Titel: Ueber Kohlendunst- und Leuchtgasvergiftung; von R. Biefel und Th. Poleck.
Fundstelle: Band 240, Jahrgang 1881, S. 199
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Ueber Kohlendunst- und Leuchtgasvergiftung; von R. Biefel und Th. Poleck. Biefel und Poleck, über Kohlendunst- und Leuchtgasvergiftung. Die Vergiftung durch Kohlendunst, welche schon im Alterthum bekannt war, sowie die in neuerer Zeit hinzugetretene Vergiftung durch Leuchtgas gewinnen in der Toxikologie ihr wissenschaftliches Interesse erst mit der näheren Kenntniſs des i. J. 1799 von Priestley entdeckten Kohlenoxydgases, dessen Schädlichkeit für warmblütige Thiere durch die Experimente von Tourdes, Tardieu u.a. auſser Zweifel gestellt wurde. Die Ansicht von Berzelius, daſs es sich bei der Kohlendunstvergiftung nicht um Kohlenoxyd, sondern um eine eigenthümliche, giftige Kohlenbrenzsäure handle, und die abenteuerliche Meinung von Chenot daſs das Kohlenoxyd sich in den Lungen schnell in Kohlensäure verwandle und die dabei entstehende hohe Temperatur die Lungenbläschen verbrenne u. dgl., übte einen nur vorübergehenden Einfluſs auf die wissenschaftlichen Ansichten aus. LeblancRecherches sur la composition de l'air confiné. Paris 1842. zeigte in einem Versuche, in welchem er Kohlendunst in einem groſsen Zimmer entwickelte und darin ein Thier vergiftete, zuerst durch die chemische Analyse, daſs es sich bei der Entwicklung von Kohlendunst um Beimengung von Kohlensäure und Kohlenoxyd zum Sauerstoff und Stickstoff der atmosphärischen Luft handle. Er fand beim Tode des Thieres die Luft zusammengesetzt aus: Kohlenstoff 0,04 Proc. Sauerstoff 19,19 Stickstoff 75,62 Kohlensäure 4,61 Kohlenoxyd 0,54 Die Analyse ist offenbar nicht richtig. OrfilaLehrbuch der Toxikologie, übersetzt von Krupp, 1854 Bd. 2 S. 600. fand in der Luft eines Zimmers, in welchem 4 Kohlenbecken 1½ Stunden gebrannt hatten und ein Hund nach 52 Minuten gestorben war, 5,57 Proc. Kohlensäure und 0,45 Proc. Kohlenoxyd. HünefeldHünefeld: Die Blutproben vor Gericht und das Kohlenoxydblut, 1875 S. 53. welchem es hauptsächlich auf chemische Reactionen für die Diagnose und auf Versuche der Wiederbelebung ankam, bestimmte den Kohlendunst als an Sauerstoff arme Luft mit höchstens 0,54 Proc. Kohlenoxyd. Gesammtanalysen von solchen giftigen Luftarten fehlen jedoch vollständig. R. Biefel und Th. PoleckZeitschrift für Biologie, 1880 S. 279. haben nun hierüber umfassende Versuche angestellt. Bei der Analyse wurden die Gasmengen immer feucht gemessen. Die Kohlensäure wurde mit einer feuchten Kalikugel, der Sauerstoff durch eine Papierkugel bestimmt, welche mit einer concentrirten alkalischen Lösung von Pyrogallussäure getränkt war. In beiden Fällen wurde das Gas durch eine harte Kalikugel vollständig ausgetrocknet gemessen. Dann wurde die Analyse im Eudiometer zu Ende geführt und in allen Fällen das Kohlenoxyd durch, die Verbrennung mit Sauerstoff' unter Zusatz von Knallgas aus Kohlensäure bestimmt. Bei den Leuchtgasanalysen wurden die schweren Kohlenwasserstoffe durch eine mit rauchender Schwefelsäure getränkte Kokeskugel absorbirt, Kohlenoxyd, Wasserstoff und leichter Kohlenwasserstoff durch die Verbrennungsanalyse im Eudiometer bestimmt. Schwefelwasserstoff wurde durch titrirte Jodlösung gemessen. Folgende Tabelle I zeigt die Ergebnisse der Versuche mit Kohlendunst, welcher durch Aufstellung von Kohlenbecken im Versuchsraume erzeugt wurde: Tabelle I. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Zusammen-setzung desKohlen-dunstes KohlensäureKohlenoxydSauerstoffStickstoff   7,03  0,1813,6579,14   6,98  0,4413,4479,14   7,41  0,6213,3278,65   9,65  0,56  9,3080,49   5,29  0,1914,2380,29   5,05  0,3014,2380,42   5,16  0,1614,7379,95 Analysefehlt   7,46  0,2612,6279,66      6,75%  0,3413,1979,72 Dauer des Ver-    suchesVerlaufKohlenoxyd-    spectrumZucker im Harn 3 St. 58 M.Thiererholt0,5% 50 MinutenTodtVorhanden0 1 St. 30 M.TodtVor-handen0 35 M.TodtVor-handen0 1 St. 30 M.TodtVor-handen0,52% 2 St. 15 M.Erholt 6 St.Erholt00 3 St. 35 MErholtVor-handen Mittel aus8 Analysen Somit läſst sich für den Kohlendunst eine mittlere Zusammensetzung aufstellen, welche dadurch charakterisirt ist, daſs in allen Fällen das Verhältniſs der Kohlensäure zum Sauerstoffgehalt verhältniſsmäſsig auf Kosten des letzteren verändert und der betreffenden Atmosphäre auſserdem ein wechselnder Procentsatz von Kohlenoxyd beigemischt ist. Ein schwaches Kaninchen starb schon bei 0,19 Vol.-Proc. Kohlenoxyd, andere erforderten 0,3 Proc. und mehr. Vergleicht man hiermit die Fälle von Leuchtgasvergiftung in Tabelle II, so zeigen die Analysen ein ganz anderes Verhältniſs in der Mischung der atmosphärischen Tabelle II. Leuchtgas Procent-Zusammensetzung des zumVersuch 1benutztenGases deraspirirtenZimmer-luft des zumVersuch 2benutztenGases der aspirirtenZimmerluft 2a 2b Kohlensäure   2,78   0,04   2,12   0,08   0,18 Schwere Kohlenwasser-    stoffe   4,56   0,04   4,85   0,35   1,16 Sumpfgas 32,00   0,04 30,80   2,36   3,17 Wasserstoff 49,07   0,04 53,13   4,42   3,54 Kohlenoxyd   4,70   0,20   6,75   1,48   0,53 Sauerstoff   0,43 20,75   0,42 19,15 18,11 Stickstoff   6,46 78,97   1,93 72,16 73,31 Dauer des Versuches 2 St. 12 M. 2 Std. 5 St. 5 M. Verlauf Scheintodt Todt Todt Kohlenoxydspectrum Vorhanden Vorhanden Vorhanden Harn Zuckerhaltig Zuckerfrei Zuckerhaltig Bemerkungen Zimmerluftexplosiv Zimmerluftexplosiv Luft bei Zutritt von Leuchtgas als beim Kohlendunst. Hier wird die Luft durch das Einströmen des Leuchtgases nicht arm an Sauerstoff, vielmehr bleibt der Sauerstoffgehalt im Versuchsraum und sein Verhältniſs zum Stickstoff nahezu völlig normal, da sich hier die Zusammensetzung der Luft nicht durch chemische Processe, sondern in dem Maſse ändert, als sie durch das einströmende Leuchtgas verdrängt wird. Das Kohlenoxyd vermehrt sich bis zu 0,5 Procent der Athmungsluft, ehe die Mischung tödtlich wird. Die Grenzen, innerhalb deren bestimmte Mengen von Kohlenoxyd geathmet werden können, ehe die tödtliche Wirkung erfolgt, scheinen bei der Vergiftung durch Leuchtgas viel weiter zu liegen als beim Kohlendunst. Offenbar wird in normaler Athmungsluft eine gröſsere Menge Kohlenoxyd länger ertragen, ehe sie giftig wirkt, als dies im Kohlendunst der Fall ist, wo, ganz abgesehen von der Kohlensäure, der Sauerstoff auf ⅔ bis ½ des normalen Gehaltes reducirt ist. Weitere Vergleichspunkte über den Antheil, welchen das Kohlenoxyd unter verschiedenen Umständen an der toxischen und letalen Wirkung einer Luftart nimmt, gewährt Tabelle III, wo es sich um einfache Zuleitung von reinem Kohlenoxyd in den Versuchsraum handelt. Tabelle III. Zusammensetzung deraspirirten Luft 1 2 3 4 5 Kohlenoxyd 0,04   1,94   1,53   1,65   1,02 Kohlensäure 0,04   0,27   0,61   0,54   0,74 Sauerstoff 20,50 20,52 20,50 20,60 Stickstoff 77,29 77,34 77,31 77,64 Dauer 20 Stdn. 1 Stunde 52 Min. 25 Min. 10 Min. Verlauf Erholung Todt Todt Erholung Kohlenoxydspectrum Nicht vorh. Vorhanden Vorhanden Harn 1,35% Zucker Zuckerfrei Danach werden bei der reinen Kohlenoxydvergiftung noch 1,02 Proc. Kohlenoxyd kurze Zeit vertragen. Die Versuche mit reiner Kohlensäure zeigten, daſs bei einem Gehalt von 6,7 Proc. das Thier nur matt wurde, sich dann aber an der Luft rasch erholte, bei 50,4 Proc. aber erfolgte der Tod. Die tödtliche Wirkung des Schwefelwasserstoffes ist wegen seines Vorkommens im Leuchtgase und den Minen- und Kloakengasen wichtig. Der Tod erfolgte nach 1 Stunde 15 Minuten und nach 1 Stunde 58 Minuten bei Gegenwart von 0,05 und 0,037 Proc. und unter Krankheitsformen, welche von denen der Kohlenoxydvergiftung abwichen. In einem weiteren Versuch wurde die Zuleitung von Kohlenoxyd und Schwefelwasserstoff beliebig vereinigt. Es stellte sich dabei heraus, daſs dieselben kleinen Mengen von Schwefelwasserstoff, welche für sich allein zum Tode führen würden, auch den Verlauf der Kohlenoxydvergiftung tödtlich machen. Besonders bemerkenswerth sind noch die Veränderungen der Beschaffenheit und Zusammensetzung des Leuchtgases, welches längere Erdschichten durchströmt hat. Wiederholt ist die Beobachtung gemacht worden, daſs der eigenthümliche Leuchtgasgeruch verschwindet, oder sich erst später bemerkbar macht, wenn das betreffende Gas unter einer längeren, oben gefrorenen Erdschicht nach bewohnten Räumen hin angesaugt wird. Daraus entstehende Vergiftungen, sogar mit Opfer an Menschenleben, waren in Breslau vereinzelt schon früher, namentlich aber in dem letzten harten Winter in gröſserer Anzahl beobachtet worden. Veranlaſst durch einen im Winter 1877 zuerst bekannt gewordenen Fall, wurde am 3. März 1877 im Hofe der Breslauer Gasanstalt ein 2m,35 langes und 5cm weites eisernes Rohr mit Erde von sandiger humöser Beschaffenheit, wie sie in den am Ufer der Oder gelegenen Stadttheilen die obere Erdschicht bildet, dicht gefüllt. Dieses Rohr wurde mit dem Hauptzuleitungsrohr von den Reinigungsapparaten nach dem Gasometer in directe Verbindung gesetzt, dann langsam Gas durchgeleitet und dieses nach einiger Zeit aufgefangen. Es hatte seinen unangenehmen, charakteristischen Geruch fast ganz verloren. Das zum Versuch benutzte Leuchtgas wurde vor und nach seinem Durchgange durch die Erdschicht analysirt: Leuchtgas Durch die Erdschichtgeströmtes Gas Kohlensäure     3,06     2,23 Schwere Kohlenwasserstoffe     4,66     0,69 Sumpfgas   31,24   17,76 Wasserstoff   49,44   47,13 Kohlenoxyd   10,52   13,93 Sauerstoff     0,00     6,55 Stickstoff     1,08   11,71 –––––––––––––––––––––––––––––––––––– 100,00 100,00. Wenn man die Bestandtheile des durch die Erdschicht gedrungenen mit der Zusammensetzung des unveränderten Gases vergleicht, so fällt zunächst in die Augen, daſs etwa 75 Procent der schweren Kohlenwasserstoffe und mit ihnen die im Gase befindlichen Dämpfe der riechenden Theerbestandtheile condensirt worden sind; das Sumpfgas hat sich um etwa 50 Proc. vermindert, während der Wasserstoff nahezu derselbe geblieben ist und das Kohlenoxyd sich scheinbar sogar um 25 Proc. vermehrt hat. Ebenso entspricht der von der atmosphärischen Luft herrührende Sauerstoff und Stickstoff nicht dem Verhältniſs ihrer Mischung. Das Verhalten der Gase gegen poröse Körper von so wechselnder Zusammensetzung wie der Erdboden ist noch viel zu wenig gekannt, um eine genügende Erklärung für die hier vorliegenden Absorptions- und Diffusionsverhältnisse finden zu können. Wenn weitere Analysen die geringe Absorptionsfähigkeit für Kohlenoxyd bestätigen sollten, so würde darin die gröſste Gefahr derartiger Gasausströmungen um so mehr zu suchen sein, als sie sich zunächst kaum durch den Geruch verrathen. Dies muſs auch in den beiden charakteristischen, von PettenkoferPettenkofer: Vorträge, 1872 S. 111. mitgetheilten Krankheitsfällen der Fall gewesen sein, denn man hätte sonst unmöglich die beiden Kranken 4 bis 6 Tage in der betreffenden, durch Gas inficirten Wohnung belassen können. Damit stimmt auch eine Beobachtung, welche Biefel in der eigenen, im Hoch-Erdgeschoſs gelegenen Wohnung während des Winters 1875 machte. Durch ein zerbrochenes Straſsenrohr wurde unter dem gefrorenen Erdboden Gas nach einem benachbarten Schlafzimmer angesaugt, welches sich dem Bewohner zunächst nicht durch den Geruch, sondern durch Benommenheit des Kopfes, unbehagliches Gefühl und Kopfschmerz beim Erwachen bemerkbar machte. Erst später trat der charakteristische Gasgeruch auf. Während derartige Vergiftungsfälle durch Leuchtgas in früheren Jahren nur sehr vereinzelt auftraten, wurden sie im Winter 1879/80 wiederholt und in geradezu erschreckender Häufigkeit in Breslau beobachtet. Zur Zeit der strengsten Winterkälte, im Verlauf von 6 Wochen vom 17. December bis 27. Januar, wurden nach dem Bericht des Directors der Breslauer Gasanstalt H. Troschel nicht weniger als 10 bewohnte Räume festgestellt, in welchen durch Rohrbrüche veranlaſste Gasausströmungen zum Theil schwere Erkrankungen und sogar einen Todesfall herbeigeführt hatten. Gerade in den schwersten Fällen war in den betreffenden Häusern eine Gasleitung überhaupt nicht vorhanden gewesen; allen aber war gemeinsam, daſs das Gas aus gebrochenen Röhren der Straſsenleitung stammte, deren Bruchstelle in einzelnen Fällen sich 10 bis 27m in der Luftlinie von den betreffenden Erdgeschoſs- und Kellerwohnungen entfernt befand. Die Häuser dieser Wohnungen waren zum Theil nicht unterkellert, zum Theil in nicht gutem Bauzustande. So erklärt es sich, daſs das Gas unter dem fast lm tief gefrorenen Boden so weite Strecken zurücklegen konnte, bis es genau wie in den von Pettenkofer mitgetheilten Fällen von den geheizten und leicht zugänglichen Wohnungsräumen angesaugt wurde. Von den in Breslau gemachten Beobachtungen sollen nur zwei für die vorliegende Erörterung besonders interessante Fälle eingehender besprochen werden. Am 25. December 1879 erkrankte plötzlich der im Seitenhause des Fürstbischöflichen Convicts wohnende Castellan Figura, ein schon bejahrter Mann, und starb am 27. December Vormittags, wie man annahm und der behandelnde Arzt auch bestätigte, eines natürlichen Todes. An demselben Tage langten die drei auswärts wohnenden Söhne und eine Nichte an und nahmen Quartier in der Wohnung des Verstorbenen in zwei neben einander liegenden niedrigen Stuben des nicht unterkellerten und nur ein Erdgeschoſs enthaltenden Hauses. Am Morgen des 28. Decembers erwachten sowohl die Wittwe, wie deren Nichte und die drei Söhne mit dem Gefühl heftigen Unwohlseins, anhaltender Uebelkeit, Schwindel, Mangel an Appetit u.s.w. Diese Zufälle minderten sich zwar im Laufe des Tages bei häufiger Bewegung in frischer Luft, wurden aber nicht vollständig beseitigt, so zwar, daſs die Leute sich noch unwohl schlafen legten. Unter ganz ähnlichen Erscheinungen war auch der verstorbene Vater zuerst erkrankt. Am anderen Morgen, den 29. December, blieb die Thür der Wohnung auffälliger Weise geschlossen; man vermuthete ein Unglück und einer der Pensionäre der Wittwe drang durch das Fenster in die von innen verriegelte Stube und öffnete die Thür. Die nun Eintretenden fanden die fünf eingeschlossenen Personen im Zustande der schwersten Erkrankung. Sie hatten sich erbrochen, waren bewuſstlos und die drei Söhne, welche in dem gröſseren Zimmer lagen, glichen Sterbenden. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche waren bei den im Nebenzimmer befindlichen beiden Frauen von Erfolg; sie erholten sich verhältniſsmäſsig rasch im Laufe des Tages, während die Söhne noch bis zum Abend in Lebensgefahr schwebten. Diese hatten in derselben Stube, wo der Vater gestorben war, und zwar, wie sich später herausstellte, in der Nähe der Ausströmungsöffnungen des Gases geschlafen. Sämmtliche Erkrankten waren nach verschiedenen Krankenhäusern gebracht worden, die beiden ältesten Söhne nach der medicinischen Klinik. Hier wurde in Blutproben derselben das Kohlenoxydspectrum aufgefunden, eben so später im Blut des verstorbenen Vaters, dessen gerichtliche Section angeordnet worden war. Somit war die gemeinsame Ursache des Todes des Vaters und der Erkrankung seiner fünf Angehörigen festgestellt. Durch die polizeiliche Aufnahme des Thatbestandes wurde ferner nachgewiesen, daſs seit 2 Tagen in dem Ofen der Stube kein Feuer gemacht worden war, von einer Kohlendunstvergiftung mithin keine Rede sein konnte; dagegen habe eine Erdöllampe die ganze verhängniſsvolle Nacht hindurch gebrannt und sei erst von dem Pensionär, welcher durch das Fenster in das Zimmer eindrang, ausgelöscht worden. Ein explosives Gas konnte daher in dem Zimmer nicht vorhanden gewesen sein. Die Luft dieses Zimmers war dagegen, nach dem Berichte des Gasanstaltdirectors, geradezu entsetzlich. Das Zimmer war seit dem Tode Figura's nicht gelüftet worden; der Dunst der Erdöllampe, der Geruch der ausgebrochenen Speisereste, der angewendeten Wiederbelebungsmittel, wie Essigäther, Senfspiritus u. dgl., lieſs einen specifischen Gasgeruch nicht erkennen. Erst nachdem diese Räume durch einige Stunden gelüftet worden waren, wurde der Geruch charakteristischer, an Leuchtgas erinnernd. Um völlige Gewiſsheit zu erhalten, wurde die Wohnung wieder geschlossen und erst am anderen Tage betreten. Nun war der Gasgeruch unzweifelhaft vorhanden. 2 Tage darauf gelang es sogar, das durch die Ritzen der Dielung einströmende Gas zu entzünden. Dasselbe brannte mit einer etwa 100mm hohen leuchtenden Flamme. Die Arbeiten zur Auffindung des Rohrbruches waren unmittelbar am Vormittag des Unglückstages, 28. December, begonnen worden; aber in dem fast Ina tief gefrorenen Boden gelang es, obgleich dieselben mit aller Energie fortgesetzt wurden, doch erst am 2. Januar, 10m,7 in der Luftlinie von der nächsten Ecke des inficirten Hauses entfernt, den Bruch eines 3cm weiten Gasrohres aufzufinden. Weit rascher gestaltete sich der Verlauf in einer von JacobsBerliner klinische Wochenschrift, 1874 S. 322. in Köln mitgetheilten Vergiftung durch Leuchtgas, in welchem dasselbe aus dem schadhaften Hauptrohr unter dem gefrorenen Boden und durch einen alten Abzugskanal in den Keller und das Ergeschoſs eines 50 Schritt davon entfernten Hauses gelangte und hier ein Elternpaar mit seiner 7jährigen Tochter dem Tode nahe brachte, sowie noch mehrjähriges Siechthum veranlaſste. Die Luft derartiger Räume zu analysiren, wurde möglich bei einem Rohrbruch in der Friedrich-Wilhelmstraſse von Breslau am 26. Januar 1880, dessen Auffindung erst nach fünftägiger angestrengter Arbeit gelang. Hier hatte das Gas seinen Weg unter dem gefrorenen Erdboden durch lockeres Gerölle in einen engen alten Kanal genommen und strömte aus diesem, 35m in der Luftlinie von der Bruchstelle entfernt, in den offenen Thorweg eines Hauses in derselben Straſse aus. Das ausströmende Gas war fast geruchlos, so daſs es von den Beamten der Gasanstalt für brennbare Kanalluft gehalten wurde, frei von jeder Spur von Schwefelwasserstoff; dasselbe brannte angezündet mit wenig leuchtender blauer Flamme und lieſs sich leicht aufsammeln. Einige Tage später brannte es an derselben Stelle mit hell leuchtender Flamme und besaſs den charakteristischen Gasgeruch, wurde aber nicht gesammelt. Das gesammelte Gas bestand aus: Schwerer Kohlenwasserstoff 1,13 Sumpfgas 12,47 Wasserstoff 14,90 Kohlenoxyd 0,82 Kohlensäure 3,51 Sauerstoff 6,74 Stickstoff 60,42 ––––––– 100,00. Der Kohlenoxydgehalt war mehr als hinreichend, um Vergiftungserscheinungen hervorzurufen, wenn das Gas seinen Weg in die Erdgeschosse der benachbarten Häuser gefunden hätte, in denen es zunächst durch den Geruch nicht wäre wahrgenommen worden; das Gas war nicht explosiv. Die 29,31 Proc. brennbarer Gase bedurften zur vollständigen Verbrennung 36,19 Proc. Sauerstoff; es waren jedoch nur 6,74 Proc. Sauerstoff vorhanden. Wenn man die brennbaren Bestandtheile des Gasgemisches von den nicht brennbaren abzieht, so gelangt man zur Zusammensetzung der Luft des alten Kanals, welche enthielt: Kohlensäure 4,96 Sauerstoff 9,54 Stickstoff 85,50 ––––––– 100,00. Die Arbeiten zum Aufsuchen der Bruchstelle hatten ergeben, daſs das Gas seinen Weg nach dem alten Kanalstrang durch lockeren Mauerschutt, Ziegelstücke u. dgl. genommen hatte. Dabei muſste es auf diesen porösen Massen die seinen Geruch besonders bedingenden Theerdämpfe abgesetzt haben, während die anderen Bestandtheile des Gases, mit Ausnahme der schweren Kohlenwasserstoffe, nicht wesentlich durch Absorption vermindert worden waren. Dadurch erklären sich die verschiedenen Resultate zwischen der Zusammensetzung des aus dem Kanal aufgefangenen und der Analyse jenes Leuchtgases, welches eine thonige und humöse Schicht durchzogen und dabei auch seinen Geruch vollständig, sowie den gröſsten Theil der schweren Kohlenwasserstoffe eingebüſst hatte.