Titel: Pneumatischer Betrieb städtischer Uhren.
Fundstelle: Band 237, Jahrgang 1880, S. 379
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Pneumatischer Betrieb städtischer Uhren. Mit Abbildungen auf Tafel 32. Pneumatischer Betrieb städtischer Uhren. Im Hinblick auf die erfolgreiche Einführung der pneumatischen Uhren in Wien (vgl. 1879 233 256) durch ihren Erfinder C. A. Mayrhofer hat sich am 15. Juni 1879 auch in Paris eine Gesellschaft zum Betrieb dieses Systemes gebildet, dessen Ingangsetzung am 15. März d. J. stattfand. Ende März waren bereits 20000m Leitung gelegt, welche 14 öffentliche Uhrenkandelaber umfassen. Die Centralstation mit der Normaluhr, welche den in das Röhrennetz eingeschalteten Secundäruhren von Minute zu Minute den pneumatischen Impuls ertheilt, befindet sich in der Rue Saint-Anne 7 und steht mit der Sternwarte in Verbindung, von welcher sie behufs der genauesten Regulirung der Normaluhr täglich die richtige Zeit angezeigt erhält. Damit eine Unterbrechung des Betriebes nie vorkommen könne, sind auch hier, wie in Wien, sämmtliche Maschinen und Apparate der Centrale doppelt vorhanden. Sollte nun im Gange des einen oder des anderen Apparates eine Störung eintreten, so überträgt derselbe seine Function augenblicklich und ganz von selbst auf den Reserveapparat und dieser tritt an die Stelle des ersteren, ohne daſs der Betrieb auch nur um eine Minute unterbrochen wird. Luftpressungsapparate und Luftbehälter der Centralstation. Auf Taf. 32 veranschaulicht Fig. 3 den Dampfmotor in Form einer Locomobile, Fig. 4 eine der doppelt wirkenden Luftpumpen und Fig. 5 die beiden horizontalen Hochdruck-Luftcylinder, wovon der untere zur etwaigen Aushilfe dient, sowie den verticalen Betriebs- oder Vertheilungscylinder in der Seitenansicht. Der Locomobile ist eine Gaskraftmaschine als Reserve beigegeben. Im Ganzen sind 4 Compressionspumpen aufgestellt, wovon je zwei gemeinschaftlich arbeiten, während die beiden anderen erst dann in Thatigkeit treten, wenn die Umstände es verlangen sollten, die ersteren auſser Betrieb zu setzen. Anordnung der Transmission und Geschwindigkeit der Compressionspumpen. Die zugleich als Schwungrad dienende Antriebscheibe der Locomobile macht bei 1m,1 Durchmesser 115 Umdrehungen in der Minute. Diese Bewegung wird auf die 1m im Durchmesser haltende Scheibe n des Pumpwerkes, unter zweckdienlicher Geschwindigkeitsverminderung, mit Hilfe dreier Riemen und zweier Scheibenpaare l und m übertragen, deren Dimensionen so gewählt sind, daſs hieraus für die Scheibe n eine Geschwindigkeit von 60 Touren in der Minute resultirt. Auf die Achse der letzteren ist ein Getriebe von 12 Zähnen festgekeilt, welches in ein Rad von 72 Zähnen greift. Die Kurbelwelle dieses Rades macht demnach 10 Touren in der Minute und die Pumpe selbst eben so viele Doppelhübe. Der Pumpencylinder, dessen Durchmesser 0m,268 und dessen Hubhöhe 0m,40 beträgt, ist mit einem Doppelmantel umgeben, worin beständig kaltes Wasser umläuft, welches durch eine Röhre a von 18mm Lichtweite herbeigeleitet wird. Diese Pumpen nun pressen die Luft in einen der beiden Hochdruckcylinder oder Hauptbehälter, nehmen wir an in den oberen. Sollte es aus irgend einer Ursache geboten sein, die Luft in den unteren Behälter zu drücken, so kann man mit Hilfe der Röhren b1 bis b4 und der an ihrem Ende befindlichen Hähne den oberen Behälter vollständig absperren und die Luft dem unteren zuführen. Das stärkere Rohr b5 hat lediglich den Zweck, beide Hochdruckcylinder nöthigen Falles mit einander in Verbindung zu setzen. Der Betriebs- oder Vertheilungsbehälter. Beide Hochdruckcylinder communiciren mit einem anderen senkrechten Cylinder von gleichem Rauminhalte, dem Betriebs- oder Vertheilungsbehälter, worin eine unveränderliche Spannung von ungefähr 0at,5 herrscht, wie sie die Ingangsetzung sämmtlicher in das Röhrennetz eingeschalteter pneumatischer Uhren verlangt. Letzterer Zweck wird durch eine sinnreiche Combination, den Nachfüll- oder Speiseapparat erreicht, welcher die Bestimmung hat, die in Folge der Abgabe der verdichteten Luft an das Röhrennetz verminderte Spannung im Betriebskessel augenblicklich wieder auszugleichen. Die Preſsluft gelangt aus dem einen oder dem anderen der beiden Hochdruckcylinder zunächst in eine von dem Verbindungsrohr b8 sich abzweigende Röhre und durch den stets offenen Hahn A zu den Dreiweghahnen E und B. Den ersteren findet sie verschlossen, durch den letzteren dagegen wird sie in das Horizontalrohr geleitet, wo die beiden geschlossenen Hähne D ihrem weiteren Vordringen einstweilen ein Ziel setzen. Diese Hähne nun sind es, welche sich nach jeder Minute öffnen, um etwas Preſsluft in den Betriebscylinder einströmen zu lassen. Solches geschieht ganz selbstthätig auf folgende Weise. In das eiserne Gefäſs H, bezieh. dessen untere mit Quecksilber gefüllte Abtheilung reicht ein Eisenrohr bis in die Nähe des Bodens hinab. Da der abgeschlossene Raum über dem Quecksilberspiegel durch eine dünne Röhre I mit dem Betriebscylinder in Verbindung steht, so steigt unter dem Einflüsse der in dem letzteren herrschenden Spannung das Quecksilber in dem Eisenrohr auf die dieser Spannung entsprechende Höhe. Wenn nun der Druck im Betriebscylinder in Folge des Luftverbrauches abnimmt, so sinkt die Quecksilbersäule und nimmt einen auf ihr liegenden Schwimmer mit, dessen verticale Spindel an den Hebel des Durchlafshahnes D angelenkt ist. Sobald aber jener Druck bis zu einer gewissen Grenze herabgesunken ist, öffnet der Schwimmer den Hahn D und die Preſsluft strömt durch die Dreiweghähne C und E und den gewöhnlichen Hahn F in den Betriebscylinder. Die in dem letzteren wieder zunehmende Spannung hat das Steigen der Quecksilbersäule zur Folge, deren Schwimmer, sobald der normale Stand erreicht ist, die Hochdruckleitung abschliefst. Sämmtliche Hähne der Verbindungsrohre b6 bis b9 sind für gewöhnlich geschlossen. Sie dienen nur für den Fall, daſs der Betriebscylinder aus irgend einer Ursache seinen Dienst versagen sollte. Alsdann würde einer der beiden Hochdruckcylinder selbst die Stelle des Betriebscylinders vertreten. Die Normaluhr der Centralstation, welche die Bestimmung hat, in jeder Minute eine gewisse Menge verdichteter Luft in das Straſsennetz einströmen zu lassen, ist in Fig. 4 und 5 in der Seitenansicht und im Grundrisse dargestellt. Sie besteht aus einem sorgfältig construirten Gehwerk und einem besonderen Mechanismus, welcher durch eine Auslösevorrichtung mit dem Gehwerk in Verbindung gesetzt ist. Unter dem Einflüsse von Gegengewichten gestattet diese Vorrichtung dem Zahnrad M je nach Verfluſs einer Minute eine halbe Umdrehung, welche durch Vermittlung einer Kurbel N, einer Schubstange O und eines Hebels P den Dreiweghahn R öffnet und auf diese Weise in jeder Minute eine gewisse Menge Preſsluft aus dem Betriebscylinder in die Röhre T einläſst, von wo dieselbe in die Straſsenleitung gelangt. Der Dreiweghahn R soll neuerdings durch eine Schiebersteuerung sehr vortheilhaft ersetzt worden sein. Selbstthätiges Aufziehen des Geh- und Auslösewerkes der Normaluhr. Der Anstoſs der verdichteten Luft, welche in jeder Minute durch das Spiel des Hahnes B in das Röhrennetz abgegeben wird, findet zugleich eine sehr sinnreiche Verwendung zum Aufziehen der Gewichte beider Werke der Normaluhr. Ein Theil dieser Luft strömt nämlich durch dünne Röhrenzweige in den unteren Theil zweier Metallstiefel U und treibt in jedem derselben einen luftdicht schlieſsenden Kolben in die Höhe. Die Kolbenstangen sind mit den Aufzugshebeln Z verbunden und bewirken mittels geeigneter in die Sperrräder X eingreifender Sperrklinken und eines Systemes endloser Stahlketten die Hebung der Gewichte Y. Auf diese Weise geht das Aufziehen der Normaluhr in jeder Minute selbstthätig und mit der gröſsten Regelmäſsigkeit vor sich. Die in Gang zu setzenden öffentlichen (Secundär-) Uhren sind passend an einem Gaskandelaber angebracht. – Die Fig. 8 bis 10 veranschaulichen eine Secundäruhr, wie sie in Arbeitszimmern, Werkstätten, Magazinen u. dgl. eingeführt ist, in zwei Ansichten und im Verticalschnitte. Dieselbe besteht einfach aus einem Zeigerwerk, welches von der Centralstation aus dadurch im Gang erhalten wird, daſs die von Minute zu Minute in das Röhrennetz gesendete Luft durch eine von diesem sich abzweigende dünne Röhre c in den niedrigen Cylinder (Balgen) d tritt, auf einen Lederkolben o mit aufgestülptem Rande einen Druck ausübt und ihn in die Höhe treibt.Bei dieser Gelegenheit seien folgende Mittheilungen von Jul. Krause zu Cassel in der Wochenschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1880 S. 259 hier beigefügt. J. Krause erklärt daselbst im Interesse des Erfinders der hydropneumatischen Uhren, Hrn. Albert Johann in Aarau, daſs Letzterer i. J. 1874 in dem naturwissenschaftlichen Vereine Aaraus einen Vortrag über seine Idee der hydropneumatischen Uhren gehalten und darin auch eines kleinen Balgen zum Voranstoſsen des Minutenzeigers Erwähnung gethan hat. Ebenso wird Hr. Dr. Hipp in Neuchatel bestätigen, daſs Hr. Albert Johann mit ihm über hydropneumatische Uhren vor Jahren correspondirt hat.Theils weil die Schweiz keine Patente ertheilt, theils weil seiner Zeit Informationseinziehung über die Patentgesetzgebung des Auslandes nicht leicht war, hauptsächlich aber, weil er sich noch immer mit der Vervollkommnung seiner Erfindung beschäftigte, unterlieſs Hr. Johann die Patentirung, trotzdem er in seinem Geschäftslocale bereits i. J. 1876 diese hydropneumatische Uhr ausgestellt und sich während mehrerer Monate von der Sicherheit ihres Betriebes überzeugt hatte. Erst am 30. April 1879 lieſs er seine Erfindung beim Deutschen Patentamte anmelden, wurde aber damit zurückgewiesen, weil dieselbe mit den Patenten von C. A. Mayrhofer in Wien (Secundäruhr mit Ankergang und hydropneumatischem Betrieb * D. R. P. Kl. 83 Nr. 773 vom 6. September 1877) und von D.H. Brandon in Paris (Einrichtungen der Uebertragungs- und Empfangsmechanismen an Centraluhren, welche die Zeiger mehrerer Zifferblätter in Bewegung setzen * D. R. P. Kl. 83 Nr. 2635 vom 3. Januar 1878) collidire. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen. Unter dem 16. Januar 1880 reichte J. Krause, als gesetzlicher Vertreter des Hrn. Albert Johann in Aarau, nachdem derselbe inzwischen einen anderen (einen Wassersäulen-) Motor zur Herstellung der comprimirten Luft und des Vacuums construirt hatte, eine neue Patentanmeldung ein und hatte die Genugthuung, daſs diese unter dem 5. Juni d. J. Nr. 2360 angekündigt ist.Die Albert Johann'sche „Vorrichtung zur pneumatischen Zeitübertragung von einer Normaluhr auf blose Zeigerwerke“ ist kurz folgende: Das durch das Pendel in Bewegung erhaltene Gangrad nebst Haken einer Regulatoruhr hat auf seiner Achse eine mit diesem sich in einer Minute einmal umdrehende Schneckenscheibe befestigt, welche einen Hammerstiel hebt und vermöge ihrer Construction allminutlich sicher fallen läſst. Das auf diese Weise in Bewegung gebrachte Hämmerchen löst auf eine ebenso einfache wie sichere Art den auf einem mit Gewicht versehenen Laufwerke befindlichen horizontalen Windfang aus, wodurch das Laufwerk das im Wassersäulenmotor (communicirende Röhren) befindliche Kegelventil hebt und den Abfluſs des Wassers und dadurch ein Vacuum in der communicirenden Röhre, in den damit verbundenen sämmtlichen Leitungsröhren und in den Bälgen verursacht. Nach einigen Secunden wird das Hämmerchen gehoben und durch angebrachte Hilfsmittel der Windfang und dadurch das Laufwerk zum Stillstand gebracht, was zur Folge hat, daſs das fortwährend einflieſsende Wasser die Luft der anderen communicirenden Röhre verdichtet. Die durch Bleirohrleitungen in Gummibälge geleitete Preſsluft bläht die letzteren aber nur um so viel auf, als nothwendig ist, um den Minutenzeiger bezieh. einen Zahn des Minutenrades voran zu stoſsen. Der ganze Apparat ist nach J. Krause sicher funtionirend und wenig kostspielig herzustellen. Die dünne Kolbenstange e wirkt bei f auf einen Hebel, dessen Drehzapfen mit der Achse eines Steigrades R von 60 Zähnen zusammenfällt. Dieser Hebel nun überträgt jene kleine Kolbenbewegung mittels der Sperrklinke s auf das Steigrad R, dessen Achse den Minutenzeiger trägt, und schiebt dasselbe in jeder Minute um einen Zahn weiter. Ein zweite an das Uhrgehäuse befestigte und wie die die erstere mit einem Gegengewicht p versehene Sperrklinke verhütet die rückgängige Bewegung des Steigrades und ein Aufhälter hindert den Hebel, dasselbe weiter als um einen Zahn zu bewegen. Ueberwachung und Verwerthung. Jede Unregelmäſsigkeit im Gang der Apparate, jede Steigerung oder Minderung des Druckes über eine gewisse Grenze hinaus wird den Bediensteten, welchen Tag und Nacht die Ueberwachung der Anstalt obliegt, augenblicklich durch elektrische Signale selbstthätig gemeldet. Zu diesem Zwecke ist auf der Centralstation eine Uebersichtstafel wie bei einem Hoteltegraphen angeordnet, mit deren Hilfe die Stelle, wo eine Störung im normalen Betrieb eingetreten ist, sogleich aufgefunden werden kann. Das von der Gesellschaft zum Betrieb der pneumatischen Uhren angenommene Abonnementsystem ist dem bei Wasserwerks- und Gasgesellschaften eingeführten ähnlich. Die Installation und Lieferung einer ersten Uhr oder die Umwandlung einer gewöhnlichen Uhr in eine pneumatische ist unentgeltlich. Im letzteren Falle bleibt das alte Werk dem Eigenthümer zur Verfügung. Was den Abonnementpreis betrifft, so hat die Gesellschaft den Satz auf billigster Grundlage berechnet. Derselbe beträgt: 5 Centimes für den Tag für die erste Uhr (18 Franken im Jahr), 4 Cent, für die zweite (14,60 Fr.), 3 Cent, für die dritte und die folgenden (11 Fr.). Ueber die sechste Uhr hinaus findet eine weitere Preisermäſsigung nach Uebereinkunft statt. (Nach Oppermann's Portefeuille économique, 1880 Bd. 5 S. 82.)

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Tafel Tafel 32
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