Titel: Ueber rothes und gelbes Ultramarin; von Dr. E. W. Büchner.
Autor: E. W. Büchner
Fundstelle: Band 231, Jahrgang 1879, S. 466
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Ueber rothes und gelbes Ultramarin; von Dr. E. W. Büchner. Büchner, über Ultramarin. Bei der Darstellung des Ultramarins in Muffelöfen beobachtet man öfters ein mehr oder weniger starkes Auftreten von rothen und gelben Ultramarinfarben. Die Erklärung zur Bildung dieser Farben suchte man einerseitsBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1873 Bd. 6 S. 1450. in einer unterdrückten Ultramarinbildung, andererseitsBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 Bd. 7 S. 987. in einer Ueberhitzung. Beide Ansichten scheinen nach meinen bis jetzt gemachten Beobachtungen als richtig gelten zu können. Für eine unterdrückte Ultramarinbildung spricht namentlich die Analyse. Aus derselben ersieht man, daſs sich das Rothe von dem Blauen im Wesentlichen durch einen geringeren Gehalt an Natrium und einen gröſseren Gehalt an Thonrückstand unterscheidet, die Hitze scheint also nicht groſs genug gewesen zu sein, um den Thon vollständiger, im Gegensatz wie bei dem Blauen, aufzuschlieſsen. Blau Roth Blau Roth SiO2ThonrückstandSNaA12O3 39,126,9211,6714,3123,76 37,819,0110,8712,6824,82 Auf100 A12O3berechnet 164,629,149,160,2100,0 152,336,343,851,1100,0 Auswaschbare Salze BlauRoth 14,70 Proc.33,23 Für eine Ueberhitzung spricht die Thatsache, daſs sich die rothe und gelbe Farbe am schönsten, wenn auch nur als mäſsig starkem Anflug da zeigt, wo die Hitze nothwendigerweise eine höhere gewesen sein muſs; zugleich sind aber solche Stellen auch immer am meisten dem Zutritt der Luft ausgesetzt gewesen. Da nun bekannter Weise der Ultramarinofen im Stadium seiner höchsten Reaction bedeutende Mengen von Schwefelsäureanhydrid (vgl. 1876 221 470) entwickelt, Welches Auftreten auch ich bei meinen Gasuntersuchungen feststellte, so lag die Vermuthung nahe, ob nicht gerade diese Anhydrid-Bildung farbeverändernd auf das blaue Ultramarin wirken möge, zumal gerade an den betreffenden Stellen eine Anhydrid-Bildung durch Berührung der glühenden Masse mit dem glühenden Mauerwerk und Zusammentreffen mit Luft am ehesten stattfinden konnte. Es würde also an solchen Stellen das Rothe und Gelbe durch Ueberhitzung aus dem flauen entstanden sein. Versuche, die ich nach obiger Richtung hin anstellte, haben mir denn auch gezeigt, daſs, wenn man fertig gebildetes Ultramarinblau bei höherer Temperatur (350 bis 400°) der Einwirkung von Schwefelsäureanhydrid aussetzt, man anfangs violette, dann rothe und bei noch weiter fortgesetzter Einwirkung gelbe Farben erhält; hiernach erklärt sich also die Bildung von rothen und gelben Farben im Ultramarinen auch durch Ueberhitzung, da diese Farben aus dem Blau entstanden sind. Nachdem ich früher wegen Mangel an Zeit mit diesen Untersuchungen aufhören muſste, habe ich dieselben in letzter Zeit wieder aufgenommen und bin zu folgenden interessanten Resultaten gekommen. Leitet man trockenes, Salzsäure-freies Chlorgas bei höherer Temperatur, etwa bei 410°, über noch nicht fertig gebildetes Ultramarinblau, so erhält man zuerst und schnell vorübergehend eine violette, dann eine rothe und hierauf eine sehr schön citronengelbe Farbe. Die Temperaturen, bei welchen das Roth sich bildet, bezieh. in Gelb übergeht, scheinen sehr nahe zusammen zu liegen; denn der Uebergang von Roth in Gelb ist fast momentan. Das Gelb dagegen scheint beständiger zu sein. Bei dieser Reaction traten in der Vorlageflasche (die mit Wasser gefüllt war) dicke weiſse Nebel auf, welche ich mir nicht anders als wie durch eine in Folge der Reaction des Chlorgases auf die Masse hervorgerufene Schwefelsäureanhydrid-Bildung erklären konnte. Merkwürdigerweise gab aber das Wasser mit Chlorbarium auch nicht die geringste Reaction auf Schwefelsäure; es darf dies um so auffallender erscheinen, als das Anhydrid doch eine so groſse Verwandtschaft zu dem Wasser hat, es sich aber unzweifelhaft gebildet haben muſste, da das Product der Einwirkung das rothe und gelbe Ultramarin auch keine Spur von schwefelsaurem Salz mehr enthielt, sondern Chlor eingetreten war. Die Erklärung, daſs sich das Anhydrid in der Vorlage nicht verdichtet hatte, konnte ich mir nur dadurch geben, daſs der Chlorstrom alles Anhydrid mit wegriſs, oder sich letzteres bei Gegenwart von Chlorgas in Wasser nicht verdichte. Ich füllte deshalb bei einem zweiten Versuch die Vorlage mit concentrirter Kalilauge, welche das Anhydrid dann auch fast quantitativ aufnahm. Da bei dieser Reaction sich also Schwefelsäureanhydrid bildet, so wird man auch hier die Roth- und Gelbbildung diesem hauptsächlich zuzuschreiben haben und übt das Chlor mithin mehr eine indirecte Wirkung auf das Ultramarin aus. Um nun auch nachzuweisen, wie sich trockenes, Salzsäure-freies Chlorgas bei höherer Temperatur auf chemisch reines schwefelsaures Natron verhalteUeber die Einwirkung von gasförmiger Salzsäure auf Sulfate vgl. Hensgen in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 Bd. 9 S. 1671., führte ich diesen Versuch in analoger Weise aus. Das Resultat war jedoch ein negatives, indem das schwefelsaure Natron vollkommen unverändert blieb.An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, daſs ich aus Kochsalz, durch Einwirkung von SO2 und Luft bei höherer Temperatur auf dasselbe, völlig Chlor-freies Sulfat erhalten habe, – eine Reaction, welche, soviel ich weiſs, bislang noch nicht bekannt worden ist. (Vgl. jedoch 1874 212 259. * 1875 218 417. Die Red.) Woher es nun kommt, daſs trockenes Chlorgas auf das in dem Ultramarin enthaltende Sulfat anders einwirkt, als auf reines schwefelsaures Natron, muſs eine weitere Untersuchung lehren; höchst wahrscheinlich spielt der Schwefel hier eine gewisse Rolle. Bekanntlich hat nun Zeltner in Nürnberg (1878 230 500) ein Patent für die Darstellung einer rothen Ultramarinfarbe erhalten, und zwar setzt er das Ultramarinblau bei höherer Temperatur der Einwirkung von Chlorgas und Wasserdampf aus, und bezeichnet sein so erhaltenes Product als ein hydroxylirtes Ultramarin. Da ich aber das rothe (und gelbe) Ultramarin durch Einwirkung von trockenem Chlorgas ohne gleichzeitige Anwendung von Wasserdampf auf noch nicht fertig gebildetes Ultramarinblau erhalten habe, so könnte damit wohl bewiesen sein, daſs das rothe Ultramarin nicht als ein hydroxylirtes Ultramarin aufzufassen ist. Aber auch eine weitere Thatsache spricht gegen die Ansicht Zeltner's. Vergleicht man die Analyse vom rothen, blauen und gelben Ultramarin unter einander, so zeigen dieselben, wie schon erwähnt, einen wesentlichen Unterschied in dem Gehalt an Natrium; es enthält das Blaue mehr Natrium als das Rothe und das Rothe wieder mehr als das Gelbe.Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1873 Bd. 6 S. 1450. Es lag also der Gedanke nahe, ein rothes und gelbes Ultramarin direct zu erhalten, wenn man in der zu brennenden Ultramarinbildung für Blau den Natrium geh alt verringere. Da es mir denn auch, wenn gleich erst in geringen Mengen gelungen ist, aus einer an Natrium ärmeren Ultramarinblau-Mischung Roth und Gelb direct herzustellen, so wird man auch hieraus den Schluſs ziehen dürfen, daſs das rothe Ultramarin die Gruppe Hydroxyl nicht enthalte. Weitere Mittheilungen über diesen Gegenstand behalte ich mir vor, da ich gegenwärtig mit Untersuchung hierüber noch beschäftigt bin. Stellen wir zum Schluſs aber noch die Frage auf, ob die rothe, gelbe und violette Ultramarinfarbe (welch letztere ein Uebergangsstadium von Blau und Roth ist) überhaupt irgend einen praktischen Werth und eine Zukunft habe, so muſs diese Frage mit „Nein“ beantwortet werden. Eine schöne feurige und dabei beständige blaue Deckfarbe, wie es das Ultramarinblau ist, war und ist noch ein Bedürfniſs und wird es wohl auch bleiben; violette rothe und gelbe Farben dagegen sind nach jeder Richtung hin zufriedenstellend vorhanden und zwar mit feuerigerem Ansehen und stärkerer Deckkraft als das rothe, violette und gelbe Ultramarin. Pfungstadt, Februar 1879.