Titel: Zur Darstellung von Ferricyankalium; von Karl Seuberlich in Moskau.
Autor: Karl Seuberlich
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 483
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Zur Darstellung von Ferricyankalium; von Karl Seuberlich in Moskau. Seuberlich, zur Darstellung von Ferricyankalium. Im Sommer dieses Jahres gab mir eine Notiz über eine als neu bezeichnete Gewinnung von Ferricyankalium, welche in vielen Zeitschriften wiedergegeben wurde und darin bestehen sollte, eine stark alkalische Lösung von Ferrocyankalium mit Bleisuperoxyd zu kochen, Veranlassung, einige Versuche über diesen Gegenstand anzustellen. Die hierbei gewonnenen Resultate waren folgende. Durch mehrere Stunden währendes Kochen einer stark alkalischen Lösung von Ferrocyankalium mit einem Ueberschuſs von Bleisuperoxyd und Abschluſs der Einwirkung der atmosphärischen Kohlensäure konnte ich nicht die geringsten Spuren in Ferricyankalium überführen. Zu demselben Resultate gelangte vor Kurzem auch v. Potworowski (1880 238 76). Ein besseres Resultat erzielte ich durch 2 Stunden langes Kochen einer völlig neutralen Lösung von Ferrocyankalium mit einem Ueberschuſs von Bleisuperoxyd in einem Kolben mit Rückfluſskühler. Es wurden hierdurch 21,8 Procent des angewendeten Ferrocyankaliums in die Fernverbindung übergeführt. Durch Zusammenreiben von überschüssigem Bleisuperoxyd mit einer wässerigen Lösung von reinem Ferrocyankalium fand ich, daſs schon nach 2stündigem Digeriren bei Zimmertemperatur 12,95 Proc. in Ferricyankalium übergeführt waren. Von der Voraussetzung ausgehend, daſs die weitere Umbildung in die Ferriverbindung durch das sich bildende Aetzkali verhindert werde, versuchte ich dieses letztere durch eine starke Säure zu binden und so eine vollständigere Umwandlung zu bewirken. Der Versuch bestätigte meine Muthmaſsung vollständig. Zu 10g Ferrocyankalium, in 50cc Wasser gelöst, fügte ich Bleisuperoxyd in geringem Ueberschuſs und setzte dann unter beständigem Rühren verdünnte Salzsäure von bekanntem Gehalte hinzu. Hierdurch gelang es mir leicht, sämmtliches Ferrocyankalium schon in der Kälte in die entsprechende Fernverbindung überzuführen. Zur vollständigen Umwandlung ist aber ein kleiner Ueberschuſs von Salzsäure erforderlich und zwar ungeführ 8 Procent der von der Theorie verlangten Menge. Neutralisirt man diesen Ueberschuſs nach dem Abfiltriren mit Soda, so erhält man nach dem Abdampfen ein sehr schönes reines Salz und die Mutterlauge enthält keine andere Verunreinigung als das mit entstehende Chlorkalium und Chlornatrium. Hierdurch dürfte sich dieses Verfahren zur Fabrikation von Ferricyankalium empfehlen, namentlich da das hierbei erhaltene Bleioxyd leicht auszuwaschen und durch Kochen mit Chlorkalklösung wieder in Bleisuperoxyd überzuführen ist. Das zu diesen Versuchen verwendete Bleisuperoxyd war aus Orange-Mennige durch Behandlung mit Salpetersäure und Auswaschen, bis die Waschwässer nicht mehr sauer reagirten, dargestellt und kam, ohne vorher getrocknet zu sein, also in Teigform zur Verwendung. In ähnlicher Weise wie mit Bleisuperoxyd kann auch mit Hilfe von Mennige Ferricyankalium gewonnen werden; doch bedarf man in diesem Falle der Mitwirkung der Wärme und viel gröſsere Mengen von Salzsäure. Auch mit Mangansuperoxyd gelingt die Oxydation schon in der Kälte leicht, sobald man auf 1 Molecül Ferrocyankalium nicht weniger als 1 Molecül des Superoxydes in Anwendung bringt. Verwendet man weniger, z.B. nur ½ Molecül des letzteren, so verwandelt sich das in der Ferrocyankaliumlösung suspendirte Mangansuperoxyd in einen hellgrünen, sehr voluminösen Körper, der einen groſsen Theil der Cyanverbindungen gebunden hält. Im ersteren Falle, in welchem also gleiche Molecüle in Wirkung traten, gebraucht man ebenso, wie bei Anwendung des Bleisuperoxydes, mehr Salzsäure, als zur Sättigung des vierten Theiles des im Ferrocyankalium enthaltenen Kaliums erforderlich wäre, und dieses Mehr wird in diesem Falle wohl zur Sättigung der an Superoxyd gebundenen Base verbraucht. Das auf diese Weise erhaltene Salz ist gleichfalls sehr rein, wenn das Filtrat vor dem Abdampfen mit Soda neutralisirt wird und die sich hierbei in sehr geringer Menge ausscheidenden Flocken einer Manganverbindung entfernt werden. Einer Verwerthung dieser letzteren Reaction zur Fabrikation von Ferricyankalium stellen sich leider einige Schwierigkeiten in den Weg. Erstens ist die die Manganoxyde suspendirt enthaltende Flüssigkeit nicht sonderlich gut filtrirbar und zweitens ist es unmöglich, den auf dem Filter verbleibenden Niederschlag völlig auszuwaschen. Die Waschwässer gehen trübe durch und bald ist das ganze Filter verstopft. Ersterem Uebelstande ist leicht dadurch abzuhelfen, daſs man ein wenig mehr Mangansuperoxydschlamm in Anwendung bringt; der zweite wird hierdurch aber nicht gehoben. Wie mir jedoch aus einigen vorläufigen Versuchen hervorzugehen scheint, wird es möglich sein, durch Zusatz passender kohlensaurer oder saurer kohlensaurer Verbindungen zu der den ganzen Schlamm noch enthaltenden Ferricyankaliumlösung und Durchdrücken von Luft die entstandenen Manganoxyde wenigstens so weit zu oxydiren, daſs dem völligen Auswaschen keine Schwierigkeiten mehr entgegenstehen. Die ausgewaschenen Manganoxyde könnten dann leicht nach Zusatz einer passenden Base durch Einleiten von Luft weiter zu Superoxyd oxydirt werden. Sollte jedoch ersteres nicht, oder nur sehr schwer zu ermöglichen sein, so könnte das Mangansuperoxyd auch in der Weise regenerirt werden, daſs der die Manganoxyde enthaltende Filterrückstand, ohne vorher ausgewaschen zu sein, möglichst abgepreſst und dann wieder in Wasser vertheilt wird. Fügt man dann eine passende, vorher zu ermittelnde Menge Natronlauge hinzu, so läſst sich durch Einblasen von Luft sehr leicht die Oxydation der Manganoxyde bewerkstelligen. Ist nicht zu viel Natron zugesetzt worden, so reagirt die anfangs stark alkalische Flüssigkeit nach beendeter Oxydation fast neutral. Da demnach die erforderliche Menge Natron nur eine geringe ist (sie entspricht ungefähr derjenigen Menge Salzsäure, welche zur Oxydation des Ferrcoyankaliums mehr verbraucht wird, als die Theorie erfordert), so kann in diesem dünnen Mangansuperoxydschlamme direct eine neue Menge Ferrocyankalium gelöst und durch Zusatz von Salzsäure oxydirt werden. Es ist zwar klar, daſs bei dieser letzteren Regeneration des Mangansuperoxydes das noch im Preſsrückstande verbleibende Ferricyankalium nach Zusatz der Natronlauge wieder in Ferrocyankalium übergeführt wird, welches in der darauf folgenden Operation von Neuem oxydirt werden muſs. Der hierdurch erwachsende Mehrverbrauch von Salzsäure und die etwas gröſsere Menge von Mangansuperoxyd, welche erforderlich wird, würden aber sicherlich, wenn das Ferrocyankalium nicht in zu concentrirter Lösung zur Anwendung kam, durch die einfache Fabrikation und die Reinheit des erhaltenen Productes reichlich aufgewogen werden. Ob nun das Bleisuperoxyd oder das Mangansuperoxyd unter Mitanwendung von Salzsäure zur Gewinnung von Ferricyankalium den Vorzug verdient, wage ich nach so kleinen Laboratoriumsversuchen nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheint mir aber eine jede dieser Darstellungsweisen in hohem Grade geeignet, das alte Chlorverfahren vortheilhaft zu ersetzen.