Titel: Proell's Corlissapparat, verbesserter Expansions-, Regulir- und Absperrapparat mit Corlissmechanismus.
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 274
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Proell's Corliſsapparat, verbesserter Expansions-, Regulir- und Absperrapparat mit Corliſsmechanismus. Mit Abbildungen auf Tafel 20. Proell's Corliſsapparat. Da der in D. p. J. 1880 236 * 276 beschriebene Proell'sche Apparat in neuerer Zeit wesentlich verbessert und constructiv vervollkommnet worden ist (vgl. * D. R. P. Zusatz Kl. 60 Nr. 10860 vom 29. Februar 1880) und namentlich auch seine Ausbildung zum Neubau von Präcisionsmaschinen Aenderungen erfahren hat, so halten wir es für zeitgemäſs, über diese verbesserte Construction in Folgendem zu berichten und dieselbe auf Taf. 20 in Fig. 1 bis 6 darzustellen. Den Apparat in seiner verbesserten Gestalt nennt der Erfinder kurz „Corliſsapparat“, weil in ihm der der Corliſssteuerung eigenthümliche und von G. H. Corliſs – freilich in ganz anderer Gestalt, aber doch zuerst – angewendete Auslösungsmechanismus enthalten ist. Die Verbesserungen erstrecken sich hauptsächlich auf die zweckmäſsigere Gestalt und Wirkungsweise des Auslösungsmechanismus und dessen Beeinflussung durch den Regulator. Der Steuerhebel A (Fig. 1) wird durch ein auf der Schwungradwelle aufgekeiltes Excenter in eine oscillirende Bewegung um eine seitlich im Gestell des Apparates gelagerte Welle (vgl. Fig. 2) versetzt. Dadurch gelangt die eine der beiden durch breite Gleitbacken gefaſsten Führungssäulen F1 oder F2 in eine abwärts gehende Bewegung, die andere nach aufwärts. Angenommen, daſs die linke Führungssäule F1 sich in der Abwärtsbewegung befinde, wobei die Stahlnase der Corliſsklinke K1 den Excenterdruck durch die Stahlnase s1 des Gleitstückes B1 und das Hebel werk t auf das Ventil v überträgt, so erfolgt dadurch ein Anheben des Ventiles und Dampfzuströmung nach dem Cylinder kurz vor Beginn des Kolbenhubes. Die Klinke K1 ist drehbar an der Nuſs N1 der Führungssäule F1 aufgehängt. Indem sie sich auf den Bolzen o1 stützt, wird ihre Stahlnase gezwungen, sich in einem (punktirt angedeuteten) Bogen über der Stahlnase des Gleitstückes hinwegzubewegen. Es wird also ein Moment eintreten, in welchem die Stahlnasen einander verlassen. Dann schnellen die während der Eröffnungsperiode gepreſsten Federn f1, f2 die Gleitstücke B1, B2 in die Höhe und damit das Ventil in seine Sitzflächen. Wegen der Verbindung der beiden Gleitstücke mit dem Kopf der Ventilspindel durch Schienen t ist die Bewegung der Gleitstücke eine übereinstimmende. Auf der nicht arbeitenden (rechten) Seite entfernen sich die Stahlnasen von einander. Beim Aufwärtsgang der linken Führungssäule hat die Stahlnase der Klinke das Bestreben, sich in demselben Bogen wieder zurückzubewegen. Dies thut sie so lange, bis sie sich an der verticalen Fläche s1 des emporgeschnellten Gleitstückes B1 stützt. Dann erhalten alle Punkte der Klinke K1 Verticalbewegung und dieselbe hebt sich vom Bolzen o1, o2 ab. Nachdem sie die Mittellage erreicht hat, fällt sie wieder zurück, worauf sich dann das oben beschriebene Spiel auf der rechten Seite wiederholt. Je nach der Höhe, in welcher der Regulator die Bolzen o1, o2 mittels der Hängeschienen l hält, erfolgt ein früheres oder späteres Abschnappen und dem entsprechend auch eine veränderte Füllung für den Cylinder. Die eigentümliche Bewegung der Klinken bringt zwei Vortheile mit sich: Es setzen die Stahlnasen selbst bei kleinen Füllungen noch verhältniſsmäſsig breit auf, während der Regulator einen sehr kurzen Hub (bei den gröſsten Apparaten höchstens 20mm) braucht, um innerhalb 0 und 0,6 Füllung zu variiren. Der Rückdruck, welcher durch das Uebereinandergleiten der Stahlnasen durch die Klinken auf den Regulator gelangt, ist verhältniſsmäſsig gering und wird durch den im Kopf des Regulators angebrachten und aus Fig. 1 im Schnitt ersichtlichen Oelkatarakt aufgenommen. Die in der hohlen Regulirspindel lang und sicher geführte Regulirstange r wird durch die Traverse x von der Urne getragen. Die Dämpfung des Ventilschlages wird in üblicher Weise durch den Luftbuffer L mittels einer von auſsen leicht einstellbaren Luftschraube bewirkt, auſserdem noch durch eine Prallfeder, mit welcher der Anlaſshebel d2 (Fig. 2) besetzt ist. Diese Feder ist nach der oberen Contur des Hebels geformt und kann mit bestimmter Spannung gegen den Kopf der Ventilstange eingestellt werden, indem sich die Klinke i in die Kerbe des Handrades H2 legt. Die überschüssige lebendige Kraft, die durch den Luftbuffer namentlich bei kleinen Ventilerhebungen nicht aufgenommen wird, gelangt dann auf die Feder, die bei richtiger Einstellung ein leichtes elastisches und dennoch dampfdichtes Aufsetzen des Ventiles herbeiführt. Das Handrad H1 (Fig. 2) dient zum Abstellen der Maschine. Indem man dasselbe hineindreht, hebt man die Klinken künstlich an, so daſs die Stahlnasen einander nicht mehr berühren, wodurch das Expansionsventil zum Absperrventil der Maschine wird. Durch Lostrennung des Ventiles vom Obertheil und etwas abgeänderte Ausführung des Gestelles erhält man einen Apparat, welchen man ohne Modelländerung zum Neubau sowohl von Flachschiebermaschinen, als Ventilmaschinen und Drehhahnmaschinen verwenden kann, wie aus Fig. 3 bis 5 zu sehen ist. Dies ist von groſser Wichtigkeit, weil dadurch der empfindlichste Theil der Dampfmaschine, als Auslösemechanismus und Regulator, zum Gegenstand der Specialfabrikation gemacht werden kann. Ferner erwächst daraus für den kleineren Fabrikanten der Vortheil, sich mit der Anfertigung des Steuerungsmechanismus und Regulators nicht befassen zu müssen und dennoch – durch käuflichen Bezug des Apparates – im Stande zu sein, Präcisionsmaschinen vollkommenster Art bauen zu können. Die mit dem Corliſsapparat angestellten Versuche und die bis jetzt stattgehabten Ausführungen und Anwendungen desselben haben gezeigt, daſs der Apparat ein vorzügliches Regulirungsvermögen besitzt. Es rührt dies, abgesehen von der geeigneten Construction des Regulators nach Proell's System und dessen Verbindung mit einem Oelkatarakt, hauptsächlich daher, daſs, wie schon vorher erwähnt wurde, der Hub des Regulators so auſserordentlich klein ist, dieser selbst nur wenig träge Masse besitzt und sich während der Auslösungsperiode vollständig frei einstellen kann.Die vorzügliche Regulirungsfähigkeit des Proell'schen Corliſsapparates ist in jüngster Zeit von Civilingenieur Kotzschmar an einer umgeänderten Maschine in der Baumwollspinnerei von Adalbert Priebsch in Lautschney bei Johannisberg i. B. durch genaue Versuche und Beobachtungen festgestellt worden.Fig. 6 Taf. 20 zeigt das Diagramm, welches der mit dem Proell'schen Corliſsapparat arbeitenden 70e-Walzenzugmaschine der Königin-Marienhütte in Cainsdorf bei Zwickau entnommen ist. Schlieſslich sei noch erwähnt, daſs man, wenn der Apparat vom Excenter des Vertheilungsschiebers bewegt wird, bis 0,4 Füllung, wenn derselbe von einem unter 80° der Kurbel voreilenden Excenter bewegt wird, bis 0,6 Füllung geben kann. Die Apparate werden, in 15 Gröſsen geordnet nach den lichten Eingangsweiten der Ventilstutzen (30 bis 225mm), vom Eisenwerk Lauchhammer in Lauchhammer gefertigt.

Tafeln

Tafel Tafel 20
Tafel 20