Titel: Betrachtungen über das kieselarme blaue Ultramarin und seine Entstehung aus Weiss; von Arthur Lehmann.
Autor: Arthur Lehmann
Fundstelle: Band 233, Jahrgang 1879, S. 331
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Betrachtungen über das kieselarme blaue Ultramarin und seine Entstehung aus Weiſs; von Arthur Lehmann. Lehmann, über das kieselarme blaue Ultramarin. Während in der letzten Zeit alle Forscher, die sich mit dem Ultramarin beschäftigten, zu der Ansicht gekommen waren, derselbe bestehe wesentlich aus Na, Al, Si, S und O, stellte Rickmann (1879 231 365) zuerst blaues Ultramarin durch Glühen eines Gemenges von Schwefelnatrium und Wasserglas im Strome trocknen Salzsäuregases dar. Es ist aber nach Rickmann das Gelingen dieser Reaction nur schwer zu erzielen, und die Wiederholung des Versuches durch den Verfasser wollte durchaus kein positives Resultat ergeben. Da ferner Rickmann selbst keine Analyse des von ihm erhaltenen Productes, das vollständig dem Handelsultramarin gleichen soll, gibt, so ist die in Aussicht gestellte ausführliche Arbeit zu erwarten. Obwohl die Ultramarine des Handels, welche in den letzten Jahren studirt worden sind, keine sehr groſsen Schwankungen in ihren Zusammensetzungen zeigen, so ist doch bisher von keinem nachgewiesen, daſs es eine einheitliche Substanz ist. Dagegen ergeben zahlreiche frühere Arbeiten, besonders die von Knapp und Ebell (1878 229 69), sowie von Rickmann, daſs selbst bei auſserordentlich wechselndem Verhältniſs von Na, Al, Si und S schön gefärbte Ultramarine erhalten werden können. Es kann daher unmöglich jetzt eine Formel für Ultramarin aufgestellt werden, welche der für eine einheitliche chemische Substanz aus der Analyse hergeleiteten Bruttoformel oder der aus den Reactionen dieser Substanz hergeleiteten und mit Berücksichtigung der Bruttoformel gebildeten Constitutionsformel an Werth gleicht. So sind die von R. Hoffmann (1879 231 363) gegebenen Formeln eben nur angenäherte Formeln für Marienberger Fabrikat, und die vom Verfasser (1879 231 364) früher gegebenen sind nicht einmal dies, sondern sollen nur eine gewisse Reihe von Reactionen versinnlichen, ohne daſs auf sie als Bruttoformeln ein besonderer Werth gelegt worden ist. Die von Rickmann gegebene Formel für Blau steht aber mit den Resultaten des Verfassers im directesten Widerspruche. Die wichtigste Reaction der Ultramarine, welche augenblicklich bekannt ist, ist ihr Verhalten gegen flüssige Säuren; als solche ist vor allem flüssige Salzsäure benutzt worden. Nun ist aber, wie Verfasser gezeigt hat, ein Unterschied zu machen zwischen der Einwirkung von concentrirter und sehr verdünnter Salzsäure auf Ultramarin. Sehr verdünnte Salzsäure zersetzt Ultramarine in der Art, daſs eine der angewendeten Salzsäure äquivalente Menge Natrium, aber kein Aluminium ausgezogen wird. Da zudem durch die sehr verdünnte Salzsäure keine Kieselsäure frei gemacht wird, so schlieſst Verfasser, daſs die Ultramarine durch verdünnte Salzsäure in eine Substanz Al2Si2O7 (aufgeschlossenen Thon) und in eine Na, S und O enthaltende Verbindung gespalten werden; diese letztere wird dann durch die Salzsäure in NaCl, H2S, H2O und S zersetzt. Bei Anwendung von concentrirterer Salzsäure verläuft die Reaction im Uebrigen gleich, nur daſs hier auch die Substanz Al2Si2O7 weiter in Al2Cl6, SiO2 und H2O zersetzt wird. Es verhält sich also die Gruppe Al2Si2O7 wie ein Säureanhydrid. Zu demselben Resultate kommt R. Hoffmann, indem er zeigt, daſs beim Schmelzen von Thon mit Ueberschuſs von Soda für die Menge Al2Si2O7 ein CO2 ausgetrieben wird und die Verbindung Na2Al2Si2O8 entsteht.In einem gewissen Gegensatz hierzu steht die Angabe von Knapp und Ebell, daſs nach dem Schmelzen von Thon mit Natron und Auskochen des Reactionsproductes mit Wasser aufgeschlossener Thon zurückbleibe. Bemerkenswerth ist andererseits, daſs Ritter (1860) bei Anwendung eines der Ultramarinmischung entsprechenden Kalisatzes ein schwefelfreies Kalium-Aluminiumsilicat mit 39,16 Proc. SiO2, 33,84 Proc. A12O3, 27,04 Proc. K2O, entsprechend der Formel K2O.Al2Si2O7, erhalten hat. Das Anhydrid Al2Si2O7 scheint sich nun nicht blos mit Oxyden zu Sauerstoffsalzen, mit Sulfiden zu Schwefelsalzen, sondern auch mit Verbindungen R2O.nO, R2S.nS, R2O.nS, R2S.nO (n vielleicht = 1) zu salzartigen Verbindungen vereinigen zu können. Diese letzteren wären gefärbte Ultramarine oder ihnen analoge Substanzen. Es muſs aber hervorgehoben werden, daſs in den untersuchten Ultramarinen das Verhältniſs Na : Al durchaus nicht immer 1 : 1 ist, sondern daſs sich folgende Atomverhältnisse ergeben: Ritter R. Hoffmann Knapp und Ebell LehmannAus Marienberger Grün durch trocknes HCl dargestellt. Na : Al Na : Al Na : Al Na : Al Weiſs 8¼ : 6 9¾ : 6 8 : 6 Blau 7⅔ : 6 6 : 6 6⅔ : 6 Kieselarmes Fabrikat Abgesehen von dem Verhältniſs Na : Al unterscheiden sich weiſses, grünes und blaues Ultramarin durch die Art der Natriumverbindung. Diese Natrium Verbindungen möge man sich aus mNa2O, nNa2S, oS, d.h. aus Oxyd, Sulfid und additionellem Schwefel, zusammengesetzt denken. Dann hat man (abgesehen von SiO2) z.B. im Weiſs von Hoffmann 13Na2S, 32Na2O, 30Al2O3, (6S), Weiſs von Knapp und Ebell 12Na2S, 27Na2O, 29Al2O3, (9,4 S). Durch das Einklammern des additionellen Schwefels soll angedeutet werden, daſs sowohl Hoffmann als Knapp und Ebell annehmen, es sei im reinen Weiſs kein additioneller Schwefel enthalten. Doch haben Letztere, die sich direct hiermit beschäftigt haben, keine Analyse eines wirklich von additionellem Schwefel freien Weiſs gegeben. Die Bläuung von Weiſs oder Grün durch trocknes Salzsäuregas nach Knapp und Ebell läſst sich verhältniſsmäſsig so leicht studiren, daſs durch diese Methode der Bläuungsproceſs wohl bald eine gut bekannte chemische Reaction sein wird. Zwar war der Verfasser beim Studium der Bläuung durch Schwefelsäureanhydrid auf von Jenen unabhängigem Wege zu fast denselben Resultaten gekommen; doch ist die Bläuung durch SO3 an und für sich schwieriger gut durchzuführen, und ein Ueberschuſs des Reagenzes wirkt zerstörend auf den Ultramarin. Uebrigens liegt der Hauptunterschied der von Knapp und Ebell sowie vom Verfasser in ihren Arbeiten über die Bläuung ausgesprochenen Ansicht in der verschiedenen Betrachtung der nach der Bläuung ausziehbaren Natriummengen; erstere ziehen nach der Bläuung von Weiſs aus dem Reactionsproduct 5,63 Proc. Na2O aus und betrachten die ausgezogene Menge als wesentlich die Reaction mitbestimmend; der Verfasser aber, ausgehend davon, daſs in dem technischen Marienberger Grün und Blau der Natriumgehalt fast derselbe ist, und mit dem so energisch wirkenden SO3 arbeitend, meinte, daſs die von ihm bei der Bläuung von Grün beobachteten ausziehbaren Mengen von übrigens etwa 4,92 und 5,66 Proc. Na2O von einer Nebenreaction herrührten. Verfasser glaubt jetzt, daſs der Haupttheil des ausziehbaren Natriums in der unten angedeuteten Weise die Reaction mitbestimme, daſs aber ein (manchmal sehr kleiner) Theil von einer Nebenreaction herrühren könne. Bei der in der Praxis gebräuchlichen Methode ist die Bläuung theils nicht so vollständig, theils wird die ausziehbare Natriummenge dadurch sehr vermindert, daſs das Natrium mit Säuren des Schwefels Salze bildet, die nicht auswaschbar sind. Im Marienberger Blau Nr. 6 sind dies z.B. 2,8 Proc. Na2O. Nach Knapp's Methode läſst sich recht augenscheinlich zeigen, daſs sich bei der Bläuung von Weiſs und Grün der Gesammtschwefel so gut wie nicht ändere, was vorher R. Hoffmann und andererseits der Verfasser nur durch Analyse des Productes erschlieſsen konnten. Dann zeigten Knapp und Ebell daſs die Säuren des Schwefels, die sich im technischen Blau finden, nebensächlicher Natur sind, was R. Hoffmann, Jul. Philipp und der Verfasser nur vermuthen konnten. Das überraschende Resultat Knapp und Ebell's, daſs sich durch trocknen Chlorwasserstoff ein Blau erhalten lasse, welches fast kein Sulfid oder Sα enthalte, war eine directe Bestätigung der vom Verfasser ausgesprochenen Ansicht, daſs sein „Endproduct Blau“ keinen Sα enthalte.Verfasser hat z.B. nun aus Marienberger Blau durch HCl nach Ausziehen von 1,73 Proc. Na2O ein Blau mit 0,28 Proc. Sα erhalten. Zugleich sind etwa 1,23 Proc. Sα umgewandelt. Zwei Punkte laden aber doch noch zu näherem Studium ein: Während Knapp und Ebell angeben: „Nach wiederholtem Behandeln mit gasförmiger Salzsäure entwickelte der blaue Ultramarin mit flüssiger Salzsäure nur eine Spur Schwefelwasserstoff. Dabei schien mehr Chlornatrium gebildet zu werden, als der gleichzeitigen Abnahme des entwickelten Schwefelwasserstoffes entspricht“, haben zwei vorläufige Versuche des Verfassers doch immer fast eine Aequivalenz des ausziehbaren Na und des umgewandelten Sα ergeben. Gäbe man letzteres als den normalen Verlauf der Reaction zu und erklärte Abweichungen in der oben gegebenen Weise, so hätte man z.B. bei vollständiger Bläuung: 13Na2S, 32Na2O, 30Al2O3, 6S = 32Na2O, 30Al2O3, 19S + 26Na (1) Weiſs von R. Hoffmann Endproduct Blau 12Na2S, 27Na2O, 29Al2O3, 9,4S = 27Na2O, 29Al2O3, 21,4S + 24Na. (2) Weiſs von Knapp und Ebell Endproduct Blau Um auf den zweiten Punkt zu kommen, müſsten bei diesen beiden Bläuungen als von der Salzsäure herrührend 26 bezieh. 24 Atome Wasserstoff austreten, was Knapp und Ebell nicht erwähnen und Verfasser nicht beobachten konnte, oder es müssen 13 bezieh. 12 Sauerstoff noch in Reaction treten, welche 13 oder 12H2O bilden würden. Dem gegenüber geben Knapp und Ebell an, daſs das von ihnen angewendete Salzsäuregas frei von Sauerstoff gewesen sei. Es ist aber auſserordentlich schwer, dies bei dem eintretenden Gas festzustellen, und es wird wohl eine Wasserbestimmung in dem austretenden Gas am entscheidendsten sein. Verfasser konnte seiner Zeit noch kein passendes Absorptionsmittel für Wasser bei Gegenwart von Salzsäure finden. Wenn Verfasser daher den Satz aussprechen möchte: „Bei der Bläuung von Weiſs oder Grün wird Sα in Sβ übergeführt, unter Austritt einer dem umgewandelten Sα äquivalenten Menge Na und unter Mitwirkung einer äquivalenten Menge Sauerstoff“, so steht er damit zwar im Widerspruch mit Knapp und kann möglicher Weise durch den selbst angedeuteten Versuch geschlagen werden, gibt aber sonst damit nur die Ansicht von R. Hoffmann in etwas erweiterter Form wieder. Rechnet man in R. Hoffmanns Blau Nr. 6 für die Säuren des Schwefels 2,8 Proc. Na2O ab, so bleiben: a) In Procent 28,9 A12O3, 20Na2O, 1,51 Sα, 4,62Sβ b) Nach Umrechnung der entspre-chenden Menge Na2O in Sulfid 28,9A12O3, 17Na2O, 3,68Na2S, 4,62Sβ c) In Molecülen und Atomen 28A12O3, 27 Na2O, 5 Na2S, 14½ Sβ d) In Endproduct Blau übergeführt 28 Al2O3, 27Na2O, 19½ S [+ 10 Na]. Endprodukt Blau. Es ist immerhin interessant, daſs das „Endproduct Blau“, wie es sich aus Hoffmann's Weiſs Nr. 1, aus Hoffmann's Blau Nr. 6 und aus Knapp und Ebell's Weiſs herleitet, ziemlich angenähert die Formel hat:Knapp und Ebell's Blau enthält etwas weniger Natrium als dieser Theorie entsprechen würde. 3Na2O.2S.3Al2Si2O7. Hoffmann's Grün Nr. 4 hat folgendes Atomverhältniſs: 28Al2O3, 26,3Na2O, 12Na2S, 11½ Sβ. Es würde daher fast zu dem Endproduct Blau: Na2O.S.Al2Si207 führen und der (oben in Anmerkung 2 erwähnte) Versuch entspricht dieser Voraussetzung in folgendem Sinne: Al2O3 Na2O Sβ Sα Sγ Grun Nr. 4: R. Hoffmann 29,5 23,75* 3,7 3,82† 0,56 Durch HCl v. Verf. dargeselltes Blau 29,5 19,94 5,7 1,6 0,22 * 3,81 durch Wasser ausziehbar. † 2,22 umgewandelter Sα. Da 3,81 Na2O und 2,22 S fast äquivalent sind, so rechnet Verfasser für übrig gebliebene 1,6 Proc. Sα noch 3,1 Proc. Na2O ab, wobei bleiben: In Procent 29,5Al2O3, 16,75Na2O, 7,52Sβ In Molecülen und Atomen 28Al2O3, 27Na2O, 23,8Sβ Oder angenähert 1Al2O3, 1Na2O, 1Sβ. Dieses Grün hat auch darum ein besonderes Interesse, weil es bei Zurückrechnung auf Weiſs zu der Formel: Na2S.Na2O.Al2Si2O7 für dieses führt, welche Formel R. Hoffmann als die von Weiſs gibt. Das Grün Nr. 4 selbst hat nun angenähert die Formel 2Na2O.S.Na2S + 2Al2Si2O7, und eine dieser analogen Formel leitet K. Heumann in seiner jüngsten Veröffentlichung für sein Natrium-, Silber- und Kalium-Ultramarin her. Derselbe muſs also von einem Marienberger Blau ausgegangen sein, welches dem Grün Nr. 4 noch sehr nahe steht. Seine Resultate führen eben einfach zu einem Ultramarin, in welchem Sα = Sβ ist. – Es würde von groſsem Interesse sein, wenn K. Heumann seine Versuche nun auch mit an Sα armem Blau wiederholte. Wenn Verfasser im Vorhergehenden verschiedentlich Ansichten da ausspricht, wo es seine Pflicht gewesen wäre, Versuche reden zu lassen, so liegt dies daran, daſs er vorläufig verhindert ist, seine Versuche fortzusetzen. Pasewalk, Juni 1879. Nachtrag. Nachdem ich bereits die vorliegende Arbeit an die Redaction gesendet hatte, ist mir Rickmann's Arbeit in D. p. J. 1879 232 164 bekannt geworden. Ich habe dadurch zwar an Vorstehendem Nichts zu ändern, bin aber durch die Angriffe Rickmann's genöthigt, auf seine Arbeit näher einzugehen. Rickmann sagt Bd. 232 S. 164: „Während einige Chemiker in diesen Verbindungen die Schwefel-Sauerstoff-Verbindungen als zur Constitution gehörig betrachten (Ritter, Brunner, Lehmann), schlieſsen die meisten Chemiker diese Verbindungen als Verunreinigung aus und nehmen nur die Schwefelnatriumverbindungen als constitutionsbedingende Körper an.“ Hierauf ist zu erwiedern, daſs die Theorien von Ritter und Brunner keine Aehnlichkeit mit der durch mich aufgestellten besitzen, und daſs daher das, was andere Chemiker und ich selbst über jene Theorien gesagt haben, nicht auf meine eigene anzuwenden ist. S. 165 werde ich dadurch, daſs ich die Bläuung von Weiſs oder Grün als Oxydationsproceſs auffasse, in Gegensatz zu Ritter und R. Hoffmann gebracht. Gerade diese beiden Chemiker und viele Andere fassen aber den Bläuungsproceſs als eine Oxydation auf. Es ist eben der Uebergang von Sα in Sβ eine Oxydation, wie man sonst auch die Sache drehen und wenden mag. S. 169 heiſst es: „In absolut gar keiner Uebereinstimmung mit der Bildungsweise und den durch die Analyse erhaltenen Werthen des Ultramarinweiſs steht die kürzlich von Lehmann aufgestellte Formel.“ Ich sage aber über die Formel von Weiſs und Grün: „Diese beiden Formeln sind hypothetisch. Das Weiſs und Grün der Technik enthält einen Ueberschuſs von Na2O und Al2Si2O7.“ Sieht man dann die von mir selbst gegebene Zusammenstellung des Grüns von R. Hoffmann und des sich aus meiner Formel ergebenden Grüns an, so sieht man, daſs ich selbst diesen Ueberschuſs von 34,14 Proc. wohl gekannt habe. Ebenso habe ich wohl gewuſst, daſs dieser Ueberschuſs sich beim Weiſs von R. Hoffmann (ebenso zusammengesetzt wie das Weiſs von Rickmann) und dem Weiſs nach meiner Formel noch gröſser stellt. Von diesem Ueberschuſs sagte ich dann weiter: „Derselbe ist nach der Ansicht des Verfassers zwar als eine Verunreinigung von Weiſs und Grün zu betrachten, aber für die Ueberführung beider in Blau wichtig.“ (Dies haben Diejenigen, welche Auszüge aus meiner Arbeit gegeben haben, meist nicht berücksichtigt.) Es können darum allerdings die von mir früher gegebenen Formeln von Weiſs und Grün nicht in Uebereinstimmung mit den durch die Analyse erhaltenen Werthe stehen. – Nachdem ich jetzt das bei der Bläuung austretende Natrium mit berücksichtigt habe, ist der früher angenommene Ueberschuſs fortgefallen. S. 173 heiſst es ferner: „Nach Lehmanns Erklärung würde die schweflige Säure nur bei gleichzeitiger Anwesenheit von Sauerstoff bläuend wirken.“ Ich sagte aber: „Beim Studium der Bläuung von Grün zeigte es sich, daſs sowohl Luft als Schwefligsäuregas (aus Kupfer und concentrirter H2SO4), letzteres unter Abscheidung von Schwefel, eigentlich nur recht langsam wirken.“ – Verfassser hielt eben SO2 selbst für ein Oxydationsmittel; er befindet sich dabei im Ganzen in Uebereinstimmung mit Ritter, welcher im J. 1860 aus zahlreichen Versuchen die Gleichung: 2SO2 + Na2S = 2S + Na2SO4 oder genauer: 2SO2 + 2Na2S = Na2SO4 + S + Na2S2 herleitet. S. 173: „Wie läſst sich ferner nach Lehmann's Hypothese die bläuende Wirkung der gasförmigen Chlorwasserstoffsäure erklären? Bei derselben ist sowohl die Gegenwart von Sauerstoff wie von Natriumoxyd, welches auch eine Rolle beim Bläuungsproceſs spielen soll, ausgeschlossen.“ Darauf antworte ich: 1) Die Gegenwart von Na2O ist nur darum ausgeschlossen, weil Rickmann den Ueberschuſs übersehen hat. 2) An die Mitwirkung von Sauerstoff beim Bläuungsproceſs würde heute Niemand denken, der sich mit Rickmann über den merkwürdigen Uebergang von Sα in Sβ hinwegsetzt. Dieser Uebergang ist aber gerade beim Salzsäuregas von Knapp und Ebell besonders schön nachgewiesen worden. Wenn man überhaupt von jeder Formel absieht, so müſste im reinen Blau nach Rickmann nur Sα, nach mir nur Sβ vorhanden sein. Was spricht nun in Rickmann's Arbeit für seine Hypothese? Es ist: 1) der eine Bläuungsversuch auf S. 170, nach welchem beim Uebergang von Weiſs in Blau sich bei bedeutendem Natronaustritt Sa nicht wesentlich vermindert hat; 2) die Angabe auf S. 176 oben, es entstehe beim Glühen eines Gemenges von Thon und Natriummonosulfid direct Ultramarinblau. – Beides steht aber in geradem Widerspruch zu den Angaben von Knapp und Ebell. Wie sich nun meine eigenen Ansichten zu den Bläuungsversuchen von Knapp und Ebell stellen, habe ich oben hinlänglich aus einander gesetzt. Berlin, Juli 1879.