Titel: „Lind's improved Taylor“-Nähmaschine aus der Fabrik Lippmann und Lind in Hamburg; von Prof. Hoyer.
Autor: Hoyer
Fundstelle: Band 227, Jahrgang 1878, S. 139
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„Lind's improved Taylor“-Nähmaschine aus der Fabrik Lippmann und Lind in Hamburg; von Prof. Hoyer. Mit Abbildungen. Hoyer, über Lippmann und Lind's Nähmaschine. Seitdem die internationale Ausstellung in Philadelphia 1876 in erhöhtem Masse die Aufmerksamkeit auf die Erzeugnisse der amerikanischen Industrie lenkt, und da zu befürchten steht, dass ausser den hieraus erwachsenden guten Resultaten und Lehren auch die etwas in Abnahme begriffene Sucht, in Deutschland den aus der Fremde kommenden Producten der Industrie den Vorzug vor den einheimischen zu geben, wieder neue Nahrung gewinnt, ist es meiner Ansicht nach die Aufgabe der die Industrie vertretenden Presse, besonders auch auf die guten Fabrikate deutschen Gewerbebetriebes aufmerksam zu machen und dahin zu wirken, dass das deutsche Publicum endlich von dem noch ziemlich allgemein herrschenden Vorurtheil gegen deutsche Fabrikate geheilt wird. Ich bin in der angenehmen Lage, die Leser dieses Blattes auf ein Product deutscher Nähmaschinen-Industrie aufmerksam zu machen, welches um so mehr Anerkennung verdient, als es derjenigen Klasse der Industrie angehört, deren Uebergewicht in der Höhe der Production entschieden nach Amerika hinüber fällt, die aber anfängt, in Deutschland auch Boden zu gewinnen. Die in Rede stehende Nähmaschine ist äusserlich durch Figur 1 als eine in Form gefällige, namentlich aber als eine durch die Vertheilung der Masse sehr stabile Maschine zu erkennen, deren allgemeine Einrichtung keiner weitern Beschreibung bedarf, da man aus der Figur genügend sieht, dass dieselbe der Gattung Nähmaschinen angehört, welche mit Hilfe eines Schiffchens und einer geradlinig geführten Nadelstange einen doppelten Steppstich erzeugt. Fig. 1., Bd. 237, S. 140 Die Bewegung sämmtlicher Werkzeuge: Nadel, Schiffchen, Stichsteller, erfolgt durch eine im Innern des Gehäuses angebrachte Nähwelle, welche bei Handmaschinen mittels des Handrades und eines mit Keileingriff versehenen, auf der genannten Welle sitzenden Rades umgetrieben wird, das für Fussbetrieb zugleich mit einem Würtel versehen ist. Um hierbei den durch sanften, fast geräuschlosen Gang sich auszeichnenden Keileingriff anwenden zu können, ist eine Regulirung der Pressung zwischen den beiden Rädern nothwendig, da sich diese nach dem Nähstoff u.s.w. ändern muss. Bei einer frühem Construction wendeten die Erbauer auf der Hauptwelle ein zweitheiliges, rechtwinklig zur Achse zerschnittenes Rad an, dessen Theile durch eine in der Nabe liegende Feder aus einander gedrückt und dessen Pressung in der Keilnuth durch die veränderliche Anspannung dieser Feder regulirt wurde. Diese etwas umständlich zu handhabende Regulirungsvorrichtung ist in vorliegender Maschine durch eine Einrichtung ersetzt, welche eine verticale Verstellung des Handrades mit nachgiebigem Druck auf das kleine Keilrad ermöglicht. Zu dem Zwecke ist das Handrad zunächst durch die Achse d (Fig. 2) mit einem besondern Radträger A verbunden, der um einen Zapfen c bewegt werden kann und durch eine Schraube s gestellt wird, welche ihre Mutter in dem an dem festen Bügel sitzenden Vorsprung b hat und auf eine in dem Träger A liegende Spiralfeder f drückt, so dass die von der Spannung dieser Feder abhängige Pressung zwischen den beiden Rädern mit der Schraube s regulirt wird. Fig. 2., Bd. 237, S. 141Damit ferner während des Spulens der Nähmechanismus und bei Anwendung des Fussbetriebes das Handrad nicht unnützer Weise mitläuft, ist ausserdem durch den Stellhebel h der Radträger A so hoch zu heben und festzuhalten, dass das Handrad ausser Eingriff mit dem Trieb der Nähwelle kommt. Die Bewegung des Stichstellers erfolgt durch Hebung und Drehung eines verticalen Hebels mittels Excenter, welche auf der Nähwelle sitzen, und die Veränderung der Stichgrösse durch Verlegung des Hebeldrehpunktes. Zu dem Zwecke befindet sich dieser Drehpunkt in Gestalt einer kleinen Rolle i an dem Stellhebel oo Fig. 3, der sich um den Endpunkt drehen und mit Hilfe einer Anzahl am Gestell sitzender Einkerbungen l feststellen lässt. Fig. 3., Bd. 237, S. 141 Eine wesentliche Neuerung an dieser Maschine liegt noch in der Einrichtung, dass der obere Theil derselben, an welchem der ganze Mechanismus hängt, scharnierartig aufgekippt werden kann, wodurch das Reinhalten, Oelen, Auswechseln schadhaft gewordener Theile etc. ausserordentlich bequem gemacht wird. Im Gebrauch zeichnet sich diese neue Nähmaschine durch einen leichten, sichern und ruhigen Gang aus. Durch ihre Bauart und vorzügliche Ausführung lässt sie kaum Reparaturen erwarten, während zugleich ihre grosse Einfachheit das Verständniss derselben und das Erlernen ihres Gebrauchs höchst leicht macht. Nicht einverstanden können wir uns jedoch damit erklären, dass die Fabrikanten statt einer deutschen Bezeichnung die englische Lind's Improved Taylor gewählt haben, um so mehr als wir die Maschine als ein vorzügliches Product deutscher Industrie hinstellen müssen, das wir dem Publicum in seinem eigenen Interesse auch schon des billigen Preises wegen mit Recht empfehlen können. (Bayerisches Industrie- und Gewerbeblatt, 1877 S. 295.)