Titel: Ueber die Ausnutzung der Nahrungsmittel.
Autor: F.
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 486
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Ueber die Ausnutzung der Nahrungsmittel. Ueber die Ausnutzung der Nahrungsmittel. Bekanntlich hat die Ernährung zwei verschiedene Aufgaben und zwar 1) Aufbau und Erhaltung des Körpers, des Organs, und 2) Zufuhr und Verwendbarmachung von Spannkräften zur Erhaltung der Kraftleistungen des Gesammtkörpers und seiner Organe, d.h. Erzeugung von Wärme, Elektricität, mechanische Arbeit. Die erste Aufgabe haben vorwiegend die Eiweiſsstoffe zu erfüllen, an der Krafterzeugung betheiligen sich dagegen alle organischen Stoffe, je nach der Summe der in ihnen enthaltenen, bei der Stoffumwandlung im Organismus frei werdenden Spannkräfte. Die Stickstoff freien Stoffe, welche nur in untergeordneter Weise am Organaufbau theilnehmen, dafür aber die gröſste Summe von verwendbaren Spannkräften besitzen, betheiligen sich somit vorwiegend an der Erzeugung von lebendigen Kräften, als deren Hauptvertreter die thierische Wärme anzusehen ist. Nach J. Ranke verbraucht ein bisher wohl genährter, kräftiger Mensch bei vollkommener Nahrungsenthaltung in 24 Stunden, entsprechend den Ausgaben von 8g,024 Stickstoff und 3g,65 Kohlenstoff in den flüssigen Ausscheidungen und 180g,85 Kohlenstoff in der Respiration, 50g,7 Eiweiſs und 198g,1 Fett. Bei völlig Stickstoff freier Kost, bestehend aus 150g Fett, 300g Stärke und 100g Zucker mit zusammen 254g,68 Kohlenstoff wurden in den flüssigen Ausscheidungen 8g,16 Stickstoff und 3g,61 Kohlenstoff, in den festen 18g,79 und in der Respiration 200g,50 Kohlenstoff ausgeschieden, so daſs der Körper 51g,8 Eiweiſs verloren, dagegen 81g,5 Fett angesetzt hatte. Bei reiner Fleischkost wird umgekehrt Stickstoff im Körper zurückgehalten und dafür der Fettgehalt des Körpers verringert. Dagegen wird vollkommenes Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen des Körpers eines kräftigen Mannes bei Muskelruhe hergestellt durch: Albumin (mit 15g,5 Stickstoff)   100g Fett   100 Stärkemehl und Zucker   240 Salze     25 Wasser, getrunken und in fester Nahrung 2535 ––––– zusammen 3000g, entsprechend 250g Fleisch, 400g Brod, 70g Stärke, 100g Fett, 10g Kochsalz und 2100g Wasser. Der Mensch gebraucht bei gemischter Kost somit 49g Eiweiſs und 43g Fett mehr als der gleiche hungernde Mensch ohne Verdauungsarbeit. Bei starker Muskelarbeit gebraucht der Mensch nur sehr wenig mehr Eiweiſs, aber wesentlich gröſsere Mengen Fett oder Kohlehydrate als in Ruhezustand (vgl. 1878 230 514). Dieser für die Verdauungsarbeit erforderliche Mehrverbrauch von Eiweiſs und Fett ist bei der Beurtheilung des Nahrungswerthes wohl zu beachten. Je mehr Spannkräfte ein bestimmtes Gewicht Nahrung in den Organismus einführt, welche in dem Organismus frei und verwendbar werden, desto gröſser ist der Ernährungswerth dieser Nahrung. (Vgl. J. Ranke: Die Ernährung des Menschen, S. 292.) Zur Feststellung des Nährwerthes eines Nahrungsmittels genügt es daher nicht, den Gehalt desselben an Stickstoff und Kohlenstoff, die darin enthaltene Menge Eiweiſs, Fett, Kohlehydrate zu kennen; man muſs wissen, welche Menge von jedem der Nahrungsstoffe für sich oder aus einem Nahrungsmittel unter verschiedenen Verhältnissen aus dem Darmkanal in die Säfte aufgenommen wird. Die chemische Analyse der Nahrungsmittel führt daher für sich allein nicht zum Ziele, sondern nur in Verbindung mit dem physiologischen Experiment am thierischen Organismus. Nach den umfassenden Versuchen von M. Rubner (Zeitschrift für Biologie, 1879 S. 115 bis 202) zeigt nachstehende Tabelle die Ausnutzung der in den Speisen eingeführten Trockensubstanz auf einen Tag berechnet, geordnet nach dem durch den Koth stattfindenden procentigen Verlust (die verschiedenen Versuchspersonen sind mit a bis g bezeichnet): Speise Trockensub-stanz in derSpeise Koth frisch Koth trocknen Verlust anTrockensub-stanz durchden Koth Haupt-nahrungsmittelfrisch Als Nahrung nöthig für 18,3gStickstoff(118g Ei-)weiſs) für 328gKohlenstoff g g g Proc. g g g Weiſsbrot (b) 779   109   28,9   3,7 1237 1738 1171 Reis 660   195   27,2   4,1   638 1374   843 Maccaroni (a) 626     98   27,0   4,3   695 1168   940 Fleisch (a) 367     64   17,2   4,7 1435   538 2620 Spätzel 743   36,3   4,9   880 1282 1070 Eier 247     64   13,0   5,2   948   905 2231 Weiſsbrot (a) 454     95   23,5   5,2   689 1634 1117 Gemischt 615   131   34,0   5,5 (Nach Pettenkofer und Voit) Fleisch (b) 307     53   17,2   5,6 1172   538 2620 Maccaroni (b) 664   219   38,1   5,7   695   563   865 Milch mit Käse (e) 420     98   25,3   6,0 2291 Milch  200 Käse Mais 738   198   49,3   6,7   750 1238   845 Fettversuch (e) 615   161   41,3   6,7 Milch mit Käse (f) 400     88   27,4   6,8 2050 M  218 K Milch (a) 315     96   24,8   7,8 2438 2905 4652 Milch (b) 265   22,3   8,4 2050 2905 4652 Fettversuch (a) 545   299   46,5   8,5 Fettversuch (b) 611   375   56,0   9,2 Kartoffel 819   635   93,8   9,4 3078 4918 2803 Milch (d) 530   241   50,0   9,4 4100 2905 4652 Fettversuch (d) 786   300   82,0   9,4 Milch (c) 397   174   40,6 10,2 3075 2905 4652 Milch mit Käse (g) 605   274   66,8 11,3 2209 M  517 K Wirsing 494 1670   73,8 14,9 3831 5326 7288 Schwarzbrot 773   815 115,8 15,0 1360 1872 1317 Gelbe Rüben 412 1092   85,0 20,7 5133 7288 5559 Die Menge des trocknen Kothes schwankte somit von 13 bis 116g, der procentige Verlust von 3,7 bis 20,7; der Genuſs von Fleisch und Eiern gibt kleine Mengen frischen Kothes mit geringem Wassergehalt, Schwarzbrot, Kartoffeln, Wirsing, gelbe Rüben dagegen kolossale Mengen mit hohem Wassergehalt. Offenbar wird durch diese Nahrungsmittel der Darm sehr überbürdet. Zur richtigen Beurtheilung der Ausnutzung der einzelnen Nahrungsmittel ist auch zu berücksichtigen, wie viel davon zur Herstellung einer Nahrung erforderlich ist, um den nöthigen Stickstoff und Kohlenstoff zuzuführen; der Tabelle sind auch diese Zahlen beigefügt. Beim Genuſs dieser Mengen würden sich aber folgende Kothmengen ergeben: Kost Kothberechnet Kothaschefreiberechnet Kost Kothberechnet Kothaschefreiberechnet Fleisch 31 26 Reis   58   50 Eier 30 26 Mais   61   51 Maccaroni (b) 33 27 Gelbe Rüben 121 101 Brot (weiſs) 41 36 Wirsing 140 113 Maccaroni (a) 45 37 Kartoffel 150 133 Milch 57 42 Schwarzbrot 160 146 Die Unterschiede sind danach sehr bedeutend, wenn obige Nahrungsmittel eine Nahrung darstellen sollen. Fleisch, Eier und Weiſsbrot verhalten sich am günstigsten, mit dem Mais schlieſst aber die Gruppe der besseren Verwerthung ab. Der Aschengehalt des trocknen Kothes wechselt zwischen 6,6 bis über 30 Proc. Das Fett wird im Allgemeinen bis auf geringe Rückstände im Darm resorbirt. Gröſsere Mengen von Fett scheinen die Verwerthung der Kohlehydrate etwas zu beeinträchtigen. Die Ausnutzung dieser ist aber von groſser Bedeutung, da dieselben in der Nahrung der Mehrzahl der Menschen den gröſsten Theil der Trockensubstanz darstellen. Derselbe stellte sich folgendermaſsen: Kost Kohle-hydatein derKost Kohle-hydrateim Koth Proc.Verlust Weiſsbrot (b) 670   5   0,8 Reis 493   4   0,9 Maccaroni 462   6   1,2 Weiſsbrot (a) 391   6   1,4 Spätzel 558   9   1,6 Fettversuch (a) 259   4   1,6 Stickstoff freie Kost 674 11   1,7 Maccaroni mit Kleber 418 10   2,3 Mais 563 18   3,2 Fettversuch (b) 226 14   6,2 Fettversuch (c) 221 14   6,2 Fettversuch (d) 234 16   6,8 Kartoffel 718 55   7,6 Schwarzbrot 659 72 10,9 Wirsing 247 38 15,4 Gelbe Rüben 282 50 18,2 Der menschliche Darm vermag also bedeutende Mengen von Kohlehydraten, welche gröſstentheils als Stärkemehl aufgenommen werden, zu verwerthen, und stellt sich ihre Ausnutzung meist günstiger als die des Fettes, auch wenn man annimmt, daſs 100g Fett 175g Kohlehydrate in Beziehung der Aufhebung der Fettabgabe vom Körper äquivalent ist. Die schlechte Ausnutzung der letzten Kohlehydrate kann dadurch bedingt sein, daſs ein gröſserer Theil derselben aus Cellulose besteht, oder in derberen Cellulosehüllen eingeschlossen ist, aber auch durch den Eintritt einer sauren Gährung, wie bei Roggenbrod und Kartoffeln. Trotz der meist guten Ausnutzung der Kohlehydrate ist es doch nicht gerathen, sie in zu groſser Menge aufzunehmen, da durch sie das Volum der Kost ein zu bedeutendes wird. Die Ausnutzung des Stickstoffes oder des Eiweiſses der Nahrungsmittel stellte sich, wie folgt: Kost Stickstoffin derKost Stickstoffim Koth Verlustim Kothproc. Fleisch (b) 48,8 1,2   2,5 Fleisch (a) 40,0 1,1   2,7 Eier 22,8 0,6   2,6 Milch und Käse 23,4 0,7   2,9 Milch und Käse 24,1 0,9   3,7 Milch und Käse 38,9 1,9   4,9 Milch 12,9 0,9   7,0 Milch 15,4 1,0   6,5 Milch 19,4 1,5   7,7 Milch 25,8 3,1 12,0 Maccaroni mit Kleber 22,7 2,5 11,2 Maccaroni 11,2 1,9 17,1 Wirsing 13,2 2,4 18,5 Weiſsbrot (b) 13,0 2,4 18,7 Kost Stickstoffin derKost Stickstoffim Koth Verlustim KothProc. Mais 14,7 2,3 19,2 Spätzel 12,0 2,3 20,5 Reis   8,4 2,1 25,1 Weiſsbrot (a)   7,7 1,9 25,7 Schwarzbrot 13,3 4,3 32,0 Kartoffel 11,4 3,7 32,2 Gelbe Rüben   6,5 2,5 39,0 Bei der vegetabilischen Kost, welche doch im Allgemeinen arm an Stickstoff ist, geht somit mehr Stickstoff mit dem Kothe ab als bei animalischer Kost. Abgesehen von den Leguminosen kann daher mit Pflanzenkost allein wohl kaum ein kräftiger Körper gebildet und erhalten werden; die geringe Leistungsfähigkeit derartig genährter Leute ist bekannt. Die Ursache der so verschiedenen Ausnutzung der Nahrungsstoffe in den verschiedenen Nahrungsmitteln sind noch nicht genügend aufgeklärt; doch hat das groſse Volum, z.B. der Kartoffeln, und die Zerkleinerung jedenfalls Einfluſs. Das Auftreten niederer Fettsäuren, von Buttersäure und Milchsäure, oder auch von Gasen durch eine Gährung, z.B. nach Genuſs von Schwarzbrot, bewirkt ferner eine rasche Entleerung des Darminhaltes und deshalb eine ungünstige Ausnutzung. Im Anschluſs an diese Versuche wollen wir nicht verfehlen, auf das soeben erschienene Werk von J. König: Die menschlichen Nahrungs- und Genuſsmittel, ihre Herstellung, Zusammensetzung und Beschaffenheit, ihre Verfälschungen und deren Nachweisung, mit einer Einleitung über die Ernährungslehre (Berlin 1880, Jul. Springer) zu verweisen. Dasselbe ist weitaus das beste aller in der letzten Zeit erschienenen Bücher über Nahrungsmittel. F.