Titel: Untersuchungen amerikanischer und russischer Petroleumsorten; von Dr. J. Biel, Chemiker in St. Petersburg.
Autor: J. Biel
Fundstelle: Band 232, Jahrgang 1879, S. 354
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Untersuchungen amerikanischer und russischer Petroleumsorten; von Dr. J. Biel, Chemiker in St. Petersburg. Biel, Untersuchungen amerikanischer und russischer Petroleumsorten. Die bedeutende Ueberproduction und der Mangel an Absatzquellen, woran gegenwärtig die russische Kerosin-Industrie leidet, haben mich veranlaſst, aufs Neue der Frage näher zu treten, welche Fortschritte die Fabrikation des russischen Kerosins noch unumgänglich zu machen hat, um einestheils das Vorurtheil des hiesigen Publicums gegen einheimische Waare zu besiegen, anderntheils ihrem Producte den europäischen Markt zu eröffnen. Man braucht nur die Arbeit von Prof. D. J. Mendelejeff: „Die Naphta-Industrie der amerikanischen Staaten und des Kaukasus“, sowie diejenige von Professor K. J. Lissenko: „Uebersicht über den gegenwärtigen Zustand der russischen Naphta-Industrie 1876“, welche beide in russischer Sprache, und zwar auf Grund persönlicher Untersuchungen an Ort und Stelle, herausgegeben sind, zu studiren, um sofort zu der Ueberzeugung zu gelangen, daſs der Reichthum des Kaukasus an Erdöl so groſs und so unerschöpflich ist, daſs durch ihn mit Leichtigkeit ganz Europa mit dem ganzen Bedarf an Leuchtstoff versehen werden könnte. Es existiren gegenwärtig z.B. in Nordamerika über 2000 Brunnen, von denen aber bereits fast die Hälfte erschöpft sind, und die Ausbeute derselben betrug in den J. 1860 bis 1875 nach amtlichen Quellen 3350 Millionen Gallonen rohes Erdöl oder 625000t im Jahr. Im Kaukasus dagegen zählte man i. J. 1875 nur 70 Brunnen, aus denen 105000t rohes Erdöl gewonnen wurden. Die durchschnittliche jährliche Ausbeute eines Brunnens im Kaukasus ist also dreimal so groſs, als diejenige eines amerikanischen Brunnens. Da aber, wie erwähnt, das Angebot stets die Nachfrage übersteigt, der Preis der Waare daher auſserordentlich gedrückt ist, so vergröſsert sich einerseits die Anzahl der Brunnen jährlich nur unbedeutend, andererseits werden die Brunnen im Kaukasus, um die Anlagekosten zu sparen, durchschnittlich nur 70m tief gebohrt, während die Amerikaner 300 bis 400m tief bohren. Bereits im Januar 1878 hatte ich Gelegenheit, in Gemeinschaft mit dem Chemiker Hrn. Dr. Wilm die vortrefflichen natürlichen Eigenschaften des kaukasischen Kerosins festzustellen. Wir fanden damals die fast absolute Reinheit von Theerstoffen und eine bedeutend stärkere Lichtentwicklung bei gleichem Verbrauche an Kerosin, verglichen mit den amerikanischen Handelsproducten. Gleiche Mengen von vier amerikanischen Kerosinen gaben 1000, 1075, 1140 bezieh. 1190 Lichtstärken, während dieselben Mengen dreier russischer Kerosine 1250, 1350 und 1395 Lichtstärken gaben. Diesmal habe ich meine Untersuchungen von anderen Gesichtspunkten aus unternommen, und ich bin auch jetzt wieder zu solchen Resultaten gelangt, daſs ich glaube, im Interesse der russischen Kerosin-Industrie zu handeln, wenn ich dieselben der Oeffentlichkeit übergebe. Auf den am 14. Januar d. J. in Liverpool abgehaltenen Congreſs englischer Petroleum-Importeure, welcher zu dem Zweck abgehalten worden ist, um die Frage zu entscheiden, weshalb die Beschaffenheit des amerikanischen Petroleums in der letzten Zeit so durchaus verschieden von der früheren ist und wie den hieraus entspringenden Uebelständen und Klagen abzuhelfen sei, ist von dem zu diesem Congreſs von New-York herübergekommenen Hrn. Lockwood, Inspector für Petroleumexport, die wichtige Thatsache festgestellt worden, daſs die früher ausschlieſslich bearbeiteten Brunnen des Petroleumbezirkes groſstentheils erschöpft seien und nur noch etwa 25 Procent des gesammten Exports liefern können. Die übrigen 75 Procent werden aus dem neu erschlossenen Bradford-District geliefert. Nun sei aber das in letzterem, District gewonnene Erdöl von wesentlich verschiedenen Eigenschaften als das ursprünglich gewonnene Erdöl und dies sei die Ursache der jetzt gegen früher so sehr abweichenden Beschaffenheit des aus Amerika verschickten Kerosins. Er setzte hinzu, daſs sich der Procentsatz des ausgeführten Bradford-Oeles voraussichtlich noch wesentlich steigern werde und daſs gegen die hieraus sich ergebenden Uebelstände für den Konsumenten kein anderes Mittel zu schaffen sei, als eine Veränderung der Dochte und der Construction der Brenner. Die aus dieser veränderten Beschaffenheit des amerikanischen Kerosins sich ergebenden Uebelstände beim Gebrauch der bis jetzt allgemein üblichen Lampen, welche Uebelstände auch hier in Petersburg aufs lebhafteste empfunden worden sind, sind nun folgende: 1) Das amerikanische Kerosin ist von viel zu groſser Feuergefährlichkeit, da es sich bereits entzünden läſst, wenn es auf 30° erwärmt ist – eine Temperatur, welche durch die gute Wärmeleitung der metallenen Lampentheile in den Oelbehältern sehr leicht nach kurzem Brennen der Lampen vorhanden ist, wovon ich mich mehrfach überzeugt habe. Die allgemein angenommene niedrigste Grenze ist daher für Kerosin zu 38° festgestellt und wurde dieselbe, wie ich aus einem i. J. 1870 erschienenen Berichte von Prof. Buchenau in Bremen ersehe, damals auch allgemein inne gehalten, stieg sogar bei den besseren Sorten auf 46°. 2) Brennt das jetzige amerikanische Kerosin schlecht, und zwar zeigt sich dies in der Weise, daſs die Lampen in den ersten Stunden zwar normal brennen, nach einiger Zeit aber die Flammen kleiner und kleiner werden, und man auf keine Weise, durch Aufschrauben des Dochtes z.B., im Stande ist, die Flamme zu vergröſsern. Dabei setzt sich eine starke Schnuppe an den Docht, und wenn die Flamme ausgeblasen wird, so glimmt der Docht noch fort und verbreitet höchst üblen Geruch. Oft brennen die Lampen an den ersten Abenden ganz gut, zeigen dann aber die eben beschriebenen Erscheinungen an den nächsten übenden in verstärktem Maſse. Um diese üblen Erscheinungen auf ihre Ursache zurückzuführen und zugleich das im Handel vorkommende Oel gegen das amerikanische um ein Drittel billigere russische Kerosin in gleicher Weise zu prüfen, wurden verschiedene Marken einer genauen Untersuchung unterworfen. Zu diesem Zwecke wurde jedes Kerosin in seine verschiedenen Bestandtheile zerlegt, indem von allen genaue gleiche Mengen in ein und derselben Glasretorte mit eingesenktem Thermometer erhitzt und die Destillate von 25 zu 25° besonders aufgefangen wurden. Diese getrennten Partien wurden nun durch Rectification neuerdings zerlegt und schlieſslich die gleichartigen, d.h. bei derselben Temperatur siedenden, zusammengethan. Die Nomenclatur (Essenzen bis 150° siedend, weil bei gewöhnlicher Temperatur entzündlich, Brennöle von 150 bis 270° siedend und schwere Oele die über 270° siedenden Antheile, weil zu phlegmatisch, um in dem Docht in die Höhe zu steigen) ist die in Nordamerika allgemein übliche.Kleinschmidt, Berg- und hüttenmännische Zeitung, 1867. Die drei untersuchten amerikanischen Oele: Carbon Oil von der Standard Oil Company in Cleveland, Ohio und New-York, Standard Oil von der Imperial Raffining Company in Oil City, Penn., und Standard withe aus einer mir nicht bekannten Fabrik erwiesen sich in ihrem Wesen als so völlig gleich, daſs ich hier nur eine Sorte anführe. 1) Standard Oil. Specifisches Gewicht 0,795, Verpuffungspunkt 26°, Entzündungspunkt 30°.Bei directer Berührung des Kerosins mittels einer kleinen Flamme. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich beim Schütteln mit gleichen Theilen Oel sofort schwarzbraun. Dampftension, nach Salleron bestimmt, 160mm bei 35°. Es destilliren über: bei der Temperatur Proc. Spec. Gew. Entzündungspunkt a) 125 bis 150° 14,4 0,741   16° b) 150 170   9,8 0,760   29 c) 170 190   8,3 0,770   43 d) 190 210   6,0 0,778   59 e) 210 230   5,6 0,786   75 f) 230 250   8,6 0,796 100 g) 250 270   7,6 0,808 112 h) 270 290   5,8 0,818 i) Rest 33,9 0,840 Bei der Destillation entwickelt sich ein stechender Geruch nach Schwefligsäure, ebenso riechen die von 190 bis 230° übergehenden Producte sehr stark nach derselben Säure. Dieselbe stammt aus den im Kerosin enthaltenen Sulfoverbindungen und zeigt, ebenso wie die bereits angeführte Reaction mit concentrirter Schwefelsäure, daſs das amerikanische Kerosin sehr unvollkommen gereinigt wird. Wir erhielten also aus dem Standardöl (und genau ebenso aus den anderen beiden Sorten): 14,4 Proc. leicht entzündliche Essenz, 45,9 eigentliches gutes Brennol, 39,7 schwere Oele. Es liegt nun auf der Hand, daſs ein Kerosin von so bedeutendem Gehalt an phlegmatischen Oelen, das noch auſserdem mit schwefelhaltigen Theerstoffen verunreinigt ist, unmöglich den Anforderungen des Publicums genügen kann. Während nämlich einerseits die trägen schweren Oele nicht im Stande sind, in genügender Menge bis zur Flamme aufzusteigen, verstopfen später die nur verkohlenden Theerstoffe obendrein die Poren des Dochtes und verhindern das weitere Aufsteigen des Kerosins in die Flamme. Um diese theoretische Schluſsfolgerung praktisch zu beweisen, construirte ich mir eine Lampe, deren Oelbehälter aus einem graduirten, mit einer verschlieſsbaren seitlichen Oeffnung versehenen Cylinder bestand, so daſs ich das Kerosin bis zu jeder gewünschten Höhe ablassen konnte, ohne die Lampe auszulöschen und aus einander zu schrauben. Als Brenner benutzte ich einen gewöhnlichen siebenflammigen Kosmosbrenner mit 15mm breiten Dochte. In dieser Lampe brannte ich nun die verschiedenen Sorten bei einem Abstande des Kerosinspiegels von von der Flamme von 6, 9, 12 bezieh. 14cm und bestimmte bei jedem dieser Abstände die Leuchtkraft im photometrischen Apparate. Das in Rede stehende Kerosin zeigte bei einem Abstande des Spiegels von der Flamme zu:   6cm 7 Lichtstärken   9 3,35 12 1,36 14 0,8 Da diese Bestimmungen kurz nach einander gemacht wurden, so kam dabei die Poren verstopfende Eigenschaft der Theerstoffe nicht zur Geltung. Lieſs ich jedoch das Kerosin selbst bis zu den bestimmten Niveauabständen herunterbrennen, ahmte also genau die im gewöhnlichen Leben vorhandenen Verhältnisse nach, so erhielt ich, wie vorausgesetzt, bei einem Abstande von:   6cm 7 Lichtstärken   9 2,4 12 0,9 2) Astral Oil, ebenfalls amerikanischen Ursprunges, sogen. 150° fire test, 0,783 sp. G., Verpuffungspunkt 48°, Entzündungspunkt 51°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich mit gleichen Theilen des Oeles geschüttelt goldgelb. Dampftension nach Salleron 5mm bei 35°. Es destilliren über: bei der Temperatur Proc. Spec. Gew. Entzündungspunkt a) unter 150°     2,2   16° b) von 150 bis 170   13,5 0,758   29 c) 170 190   21,3 0,768   43 d) 190 210   18,8 0,777   57 e) 210 230 15 0,786   75 f) 230 250 10 0,795   99 g) 250 270     9,2 0,806 111 h) 270 290     4,8 0,813 i) Rest     5,2 0,834 Bei der Destillation entwickelt sich keinerlei übler Geruch, ebenso riechen die einzelnen Destillate durchaus normal. Das Astral Oil gibt also Ausbeute an: Leicht entzündlicher Essenz   2,2 Proc. Gutem normalem Brennol 87,8 Schwerem Oel 10 Mit diesem fast gänzlichen Mangel an leicht entzündlicher Essenz steht der hohe Entzündungspunkt 51° und in Folge dessen die bedeutend gröſsere Sicherheit gegen Feuersgefahr in directem Zusammenhang. Die Versuche am Photometer ergaben bei einem Niveauabstande von:   6cm 7 Lichtstärken   9 4,5 12 3,0 14 1,36 3) Kaiseröl von Aug. Korff in Bremen. Specifisches Gewicht 0,789, Verpuffungspunkt 44°, Entzündungspunkt 46°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich goldgelb mit dem Oele. Verhält sich im Uebrigen wie das Astral Oil und gibt an Bestandtheilen: Essenzen   5,5 Proc. Brennöle 80 Schwere Oele 14 Die Versuche am Photometer ergaben bei einem Niveauabstand von:   6cm 7 Lichtstärken   9 6 12 3 14 1,36 Ein Unterschied, ob die Lampen von selbst auf das bestimmte Niveau herunterbrannten, oder schnell entleert wurden, war nicht wahrzunehmen, welche Bemerkung auch für die nachfolgenden russischen Kerosine gilt. Ebenso wenig änderte sich beim Brennen jemals das specifische Gewicht des betreffenden Oeles. 4) Russisches Kerosin Nr. 0. Specifisches Gewicht 0,803, Verpuffungspunkt 26°, Entzündungspunkt 29°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich mit gleichem Volum des Oeles geschüttelt hell citronengelb. Dampftension nach Salleron 201mm bei 35°. Es destilliren über: bei der Temperatur Proc. Spec. Gew. Entzündungspunkt a) 100 bis 125°   6,7 0,756   16° b) 125 150 26,8 0,774   16 c) 150 170 18,8 0,795   25 d) 170 190 16,6 0,810   43 e) 190 210 14,3 0,823   56 f) 210 230   6,8 0,834   74 g) 230 250   6,7 0,847   99 h) 250 270   3,3 0,867 116 Die Destillation ging glatt und geruchlos von statten und alle Destillate waren wasserhell und normal von Geruch. Wir erhielten also: Essenzen 33,5 Proc. Gute Brennole 66,5 Die völlige Abwesenheit schwerer Oele, worauf bei der nur versuchsweise unternommenen Fabrikation (es sind im Ganzen nur etwa 500 Faſs von dieser Sorte dargestellt worden) besondere Rücksicht genommen worden, muſs lobend anerkannt werden. Dagegen ist der übergroſse Gehalt an leicht entzündlicher Essenz und die damit verbundene Feuergefährlichkeit zu tadeln und entschieden von weiterer Fabrikation dieser Sorte abzurathen. Die Versuche am Photometer ergaben bei einem Niveauabstand von:   6cm 7 Lichtstärken   9 6,25 12 4,45 14 3,7 Das Oel besaſs hiernach von allen von mir untersuchten Oelen den höchsten Aufzug (Fähigkeit des Oeles, der Capillarattraction des Dochtes zu folgen). Da derselbe aber seine Ursache in der übergroſsen Menge Essenzen hat, so kann man diese Eigenschaft nur beziehungsweise loben, da sie durch die Feuergefährlichkeit des Oeles wieder paralysirt wird. 5) Russisches Kerosin A (Gewöhnliche Handelswaare). 0,817 sp. G., Verpuffungspunkt 28°, Entzündungspunkt 30°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich mit dem Oele goldgelb. Dampftension nach Salleron 73mm bei 35°. Es destilliren über: bei der Temperatur Proc. Spec. Gew. Entzündungspunkt a) 100 bis 125°   2,6 0,763   16° b) 125 150 12,8 0,776   16 c) 150 170 16,8 0,793   25 d) 170 190 14,8 0,808   41 e) 190 210 14,4 0,821   55 f) 210 230 12,7 0,831   72 g) 230 250   7,5 0,840   98 h) 250 270 7 0,850 120 i) 270 290 5 0,858 k) Rest   5,5 0,878 Die Destillation geht glatt und geruchlos von statten und alle Destillate riechen normal. Nur das über 270° übergehende ist blaſs gelblich gefärbt, alles vorher übergehende wasserhell. Wir haben also hier erhalten: 15,4 Proc. leicht entzündliche Essenz, 73,2 gutes normales Brennol, 10,5 schweres Oel. Die Versuche am Photometer ergaben bei einem Niveauabstand von:   6cm 7 Lichtstärken   9 5,2 12 4 14 3 Wurde die Niveauhöhe durch Abbrennen erzielt, so ergaben sich folgende etwas niedrigere Zahlen:   6cm 7 Lichtstärken   9 4,5 12 3,5 14 2,6 6) Russischse Kerosin B (Gewöhnliche Handelswaare anderer Fabrik). 0,822 sp. G., Verpuffungspunkt 30°, Entzundungspunkt 35°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich mit dem Oele goldgelb. Dampftension nach Salleron 45mm bei 35°. Die Destillation ergab: Essenzen 12,8 Proc. (Davon gingen 1,5 Proc. uber bei einer                    Temperatur unter 125°.) Brennol 78,3 Schweres Oel   8,4 Der photometrische Versuch ergab: bei   6cm 7 Lichtstarken   9 5,7 12 3,2 14 1,65 7) Russisches Kerosion C (Gewöhnliche Handelswaare einer dritten Fabrik). 0,821 sp. G., Verpuffungspunkt 25°, Entzündungspunkt 26°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich mit dem Oele goldgelb. Dampftension nach Salleron 95mm bei 35°. Die Destillation ergab: Essenzen 15,25 Proc. (Davon unter 125° siedend 4,5 Proc.) Brennol 71,25 Schweres Oel 13,5 8) Russisches Kerosin D (Gewöhnliche Handelswaare einer vierten Fabrik.). 0,820 sp. G., Verpuffungspunkt 28°, Entzündungspunkt 29°. Concentrirte Schwefelsäure färbt sich mit dem Oele citrongelb. Im Uebrigen nicht genauer untersucht. Stellen wir nun die Resultate zu einer Tabelle zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: UntersuchteSorte Spec. Gew.bei 16° Dampftensionbei 35° Verpuff. Punkt Entzund. Punkt Essenzen Brennol Schweres Oel Lichtstarke beiNiveanabstand von 6cm 9cm 12cm 14cm mm Proc. Proc. Proc. Standard Oil 0,795 160 26° 30° 14,4   45,9   39,7 7     3,35     1,36   0,8 Astral Oil 0,783     5 48 51   2,2   87,8 10 7   4,5   3,0     1,36 Kaiserol 0,789   13 44 46   5,5 80 14 7 6   3,0     1,36 RussischRussischRussischRussisch Kerosin Nr. 0      A      B      C 0,8030,8170,8220,821 201  73  45  95 26283025 29303526 33,515,412,8  15,25   66,5  73,2  78,3    71,25   10,5    8,4  13,5 777     6,25  5,2  5,7  –     4,454  3,2   3,73    1,65  – Wir sehen hieraus, daſs das amerikanische Astral Oil hinsichtlich der Sicherheit gegen Explosionsgefahr und in Bezug auf den Gehalt an wirklichen guten Brennölen und Abwesenheit leicht entzündlicher Essenz von allen die erste Stelle einnimmt und geradezu als Normalöl hinzustellen ist. Ihm steht würdig zur Seite das Bremer Kaiseröl, dagegen das jetzt im Handel vorkommende amerikanische Kerosin gewöhnlicher Fabrikation durch seinen Gehalt an schweren Oelen und schwefelhaltigen Theerstoffen und dadurch bedingten höchst mangelhaften Aufzug unbedingt als das schlechteste hinzustellen ist, wobei es noch nicht einmal in Bezug auf Gefahrlosigkeit irgend einen Vorzug vor den gewöhnlichen russischen Kerosinen voraus hat. Den russischen Oelen sieht man es an, daſs sich die Fabrikation noch nicht zu bestimmten Normen durchgearbeitet hat, woran wohl meistens das Bestreben Schuld ist, ein möglichst dem amerikanischen in Bezug auf specifisches Gewicht ähnliches Product herzustellen – ein ebenso vergebliches, als, wie ich später zeigen werde, überflüssiges Bemühen, dem ein Product von 33 Procent leicht entzündlicher Essenz entsprungen ist! Ueberhaupt muſs sämmtlichen russischen Oelen, bei genügender Reinheit von schweren Oelen und vorzüglich gutem Aufzug, dennoch der Vorwurf eines zu groſsen Gehaltes an leicht entzündlicher Essenz und dadurch bedingter Feuergefährlichkeit gemacht werden. Denn nicht 30°, wie die Amerikaner es jetzt herzustellen angefangen haben, sondern 38° ist die niedrigste Grenze, welche allerdings der Fabrikant B fast schon erreicht hat. Hat die russische Industrie sich erst von der Nothwendigkeit eines solchen fire test überzeugt und liefert sie kein Oel unter 38°, dann Steht ihr der europäische Markt offen und das amerikanische Oel wird entweder besser werden müssen oder zurückgedrängt! Da mir nun bereits öfter von russischen Fabrikanten der Einwurf gemacht worden ist, sie könnten den Entzündungspunkt nicht höher stellen, weil dadurch dann das specifische Gewicht zu stark in die Höhe getrieben werde, so habe ich mir zur Aufgabe gesetzt, zu untersuchen, in wie fern das specifische Gewicht Einfluſs auf die Gebrauchsfähigkeit als Brennöl habe. Es schien allerdings möglich, ja natürlich, daſs ein hohes specifisches Gewicht den Aufzug des Oeles (d.h. die Fähigkeit desselben, der Capillarattraction des Dochtes zu folgen) erheblich herabsetzen werde. Da keines der russischen Kerosine wegen der abweichenden Zusammensetzung sich direct mit einem amerikanischen vergleichen lieſs, so stellte ich mir selbst Normalöle dar, indem ich die bei der fractionirten Destillation gewonnenen Fractionen c bis h, also die von 150 bis 270° siedenden Antheile, die eigentlichen Brennöle, wieder zusammenthat. Ebenso verfuhr ich mit dem amerikanischen, von dem die Fractionen b bis g, ebenfalls von 150 bis 270° siedend, zusammengegossen wurden. Ich erhielt so Producte, welche sowohl von leicht entzündlichen Essenzen als auch von schweren Oelen frei waren. Diese Normalöle hatten folgende Eigenschaften: Russisches Amerikanisches Specifisches Gewicht 0,814 0,778 Verpuffungspunkt 43° 46° Entzündungspunkt 45° 49°. Das specifische Gewicht des russischen Normalbrennöles ist also bedeutend höher, als das des amerikanischen, dagegen der Entzündungspunkt etwas niedriger, aber immerhin um 8° höher als die allgemein angenommene niedrigste Grenze (38°) es erfordert. Die am Photometer gemessene Lichtstärke beider Oele war nun bei einem Abstande des Niveau von der Flamme im Betrage von: Russisches Amerikanisches   6cm 7 7   9   5,2   5,2 12 3 3 14   1,6   1,5. Da mir dieses Resultat noch nicht genügte, so schritt ich zum Gegenbeweis, indem ich zwei Fractionen von absolut gleichem specifischem Gewichte der photometrischen Prüfung unterwarf, nämlich Fraction g vom amerikanischen Oele und Fraction d vom russischen Oel. Dieselben waren zweimal rectificirt und absolut frei von leichteren sowohl, als schweren Oelen. Die Eigenschaften derselben waren folgende: Russisches Amerikanisches Specifisches Gewicht 0,808 0,808 Siedetemperatur 170 bis 190° 250 bis 270° Entzündungspunkt 41° 113°. Die gefundene Lichtstärke betrug bei einem Abstande von: Russisches Amerikanisches   6cm 7 5,7   9     4,45   1,36 12   2,3 0,5 14   0,9 Hiermit ist der Beweis geliefert, daſs der Aufzug eines Kerosins unabhängig ist von dem specifischen Gewichte desselben, abhängig dagegen von der Siedetemperatur und um so gröſser, je niedriger die letztere ist Ferner hängt der Entzündungspunkt eines Kerosins nicht mit dem spezifischen Gewichte zusammen, sondern ist ebenfalls ausschlief stich von der Siedetemperatur des betreffenden Oeles abhängig. Auf Grundlage vorliegender Resultate glaube ich mich berechtigt, für eine concurrenzfähige Fabrikation russischen Brennöles folgende Gesichtspunkte als maſsgebend hinzustellen: 1) Der in den kleineren Fabriken zwecks gröſserer Ausnutzung der Apparate vielfach bestehende continuirliche Betrieb der Destillationsretorten muſs unbedingt aufgegeben werden, weil bei demselben eine Trennung der leicht entzündlichen Essenzen von dem Brennöl nicht möglich ist. 2) Der Destillationsbetrieb ist nicht auf Grundlage des specifischen Gewichtes, sondern der Siedetemperatur zu vollführen. 3) Eine Entzündungstemperatur von mindestens 38° (100° Fahrenheit) muſs als niedrigste Grenze inne gehalten werden. 4) Die Bestimmung derselben muſs in der Art ausgeführt werden, daſs während des Versuches die Oberfläche des Oeles von Zeit zu Zeit mit einem kleinen Flämmchen berührt wird. Die amerikanische Methode, bei welcher das Flämmchen 13mm von der Oberfläche entfernt gehalten wird, gibt unrichtige Resultate. Zum Schlüsse kann ich es mir nicht versagen, darauf aufmerksam zu machen, daſs die groſsen Differenzen, welche zwischen den einzelnen Fractionen des amerikanischen Kerosins einerseits und derjenigen des russischen Kerosins andererseits hinsichtlich des Siedepunktes und des specifischen Gewichtes bestehen, keinerlei Zweifel zulassen, daſs wir es hier mit zwei homologen Reihen von Kohlenwasserstoffen zu thun haben, welche mit einander nicht identisch, sondern isomer sind. Die Kohlenwasserstoffe, welche aus dem amerikanischen Kerosin isolirt worden sind, haben folgende Eigenschaften: Spec. Gew. Siedepunkt Nonylwasserstoff C9H20 0,741 137° Rutylwasserstoff C10H22 0,757 161 Laurylwasserstoff C12H26 0,788 198 Myrylwasserstoff C14H30 0,809 238 Palmitylwasserstoff C16H34 ? 280 Hiermit stimmen die Fractionen des amerikanischen Kerosins sehr gut überein, die des russischen aber nicht: Siedetemperatur Amerikanisches Russisches 100 bis 125° 0,763 125 150 0,741 0,776 150 170 0,759 0,793 170 190 0,770 0,808 190 210 0,778 0,821 210 230 0,786 0,831 230 250 0,796 0,840 250 270 0,808 0,850 270 290 0,818 0,858. Leider erlaubt es mir meine Zeit nicht, diese interessante Frage, welche übrigens schon vor einigen Jahren von Prof. Lissenko angeregt worden istIn dessen oben angefuhrtem Werke: Uebersicht über den gegenwärtigen Zustand der russischen Naphta-Industrie., weiter zu verfolgen und z.B. aus einem vollständig isolirten reinen Kohlenwasserstoffe mit constantem Siedepunkte die betreffenden Chlorderivate, Alkohole u. dgl. darzustellen. Nur eine solche Arbeit könnte definitiv entscheiden, ob wir es mit bisher noch unbekannten Körpern zu thun haben. St. Petersburg, im Januar 1879.