Titel: Zur Frage der Phosphorzündhölzchen; von Professor H. Schwarz in Graz.
Autor: H. Schwarz
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 223
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Zur Frage der Phosphorzündhölzchen; von Professor H. Schwarz in Graz. H. Schwarz, zur Frage der Phosphorzündhölzchen. In der Schweiz, in Deutschland, in Oesterreich und anderen Staaten wird jetzt die Frage wegen der Gefährlichkeit der gewöhnlichen Phosphorzündhölzchen für Erzeuger und Verbraucher eifrigst erörtert und gehen viele Stimmen, besonders der staatlichen Organe, dahin, diese Fabrikation überhaupt zu verbieten. Nur die sogen, schwedischen Zündhölzer mit amorphem Phosphor auf abgesonderter Reibfläche sollen künftighin noch zulässig sein. Es ist freilich die Vorzüglichkeit derselben in vielen Beziehungen, so das sichere Zünden, das Zünden nur an der präparirten Reibfläche, die Nichtgiftigkeit des reinen amorphen Phosphors u.s.w., durchaus anzuerkennen. Vergleicht man damit die meisten nach älterer Methode dargestellten Zünder, so treten die Nachtheile derselben auffällig hervor. Ein Päckchen derselben, im Dunkeln betrachtet, zeigt leuchtende Dämpfe, die sich auch durch den Geruch verrathen; die Masse wird leicht feucht, zündet dann schlecht, die Zündköpfe springen leicht ab, bewirken Verbrennungen; sie zünden auf jeder Reibfläche, sind in den Händen von Kindern feuergefährlich und bieten endlich ein überall leicht zu beschaffendes Gift. Nur durch ganz besondere Vorsicht bei der Bereitung und Verarbeitung der Zündmasse lassen sich die schrecklichen Verwüstungen der Phosphornekrose von den zahlreichen Arbeitern fern halten. Einen einzigen Vortheil bieten sie gegenüber den schwedischen Hölzern; sie sind wesentlich billiger und zwar wohl hauptsächlich, weil weniger Holz und kein besonderes, leicht entzündliches Aspenholz dazu nöthig ist. Bei den schwedischen Hölzern muſs ein kräftiger Strich zur Entzündung angewendet werden, den nur ein stärkerer Holzspan aushält, ohne abzubrechen, und damit dieser stärkere Holzspan sicher Feuer fange, muſs ein leicht entzündliches, sehr weiches Holz gewählt werden, das genügend Paraffin aufsaugt. Die besondern Schachteln, die höheren Kosten des rothen Phosphors u. dgl. mögen ebenfalls zu dem höheren Preise beitragen. Die Versuche, überhaupt von Phosphor freie Hölzer zu erzeugen, haben bisher wenig praktischen Erfolg erlangt. Vor einer ganzen Reihe von Jahren gelang es dem Verfasser, eine solche von Phosphor freie Masse zu erzeugen, die, was sicheres und leichtes Entzünden auf jeder Reibfläche, vollkommene Haltbarkeit u.s.w. anbelangte, nichts zu wünschen übrig lieſs. Die Sache scheiterte nur daran, daſs verschiedene chemische Fabriken die Darstellung des oxydirenden Bestandtheiles im Groſsen ablehnten. Wenn wir daher im praktischen Verkehrsleben immer noch an den Phosphor gebunden bleiben, so tritt die Frage auf, ob es nicht möglich sei, die gewöhnlichen Zündhölzchen so weit zu verbessern, daſs die ihnen anhaftenden Uebelstände auf das möglichst geringe Maſs zurückgeführt werden. Die gewöhnliche Zündmasse enthält, neben Farbstoffen, Reibungs- und Bindemitteln, als Oxydationsmittel Bleisuperoxyd, salpetersaures Blei, Mennige und als verbrennliche Substanz 12 bis 15 Proc. Phosphor. In den letzten 10 bis 15 Jahren ist indessen eine andere verbesserte Sorte aufgekommen, die sich durch einen schwachen Knall beim Entzünden charakterisirt und in welchen der Phosphorgehalt auf 3 bis 5 Proc. herabgedrückt ist. Trotz dieser geringen Menge wird die stets sichere Entzündung durch ein energischeres Oxydationsmittel, das chlorsaure Kali, herbeigeführt, das bekanntlich bei seiner Zersetzung mehr Wärme entwickelt, als der Verbrennungswärme des darin enthaltenen Sauerstoffes entspricht. Die explosivische Verbrennung des Phospors damit wird endlich durch eine sehr reichliche Beimengung inerter Substanzen, wie Gyps, Kreide u. dgl., auf ein sehr geringes, durchaus zulässiges Maſs zurückgeführt. Diese Hölzer werden jetzt in England, Frankreich, Italien in ausgedehntem Maſsstabe erzeugt. Hierdurch trat auch für die österreichischen Fabrikanten die Notwendigkeit ein, zu einer gleichen Darstellungsmethode überzugehen, um die früher so bedeutende Ausfuhr österreichischer Zündhölzer nach dem Orient und den auſsereuropäischen Ländern aufrecht zu erhalten. Man kann den jetzt nach dieser Methode z.B. in Steiermark hergestellten Hölzern nur das beste Zeugniſs geben. Sie zünden bei kräftigem Strich sicher auf jeder Reibfläche, werden nicht feucht, weil die etwa entstehende Phosphorsäure durch die beigemengte Kreide sofort gebunden wird, leuchten nicht im Dunkeln, riechen nicht nach Phosphor, springen nicht ab und nur der schwache, ganz unbedeutende Knall beim Entzünden kann nervöse Personen unter Umständen erschrecken. Es ist ganz selbstverständlich, daſs sich der Nachtheil, den der Phosphor für Arbeiter und Käufer etwa mit sich führt, nicht nur im gleichen Maſse mit der angewendeten Phosphormenge, sondern – ich möchte sagen – im quadratischen Verhältniſs vermindert, da ja die Einhüllung der Phosphortheilchen um so vollkommener wird, je mehr sich deren procentische Menge vermindert. Leider taucht jetzt in Oesterreich durch den Neid der Concurrenten die Erinnerung an eine längst vergessene Ministerialverfügung auf, welche die Combination von gewöhnlichem Phosphor mit chlorsaurem Kali verbietet. Als Schrötter seine Epoche machende Entdeckung des rothen Phosphors machte und ihn zur Zündmasse-Erzeugung verwenden wollte, erkannte er, daſs dies nur mit Hilfe des chlorsauren Kalis möglich sei. Für den rothen Phosphor war das chlorsaure Kali nothwendig und darum auch zulässig; für den gewöhnlichen Phosphor genügt Bleisuperoxyd u. dgl. und deswegen wurde seine Combination mit dem Kaliumchlorat untersagt. Wie bekannt, werden aber die sogen. „Amorces“ zu den Kinderpistolen gerade mittels eines Gemisches von rothem Phosphor und Kaliumchlorat erzeugt und haben oft genug beim Transport und der Aufbewahrung in gröſseren Mengen zu zerstörenden Explosionen Veranlassung gegeben. Ich bin fest überzeugt, daſs diese Gefahr bei Anwendung gewöhnlichen Phosphors, wenn sie überhaupt möglich wäre, um Nichts gröſser sich herausstellen würde. In beiden Fällen aber wird sie durch die Beimischung eines groſsen Ueberschusses inerter Substanzen bis zur Gefahrlosigkeit herabgemindert. Will man trotz der erfolgten Proteste diese veraltete Verfügung aufrecht erhalten, so schneidet man der österreichischen Zündwaaren-Industrie den Lebensfaden ab und zwingt sie zu einer in allen Beziehungen überholten Bereitungsart zurückzukehren. Es ist bei den rapiden Fortschritten der Industrie dringend zu wünschen, daſs solche polizeiliche Ueberwachungsvorschriften in regelmäſsig wiederkehrenden Zeitabschnitten einer sachgemäſsen, auf Vernehmung der Betheiligten gestützten Durchsicht unterworfen werden.