Titel: Versuche über die Festigkeit und Elasticität von Treibriemen aus Leder und anderem Material.
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 443
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Versuche über die Festigkeit und Elasticität von Treibriemen aus Leder und anderem Material. Bauschinger, über Festigkeit und Elasticität von Treibriemen. In der Gerberzeitung, 1880 S. 19 berichtet Professor J. Bauschinger über die Versuche, welche im mechanisch-technischen Laboratorium der technischen Hochschule zu München mit Treibriemen angestellt worden sind. Bei der Verwendung des Leders zu Treibriemen kommt hauptsächlich seine Festigkeit gegen Zerreiſsen (Zugfestigkeit) und seine dabei auftretende Elasticität in Betracht. Bei der Bestimmung der erstem kann man so verfahren, daſs man ein Stück Riemen an beiden Enden festpackt und es alsdann der Länge nach aus einander zieht, indem man es entweder in verticaler Lage direct am untern Ende mit Gewichten belastet, oder indem man eine hydraulische Presse anwendet. Bei vorliegenden Versuchen ist das letztere geschehen; es wurde nämlich die bekannte Werdersche Festigkeitsmaschine dazu verwendet. Die Enden des Probestückes wurden dabei in der Weise festgehalten, daſs man sie zwischen gezahnte Stahlkeile brachte, welche in die trapezförmigen Mäuler der Einspannköpfe jener Maschine paſsten. Im Wesentlichen ist dies dieselbe Vorrichtung, welche zum Abreiſsen von Flacheisenstücken u. dgl. dient; nur sind die Zähne der Keile etwas abgestumpft, damit sie sich nicht zu sehr in das Leder einbeiſsen und dieses in Folge dessen an den Einspannstellen reifst. Zuweilen aber nur manchmal geschieht dies doch, oder es zieht sich das Leder, indem es sich an der Oberfläche abschält, zwischen den Keilen heraus. Dann muſs man sich dadurch helfen, daſs man die Enden des Riemens um die Einspannkeile herumlegt, oder daſs man in der Mitte und beiderseits bis in die Nähe der Einspannstellen die Breite durch Ausschneiden an beiden Seiten verringert. Bei Gummiriemen mit Hanfeinlage und bei gewebten Baumwolltreibriemen darf das letztere Mittel aus naheliegenden Gründen nicht angewendet werden. Die so erhaltenen Zahlen für die Festigkeiten können in der Praxis nicht direct angewendet werden. In derselben werden die Riemen stets mit ihren Enden verbunden und endlos über Rollen gespannt. Die Festigkeit der Verbindungsstelle ist aber immer geringer als die des Riemens an sich, sie erreicht höchstens annähernd die letztere. Deshalb ist es nothwendig, auch Versuche mit solchen Riemenstücken anzustellen, die aus zwei Theilen bestehen, welche auf die zu prüfende Verbindungsmethode mit einander vereinigt sind. Wenn es sich blos um die Verwendung zu Treibriemen bei einer bestimmten ins Auge gefaſsten Verbindung der Enden handelt, so thut man gut, die Versuche so anzustellen, daſs man endlose Riemenstücke über Rollen spannt, deren parallele Achsen durch die zum Zerreiſsen angewendete Kraft allmählich von einander entfernt werden. Diese Methode wurde nur bei einigen der mitzutheilenden Versuche angewendet. Die Enden der Lederriemen waren dabei mittels der Bachmann'schen Riemenverbinder (Haken mit Oese oder Riemenzange) vereinigt – ein Verfahren, bei welchem die Festigkeit der Verbindungsstelle sehr nahezu die des Riemens selbst erreicht. Man sieht dies daran, daſs häufig das ganze Leder an einer anderen als der Verbindungsstelle durchreifst. – Bei Versuchen über die Qualität des Materials selbst, aus welchem der Riemen besteht, dürfen natürlich nur ganze Riemenstücke, die an beiden Enden eingespannt sind, verwendet werden. Um die so erhaltenen Resultate für die Festigkeit bei Riemen von verschiedener Breite und Dicke mit einander vergleichbar zu machen, bezieht man sie, wie bei jedem anderen Material auch, auf die Querschnittseinheit, d.h. man dividirt die in Kilogramm ausgedrückten Belastungen, bei welchen das Zerreiſsen erfolgte, durch den in Quadratmillimeter oder Quadratcentimeter ausgedrückten Flächeninhalt des Querschnittes. Allerdings ist die Festigkeit des Leders an verschiedenen Stellen in der Richtung der Dicke verschieden; da aber eine bestimmte Ledersorte doch immer nur in ganzer und dazu noch nahezu gleicher Dicke verwendet wird, so ist die auf obige Weise ermittelte Durchschnittszahl für die Festigkeit doch immer maſsgebend für die Praxis; diese Zahl heiſst speciell die Zugfestigkeit des betreffenden Materials.Da bei Verwendung einer gegebenen Ledersorte von gewisser Dicke nur noch die Breite des Riemens verfügbar und so zu wählen ist, daſs derselbe der zu übertragenden Kraft mit genügender Festigkeit widersteht, so hat man die zum Zerreiſsen nöthige Belastung auch auf die Breiteneinheit bezogen, z.B. auf ein Centimeter. Aber es ist leicht zu sehen, daſs die so erhaltenen Zahlen nicht maſsgebend für die Qualität des Leders sind. Bei zwei Riemen von gleicher Festigkeit auf die Breiteneinheit, aber verschiedener Dicke ist gewiſs die Qualität des Leders nicht dieselbe. Dazu kommt, daſs die Gründe, welche für Anwendung der auf die Breiteneinheit bezogenen Festigkeitszahlen beim Leder sprechen, bei anderen Materialien wegfallen. Die Elasticität eines Riemens wird durch die Verlängerung bestimmt, welche ein bestimmtes Stück desselben bei allmählich steigender Belastung erleidet. Um sie zu messen, macht man auf einer in der Mitte der Breite gezogenen Längslinie zwei Marken in bestimmter Entfernung so, daſs sie weit genug von den Einspannstellen entfernt sind, um versichert sein zu können, daſs sich bis zu ihnen hin die Zugkraft gleichmäſsig über den Querschnitt vertheilt hat. Die Entfernung dieser Marken miſst man alsdann bei allmählich in passenden Zwischenräumen aufsteigender Belastung. Da die Verlängerungen bei den hier in Betracht kommenden Stoffen schon bei verhältniſsmäſsig geringer Beanspruchung sehr merklich sind, so genügt zu ihrer Ausmessung schon ein gutes Schubmaſs mit Millimetertheilung und Nonius, der die Ablesung von 0mm,1 gestattet, oder bei längeren Probestücken selbst ein gutes, in Millimeter getheiltes Bandmaſs. Die so gemessenen Verlängerungen sind natürlich nicht blos von der Belastung auf die Querschnittseinheit abhängig, sondern auch von der ursprünglichen Länge; sie sind dieser letzteren proportional und deshalb drückt man sie passend in Verhältniſszahlen zu dieser aus, indem man entweder die gemessene Verlängerung durch die ursprüngliche Länge des Stückes dividirt, wodurch man die sogen, verhältniſsmäſsige Verlängerung erhält, oder indem man sie auf eine gewisse ursprüngliche Länge, auf 100, reducirt und sie also in Procent der ursprünglichen Länge ausdrückt. Bei den vorliegenden Versuchen ist der letztern Methode, als der übersichtlicheren, der Vorzug gegeben. Die auf 100 ausgedrückten Verlängerungen sind als procentuale Verlängerungen bezeichnet. Ein übersichtliches Bild über den Gang der Verlängerungen bei allmählich wachsender Belastung erhält man, wenn man diese letzteren als Abscissen und senkrecht darauf die procentualen Verlängerungen als Ordinaten aufträgt und die Endpunkte der letzteren durch eine Curve oder auch nur durch eine gebrochene gerade Linie verbindet, die der Kürze wegen auch Curve genannt werden möge. Die für verschiedene Riemenstücke erhaltenen Curven dieser Art werden dann wieder direct mit einander vergleichbar, wenn man als Abscissen nicht die absoluten Belastungen der Riemenstücke, sondern die auf die Querschnittseinheit bezogenen aufträgt. Solche Curven wurden für alle vorliegenden Versuche gezeichnet, bei denen die Verlängerungen gemessen worden sind. Dieselben zeigen einen recht in die Augen fallenden charakteristischen Unterschied zwischen dem Leder und den anderen geprüften Materialien – Gummi und Baumwolle –, welche zu Treibriemen verarbeitet waren. Alle diese Materialien nämlich, auch das Leder, dehnen sich anfangs, bei geringeren Belastungen, stärker aus als später und die auf obige Weise gezeichneten Curven steigen deshalb anfangs rascher an, sind stärker gekrümmt als später bei höheren Belastungen, wo sie sich mehr den geraden Linien nähern. Aber bei den Ledertreibriemen ist von Anfang an die Annäherung jener Curve an die gerade Linie viel gröſser als bei den Gummi- und Baumwolltreibriemen. Jene dehnen sich also schon von Anfang an fast proportional mit der Belastung aus und dies ist immer ein Zeichen von guter Elasticität. Die procentualen Verlängerungen für Belastungen, welche von 50 zu 50k, zuletzt um 100k auf 1qc wachsen, sind aus den gezeichneten Curven abgenommen und in der Tabelle S. 448 und 449 mitgetheilt. Man sieht aus diesen Zahlen auch recht gut die oben hervorgehobene Eigenschaft der Lederriemen gegenüber den Gummi- und Baumwolltreibriemen. Während bei dem so vorzüglichen Treibriemenstück aus Eſslinger Crownleder ohne Naht die Verlängerung bei 50k/qc Belastung 2,3 Proc. und bei 500k/qc 22,5 Proc., also fast genau 10mal so viel beträgt, ist für das in seiner Art auch vortreffliche erste Gummi-Treibriemenstück ohne Naht bei 50k/qc die Verlängerung 7,8, bei 300k/qc aber 16,9 Proc., also nur etwas über doppelt so groſs, während die Belastung die 6 fache ist. Uebrigens können aus den mitgetheilten Zahlen die Curven leicht wieder gezeichnet werden, wenn auch nicht ganz mit der Genauigkeit wie die Originalcurven, welche direct aus den Beobachtungen für Belastungen, die in kleineren Absätzen ansteigen, gezeichnet wurden. Die bei verschiedenen Gelegenheiten sozusagen zufällig zusammengekommenen Resultate können und wollen keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Planmäſsigkeit machen. Immerhin dürfte es gestattet sein, einige Schlüsse aus ihnen zu ziehen, die von allgemeinerem Interesse sind: Die Gummi- und Baumwolltreibriemen stehen nicht blos, wie bereits oben erörtert, an Elasticität, sondern auch an Festigkeit den besseren Ledersorten nach, sie erreichen in letzterer Beziehung höchstens die mittleren und geringeren Qualitäten Leder. – Durch Verleimen und Vernähen der Enden der Ledertreibriemen verlieren dieselben ¼ bis ⅓ von ihrer Festigkeit, vorausgesetzt, daſs diese Verbindung mit gröſster Sorgfalt und Genauigkeit ausgeführt wird, wie es bei den geprüften Stücken durchweg der Fall war.