Titel: Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
Autor: A. Kielmeyer
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 62
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Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. Kielmeyer, ü. Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei. (Nachdruck vorbehalten.) In gröſseren und kleineren Abhandlungen über Färberei und Druckerei begegnet man sehr häufig den alten Römern und Griechen und mit ganz besonderer Vorliebe wird Plinius citirt. In Wirklichkeit bestätigen alle diese Hinweisungen vornehmlich, daſs Plinius über die Färberei seiner Zeitgenossen nur unvollkommene, theilweise ganz verworrene Berichte zu geben vermochte, sowie daſs dieses Gewerbe zu seinerzeit im Abendlande sehr schwach vertreten und sehr wenig geschätzt war. Ich erlaube mir deshalb, keinen Gebrauch von diesen Citaten zu machen. Der gesammten Technologie unserer Zeit steht solch ein Ueberfluſs an werthvollem Material zu Gebot, daſs sie sich einige Beschränkung auferlegen und derartigen altertümlichen Ballastes entledigen muſs. Was wir von der Färberei der Alten mit Sicherheit wissen, besteht eben darin, daſs die Anwendung des Krapps, des Indigos oder Indigo haltiger Pflanzen sich bis in die ältesten Zeiten der morgenländischen Völker zurückverfolgen läſst, daſs diese beiden wichtigen Farbstoffe später ins Abendland eingeführt wurden und daſs sie gewissermaſsen die Probe ihrer Echtheit aufs Glänzendste ablegten, indem sie die stürmischen, Alles zerstörenden Jahrhunderte der Völkerwanderung glücklich überdauerten. Das Ende der Völkerwanderung, der Nullpunkt europäischer Kultur, das Chaos, aus welchem die neuen Völkergruppen sich herausarbeiteten, um auf dem langen, mühsamen Weg-stetiger Entwickelung das Zeitalter des Dampfes und der Maschinen zu erreichen, bestimmt, glaube ich, die natürliche Grenze der Technologie, den Anfang für eine neue Zeitrechnung der Technik des Abendlandes. Auch die auf die groſse Völkerkatastrophe unmittelbar folgenden Jahrhunderte erscheinen in der Kulturgeschichte als eine Uebergangsperiode von solch trauriger wirthschaftlicher Oede und Erstarrung, daſs ein mehr als nothdürftiges Wiederaufleben von Handel und Gewerben nicht angenommen werden kann. Wenn aber irgend ein Gewerbe für sein Gedeihen einen gewissen Wohlstand und eine lebensfrohe, behagliche Existenz der Gesellschaft voraussetzt, so ist es die Färberei mit ihren bunten, freundlichen Erzeugnissen, welche ihrerseits wieder jede ihr zu Theil werdende Aufmunterung mit reichlicher Vermehrung des Gesammtwohlstandes lohnt. Das erste Zeichen einer beginnenden Textilindustrie regte sich in Italien, dem Lande, welches durch seine geographische Lage mit den südlich, östlich und westlich von ihm sich ausbreitenden, in Wissenschaften, Künsten, Handel und Gewerben erblühenden Kalifenreichen in die unmittelbarste Berührung, in den lebhaftesten Handelsverkehr treten muſste, zugleich dem Lande, in welchem die Grundlage aller Gewerbe, ein geordnetes Städtewesen aus den geretteten Resten der Vorzeit in kürzerem Zeitraum sich entwickeln konnte, als die Neubegründung eines solchen in den primitiven nordischen Reichen erforderte. Als Roger II von Sicilien mit Hilfe von Arbeitern, welche er als Kriegsgefangene von einem Kreuzzug mitgebracht hatte, eine Seidenmanufactur zu Palermo und eine zweite in Kalabrien errichtete, so war ihm diese verdienstvolle Gründung jedenfalls durch einen Jahre lang vorausgehenden, gewinnbringenden Handel seines Volkes mit Seidenwaaren nahegelegt worden. Sie kann zugleich als eines der Beispiele angeführt werden, daſs die Kreuzzüge, von welchen meist nur die ideale, wenn nicht ihre lächerliche Seite hervorgehoben wird, in Wirklichkeit als kräftige Motoren der abendländischen Industrie angesehen werden können. Von Unteritalien verbreitete sich die Seidenindustrie über ganz Italien, und es ist kein Zufall, daſs die Legende gerade einen Italiener den zunächst für die Seide wie auch für die Wolle später so wichtig gewordenen Orseillefarbstoff ums J. 1300 durch Zufall finden läſst. Daſs der Florentiner auf seiner Orientreise die Reaction des Urins auf ein bestimmtes Moos in seiner Umgebung sogleich praktisch auffaſste, beweist, daſs er mit der in seiner Vaterstadt seit Jahren heimischen Färberei wohl vertraut war, vielleicht noch einfacher, daſs er das Geheimniſs der Orseillefarberei bei seinen levantinischen Geschäftsfreunden auszukundschaften wuſste. Sicher ist, daſs die Italiener durch 100 Jahre seit jener Zeit im unbestrittenen Alleinbesitz der Orseillefabrikation und des Handels mit Flechten waren, bis i. J. 1344 die canarischen Inseln wieder entdeckt und auf denselben i. J. 1402 die Roccella Unctoria aufgefunden wurde. Die Italiener besorgten überhaupt den ganzen Handel und Verkehr des nördlichen Abendlandes mit Griechenland, Kleinasien und Ostindien, und zwar mit letzterem auf dem Weg über Aegypten; sie lieferten Frankreich, sowie Deutschland und England durch Vermittelung der seit d. J. 1364 gegründeten Hansa die nöthigen Chemikalien und Färbedroguen für ihre sich entwickelnden Färberindustrien, versahen sie mit Krapp und syrischem, seit 1450 mit selbst gewonnenem Alaun, schickten ihnen die im eigenen Land und die im Orient und in Griechenland erzeugten und gefärbten Stoffe und beherrschten die damalige Mode als Kaufleute sowie als Producenten. Sie hatten nur die Concurrenz Spaniens zu fürchten. Diese hatten doch in ihrem unfreiwilligen Verkehr mit ihren muselmännischen Unterdrückern durch mehr als 700 Jahre denselben gewerblichen Unterricht genossen wie die Italiener selbst. Wirklich kam der entscheidende Schlag auch von dieser Seite. Als mit dem zweiten Decennium des 15. Jahrhunderts die Entdeckungsfahrten der Portugiesen und der kurz zuvor erst von den Mauren befreiten Spanier ihren vorsichtigen und bedächtigen Anfang nahmen, so war das Interesse für dieselben kein so rein wissenschaftliches, wie heutzutage das für die Nordpolfahrten. Und wenn Genua im J. 1492 Columbus mit seinen Projekten von sich weisen zu müssen glaubte, so setzte es der Auffindung des Seeweges nach Ostindien ungefähr denselben passiven Widerstand und von ähnlichen Motiven geleitet entgegen, wie vor einiger Zeit die Engländer der Ausführung des Suezkanales. Diese wuſsten schlieſslich die ihnen gefährliche Errungenschaft der Neuzeit für sich auszunutzen. Die italienischen Handelsstädte hatten aber nur den einen Gedanken, daſs ihre sicheren morgenländischen, durch Jahrhunderte gefestigten Verbindungen und ihre jedem directen Concurrenzangriff widerstehenden Positionen durch eine neue Handelsstraſse nicht nutzlos werden dürfen. Als dieselben im J. 1498 von Vasco de Gama gleichwohl umgangen wurden, da fehlte dein übergroſsen Reichthum der Italiener die Energie für die Anstrengungen und der Muth für die Aufnahme des unsicheren Concurrenzkampfes mit gleichen Waffen. Die nunmehr rasch auf einander folgenden Länderentdeckungen hatten eine unmittelbare, fast gewaltsame Verschiebung gleichzeitig der politischen wie mercantilen Machtverhältnisse zur Folge. Es entwickelte sich ein eigentlicher Welthandel mit ungeahnten Dimensionen, der anfänglich ganz in den Händen der Spanier und Portugiesen lag. Sei es, daſs ihre eigene Industrie den Anforderungen solch groſsartiger Handelsverbindungen nicht nachzukommen vermochte, sei es daſs die Geschäftsleute der pyrenäischen Halbinsel schon damals zu der moderneu Einsicht gelangten, der Handel sei eine leichtere, feinere Erwerbsquelle als die Fabrikation: beide Völker nahmen die Industrien anderer Länder in überreichem Maſs in Anspruch, und zwar nicht die ihrer italienischen Rivalen, sondern die der nördlichen Völker, insbesondere der Niederländer. Ihre eigene Industrie ging zurück und bald überlieſsen sie auch die Führung des Welthandels den Niederländern und später den Engländern – ein Beweis, daſs jene rein kaufmännische Anschauung für den Einzelnen annehmbar sein mag, daſs aber ein Handelsvolk ohne die solide Grundlage einer eigenen heimischen Industrie auf die Dauer einen ersten Rang zu behaupten nicht im Stande ist. Die Färbekunst hatte sich inzwischen von Italien aus nach Frankreich, England, Deutschland und in die Niederlande verbreitet und besonders in den letzteren eine immer wachsende Bedeutung gewonnen. Die flandrischen Tücher aus englischer Wolle waren längst ein beliebter Handelsartikel in Frankreich und Deutschland geworden. Friesische Schiffe vermittelten neben italienischen den Orienthandel entweder direct in den levantischen Gewässern, oder indem sie die über Ruſsland angekommenen Producte des Südens in den Häfen der Ostsee abholten. Die neuen Farbwaaren der neu entdeckten Länder wurden in Brügge und später in Antwerpen von spanischen und portugiesischen Seefahrern aus erster Hand gekauft. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der für Holland später so wichtige Krappbau im Lande selbst mit schönstem Erfolg betrieben, hierdurch die niederländische Färberei von dem levantischen Krapp unabhängig gemacht und von der unverhältniſsmäſsig groſsen Fracht befreit, welche durch das Miſsverhältniſs des Bruttogewichtes der Krappwurzel zum Nettogewicht des in ihr enthaltenen wirksamen Farbstoffes bedingt ist. Solche Verhältnisse und Unternehmungen lassen auf eine groſsartig entwickelte Färberindustrie schlieſsen, wie auch die burgundische Mode beweist, welche der damals herrschenden spanischen officiellen Mode zum Muster diente. Wie 100 Jahre später die Hugenotten Verfolgungen den Zeugdruck aus Frankreich in aller Herren Länder verpflanzten, so wurden während des niederländischen Krieges die Geheimnisse und Vortheile der vorgeschrittenen niederländischen Färberei von flüchtigen Gewerbsleuten nach England, Frankreich und Deutschland gebracht. Die Flüchtlinge fanden dort allerdings eine bis zu einem gewissen Grade entwickelte Industrie vor, wie die im J. 1418 in Deutschland, 1472 in England gegründeten Färberinnungen und wie der seit 1507 in Schlesien betriebene Krappbau und die seit 1521 in Frankreich gepflegte Seidenkultur darthün. Doch stand insbesondere Deutschlands Industrie hinter der niederländischen zurück; denn die feineren Stoffe wurden sammtlich nach Deutschland eingeführt und im Lande selbst nur Leinwand oder geringe Wollstoffe in Braun und Schwarz erzeugt. Die Flüchtlinge fanden übrigens in den fremden Ländern keine besonders freundliche Aufnahme. Ihre neuen, besseren Färbe verfahren stimmten nicht mit den Recepten der damals officiell herausgegebenen, ganz detaillirten Färberordnungen, an deren Befolgung die Färber so streng gebunden waren, wie die Apotheker an ihre Pharmakopöen. Die einheimischen Färber fürchteten die fremde überlegene Concurrenz, sie suchten und fanden Hilfe bei ihren Behörden. Die Regierung der Königin Elisabeth schränkte zuerst den Gebrauch des Indigos ein und verbot gänzlich die Verwendung des Blauholzes in der Färberei. Bei dem Verbot des letzteren, welches bis zum J. 1673 aufrecht erhalten wurde, mag weniger das armselige Drängen der Zünfte als die Sorge um den Credit der Schwarzfärberei maſsgebend gewesen sein; zugleich war die Gelegenheit erwünscht, den westindischen Handel der politisch verhaſsten Spanier zu schädigen. Für das Verbot des Indigos aber fallen diese Rücksichten weg. Wenn später Frankreich im J. 1609 und Deutschland auf dem Regensburger Reichstag 1594 Englands Beispiel folgten und sogar die Todesstrafe auf die Uebertretung des Indigoverbotes setzten, so hatte man es hier dem Zusammenwirken der um ihr Brot besorgten Färberzünfte und der ebenso reichen als mächtigen Waidaristokratie zu danken, daſs die technische Laufbahn des neuen, wichtigen Farbstoffes um mehr als 100 Jahre zurückgeworfen wurde. In Frankreich wurde der Waidbau in der Normandie, in der Provence und in Languedoc in groſsem Maſsstab betrieben, und es war ein französischer Waidjunker, welcher im J. 1526 für den in Spanien gefangen gehaltenen Franz I Caution leistete. In Deutschland war der Waidbau in Schlesien, in der Kurmark, sowie in der Gegend von Magdeburg und namentlich in den thüringischen Ländern zu Hause, wo im J. 1616 noch 300 Dörfer von demselben lebten und fünf Waidstädte (Erfurt, Gotha, Arnstadt, Langensalza und Tannstädt) den ausschlieſslichen Pastelhandel betrieben (vgl. 1840 78 407). Sie Alle fürchteten die Concurrenz des neu eingeführten Farbstoffes. Daſs gerade in letzter Gegend zwei verschärfte kurfürstliche Erlasse im J. 1650 und 1666 veröffentlicht wurden, zeigt deutlich, von welcher Seite die Agitation gegen den Indigo ausgegangen ist, und daſs trotz aller Strenge des Gesetzes das Regensburger Verbot nicht den erwünschten Erfolg hatte. Der letzte kurfürstliche Erlaſs ist artig motivirt; denn, sagt er, dieser Indigo ist eine schädliche, fressende Teufels- und Corrosivfarbe, deren Gebrauch bei willkürlicher Strafe an Gut, Ehre und Leib zu verbieten ist. Der Kanzleistyl ist kräftig und nicht ohne zeitgemäſse Religiosität; was den Inhalt selbst betrifft, so geht aus demselben einfach hervor, daſs der Indigo damals eine Eigenschaft weiter besessen haben muſs, als die heutigen Lehrbücher angeben. Doch ist die Annahme nicht ausgeschlossen, daſs mit dem neuen Farbstoff zugleich die Opermentküpe aus Indien zu uns gebracht wurde, daſs man ihn anfänglich nur in dieser Form zu verwenden wuſste und daſs er auf diese unverschuldete Weise zu solch üblem Ruf gekommen ist. Alles zusammen aber gibt ein Bild von der ungemeinen Aufregung und sittlichen Entrüstung, welche das erste Auftreten des neuen Farbstoffes gegen das Ende des 16. Jahrhunderts unter den Schwarzfärbern und Waidbauern sowohl, als auch in der ganzen industriellen und finanziellen Welt hervorgerufen hat, wie sie sich nur einzustellen pflegt, wenn die Interessen mächtiger Coterien auf dem Spiele stehen. Ihr gegenüber ist die Aufregung, welche die Erfindung des künstlichen Alizarins seit 1868 verursacht hat, eine winzig kleine, und doch ist es keine Frage, daſs bei den heutigen vergröſserten Verhältnissen der Gesammtindustrie diese Entdeckung in den Krapp bauenden Ländern mindestens ebenso schmerzlich empfunden wird, daſs die Unterdrückung eines groſsen, mit der Krappwurzel verwachsenen Industriezweiges und die Verschiebung des hauptsächlichen Mittelpunktes für den Handel mit dem wichtigsten rothen Farbstoff um beiläufig 10 Breitegrade gegen Norden sich durch ebenso tief einschneidende Wirkungen auf die Handelsbilanzen der betheiligten Länder kennzeichnen muſs, als dies nach Einführung des Indigos auf dem europäischen Markte der Fall war. Ein i. J. 1605 erschienenes, englisches Buch über Färberei gibt einen ungefähren Begriff von dem Bestand der damaligen Farbwaarenmagazine. Es bespricht hauptsächlich den Waid, Indigo, Krapp, Safflor, die Galläpfel, Erlenrinde, das gelbe einheimische Färbekraut und den Kermes. Von den amerikanischen Errungenschaften behandelt es nur das Brasilienholz, nicht aber das seit d. J. 1600 in Aufnahme gekommene Gelbholz, auch nicht die schon i. J. 1518 in Mexico aufgefundene Cochenille, den Ersatz für den alten Kermes. Letzterer war ein seit ältesten Zeiten in der Woll- und Seidenfärberei benutztes Surrogat für die Purpurfarbe, noch ehe dieselbe in Verlust gerathen war. Das Kermesinsekt wurde in allen Ländern, so auch in Deutschland, gesammelt und war in manchen Gegenden eine ansehnliche Erwerbs- und Steuerquelle, welcher die Einführung der Cochenille ein Ende machte, doch wohl nicht so schnell, als die Ueberlegenheit des neuen Farbstoffes über den alten erwarten lieſs. Die damalige Scharlachfärberei mit Kleie, Alaun und rothem Weinstein lieſs wohl die Vorzüge desselben nicht deutlich genug erkennen. Da erhielt der holländische Chemiker Cornelius Drebbel durch Zufall das feurige Cochenillescharlach. Ein Glas mit Scheidewasser war zerbrochen und die Flüssigkeit floſs über ein mit Zinn verlöthetes Fenster in eine Cochenilletinctur. Daſs der Zufall sich gerade in Holland, wo die Färberei die schönsten praktischen Resultate aufzuweisen hatte, ereignete, ist wiederum kein Zufall; aber es wäre den Chemikern aller Länder von Herzen zu gönnen, daſs ihre Gläser von Zeit zu Zeit mit solch glücklichem Erfolg springen würden, denn Drebbel's Erfindung fand in Holland sofort praktische Anwendung, gelangte 1643 nach England und Frankreich, erregte dort als Bow-Farbe, hier als Gobelin's Scharlach ungemeines Aufsehen und erfreute sich überall der besten Aufnahme. Ein dritter chemischer Zufall ist aus d. J. 1704 zu verzeichnen, wo Diesbach in Berlin beim Vermischen einer Alaunlösung mit Cochenilleabsud mit wenig Eisenvitriol- und mit Potaschelösung statt eines rothen einen blauen Niederschlag erhielt. Es stellte sich heraus, daſs die verwendete Potasche früher von dem Chemiker Dippel, welcher ein sogenanntes thierisches Oel aus Blut fabricirte, mit Blut erhitzt worden war und daſs nur eine derartig behandelte Potasche den blauen Niederschlag hervorrufen konnte. Zwanzig Jahre später wurde das Berlinerblau nach einer in England veröffentlichten Vorschrift im Groſsen dargestellt durch Verpuffen von gleichen Theilen Weinstein und Salpeter, Calciniren des so erhaltenen Alkalis mit getrocknetem Rindsblut, Auslaugen der Schmelze mit Wasser und Fällen mit einer Lösung von Eisenvitriol und Alaun. Und i. J. 1749 veröffentlichte Macquer das erste Verfahren, Zeuge mit Eisenvitriol und mit Blutlauge blau zu färben, d.h. mit dem durch Lauge zerlegten Berlinerblau, in welcher Form das Blutlaugensalz bis zum J. 1802 allein zur Verwendung kam. Damit war dem Indigo zu den polizeilichen Verboten noch eine Concurrenzfarbe erwachsen. Doch hatte er sich mittlerweile schon in die Blaufärbereien eingeschlichen und ersetzte anfänglich den Waid in kleineren, später in gröſseren Mengen, zuletzt sogar mit Erlaubniſs der Färberordnungen. Schlieſslich wurde sein Gebrauch i. J. 1737 von Frankreich gänzlich frei gegeben. In Frankreich wie in England hatten einstweilen die Regierungen die nationalökonomische Bedeutung des Färbereigewerbes richtig erkannt; sie unterstützten dasselbe nach Kräften und verbanden sich, insbesondere Colbert, mit wissenschaftlichen Chemikern, um die Bedürfnisse und Fortschritte der Färberei kennen zu lernen und thatkräftig fördern zu können. Zu diesen günstigen Verhältnissen gesellten sich noch Ereignisse von besonderer Bedeutung für die Erweiterung des Gebietes der angewendeten Farbenchemie. Im J. 1696 legte Hocke der Akademie in London von ihm selbst ausgeführte buntfarbige Zeuge vor, welche sich in warmem Wasser und in Seifenlösung waschen lieſsen. Es war damit die erste Anregung für die Druckerei gegeben; den eigentlichen Antrieb jedoch hatte sie schon früher in Frankreich erhalten. Den Franzosen war es gelungen, neben den Holländern, Engländern und Spaniern sich einen ausgedehnteren Colonialbesitz zu erwerben. Sie brachten aus ihren ostindischen Colonien den Wachsdruck nach Frankreich, wo alsbald der weiſs-blaue Leinenartikel unter dem Namen „Porzellandruck“ in Aufnahme kam. Die hauptsächlich aus Wachs bestehende Schutzmasse für die weiſse Zeichnung wurde anfänglich mit dem Pinsel aufgetragen und die bemalte Leinwand von den Blau- und Schwarzfärbern in lauwarmer Waidküpe ausgefärbt. Das Verfahren wurde gleichzeitig auf die aus dem Orient eingeführte Baumwolle übertragen; dieselben Muster wurden auf dem Wege der Krappfärberei auch mit braunem, rothem und schwarzem Grund hergestellt; statt der Wachsreserve wurden verschiedene Beizen aufgemalt und bunt ausgefärbt, und an Stelle des Pinsels wurde der ebenfalls dem' Orient entlehnte Holzmodel zum Auftragen der Beizen verwendet. Der Grund und Boden für eine ansehnliche Druckindustrie in Frankreich war gelegt, als die Aufhebung des Edictes von Nantes i. J. 1685 eine Menge Flüchtlinge ins Ausland trieb, von welchen eine Anzahl mit der Kunst des Leinwand- und Baumwolldruckes vertraut war. Ein solcher Flüchtling gründete i. J. 1689 eine Baumwolldruckerei in Neuschätel, ein Anderer 1690 eine solche in Richmond. Einige Jahre später entstanden die Druckereien in Bromley-Hall, in Essex und in Surrey, und auch in Augsburg entstand i. J. 1698 eine Fabrik, in welcher bedruckte Gewebe in Krapp gefärbt wurden. Somit ist die Baumwolle ganz unbemerkt auf den Schauplatz der Industrie getreten, und es würde jeder Anhaltspunkt für die Zeitbestimmung dieses wichtigen Ereignisses fehlen, wenn nicht glücklicher Weise die Woll- und Seidenweber Englands i. J. 1685 dasselbe durch einen groſsen Skandal gefeiert hätten. Sie stürmten das Haus der Ostindischen Compagnie, um sich für eine frisch angekommene Sendung indischer Kattune zu rächen, und setzten es durch, daſs die indischen Baumwollfabrikate gänzlich vom englischen Markte ausgeschlossen wurden. Die Engländer jener Zeit waren eben noch nicht zum Freihandelsystem bekehrt. Im J. 1720 wurde in England sogar verboten, gedruckte Kattune, gleichviel ob fremdes oder einheimisches Fabrikat, zu tragen. Diese ebenso einfache, als prompte, sehr wenig Vorstudium verlangende Methode, sich eines Artikels, den man nicht zu behandeln versteht, mit Knüppeln zu erwehren, hat die englische Kattundruckerei, trotzdem der letzte widersinnige Parlamentsbeschluſs 10 Jahre später widerrufen wurde, in ihrer Entwickelung gegenüber der französischen Fabrikation ungemein aufgehalten. Die französische Regierung lieſs sich durch das unvernünftige Drängen und Treiben der Woll- und Seidenproducenten nicht irreführen, während das englische Parlament noch bis zum J. 1774 die Beschränkung aufrecht erhielt, daſs nur Baumwollwaaren mit leinenem Zettel bedruckt und getragen werden durften, und noch dazu solche Stoffe mit einer Abgabe von anfänglich 6, später 3 Pence für die Quadratelle bis zum J. 1831 belegte. Wenn gleichwohl die englische Fabrikation später die französische wieder einholte, in manchen Stücken, namentlich im maschinellen Theile, sogar überholte, so hat sie dies in erster Linie ihrem Liverpooler Baumwollmarkt zu verdanken, von welchem heute noch sowohl die französische, als die deutsche Baumwollindustrie abhängt, ohne daſs je ein ernstlicher Versuch gemacht worden wäre, sich von diesem lästigen Zwang zu befreien. Aber die Herrschaft der Mode konnte die englische Industrie nicht mehr erringen, sie blieb von nun an mit Frankreich und mit dem Glanz seiner Politik verbunden. Mit dem Anfang des 18. Jahrhunderts erhielt der Blaudruck durch Einführung des Pinselblaus oder Schilderblaus eine wesentliche Bereicherung und Erweiterung seines Gebietes. Die Farbe bestand aus einer mit Gummi verdickten Auflösung des Indigos in Schwefelarsen und kaustischer Lauge, d.h. aus einer concentrirten Opermentküpe, welche wohl früher schon eine vorübergehende Anwendung gefunden hatte. Sie diente für blaue Muster mit vorherrschendem Weiſs und als Illuminationsfarbe für zuvor gefärbte Waare; später, als schon der Walzendruck eingeführt war, spielte sie noch einmal eine Rolle als Ueberdruckblau für im Krappbade gefärbte Stoffe. Aber von viel gröſserer Bedeutung für den Blaudruck und für die Blaufärberei war die in die Mitte desselben Jahrhunderts fallende Erfindung der kalten, aus Indigo, Eisenvitriol und Kalk zusammengesetzten Vitriolküpe (vgl. 1847 103 123. 1852 123 164. 1863 169 319). Die warme Waidküpe (vgl. 1829 33 101) blieb sammt ihren Krankheiten und sonstigen Schwierigkeiten für die Wollfärberei, zumeist Garnfärberei, reservirt. Nachdem die Anwendung des Indigos endlich gestattet war, enthielt diese Gährungsküpe den Waid nicht mehr als Farbstoff, sondern als Gährungsmittel, um die Gährung des Krapps, der Kleie, in späteren Zeiten wohl auch des Mehls und des Syrups (vgl. 1844 94 159) zu unterstützen. Diese Gährungsmittel entwickeln in der durch Kalk und Potasche oder Kalk und Soda alkalisch gehaltenen Küpe Wasserstoffgas, welches den Indigo reducirt und in Lösung überführt. Neben dieser combinirten warmen Küpe wurde mit der Zeit die reine Potasche oder die billigere Sodaküpe für ganz schwere und dunkle Tücher, sowie für Seidenstoffe eingeführt. Dieselben sind ohne Kalk und ohne Waid angesetzt und enthalten nur Krapp und Kleie als Gährungsmittel. Sie haben den Vorzug, daſs sie schneller und besser durchfärben, weniger Satz bilden, leichter zu führen und weniger Unfällen ausgesetzt sind als die Waidküpen. Dagegen müssen sie öfter frisch angesetzt werden und eignen sich deshalb nur für kleineren Betrieb; auch erzeugen sie ein weniger reines Blau. Vortheilhafter, billiger und haltbarer hat sich die sogen, deutsche Küpe für Wolle und Seide erwiesen, welche neben Indigo nur Kleie enthält und zum Theil mit Soda oder Potasche, zum anderen Theil mit Kalk alkalisch gehalten ist. Eine weitere Gährungsküpe, die Urinküpe, mit Indigo, Krapp, Potasche und faulem Urin angesetzt, hat jeder Zeit nur beschränkte Anwendung gefunden. Fast in dieselbe Zeit mit der Entdeckung der für die Blaufärberei der baumwollenen und leinenen Garne und Gewebe so wichtigen kalten Vitriolküpe, ungefähr 10 Jahre früher, ins J. 1740 fällt Barth's Auffindung der Lösung des Indigos in Schwefelsäure, die Grundlage für die Färberei der Wolle und Seide in Sächsischblau und Sächsischgrün, wichtig auch deshalb, weil sie der Darstellung des Indigocarmins vorausgehen muſste, welcher im späteren Woll- und Seidendruck eine bedeutende Verwendung gefunden hat. Die Farben, welche die sogen. Indigocomposition hevorbringt, sind zwar weniger echt als die in der Küpe erzeugten, dagegen ist die Färberei mit derselben sehr einfach und sehr sicher (vgl. 1824 13 85. 1851 121 228). Wiederum fast gleichzeitig mit der Vitriolküpe vollzog sich die Einführung der Türkischrothfärberei in die französischen Färbereidistricte. Im J. 1747 wurden in der Nähe von Rouen, in Aubenas (in Languedoc), sowie in Chamont bei Lyon mit Hilfe von griechischen Arbeitern die ersten Türkischrothgarn-Färbereien eingerichtet. Das neue Gewerbe fand bald seinen Weg ins Elsaſs und durch ganz Frankreich, nachdem die französische Regierung i. J. 1765 das Verfahren des Adrianopelroths hatte veröffentlichen lassen – eine Verfügung, welche zu der Annahme berechtigt, daſs schon die Einführung des neuen Fabrikationszweiges unter Mitwirkung der Regierung vor sich gegangen war. Mit der Ausdehnung der neuen Fabrikation machte sich in Kurzem das Bedürfniſs einer heimischen Krappkultur fühlbar. Da der in Hagenau im Elsaſs seit 1729 betriebene Krappbau zusammen mit dem aus Holland eingeführten Krapp den Verbrauch der Färbereien nicht mehr decken konnte, der Bezug aus der Levante durch die Fracht unverhältniſsmäſsig vertheuert wurde, so veranlaſste wiederum die Regierung den Krappbau in der Gegend von Avignon und sicherte zugleich dem Lande auf viele Jahre hinaus eine neue reiche Erwerbsquelle (vgl. 1837 64 195). Die bisherige Summe von Erfindungen und Verbesserungen in der Färberei der Baumwolle, die Echtheit, Dauerhaftigkeit und die vermehrte Vielfältigkeit des Fabrikats steigerte die Beliebtheit des gesammten Baumwollartikels mit jedem Jahre mehr, so daſs allenthalben neue Fabriken entstanden, um der Nachfrage des Publikums zu genügen. Im J. 1741 wurde die erste Druckerei in Berlin errichtet; 1746 gründete Köchlin, Schmalzer und Dollfus eine Indiennefabrik in Mülhausen i. E. trotz aller Schwierigkeiten und Plackereien, welche die damalige Republik Mülhausen ihrem Unternehmen entgegensetzte. Im J. 1756 entstand die Schüle'sche Fabrik in Augsburg, 1764 die erste Druckerei in Bamber Bridge bei Preston. Gleichzeitig fand die Türkischrothgarnfärberei ihren Weg nach Deutschland und in die Schweiz, wie auch i. J. 1783 durch Färber aus der Gegend von Rouen nach Schottland und England. Die ersten Anfänge der böhmischen Druckindustrie beginnen mit dem J. 1746, mit dem Oelfarbendruck auf Leinen- und Baumwollgewebe. Im J. 1763 errichtete dort Graf Kinsky die erste Kattundruckerei in Bürgstein und ihm folgte Graf Bolza mit der Druckerei Josefsthal-Kosmanos, welche i. J. 1793 durch Kauf an Josef Leitenberger überging. (Fortsetzung folgt.)