Titel: Ueber Abscheidung des Eisens aus Rohsodalangen; von Ferd. Hurter in Widnes (England).
Fundstelle: Band 239, Jahrgang 1881, S. 143
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Ueber Abscheidung des Eisens aus Rohsodalangen; von Ferd. Hurter in Widnes (England). Mit Abbildungen auf Tafel 14. (Schluſs der Abhandlung von S. 56 dieses Bandes.)In der Anmerkungsnote 2 S. 58 ist zu lesen „0,002 Proc.“ statt „0,001 Proc.“ Hurter, über Abscheidung des Eisens aus Rohsodalaugen. Aus allen bisher mitgetheilten Thatsachen geht hervor, daſs eine Rohsodalauge so, wie sie von der Laugerei kommt, erst einer Vorbereitung bedarf, soll die Operation des Ueberhitzens sicher die Zerstörung des Ferrocyannatriums bewirken. Diese Vorbereitung der Laugen besteht einfach darin, Kohlensäure und Sauerstoff durch dieselben zu treiben, einerseits um die vorhandene Kieselsäure und Thonerde so vollständig als möglich abzuscheiden, andererseits um die zur späteren Reaction nöthige Menge thioschwefelsaures Natrium aus dem immer in genügender Menge vorhandenen Natriumsulfid zu erzeugen. Hat man Rauchgase zur Verfügung, welche etwa 10 bis 12 Proc. Kohlensäure neben 9 bis 10 Proc. Sauerstoff enthalten (wie man sie von rotirenden Sodaöfen leicht erhält), so benutzt man diese Gase. Man wird dann finden, daſs zur Zeit, wo man sämmtliches in der Lauge enthaltenes kaustisches Natron in Carbonat übergeführt, auch eine hinreichende Menge Thiosulfat sich gebildet hat, so daſs man die Laugen hierauf gar nicht zu untersuchen braucht. Dagegen darf man nicht versäumen, sich jedesmal davon zu überzeugen, ob, so weit als dies überhaupt möglich ist, sämmtliche Kieselsäure und Thonerde gefällt sind. Man erkennt diesen Punkt, indem man zur filtrirten Lauge etwas Bicarbonatlösung gibt und zum Kochen erhitzt. Scheidet sich hierbei nichts aus, so ist die Operation des Carbonisirens beendigt; zeigt sich ein Niederschlag, so muſs eben so lange Kohlensäure durch die Laugen geleitet werden, bis ein befriedigendes Resultat erhalten wird. Der bei uns hierzu verwendete Apparat ist ein aufrecht stehender Cylinder aus Eisenblech, von etwa 4m Höhe und 2m,3 Durchmesser. Er wird bis 2m hoch mit Lauge gefüllt und werden mittelst eines aus Kanonenmetall gefertigten Körting'schen Dampfstrahlgebläses die Rauchgase angesaugt und durch die Laugen getrieben. Wenn, wie bei uns, die Lauge etwa 16 bis 20 Procent des Natrons als kaustisches Natron enthält, so dauert die Operation etwa 2 Stunden. Je nachdem die Oase an Sauerstoff reicher und somit an Kohlensäure ärmer sind, dauert die Operation länger. Die Lauge wird hierbei etwas verdünnt, ihr Volumen wächst um 6 bis 8 Proc. Das Volumgewicht derselben verändert sich dabei fast gar nicht. Man findet etwa 5 bis 7 Procent des vorhandenen Natriums jetzt in Form von Bicarbonat. Je nach der Zusammensetzung der Gase findet man 30 bis 100 Procent des Natrium-Sulfides oxydirt als Natriumthiosulfat. Obwohl gegen Ende der Operation die austretenden Gase nach Schwefelwasserstoff riechen, war ich doch nicht im Stande, analytisch eine Abnahme des in der Lauge vorhandenen Schwefels nachzuweisen. Die Thonerde fällt beinahe vollständig, die Kieselsäure weniger vollständig aus. Die Lauge wird jetzt einige Zeit der Ruhe überlassen, um sich etwas zu klären. Um aber vollständig sicher zu sein, daſs keine festen Theilchen in die Erhitzungsröhren gelangen, wird sie filtrirt. Die ganz klare Lauge flieſst dann in den Vorwärmer, wo sie sich bis auf 100° erwärmt, und geht von da in den Ueberhitzungsofen. Dieser Apparat, in welchem die Umsetzung des Ferrocyannatriums in Sulfocyannatrium und Eisenoxydul bezieh. Eisensulfid stattfindet, ist bei Gaskell, Deacon und Comp. in drei Exemplaren etwas abweichend gebaut worden. Die Fig. 13 bis 16 Taf. 14 stellen den ersten der gebauten Apparate ziemlich getreu dar. Die späteren Abänderungen betreffen die bessere Anordnung der Schlange im Ofen, welche natürlich in mannigfacher Weise angeordnet werden kann. Die Lauge, gehörig vorbereitet und filtrirt, flieſst vom Vorwärmer nach der dreistiefeligen Pumpe A, welche minutlich etwa 541 Lauge zu liefern vermag. Diese Pumpe drückt die Lauge in das Schlangenrohr B von rund 400m Länge und 5cm lichter Weite. Die Schlange ist aus ganz gewöhnlichen schmiedeisernen Dampfröhren zusammengesetzt und sind Flanschenverbindungen so viel als möglich vermieden. Die Lauge bewegt sich von oben nach unten; bei umgekehrter Richtung läſst sich nur schlecht arbeiten, weshalb, ist mir nicht klar geworden. Das Sicherheitsventil v am Eintritt in den Ofen ist entbehrlich, das Manometer m aber unbedingt nothwendig; dasselbe muſs bis auf 40at getheilt sein, wenn es längere Zeit arbeitsfähig bleiben soll, da schwächere Manometer rasch zerstört werden. Die Lauge tritt aus dem Ofen heraus durch einen kleinen guſseisernen Cylinder e, in dessen Deckel ein unten zugeschweiſstes Eisenrohr eingeschraubt ist, um das Thermometer aufzunehmen (vgl. Fig. 16). Die Feuergase steigen vom Rost D erst durch eine Art Kamin S bis unter das Gewölbe auf, verbreiten sich unter diesem und sinken gleichmäſsig überall abwärts über die Schlange. Sie verlassen den Ofen bei a, wo ein Schieber so weit geschlossen ist, daſs nur der eben nöthige Zug bleibt Der groſse, im Innern der Schlange befindliche Raum ist mit Backsteinen nach Art eines Regenerators angefüllt. Wird dies unterlassen, so kann die Temperatur im Ofen nicht constant erhalten werden. Nachdem die Lauge diesen Apparat passirt hat, tritt sie bei e aus und kann dort sofort in irgend einen beliebigen Behälter abflieſsen. Um den nöthigen Druck im Apparat zu erhalten, endigt das Ausfluſsrohr in einem gewöhnlichen kleinen, auf 15 bis 20at belasteten Sicherheitsventil s. Die Figur 15 zeigt eine nicht absolut nöthige Verzweigung des Ausfluſsrohres mit zwei solchen Ventilen s und Hähnen o, um im Bedarfsfall ohne Unterbrechung der Arbeit das eine oder andere repariren zu können. Bei dieser Einrichtung des Apparates wird die Wärmemenge, welche die Flüssigkeit mehr enthält, als sie bei atmosphärischem Druck enthalten kann, zur sofortigen Verdampfung einer entsprechenden Wassermenge aus der Lauge selbst verwendet und ist auf diese Weise nutzbar gemacht. Wir ziehen jedoch vor, zwischen den Ofen und die Ventile s noch eine Kühlschlange einzuschieben von etwa 20m Länge, welche von der zu behandelnden Lauge umspült, diese selbst bis zu ihrem Siedepunkt vorwärmt und so die Leistung des ganzen Apparates bedeutend erhöht. Die jetzt nur noch Sulfocyannatrium enthaltende Lauge wird in eisernen Behältern so lange stehen gelassen, bis das Schwefeleisen sich vollständig abgesetzt hat, und dann eingedampft. Ist kein Versehen gemacht worden, hat der Arbeiter von Zeit zu Zeit seine Lauge auf Ferrocyan geprüft und die Temperatur auf gehöriger Höhe erhalten, so ist die so erzeugte Soda von auſserordentlicher Schönheit und läſst sich jedem anderen Muster raffinirter Soda mit Erfolg an die Seite stellen. Ein solcher Apparat liefert ohne groſse Anstrengung wöchentlich 80t Soda und kann 6 Monate in ununterbrochenem Betriebe erhalten werden, ohne inzwischen der Reparaturen zu bedürfen. Obwohl wir uns in einem späteren Patent die Ausbeutung des während dieser Behandlung entstehenden Ammoniaks vorbehalten haben, so schien dies bis jetzt als von untergeordneter Bedeutung. Nach Mittheilungen von Hrn. Dr. Jurisch soll Parnell mit dem Gedanken sich befassen, das Ammoniak, welches im Parnell'schen Kausticirapparat sich bilden soll, aufzufangen und, so viel ich weiſs, ist derselbe eben mit einschlagenden Versuchen beschäftigt. Aus meinen Versuchen über die Zersetzung von Cyanverbindungen in verschiedenen Laugen, welche ich sowohl mit kaustischen, als auch mit kohlensauren Natronlösungen ausführte und deren Hauptresultate oben angegeben sind (die ersten Versuche im Groſsen wurden ebenfalls mit kaustischer Lauge, Rothlauge, ausgeführt) und aus dem Nachfolgenden wird es aber als höchst zweifelhaft erscheinen, ob ein solches Auffangen des Ammoniaks sich der Mühe lohnt. Es wird allgemein angenommen, daſs die im Parnell'schen Kausticirkessel herrschende Temperatur dem angewendeten Druck entspreche. Dies ist aber keineswegs der Fall. Man denke sich einen Parnell'schen Kessel vom Volumen V bis zum Bruchtheil y mit Lauge gefüllt. Er enthält dann die Luftmenge (1 – γ) V bei der Temperatur t und bei atmosphärischem Druck. Bei der jetzt üblichen Arbeitsmethode wird diese Luft eingeschlossen. Man läſst dann in den völlig abgeschlossenen Kessel Dampf einströmen und in 4 bis 6 Stunden hat sich der Apparat auf die nöthige Temperatur erhitzt, oder besser in 4 bis 6 Stunden ist der im Kessel herrschende Druck auf die gewünschte Höhe gestiegen. Um die Flüssigkeit zu erwärmen, wird man, wenn der Dampf ursprünglich 20 Proc. Wasser enthält (was gewöhnlich der Fall ist), ungefähr ⅕ des ursprünglichen Flüssigkeitsvolumen als condensirten Dampf in Rechnung bringen können. Für eine rohe Schätzung, um welche es sich hier allein handelt, ist diese Annahme genau genug. Das Flüssigkeitsvolumen beträgt dann 6/5 γ V und die Luft ist in den Raum (1 – 6/5 γ) V zusammengedrängt. Zudem ist ihre Temperatur auf T gestiegen und es hat sich derselben Dampf vom Drucke p beigemengt. Der im Kessel stattfindende Druck berechnet sich deshalb auf: P=p+\frac{273+T}{273+t}\ \frac{5-5\gamma}{5-6\gamma}. Man nehme nun an, um sich von der Gröſse von P eine Vorstellung zu machen, es sei der Kessel ursprünglich zu ⅔ seines Inhaltes gefüllt worden, setze die Temperatur t = 30 und T = 100, so findet man, weil bei bei 100° p = 1 ist, den im Kessel stattfindenden Druck zu P = 3at,05, obwohl die Temperatur eben zu 100° angenommen wurde. Man darf also schlieſsen, daſs im Parnell'schen Apparat, wo der Arbeitsdruck 4at nicht übersteigt, die Bedingungen für Ammoniakbildung noch viel ungünstiger sind als in unserem Apparate. Nach den von mir aufgefundenen Thatsachen zersetzt sich aber das Ferrocyan hauptsächlich zu Sulfocyan und nur etwa ⅙ wird ganz gespalten. Man zählt aber jetzt Rohsodalaugen, welche für 100 G.-Th. Na2O 0,5 G.-Th. Na4FeCy6 enthalten, zu den an Cyan reichsten. Aus 0,5 Ferrocyannatrium könnte man aber höchstens 0,1 schwefelsaures Ammoniak erhalten. Es ergibt sich hieraus eine Ammoniakproduction von etwa 1t schwefelsaurem Ammoniak auf nahe 2000t calcinirte Soda. Dieses Ammoniak würde man aber nur als verdünnte wässerige Lösung erhalten können. Setzt man dessen Verkaufswerth aber voll ein zu 400 M., so ergibt sich für die Sodafabrik eine theoretisch mögliche Einnahme von 0,20 M. für 1t Soda mit einem wahrscheinlichen Gewinn von 0,05 M. für 1t Soda unter den allergünstigsten Verhältnissen, wie sie eben im Parnell'schen Kessel sich nicht gestalten. Man wird deshalb vor der Hand noch nicht auf Sodafabriken als neue Ammoniakquellen rechnen dürfen.

Tafeln

Tafel Tafel 14
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