Titel: Ueber Fleischconservirung; von Dr. Friedr. v. Heyden.
Autor: Friedr. v. Heyden
Fundstelle: Band 229, Jahrgang 1878, S. 276
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Ueber Fleischconservirung; von Dr. Friedr. v. Heyden. v. Heyden, über Fleischconservirung. Die Frage der Fleischconservirung beschäftigt seit langer Zeit in so hohem Maſse Fachmänner wie Laien, daſs in dem Bestreben, das Problem zu lösen, oft die wunderbarsten Methoden ersonnen und angegeben wurden (1877 226 209). Die weitaus rationellste, für den raschen Verbrauch berechnete Methode, mittels Eis uns den Fleischreichthum anderer Welttheile nutzbar zu machen hat, wenn man allen darüber eingegangenen Berichten Glauben schenken darf, sehr schöne Erfolge aufzuweisen, welche wohl geeignet waren, die Hoffnung zu erregen, daſs das Heranbringen überseeischer Fleischmassen in Europa auf die über die Gebühr hinaufgeschraubten Fleischpreise nicht ohne Einfluſs sein würde. Diese Conservirungsart hat nur den sehr ins Gewicht fallenden Fehler, daſs dieses einmal von der schützenden Wirkung des Eises entfernte Fleisch, wenn es nicht sofort verbraucht wird, auch rasch dem Verderben anheimfällt, und zwar mit so groſser Schnelligkeit, daſs der zuerst erhoffte Vortheil völlig illusorisch wird. Bei der in unseren Tagen immerhin sehr im Vordergrunde stehenden Frage der Verpflegung von Armeen kann aus dieser ganzen Methode daher so gut wie kein Vortheil gezogen werden und aus dem vorhin angeführten Grunde für kleine Hauswirthschaften noch viel weniger. Im Auftrage des kgl. sächsischen Kriegsministeriums unternahm Verfasser im Sommer 1875 Fleisch-Conservirungsversuche in gröſserem Maſsstabe unter Anwendung von Salicylsäure, welche für das praktische Leben sehr beachtenswerthe und gelungene Resultate ergaben. Die in sehr einfacher und primitiver Behandlungsweise erreichte völlige Haltbarkeit bis zu 14 Tagen im Sommer bei einer Aufbewahrung in kühlen schattigen Räumen, bis 8 Tage auch in sehr warmen Lokalitäten, erschien für den gewöhnlichen Haushalt mehr als ausreichend. Andere Anforderungen muſste aber die Militärverwaltung stellen. Nach den Erfahrungen der letzten Kriege kann es vorkommen, daſs Lebensmitteltransporte 6 Wochen und noch länger, im Wagen verpackt, jedem Wetter ausgesetzt, unterwegs sind, ehe dieselben zum Verbrauch kommen. Man war daher genöthigt, die Versuchsobjecte in den heiſsesten Sommermonaten den erschwerendsten Verhältnissen auszusetzen, um ein competentes Urtheil zu erhalten. Die Aufbewahrung geschah demzufolge auf dem heiſsesten Dachboden einer Kaserne der Stadt. Das Resultat einer 12 bis 14tägigen Haltbarkeit konnte als genügend für Militär zwecke jedoch nicht erachtet werden. Aus diesen im J. 1876 veröffentlichten VersuchenDr. F. v. Heyden: Die Salicylsäure und ihre Anwendung. (Leipzig 1876. J. Ambros. Barth.) wurde aber, wie schon erwähnt, für das wirtschaftliche Leben im Hause manch erfolgreicher Wink gewonnen und reichlich benutzt. Zugleich dienten die gemachten Andeutungen aber vielfach zu Anregungen für andere Experimentatoren, unter denen J. Eckart in MünchenEckart's Methode besteht im Wesentlichen darin, Fleisch, Fische etc. unter Druck mit einer bestimmt zusammengesetzten Salicylsäure- und Salzlösung zu imprägniren und unter den Cautelen einer desinficirenden (antiseptischen) Verpackung zum Versandt zu bringen. bis jetzt die besten und nicht übertroffenen Resultate erreicht hat. Das Verfahren selbst liegt meines Wissens, nachdem es in anderen Staaten bereits patentirt ist, gegenwärtig noch dem Deutschen Patentamt zur Patentirung vor, die Erfolge aber sind überraschend. Hr. Eckart, welcher die Methode mit gleicher Sicherheit auch auf die Conservirung von Fischen mit geradezu erstaunlichem Erfolg ausdehnt, war so freundlich, mir einige Proben solchen Fleisches zur Verfügung zu stellen, welche die sorgloseste Aufbewahrung und Behandlung aushielten. So sendete ich z.B. eine im November nach Eckart's Methode mit Salicylsäure behandelte Büchse mit 10k Ochsenfleisch Ende December nach Triest, um dieselbe mit einem Dampfer des Oesterreichischen Lloyd nach Bombay gehen zu lassen; dasselbe Schiff brachte diese Büchse am 18. April von Bombay wieder nach Triest zurück und, nachdem sie daselbst geöffnet und der Inhalt völlig ohne Geruch, vollständig wohlerhalten gefunden, ein Stück des Fleisches gesotten und wie frisch geschlachtetes verspeist worden war, wurde das Ganze wieder zugelöthet und an mich nach Dresden gesendet. Hier wieder geöffnet, konnte genau derselbe Befund festgestellt werden.Hr. v. Heyden war so freundlich, mir diese Büchse zu schicken. Bei dem Anfangs Juli erfolgten Oeffnen befand sich das Fleisch noch in einem durchaus guten Zustande.F. Es ist somit kaum einem Zweifel unterworfen, daſs der Weg zu einer erfolgreichen Fleischconservirung gefunden ist. Ueber die Thatsache, daſs das so conservirte Fleisch zur menschlichen Nahrung völlig geeignet bleibt, hat sich das Physiologische Institut zu München in der Zeitschrift für Biologie 1878 (Notiz von Max Buchner') ausgesprochen. Ich kann nicht umhin, hier noch eine allgemeine Bemerkung anzuschlieſsen. Es liegt die Frage sehr nahe, ob vom hygienischen oder physiologischen Standpunkt aus irgend welche Bedenken gegen eine solche und ähnliche Verwendung der Salicylsäure zu erheben sind. Die Salicylsäure ist bekanntlich ein jetzt vielfach indicirtes Medicament, und zwar zum Theil in Dosirungen, wie in annähernd gleicher Höhe wenig Medicamente so ungestraft vertragen werden. Vollständig erwiesen und feststehend ist aber, daſs lange hindurch fortgesetztes tägliches Einnehmen von etwa 3g in Theildosen noch niemals zu unliebsamen Beobachtungen geführt hat.Die therapeutischen Gaben steigen bis täglich 6 bis 8g und unter 0g,5 wird nicht mehr ordinirt. Erwägt man nun, daſs bei der Anwendung der Salicylsäure zu Conservirungszwecken überhaupt eine solche Dosirung (3g täglich) niemals auch nur annähernd den Consumenten trifft, so vermindert sich dies bei der vorliegenden Fleisch-Conservirungsmethode noch dadurch um so mehr, als das Fleisch (bezieh. die Fische) vor der Zubereitung sorgfältig gewässert und gewaschen werden. Auch der feinfühligste Gourmand konnte einen – um mich eines den Nagel auf den Kopf treffenden Volksausdruckes zu bedienen – „chemischen Beigeschmack“ nicht entdecken. Wenn aber die Physiologen die Untersuchungen über die Unschädlichkeit der Salicylsäure fortsetzen wollen, so möge der Beweis auf den Punkt vor Allem gerichtet werden: die Unschädlichkeit der Substanz, in den Mengen darzuthun, in welchen sie in den bezüglichen Nahrungs- oder Genuſsmitteln beim Genuſs vorhanden sind, unter fernerer Berücksichtigung des sehr wichtigen Umstandes, daſs in Folge der auſsordentlich schnellen Ausscheidung aus dem Körper eine Anhäufung der Salicylsäure überhaupt niemals stattfinden kann. In meinem Hause spielt die Salicylsäure zum gröſsten Vortheil meiner Hauswirthschaft seit 3½ Jähren bereits eine nicht viel unwichtigere Rolle als das Chlornatrium, und wir befinden uns sämmtlich dabei ganz vortrefflich, abgesehen von dem schmeichelhaften Ruf, welchen einige dem Genuſs gewidmete Dinge in meinem Hause genieſsen, seitdem die Salicylsäure erst deren schönen und haltbaren Zustand ermöglichte.