Titel: Der Kisjak, ein südrussisches Heizmaterial; von C. O. Cech.
Autor: C. O. Cech
Fundstelle: Band 228, Jahrgang 1878, S. 468
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Der Kisjak, ein südrussisches Heizmaterial; von C. O. Cech. Cech, über ein südrussisches Heizmaterial. In allen jenen Ländern, wo eine rationelle Landwirthschaft eingeführt ist, hat der Viehdünger bekanntlich einen verhältniſsmäſsig hohen Werth, so daſs an eine Verwendung desselben als Brenn- oder Heizmaterial nicht zu denken ist. Im Bereiche der weiten südrussischen Tiefebene aber, die sich des Segens einer fast unerschöpflichen, mächtigen Ackerkrume von überaus fruchtbarer Schwarzerde (russisch Tschernozem) erfreut und alle Bedingungen einer Kornkammer Ruſslands, jedoch wenig Wälder und Heizmaterial besitzt, wird der auf Weiden, Steppen und im Stalle von zahllosen Viehherden stammende Dünger nicht zum Düngen der Felder, sondern zur Fabrikation eines eigenthümlichen, in der chemischen Technologie bis jetzt auch kaum erwähnten und gewürdigten Heizmaterials, des in allen südrussischen Gubernien heimischen Kisjak verwendet. Der Kisjak kommt, wie anderen Orts Torf und Briquet, in Form von Ziegelsteinen in den Handel und hat in Folge seiner Zusammensetzung aus vegetabilischer und erdiger Masse das Ansehen lockeren Stichtorfes. Der russische Dungziegel findet in groſsartigem, durch die Statistik kaum zu controlirendem Maſsstabe als Heizmaterial allgemeine Verwendung im Gebiete der Don'schen Kosaken und in jenem von Bessarabien, in den Gubernien von Astrachan, Stawropolsk, Kursk, Saratow, Woronesch, Ekaterineslaw, Samara, Orenburg, Eriwan, Podolsk und Poltawa. Theilweise verbreitet finden wir die Fabrikation von Dungziegeln in den Gubernien von Kazan, Pensa, Rezan und Orlow. Die Fabrikation des Kisjak geschieht seit dem J. 1844, wo sie im Gouvernement Orenburg durch den Kosakenmajor O. W. Podurow eingeführt wurde. (Vgl. Berichte der kaiserlichen ökonomischen Gesellschaft zu Kazan, 1854.) In all den genannten Provinzen hat der Kisjak einen festen Marktpreis, der mit 1 Rubel 20 Kopeken beginnend bis 20 Rubel für 1000 Stück Dungziegel steigt. Am billigsten ist der Kisjak im Gouvernement Saratow, wo 1000 Stück Ziegel 1 Rub. 20 Kop. bis 3 Rub. kosten; im Gebiete der Don'schen Kosaken hingegen beträgt der Preis 4 bis 20 Rub., in Stawropolsk kostet der Cubik-Saschehn (9cbm,713) 10 bis 12 Rub., in den übrigen Gubernien beträgt der Preis 3 bis 5 Rub. für 1000 Stück Ziegel. Was den Heizeffect des Kisjak anbelangt, so nimmt er natürlich im Vergleiche mit allen übrigen gangbaren Heizmaterialien einen der letzten Plätze ein, wie dies am besten aus folgenden von N. J. Nikitinski zusammengestellten Uebersichten hervorgeht. Vergleichung der russischen Brennmaterialien dem Volum nach. 1) Anthracit.   8) Eichenholz. 2) Steinkohle.   9) Kiefernholz. 3) Lignit. 10) Stichtorf. 4) Koke. 11) Schilfrohr. 5) Geformter Maschinentorf. 12) Kisjak. 6) Torfkohle. 13) Stroh. 7) Holzkohle. 14) Luzga. Vergleichung der russischen Brennmaterialien dem Gewichte nach.   1) Anthracit 53,00   2) Steinkohle 57,00   3) Holzkohle 61,55   4) Koke 62,12   5) Torfkohle 64,11   6) Geformter Maschinentorf 82,00   7) Lignit 85,48   8) Kiefernholz 136,77   9) Stichtorf 142,47 10) Eichenholz 145,24 11) SchilfrohrSchilfrohr und Luzga (die Samenhülsen des Buchweizens) werden in einzelnen holzarmen Gegenden Ruſslands ebenfalls als Heizmaterial verwendet. 149,21 12) Stroh 154,00 13) LuzgaSchilfrohr und Luzga (die Samenhülsen des Buchweizens) werden in einzelnen holzarmen Gegenden Ruſslands ebenfalls als Heizmaterial verwendet. 159,50 14) Kisjak 181,80 Aus diesen Vergleichstabellen der in Ruſsland gebräuchlichen Heizmaterialien ist ersichtlich, daſs zur Erzielung gleichen Heizeffectes an Dungziegeln mehr als das 3fache Gewicht erforderlich ist, und daſs das Volum gleichwertiger Heizmaterialien betreffend den Kisjak nun auch von Stroh und der Luzga übertroffen wird. Im Handel kommen namentlich zwei Sorten der Dungziegel vor, und zwar solche, die hauptsächlich aus Pferdedünger (russisch Loschadiji Kisjak) oder aas Schafdünger (russisch Owetschiji Kisjak) fabricirt werden. Der verschiedene Werth beider Sorten ergibt sich aus folgenden Analysen: Pferdedungziegel Schafdungziegel Kohlenstoff   41,386   28,690 Wasserstoff     4,985     3,785 Sauerstoff   33,396   27,990 Stickstoff     1,703     1,907 Salze und erdige Beimengungen   18,530   37,630 –––––––– –––––––– 100,000 100,002. Was die Erzeugung des Kisjak betrifft, so wird der sorgfältig gesammelte überwinterte Viehdünger in dünner Schichte auf dem Boden ausgebreitet und, nachdem man denselben mit Wasser begossen hat, zu einem gleichartigen Brei geknetet. Diese Arbeit verrichten ähnlich wie beim Dreschen des Getreides einige Pferde. Der durch die Pferdehufe hinreichend durchgeknetete Düngerbrei wird hierauf in hölzerne, den Ziegel- oder Torfsteinformen ähnliche Formen gepreſst, worauf die fertigen Ziegel an der Luft getrocknet werden. Hier und da wird das Durchkneten des Düngers umgangen, indem man denselben nur mit Wasser anfeuchtet und sogleich in Formen preſst. Solche Dungziegel haben jedoch den Nachtheil einer geringeren Festigkeit, sie bröckeln sich sehr leicht ab, oder zerfallen vollends. Die frisch geformten Ziegel werden entweder auf dem Erdboden oder auf Dächern zum Trocknen ausgebreitet, wobei man dieselben zuerst flach und dann je zwei auf die Kante stellt und mit einem dritten Ziegel bedeckt. Haben die Ziegel durch die Lufttrocknung hinreichende Festigkeit erlangt, so werden dieselben in Pyramiden geschichtet, wobei jedoch behufs vollkommener Austrocknung auf hinreichenden Zutritt von Luft durch Kanäle und Zwischenräume in den Pyramiden Rücksicht genommen werden muſs. Der Kisjak wird entweder in den Bauernhöfen oder ausserhalb der menschlichen Ansiedelungen erzeugt. Für die Herstellung von 1000 Stück Ziegel erhält der Arbeiter 50 Kop. Lohn, welche ein geschickter Ziegel Schlager in 2 Arbeitstagen verdienen kann. Die Landwirthe pflegen während der Winterszeit allen Dünger in Haufen zu sammeln und verkaufen denselben im Frühjahre an solche Unternehmer, welche sich mit der Fabrikation von Kisjak in gröſserem Maſsstabe befassen. Der Kisjak kommt nur langsam in Glut; es müssen in einem gewöhnlichen Ofen stets etwa 20 Dungziegel mit einigen Stücken Holz in Brand gesteckt werden, um die dem Torfe gleichkommende Glut zu erhalten. Bei ruhigem Wetter verbrennt der Kisjak ohne jede Belästigung der Geruchsnerven; bei starkem Winde hingegen verbreitet er in den geheizten Räumen unangenehm riechende Verbrennungsgase. Darum bedient man sich dieses Heizmaterials in wohlhabenderen Häusern nur zum Heizen der Bäder. Waschhäuser und Gesindewohnungen, während der Kisjak in den holzarmen Gegenden Südrufslands das ausschlieſsliche Heizmaterial des Kleinbauers ist. Gewöhnlich wird der Kisjak nur im Monat Mai erzeugt, worauf er durch zwei Monate an der Luft getrocknet und dann erst in Pyramiden geschlichtet wird, welche man äuſserlich mit einer Schichte frischen Düngers bedeckt, um ihn vor dem Einflüsse des Regens zu schützen. Die Herstellung des Kisjak für den ganzjährigen Bedarf eines Bauernhofes erfordert eine 2wöchentliche Arbeit zweier Taglöhner.