Titel: Dampfheizung für Stadttheile.
Autor: H. F.
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 277
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Dampfheizung für Stadttheile. Mit Abbildungen auf Tafel 25. Holly's Dampfheizung für Stadttheile. Der Dampf ist seit dem Anfange dieses Jahrhunderts, zu welcher Zeit die Benutzung desselben für Heizzwecke begann, vorwiegend für solche Fälle verwendet worden, bei denen es angemessen erschien, die Feuerstellen zur Beheizung ausgedehnterer Gebäude oder Gebäudegruppen an einem Ort zusammenzulegen. Im Januar 1877 versuchte zuerst eine Gesellschaft, nach einem Patent von Birdsill Holly, mehrere Häuser verschiedener Eigenthümer von einer gemeinschaftlichen Kesselanlage aus zu heizen. In Lockport, einem Städtchen im Staate New-York, setzte die Holly Steam Combination Company zu genannter Zeit eine derartige Anlage in Betrieb, deren unterirdische Dampfleitung bald bis auf 4800m verlängert wurde. Die mit dieser Anlage erzielten Erfolge haben bereits Veranlassung zu weiterer Einführung des Holly'schen Systemes geführt. Für die Beheizung der Stadt New-York hat man geplant, dieselbe in 5 Kreise zu zerlegen; jeder dieser Kreise soll mit 50 Dampfkesseln versehen werden. Die Legung der Röhren wird in folgender Weise beschrieben. Auf dem Boden des etwa 1m tiefen Rohrgrabens wird zunächst ein flaches Backsteinpflaster gelegt, dieses mit einer Kiesschicht bedeckt, oder mit Holz- bezieh. Steinwürfeln besetzt, auf welche sich der Boden eines Breterkastens stützt, der zur Aufnahme der Leitung bestimmt ist. Der Kasten ist von quadratischem Querschnitt und reicht von einer Compensationsvorrichtung zur andern. Die Röhren bestehen aus Schmiedeisen und sind durch die gebräuchlichen Mittel gegen Wärmeverluste möglichst geschützt. Es ist besonders ein Verfahren genannt, wonach die Röhren zuerst mit Asbestpapier belegt, hierauf mit russischem Filz umhüllt und endlich mit Manillapapier umwickelt werden. Behufs Fernhaltung des Sickerwassers sind die Seitenwände und der Deckel der Holzkästen mit getheerter Pappe bedeckt; die Lage der Kästen auf dem Kiesbett bezieh. den Blöcken erleichtert das Abflieſsen des Sickerwassers. In Entfernungen von 30 bis 50m sind Stopfbüchsen-Compensatoren angebracht, so daſs sich die Röhren frei ausdehnen können. Dieselben sind von einem Schachtmauerwerk A (Fig. 1 Taf. 25) umgeben, das mit einer Eisenplatte bedeckt ist, deren abnehmbarer Verschluſsdeckel in der Höhe des Straſsenpflasters liegt. Jeder Compensator ist sonach bequem zugänglich. Mit ihm ist das Zweigrohr a verbunden, welches die anliegenden Gebäude mit Dampf versorgt; ein Ventil ermöglicht hier die Absperrung des Zweigrohres. Mit dem Dampf wird auch das in den Hauptröhren gebildete Condensationswasser in die Häuser geführt, so daſs eine besondere Leitung für dasselbe gespart, gleichzeitig aber das warme Wasser zur Benutzung in den Häusern bereit gestellt wird. Fig. 1 veranschaulicht im senkrechten Durchschnitt ein mit Dampfheizung versehenes Haus und einen Theil der Straſse. Das Zweigdampfrohr a führt durch die Grundmauern des Hauses in den Keller desselben und hier zunächst zu dem Druckregulator sowie Messer B; derselbe hat zunächst den Zweck, den Dampfüberdruck, welcher in der Straſsenleitung 3k,5, nach anderen Angaben 2k auf 1qc betragen soll, auf 0,07 bis 0k,15 zu vermindern, und registrirt zu gleicher Zeit sowohl den wirklich vorhanden gewesenen Druck, als auch die verbrauchte Dampf menge. Sonach ist es möglich, den Druck in der Straſsenleitung groſs zu nehmen, was erforderlich ist, sofern man mit geringen Rohrweiten auskommen will; ferner aber den Druck der Straſsenleitung innerhalb ziemlich weiter Grenzen schwanken zu lassen, ohne daſs eine erhebliche Druckverschiedenheit in den Häusern bemerklich wird. Die früher aufgetauchte Behauptung, nach welcher man in mehreren Kilometer Entfernung von der Dampfkesselanlage ebenso hohen Dampfdruck habe als in unmittelbarer Nähe derselben, ist hiernach erklärlich. Fig. 2 Taf. 25 stellt den Regulator und Dampfmesser in gröſserem Maſse dar. a bezeichnet in derselben wieder das Dampfzuführungsrohr; dasselbe ist zunächst mit einem Manometer, an seinem oberen Ende aber mit einem Absperrventil versehen. Von diesem gelangt der Dampf durch die wagerechte Leitung b in die Ventilgehäuse d. Die Kegel dieser Ventile sind mit senkrecht verschiebbaren Stangen g versehen, welche mittels der Hebel e und der Gewichte f nach unten gezogen, dagegen mittels biegsamer Platten, gegen deren untere Flächen der Dampf zu drücken vermag, nach oben geschoben werden. Sobald der Dampfdruck unter den biegsamen Platten die Belastung der Stangen g überwindet, wird jeder Ventilkegel gegen seinen Sitz gedrückt und damit der Dampfzutritt abgesperrt. In Folge der entstehenden Druckverminderung senken sich die Stangen g wieder, so daſs nach einiger Zeit ein Beharrungszustand hervorgebracht werden wird, welcher der auftretenden Reibungswiderstände wegen wahrscheinlich bald eintritt. Von dem links liegenden Ventilgehäuse wird der verminderte Dampfdruck mittels des Rohres i, von dem Dampfrohr c aus dagegen, welches das Gebäude mit Dampf versorgt, mittels des Rohres k auf die betreffende biegsame Platte übertragen. Der Zweck der guſseisernen Erweiterungen in den Rohrsträngen i und k ist nicht angegeben. Es ist anzunehmen, daſs das rechts liegende Ventil d die Druckverminderung vollendet, wenn etwa dem links liegenden Ventil dieselbe nicht gelungen sein sollte. Dies ist indeſs ein Nebenzweck der Anwendung zweier Ventile; der Hauptzweck derselben bezieht sich auf das Messen der Dampfmengen. Ueber den Ventilen ist eine Uhr aufgestellt, welche einen Papierstreifen mit gleichförmiger Geschwindigkeit fortschiebt. Eine Stange h, welche an dem Hebel des rechts liegenden Ventiles d befestigt ist, ragt in das Gehäuse der Uhr und setzt dort einen Stift so in Bewegung, daſs die Hebelstellungen auf dem Papierstreifen vermerkt werden. Erfüllt nun das links liegende Ventil d seinen Zweck, indem es Dampf von gleichmäſsigem Druck dem rechts liegenden Ventil zuführt, regelt ferner das letztere ebenfalls in erwarteter Weise den Druck, so ist der Druckunterschied, welcher in dem zugehörigen Ventilgehäuse herrscht, unveränderlich, sonach die Dampfmenge fast genau proportional der freien Ventilöffnung. Eine geeignete Form von Ventilkegel und Sitz ermöglicht hiernach, auf dem Papierstreifen die verbrauchten Dampfmengen mit Hilfe eines Planimeters abzulesen. Die beiden oberen Manometer der vorliegenden Apparate gestatten jederzeit einen Einblick in die Wirkung der Ventile d, indem das links befindliche den Druck zwischen beiden Ventilen, das rechts liegende den Druck in der Hausleitung anzeigt. Indessen ist nicht zu verkennen, daſs das beschriebene Meſsverfahren eine Zahl von Fehlerquellen in sich birgt, weshalb ich hier eines Vorschlages erwähne, welcher im Rohrleger, 1878 S. 110 gemacht wurde. Dort ist hervorgehoben, daſs die Dampfmenge bestimmt werden könne durch alleinige Messung des entstehenden Condensationswassers, oder durch diese mit einer Berichtigung durch die Temperatur des Wassers. Die von Holly ebenfalls patentirten „Wärmestrahler“ bieten durchaus nichts Neues. Sie bestehen aus einem unteren und einem oberen Kasten, zwischen welchen beiden senkrechte Röhren eingeschaltet sind. Der Dampf tritt in einen der Kasten, durchströmt die Röhren und entweicht aus dem unteren Kasten in Form von Wasser. Zu weiterer Erläuterung der Einrichtung dürfte genügen, auf die Darstellungen der Wärmestrahler unter C in Fig. 1 hinzuweisen. An einem anderen Orte wird angegeben, daſs die Wärme abgebenden Körper aus Rohrschlangen bestehen, welche der Beschreibung nach ebenso eingerichtet sind wie die bei uns zur Verwendung kommenden Schlangen. Aus derselben Figur ist ferner die Art der Rohrleitung im Innern des Hauses zu erkennen, sowie die Einrichtung einer Heizkammer D für Dampfluftheizung. Bemerkenswerth ist in Betreff dieser, daſs anscheinend das von dem Condensationstopf l abflieſsende Wasser zur Vorwärmung der frischen Luft verwendet werden soll und hierauf durch m in den Kanal abflieſst, welches Verfahren bedenklich erscheint. Oben wurde schon bemerkt, daſs das in der Straſsenleitung gebildete Wasser nebst dem Dampf durch das Rohr a dem Druckverminderer B zugeführt werde. Man erwartet nach dem Scientific American, 1879 Bd. 41 S. 114, daſs in Folge der Druckabnahme dieses Wasser wieder zur Verdampfung gelange. Wenn dies im Beharrungszustande der Anlage der Fall sein sollte – was ich bezweifle – so ist es wenigstens bei Beginn des Heizens unmöglich. In Folge dessen wird der Druck verminderer heftige Stöſse erfahren, was dem anscheinend in einzelnen Theilen zarten Apparat gewiſs schädlich ist. Wenn ich eine an einem anderen Orte gegebenen Bemerkung recht verstehe, so hat man bereits zwischen den Druckverminderer B und die Straſsenleitung einen Condensationswasserableiter eingeschaltet und zwar in dem Keller des betreffenden Hauses. Es bedarf kaum der Erwähnung, daſs die Benutzung des Dampfes zum Kochen ebenso bequem möglich ist als diejenige zum Heizen. Nicht so einfach ist die Benutzung desselben zum Betriebe einer Dampfmaschine o. dgl. Zu diesem Zwecke bedarf man eines gröſseren Dampfdruckes als nach Obigem in Aussicht genommen ist. Jedoch ist an der Ausführbarkeit einer solchen Anwendung nicht zu zweifeln. Ich fasse das Ganze dahin zusammen, daſs für uns die Holly'schen Patente nur Neues bringen in Bezug auf die Lagerung der Röhren in den Straſsen und in Bezug auf die Messung des Dampfes. Alles Uebrige machen die deutschen Heiztechniker besser oder mindestens ebenso gut als Holly. Wenn die wirthschaftlichen Bedenken gegen die Beheizung von Stadttheilen auch noch nicht widerlegt sind, so dürfte doch die Aufforderung an unsere Techniker gerechtfertigt erscheinen, welche der Rohrleger, 1878 S. 249 ausspricht; sie lautet: ..... „Wünschen wir nur, daſs unsere Central-Heizungsindustrie den Gegenstand rechtzeitig erfassen und verhüten möge, daſs ausländische Kapitalisten das Fett abschöpfen, wie dies seiner Zeit in einem ganz ähnlichen Falle der englischen Continental-Gasgesellschaft gelungen ist.“ – Ich bin in der Lage mittheilen zu können, daſs eine unserer ersten Werkstätten für Heizungswesen eine derartige Anlage auszuführen in Begriff ist. H. F.

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Tafel Tafel 25
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