Titel: Ueber eine eigenthümliche Veränderung einer eisernen Gasleitungsröhre; von K Birnbaum in Karlsruhe.
Autor: K. Birnbaum
Fundstelle: Band 233, Jahrgang 1879, S. 460
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Ueber eine eigenthümliche Veränderung einer eisernen Gasleitungsröhre; von K Birnbaum in Karlsruhe. Birnbaum, über Veränderung einer eisernen Gasleitungsröhre. Der Besitzer des Gaswerkes zu St. Johann bei Saarbrücken, Hr. Raupp in Karlsruhe, übergab mir vor einiger Zeit ein Stück von einem guſseisernen Gasleitungsrohr, welches durch 10jährigen Gebrauch in der Nähe des Bahnhofes in St. Johann durch und durch in eine gleichmäſsige, spröde, graphitartige Masse verwandelt war, die mit dem Messer sich schneiden und dabei eine glänzende Schnittfläche entstehen lieſs. Dieser Glanz verschwand übrigens wieder, wenn die Röhre einige Wochen an der Luft gelegen hatte; während dieser Zeit bildete sich eine dünne gelbgraue Haut über der frischen Schnittfläche. Das ganze Rohrnetz der Gasleitung im Bahnhof von St. Johann war in dieser Weise verändert und muſste, nach 10jährigem Gebrauche, durch ein neues ersetzt werden. Das mir übergebene Rohrstück stammte von einer englischen guſseisernen Röhre von etwa 36mm äuſserem Durchmesser und 4mm Wandstärke. Das Rohr hatte seine äuſsere Gestalt ziemlich unverändert erhalten. An der äuſseren Oberfläche war es durch eine gelbbraune Masse dicht verkittet mit Brocken von ausgebrannten Kokes. Im Inneren der Röhre befand sich eine kleine Menge eines lockeren, gelben, offenbar nach dem Zerbrechen des Rohres hineingeschlämmten Pulvers. Die von diesem Ansatz sorgfältig gereinigte Substanz der Röhre hatte das specifische Gewicht 3,05. Dieselbe gab an Salzsäure Eisenoxyd und Eisenoxydul ab ohne Gasentwicklung. Das Pulver dieser Röhre wurde vom Magnete angezogen. Der gelbbraunen Umgebung der Röhre lieſs sich durch Salzsäure nur Eisenoxyd entziehen; hier war kein Eisenoxydul nachzuweisen. Der Bahnhof von St. Johann steht bekanntlich direct auf weichem Sandstein. Die Gasleitung muſste dort in Rinnen gelegt werden, die man in diesem Sandstein erzeugte. Damit die Röhren fest lagen, wurden sie mit Kohlenlösche von den Locomotivfeuerungen umgeben. Die Rinnen hatten kein Gefälle. Sie waren freilich oben bedeckt, aber doch dem Regenwasser nicht unzugänglich. Das Meteorwasser muſste in den Rinnen stagniren und konnte nicht anders als durch Verdampfung sich entfernen. So waren also die Röhren bald mit Wasser bedeckt, bald waren sie mehr oder weniger trocken. Das einflieſsende Wasser muſste die Kohlenlösche auslaugen und mit der dabei entstehenden Lösung kamen die Gasröhren in Berührung. Diese Flüssigkeit muſs die Veränderung des Materials der Röhren bewirkt oder doch zu der Erscheinung beigetragen haben. Die Analysen der Röhrensubstanz und der braunen Masse in der nächsten Umgebung der Gasrohre konnten Aufschluſs über die Vorgänge bei der Veränderung geben. In folgenden Zahlen sind die Resultate solcher Analysen mitgetheilt, bei denen Hr. Stud. H. Oberconz aus Trier mich unterstützte: Weiche graphitartigeSubstanz der Rohre Umgebung der Rohre;gelbbraune, erdige Masse Kohlenstoff   13,34   16,92 Kieselsäure   15,34   23,30 Eisen   52,18 Eisenoxyd   46,73 Phosphorsäure     2,75     4,92 Schwefelsäure     1,35     3,22 Wasser     2,41     5,01 Sauerstoff   12,74 ––––––– ––––––– 100,11  100,10. Ueberblickt man diese Zahlen, so fällt sofort der Schwefelsäuregehalt der Substanzen ins Auge, und es liegt sehr nahe, eine Erklärung der Veränderung der Röhre zu versuchen durch Annahme einer Einwirkung von Schwefelsäure oder von gewissen Sulfaten auf das Material der Röhre. Die Saarkohlen sind in der Regel relativ reich an Schwefelkies. Beim Heizen der Locomotiven mit denselben wird ein groſser Theil des Schwefels als Einfachschwefeleisen oder auch wohl als Magnetkies in den an Kokes reichen Verbrennungsrückständen bleiben. Mit solchen Rückständen waren die Gasröhren umgeben, während sie bald unter Wasser, bald in nahezu trocknem Zustande der Wirkung des atmosphärischen Sauerstoffes ausgesetzt waren. Durch Oxydation dieser Schwefelverbindungen des Eisens in der Kohlenlösche bildete sich zunächst Eisenvitriol, vielleicht auch etwas überschüssige freie Schwefelsäure. In wässeriger Lösung wurde dieses Salz durch den Sauerstoff der Luft oxydirt, basisches Eisenoxydsulfat schied sich ab, die entstehende Lösung von neutralem Eisenoxydsulfat aber konnte Eisen aus der Röhre aufnehmen, es konnte wieder Eisenvitriol entstehen, der sich wieder zersetzte u.s.f. Unterstützt wurde dieser chemische Proceſs eventuell durch die Berührung des Eisens mit dem zur Dichtung der Röhren benutzten fremden Metall; ob man hier, wie gewöhnlich, Blei anwendete, ist mir nicht bekannt. Aber auch ohne diese galvanische Wirkung konnte die Bildung und Zersetzung des Eisenvitriols sich so oft vollziehen, bis schlieſslich aller ursprünglich als Schwefeleisen vorhandener Schwefel in Form von basischem Eisenoxydsulfat gebunden war. Für diese Erklärung des Vorganges bei der Veränderung der Rohrleitung spricht die Thatsache, daſs das beobachtete basische Eisenoxydsulfat sich vorzugsweise auſserhalb der Röhre ablagerte, in der Substanz der veränderten Röhre selbst aber wenig davon vorhanden war. Nachdem durch diese Wirkung der Schwefelverbindungen die Textur des Eisens gelockert war, war dasselbe natürlich den oxydirenden Einflüssen der Luft bei Gegenwart von Feuchtigkeit sehr zugänglich. Bei mangelhaftem Zutritt der Luft bildet sich unter einer Wasserdecke aus Eisen vorzugsweise Eisenoxyduloxyd. In der That besteht jetzt das Rohr vorherrschend aus dieser Verbindung. Die 52,18 Proc. Eisen in dem veränderten Rohre würden zur Bildung von Eisenoxyduloxyd 12,37 Proc. Sauerstoff verlangen, 12,74 Proc. konnten der trocknen Masse durch Wasserstoff entzogen werden. Das Eisenoxyduloxyd befindet sich in so feiner Vertheilung, daſs es bei vollem Zutritt der feuchten Atmosphäre zu einer blank geschabten Fläche der Röhre diese bald mit einer dünnen Schicht von Eisenoxyd überzieht. Mit diesem Oxyde des Eisens ist der als Graphit im Guſseisen enthaltene Kohlenstoff unverändert, sowie das Oxydationsproduct des mit Eisen verbunden gewesenen Siliciums, amorphe Kieselsäure, gemischt. Die gefundene Phosphorsäure kann zum Theil aus einem Phosphorgehalt des Guſseisens stammen; die Erscheinung aber, daſs sie in gröſseren Mengen auſserhalb der Röhre gefunden wurde, spricht dafür, daſs die Phosphorsäure durch die vorübergehend vorhandene freie Schwefelsäure aus der Kohlenlösche gelöst wurde und so mit in den Kreislauf des Processes eintrat.