Titel: Ueber die Gewinnung von Ammoniak.
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 383
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Ueber die Gewinnung von Ammoniak. Mit Abbildungen auf Tafel 32. Ueber die Gewinnung von Ammoniak. Nach dem Vorschlage von P. S. Brown in Carrickfergus (* D. R. P. Nr. 6198 vom 1. September 1878) werden die Ammoniak haltigen Flüssigkeiten der Leuchtgasfabriken durch Kohle filtrirt, dann mit Schwefelsäure neutralisirt und zur Krystallisation eingedampft. J. Barrow schlägt nach dem englischen Patente Nr. 891 vom 5. März 1878 vor, das Gaswasser mit Sodarückständen oder Gaskalk zu destilliren. Der Rückstand von kohlensaurem Kalk soll wieder in der Sodafabrikation oder nach dem Glühen in geschlossenen Retorten unter Einleiten von Wasserdampf zur Gasreinigung angewendet werden. Das überdestillirende Schwefelammonium wird in Schwefelsäure oder Salzsäure aufgefangen, der dabei entweichende Schwefelwasserstoff in bekannter Weise verwerthet. Um das bei der Kokesfabrikation entweichende Ammoniak zu gewinnen, setzen Th. Scholz und L. Thieme in Dresden (* D. R. P. Nr. 2653 vom 24. Januar 1878) auf die aufsteigenden Zuglöcher A (Fig. 3 Taf. 32) der gewöhnlichen Kokesöfen einen Deckel a, verbinden dieselben aber seitlich mit einem wagerechten, viereckigen Kanal B, der die Gase zum Rohre C führt. Der sich hier ansammelnde Theer wird durch den Steg v gezwungen, aus dem Rohre w abzuflieſsen. Das feststehende Eisenrohr C erweitert sich mit seinem oberen Theil von 12cm lichter Weite auf 25cm, um die Vertheilungsvorrichtung L für die Salzsäure zu umschlieſsen. Der bewegliche, ebenfalls aus Guſseisen hergestellte Theil der Esse wird von der Spindel f getragen, welche durch den Bügel e mit dem feststehenden Theil C verbunden ist. Die aus Porzellan gefertigte Vertheilungsvorrichtung L, welche 12cm hoch über der Mündung des Rohres C auf der durch den Steg b getragenen Spindel c ruht, bildet einen 6cm tiefen und 14cm breiten Teller mit einem 17cm hohen und 4cm breiten hohlen Stutzen und ist somit leicht um seine Achse drehbar. Im Boden dieser Vertheilungsvorrichtung befinden sich nahe am Rande eine groſse Anzahl kleiner Löcher, welche die durch den Trichter H zugeführte, aus der Rinne G zuflieſsende Salzsäure als feinen Regen hindurch lassen und so angeordnet sind, daſs die ausflieſsenden Strahlen eine Reaction auf den Teller ausüben, so daſs derselbe auf der Spindel herumgedreht wird. Die Säure sammelt sich im unteren Theile der Erweiterung bei o an, von wo sie durch das Rohr d und den Trichter k nach einer Sammelgrube abflieſst. Die Ofengase können also ungehindert von dem Rohr C aus durch den Salzsäureregen hindurch in den geneigten, um die Spindel f drehbaren Theil E der Vorrichtung gelangen, welcher durch ein Gegengewicht K ausbalancirt ist und durch ein Blech l nach der Windrichtung gestellt wird. Eine Rinne F führt der oberen Hälfte des feststehenden Essentheiles Wasser zu, damit der ringförmige Zwischenraum, welcher von der 25cm breiten Zarge y und der Rohrmündung gebildet wird, ausgefüllt und somit das Austreten von Rauch gehindert, zugleich aber der drehbare Essentheil E gekühlt wird. Das Wasser flieſst durch den Trichter t zu einem entsprechenden Sammelbehälter. Die durch das Zusammentreffen von Ammoniak mit Salzsäure gebildeten Salmiaknebel werden theils von der flüssigen Salzsäure gelöst durch das Rohr d abgeführt, theils gelangen sie mit den Rauchgasen in den kälteren Theil der Esse, verdichten sich hier und werden durch das mitcondensirte Wasser schlieſslich durch das Rohr t entfernt. Die Länge des drehbaren Essentheiles E richtet sich nach dem Ammoniakgehalt der Rauchgase aus den Kokesöfen; die Höhe des aufrechten und festen Theiles bestimmt sich durch den Widerstand, welchen der obere Essentheil in der Hauptsache dem Durchgange der Gase bereitet. Sie wird so groſs genommen, daſs der Auftrieb der heiſsen Abzugsgase diese Widerstände überwindet, aber auch nicht gröſser, weil die Condensationsesse sonst ohne Einfluſs auf den Luftzug im Kokesöfen sein muſs. Entweichen aber aus den Kokesöfen die Gase mit hoher Hitze, so sind sie arm an Ammoniak; es wird dann der Deckel a abgehoben und so die Condensationsesse ausgeschaltet. Zur Darstellung von schwefelsaurem Ammoniak aus dem Stickstoff der Bruchmoore oder Grünlandsmoore gibt H. Grouven in Leipzig (* D. R. P. Nr. 2709 vom 13. März 1878) folgendes Verfahren an, durch welches es gelingen soll, 98 Procent des vorwiegend im Pflanzenprotein des Moores enthaltenen Stickstoffes als Ammoniak zu gewinnen. Die zur Herstellung von 3500k schwefelsaurem Ammoniak aus 20 500k Moortrockensubstanz nebst 42 500k zugehörigem Wasser erforderlichenerforlichen Einrichtungen sind auf Taf. 32 in Fig. 4 im Grundriſs angedeutet, während Fig. 5 und 6 die Schnitte I-II und III-IV zeigen. Die Moormasse mit dem erforderlichen Feuchtigkeitsgehalt wird durch Menschenhände oder Maschinenkraft in faustgroſse Stücke zerrissen, auf 100° erhitzt und mit 10 Proc. Wiesenkreide vermischt, um den Schwefelgehalt des Moores zu binden. Die heiſse, feuchte Moormasse wird dann in sogen. „Ciniröfen“ A destillirt. Die in diesen Oefen stehenden, mit Sicherheitsventil versehenen fünf Cylinder a sind oben mit Deckeln verschlossen, nach deren Oeffnen ein Trichter zur Einfüllung der Moormasse auf die Cylinder aufgesetzt werden kann; während der Füllung ist der im Ofen befindliche Theil der Cylinder durch den Schieber b gegen Luftzutritt abgesperrt. Nach Füllung des oberen Theiles der Cylinder und Schluſs der Deckel tritt durch Oeffnen der Schieber b die Moormasse in den erhitzten Theil. Von dem Verbrennungsraum X für die durch das Rohr m zugeführten Torfgase, deren Zutritt durch das Ventil n geregelt wird, ist durch die wagerechte Chamottewand r der Sammelraum z getrennt, in welchen die aus dem Torf entwickelten Gase durch entsprechende Oeffnungen in der Wand der Cylinder a einströmen. Die bei der Vergasung der Moormasse gebildete Asche füllt den unteren Theil des Cylinders, welcher unterhalb des Gasraumes z in einen mit Wasser gefüllten Behälter y ausmündet, wodurch die Cylinder unten gasdicht abgeschlossen werden. Um den Stand der Asche in bestimmter Höhe zu erhalten, ist dieser Behälter mit dem Rührwerk p versehen, durch dessen langsame Umdrehung die Asche weggeräumt wird. Aus dem Sammelraume z treten die Gase und Dämpfe nun durch das Rohr x nach dem unteren Theile der Ammoniumöfen B, deren 6 Cylinder f mit einer Contactmasse gefüllt und oben und unten mit Deckeln versehen sind. Die Masse ruht auf siebartigen Unterlagen, welche zur Beseitigung der unwirksam gewordenen Contactsubstanz entfernt werden können. Zwischen diesen Sieben und dem unteren Deckel treten die aus dem Torf entwickelten Gase und Dämpfe in die Cylinder ein, durchströmen dieselben und gehen oben seitlich durch das Rohr T in den Kühlapparat C. Die aus dem Cinirofen entweichenden Gase bestehen nämlich aus alkalischen Dämpfen, Kohlenwasserstoff Wasserdampf, Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure. Die Durchleitung dieser Gase durch die glühende poröse Masse soll nun eine Zersetzung des Wasserdampfes mit den Kohlenstoff haltigen Bestandtheilen des Gases bewirken, so daſs 70 Procent des Kohlenstoffes zu Kohlensäure und 30 Proc. zu Kohlenoxyd verbrennt, der sämmtliche organisch gebundene Stickstoff aber in kohlensaures Ammoniak verwandelt wird. Zur Herstellung dieser Contactmasse werden 52k eines 3 bis 4 Proc. Kali enthaltenden, lufttrocknen Thones mit 250k Wasser unter beständigem Umrühren gekocht, so daſs ein gleichmäſsiger dünner Thonbrei entsteht; dann werden 100k gepulverte, lufttrockne Wiesenkreide und 136k trockne Moorerde zugesetzt. Aus der so erhaltenen Masse werden Drainröhren von etwa 25mm Durchmesser gepreſst, die nach dem Trocknen in Stücke zerschlagen und in die Cylinder eingefüllt werden. Hier verliert die Masse beim Glühen noch 63 Procent ihres Gewichtes, ohne ihr Volum zu verkleinern, so daſs 1l derselben nur 270 bis 300g wiegt. Wesentlich ist es, daſs die Masse 47 bis 50 Proc. Kalk enthält, da selbst 5 Proc. mehr oder weniger bereits einen Einfluſs auf die Wirkung derselben ausüben. Die im Ofen herrschende Temperatur darf nur innerhalb geringer Grenzen schwanken, welche mittels eines später zu beschreibenden Pyrometers bestimmt wird. Für einen günstigen Erfolg ist es noch wichtig, daſs in die mit der Contactmasse gefüllten Cylinder keine atmosphärische Luft eintritt, da die Gegenwart von Sauerstoff die Bildung des Ammoniaks erschwert. Auch darf die Torfmasse keine Stoffe enthalten, welche beim Glühen Sauerstoff, Chlor oder Schwefel abgeben, da hierdurch die Ammoniakausbeute ebenfalls verringert wird. Das Gasgemisch muſs 12 bis 13 Stunden mit der glühenden Contactmasse in Berührung bleiben und 2,5mal so viel Wasserdampf enthalten, als theoretisch zu der angegebenen Zersetzung erforderlich wäre. Nach je 4 bis 5 Stunden muſs durch die glühende Masse mittels des kleinen Gebläses O atmosphärische Luft kurze Zeit hindurchgeblasen werden, um sie wirksam zu erhalten. Nach 4 bis 5 Tage langem Gebrauch wird sie dann durch frische Masse ersetzt. Das aus diesen Cylindern austretende Gasgemenge enthält als Vergasungsproducte von 50k des von Wasser freien Moores 1k,75 Stickstoff als Ammoniumcarbonat, gemischt mit etwa 32cbm Kohlensäure, 14cbm Kohlenoxyd und 88cbm Wasserstoff. Dieses Gasgemisch wird mittels des Saugers L durch das Rohr T zunächst in den Kühlapparat C gezogen. Hier vertheilen sich die Gase und Dämpfe von der Vorkammer i aus in die Röhren c, um dann, nachdem sie etwa ⅔ ihres Gehaltes an kohlensaurem Ammoniak abgesetzt haben, aus der Kammer k durch das Rohr V nach den mit Gyps gefüllten Apparaten F (Fig. 4 und 6) zu gehen, während sich die verdichtete Flüssigkeit im Gefäſs S sammelt, um von hier aus unter Luftabschluſs durch das gebogene Rohr U nach den Gypsdigestoren G (Fig. 4) zu flieſsen. Als Kühlflüssigkeit wird das gewonnene schwefelsaure Ammoniak verwendet, welches durch das Rohr u in den Kühlapparat eintritt und denselben stark erwärmt durch das Rohr v verläſst, um auf die Krystallisationspfanne D zu flieſsen. Um den für die Umsetzung des kohlensauren Ammoniaks erforderlichen Gyps in die passende Form zu bringen, werden 60k gebrannter Gyps mit 40k trocknem Wiesenkreidepulver gemischt. Auf dieses Gemenge läſst man nach und nach 40l Wasser von 15 bis 20° in Regenform laufen, wodurch sich dasselbe beim Uebergange des Gypses in Hydrat zu kleinen Kügelchen formt, von denen 1l nur 660 bis 670g wiegt. Bei 300° getrocknet, muſs ihr Gewichtsverlust sich immer zwischen 32 bis 33 Proc. bewegen. Die Kreidegypskügelchen bilden, obgleich mit den Fingern leicht zerdrückbar, doch eine Füllung, die so viele Zwischenräume hat und so porös bleibt, daſs selbst bei einer Säulenhöhe von 5m dem Gasdurchgang kein erheblicher Widerstand bereitet wird. Bei Anwendung von Gypskügelchen ohne Kreidezusatz hat sich gezeigt, daſs die Kügelchen beim Durchströmen der Ammoniakgase sich bald mit einer schmierigen schwefelsauren Ammoniaklösung überziehen, welche nicht blos den Gasdurchgang verstopft, sondern auch das Innere der Kugeln der Einwirkung des kohlensauren Ammoniakgases entzieht. Zur völligen Absorption des Ammoniaks gebraucht man das 7fache Volum von diesem Gypsschrot für die in 1 Secunde durchstreichende Gasmenge. Für die vollständige Umsetzung des Ammoniaks ist es noch wichtig, daſs die Temperatur auf 35 bis 40° erhalten wird, mit welcher die Gase aus dem Kühlapparate heraustreten. Die Absorptionsapparate F sind daher in einer besonderen Kammer aufgestellt, welche dauernd auf diesem Wärmegrad erhalten wird. Die Absorptionscylinder sind mit Einsätzen versehen, welche dieselben bis auf einen Raum im unteren Theile des Cylinders füllen, in den das Gas in der Pfeilrichtung eintritt. Die Einsätze haben einen siebartigen Boden und sind vollständig mit Kreidegypsschrot gefüllt. Ihr cubischer Inhalt ist so bemessen, daſs jedes Gastheilchen beim Durchströmen sämmtlicher Cylinder nahezu 5 Secunden lang mit dem Schrote in Berührung und Wechselwirkung bleibt. Unter Bildung von kohlensaurem Kalk verwandelt sich das kohlensaure in schwefelsaures Ammoniak. Die mit schwefelsaurem Ammoniak gesättigte Schrotportion wird nun herausgenommen und in den Gypsdigestorien G zu dem aus dem Kühlapparat C gewonnenen kohlensauren Ammoniak hinzugeschüttet. Hier vollzieht sich unter Zusatz von weiterem Stuckaturgyps und bei fortwährendem Umrühren während der ersten halben Stunde bei Erhaltung der Masse auf 35 bis 40° die Umwandlung des kohlensauren Ammoniaks in schwefelsaures Ammoniak. Die Digestorien können behufs Beschleunigung des Processes mit mechanischem Rührwerk versehen sein. Das Gesammtresultat ist eine etwa 18procentige Lösung von schwefelsaurem Ammoniak. Diese Lösung wird nach dem Absetzen in den Behälter J (Fig. 4) abgelassen, aus dem die Pumpe K sie durch die Filterpresse H drückt. Da diese Presse hoch steht, so flieſst die Ammoniumsulfatlösung durch das Rohr u zum Kühler C, aus welchem sie bei v heiſs auf die Krystallisationspfanne D läuft, in der sie weiter abgedampft wird, unter Zusatz von 1 bis 2 Proc. Kammersäure zur Neutralisation des freien Ammoniaks. Die Torfgase werden nun, so weit sie nicht im Kühler C und den Gypsapparaten F verdichtet sind, durch das Gebläse L weiter geführt. Ein Theil derselben dient zum Betriebe der Gaskraftmaschine M, welche die beiden Luftsauger L und O, die Filterpreſspumpe K, die Rührwerke der Gypszersetzungsapparate G, die Aschenrührer p, die Drainröhrenpresse bei N, Wasserpumpe und Hebewerke treibt. Der andere Theil der Gase geht durch das Rohr m und die Ventile n zum Heizen der Oefen A und B, während die Verbrennungsproducte durch die Rohre o und die Ventile s theils in den Regenerator Q zum Vorwärmen der für beide Oefen erforderlichen atmosphärischen Luft und den Regenerator P zum Erhitzen der Brenngase, theils aber zur Krystallisationspfanne D und den Vorwärmer E gehen und von hier in den gemeinschaftlichen Schornstein R entweichen. Für das erwähnte Pyrometer werden drei Legirungen durch Zusammenschmelzen von 72g, 75g und 80g Kupfer mit bezieh. 28g, 25g und 20g reinem Antimon hergestellt, die sich nach dem Erkalten leicht in scharfkantige Stücke von 3 bis 5g zerschlagen lassen. In ein 17mm weites und 1m langes Porzellanrohr (Fig. 7), welches an einem Ende mit einem Korkstopfen w verschlossen ist, füllt man etwas Kohlenpulver, dann ein Korn x der ersten Legirung, wieder Holzkohlenpulver und ein Korn y der zweiten Legirung, dann nochmals Kohlenpulver und schlieſslich einen Asbestpfropf z. Dieses für die Ammoniumöfen bestimmte Pyrometer wird in einen der Cylinder desselben eingeschoben. Schmilzt die zweite Legirung bei y, während die erste nur an ihren scharfen Kanten abgerundet wird, so ist die Hitze normal; ist sie zu schwach, so bleibt y ungeschmolzen, ist sie zu stark, so schmilzt auch x. Dasselbe Pyrometer wird für die Cylinder des Cinirofens angewendet; nur wird hier bei y ein Korn der 80procentigen Legirung und bei x ein solches der 75procentigen Legirung eingeschoben.

Tafeln

Tafel Tafel 32
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