckprobe zu unterwerfen; denn selbst bei steter Speisung mit reinstem, ganz kaltem Wasser erleidet die Form beim Gebrauche Verschleiß, und es gehen Veränderungen in der Formmasse vor sich, welche ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Einflüsse der hohen Temperatur und der Schmelzmasse beeinträchtigen. 9) Die Formen müssen vor der Berührung mit flüssigem Eisen und stark eisenhaltiger Schlacke bewahrt werden. 10) Man lege bei einer neu zu erbauenden Hütte die Speisereservoirs für die Formen möglichst hoch, denn bekanntlich setzt sich bei starkem Wasserdruck und sonst gleichen Verhältnissen weniger Stein und sonstige Unreinigkeit in den Formen ab, als bei schwächerem Druck. Im großen Ganzen habe ich stets gefunden, daß das Wesentlichste unter dem Angeführten die Wasserfrage ist, und zwar läßt sich dieselbe in den drei Punkten zusammenfassen: „Viel Druck, viel Wasser und kaltes Wasser.“ Leider ist und wird noch auf vielen Hüttenwerken hiergegen auf unverantwortliche Weise gesündigt. Es könnten manche Hohofenanlagen registrirt werden, die jahrelang an den bösen Folgen solcher Vernachlässigungen kränkelten und Hundert Tausende dadurch verloren haben, ehe sie sich zu einer gründlichen Reform in dieser Beziehung entschlossen. —r.