Titel: Beiträge zur technischen Rohstofflehre; von Dr. Franz v. Höhnel in Wien.
Autor: Franz R. v. Höhnel
Fundstelle: Band 240, Jahrgang 1881, S. 388
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Beiträge zur technischen Rohstofflehre; von Dr. Franz v. Höhnel in Wien. (Fortsetzung der Abhandlung von S. 74 Bd. 235.) v. Höhnel's Beiträge zur technischen Rohstofflehre. Neue Gerbeblätter. Dieselbe Pflanzenfamilie der Combretaceen, welche die bekannten und vielfach verwendeten Myrobalanen liefert, zeigt auch eine Anzahl von werthvollen, d.h. an Tannin reichen Gerbrinden.Vgl. Fr. v. Höhnel: Die Gerbrinden, 1880 S. 26 und 127. In neuester Zeit fanden aber auch am Continente über Hamburg – wie die Untersuchung ergab – von einer Combretaceae abstammende Gerbeblätter Eingang, die mir von Hrn. Director W. Eitner gütigst überlassen wurden. Sie führen den Namen Mango oder Mangle, stammen aber weder von den Mango-Bäumen (Mangifera indica), noch von den Mangles (Rizophora Sp.) ab, sondern, wie mir endgültig festzustellen glückte, von einer Combretaceae, nämlich Laguncularia racemosa Gärtn. (Gonocarpus racemosus Linn., Schousboa commutata DC. Prod. Bd. 3 S. 17.)Vgl. Oliver: Flora of Tropical Africa, (London 1871) Bd. 2 S. 419. Abbildungen der Frucht s. Gärtner: De fructibus et seminibus, Bd. 3 S. 209 Taf. 217 Fig. 3, Schnitzlein, Icones u.a. Ferner Martius-Eichler: Flora brasiliensis, Combretaceae. Bentham-Hooker: F. Gen. Plant, Bd. 1 S. 688. Diese Pflanze ist sehr gemein an den Küsten des tropischen Amerika und wird fast in allen ihren Theilen besonders in Brasilien als Mangle oder Manga brancaRosenthal: Synopsis plantar. diaphor., S. 902. zum Gerben verwendet. Sie kommt aber auch an den tropischen Küsten von Westafrika häufig vor, ohne daſs aber hier eine Verwendung derselben bekanntermaſsen stattfindet. Bemerkenswerth ist der Umstand, daſs die in Deutschland vorkommende Waare angeblich aus Afrika stammt, was der festgestellten Abstammung nach allerdings möglich ist, bei dem Umstände jedoch, daſs die Stammpflanze in Amerika weit massenhafter vorkommt, daselbst einen ganz ähnlichen Namen wie die Handelswaare führt und zu gleichem Zwecke ganz allgemein verwendet wird, sowie angesichts der Thatsache, daſs namentlich in neuerer Zeit Brasilien bestrebt ist, dem reichen Schatz seiner Naturproducte neue Absatzorte zu eröffnen, sehr unwahrscheinlich ist. Zu diesen Gründen kommt noch ein fernerer eigenthümlicher hinzu. Die Blattstückchen der Waare zeigen nämlich, vorzugsweise in einer etwa 1cm breiten Zone des Blattrandes, viele kleine Knötchen, von welchen zahlreiche, besonders auf der Blattunterseite, eine Nadelstich ähnliche, braun umrandete, kraterartige Oeffnung besitzen, die in eine mikroskopisch kleine, fast flaschenförmige, von braunen abgestorbenen Zellen begrenzte, ausgefressene Höhlung führt. Jene Knötchen nun, welche der Oeffnung entbehren, besitzen an der Spitze einen geschlossenen, bräunlichen, von etwas derberen und gröſseren Epidermiszellen begrenzten Spalt, der in einen flach zusammengepreſsten, von farblosen weiten Zellen eingeschlossenen Kanal oder in eine offene Röhre führt, welche mit einer kleinen, von den gleichen Zellen ausgekleideten Höhle abschlieſst, worin man häufig eine kleine rundliche Insectenlarve trifft. Diese Bildungen nun, welche, wie man sieht, durch ein Insect hervorgerufen sind und eigentlich 3 Zustände von mikroskopischen Gallen darstellen, je nachdem sich das Ei entwickelt oder nicht, oder das Insect ausfliegt oder nicht, fanden sich genau in derselben Weise auch an einem aus Brasilien stammenden Herbarexemplare, was offenbar wieder für die amerikanische Abstammung der Drogue spricht. Auf keinem Falle ist daran zu zweifeln, daſs Central- und Südamerika bei weitem gröſsere Massen der Mangoblätter zur Verfügung stehen als Afrika, wo die Pflanze nur von Oberguinea, Bassa, Fernando do Po und Sierra Leone bekannt ist. Es sei, bevor ich zur Beschreibung und Charakterisirung der Waare übergehe, noch erwähnt, daſs auch in Ostindien Combretaceen-Blätter zum Gerben dienen. Hier sind es die Blätter der Myrobalanen-Bäume (Terminalien) welche diese Verwendung finden. WiesnerWiesner: Die Rohstoffe des Pflanzenreiches, S. 663. fand i. J. 1867 auf der Pariser Ausstellung Blätter von Terminalia Chebula unter den indischen Gerbmaterialien. Die als Mangoblätter bezeichnete Waare zeigt fünferlei Bestandtheile: 1) Kleinere und gröſsere Bruchstücke von Blättern, 2) Blattstiele, 3) Zweigstücke mit Rinde, 4) Holzstückchen und 5) unreife Früchte. Die Hauptmasse besteht natürlich aus Blättertheilen mit einem 1 bis 2cm langen und 2mm dicken Blattstiel, der frisch stielrund ist. Dieser erscheint fast immer an der Basis regelmäſsig abgelöst und zeigt unter der Spitze zwei warzenförmige kleine Drüsen, über welchen sich noch zwei, trocken aber meist kaum sichtbare, von gleichem Baue finden. Die Blattfläche, welche in der Waare meist nur in ganz kleinen Bruchstücken vorkommt, ist fast genau elliptisch, bis etwa 10cm lang und 5cm breit, an der Spitze und Basis abgerundet, ganzrandig. Von dem in ein ganz kurzes Spitzchen endigenden Mittelnerven gehen seitlich 8 bis 12 schwache, fadenförmige Nerven ab, welche anfänglich nach der Blattbasis zu concav gekrümmt sind, dann bis zu ⅔ der halben Blattbreite unter 50 bis 60° gerade gegen den Rand verlaufen, um etwa 6 bis 8mm von diesem sich in zwei Aeste zu theilen. Die unteren 1 bis 3 Paare von Seitennerven sind gegenständig. Die Blattlamina ist ziemlich derb und fest, aber nicht lederig, ferner runzelig matt. Sie ist fast central gebaut, zum Unterschiede von den Sumach- und Myrobalanenenblättern. Beide Epidermen sind fast gleich beschaffen, haben zahlreiche Spaltöffnungen (auf 1qmm 120 auf der Oberseite, 140 unten) und polyedrische mit geraden Seitenwänden versehene Epidermiszellen. Haare fehlen. Oben zeigen sich zwei Lagen Palissadenzellen, die äuſsere doppelt so breit als die innere. Unter jeder Spaltöffnung befindet sich eine groſse auffallende Athemhöhle. Innerhalb der unteren Epidermis liegen 3 bis 4 Schichten fast dichten, an Chlorophyll reichen Parenchyms, das nur über jeder Spaltöffnung eine gröſsere Lücke zeigt. Die Mittelschicht der Lamina wird von einem an Chlorophyll ärmeren groſslumigen Parenchym gebildet, welches stellenweise fast farblos ist. Im ganzen Mesophyll sind hier und dort groſse Drusenschläuche eingelagert. Die in der Mitte des Blattquerschnittes liegenden Gefäſsbündel sind sehr charakteristisch gebaut, indem selbst sehr feine noch Bastfasern führen, welche an das Mesophyll grenzend auſsen regelmäſsig gezackt sind. Die Enden der Gefäſsbündel sind durch auffallend erweiterte und groſse, isodiametrische, derbwandige, behöft-betüpfelte Tracheïden sehr charakteristisch. Die letzten Endigungen der Gefäſsbündel erscheinen daher kopfig angeschwollen. Auch die Blattstiele sind sehr charakteristisch. Der kreisrunde Querschnitt zeigt einen ebensolchen geschlossenen Gefäſsbündelring. Im Marke dieses liegen 1 bis 2 kleine Gefäſsbündel, in der Rinde, die etwa 25 bis 35 Schichten an Gerbstoff reichen Parenchyms aufweist, oben zu beiden Seiten je zwei (selten drei) kleine Gefäſsbündel, die mit etwa 30 auf der Unterseite stehenden Bastfasern versehen sind, während die markständigen Gefäſsbündel höchstens 1 bis 2 Fasern zeigen. Der Bündelring ist besonders oberseits faserreich. Die Warzendrüsen des oberen Blattstielendes sind höchst eigenthümlich gebaut. Ein centraler Längsschnitt durch dieselben zeigt ein farbloses, dünnwandiges und kleinzelliges Gewebe, das allseitig von 2 bis 4 Schichten eines gröſser und flach zelligen Gewebes begrenzt ist, das vollständig (d.h. selbst was die Mittellamelle anbelangt) verkorkt ist, auſsen unmittelbar in die Epidermis übergeht und etwa die Gestalt einer länglichen Flasche von überall kreisrundem Querschnitte hat, deren Boden dem äuſseren der rindenständigen Gefäſsbündel, das Tracheïdenzweige zur Drüse entsendet, zugekehrt ist, während die Epidermis die Mündung des Halses derselben verschlieſst. Die ganze Drüse ist frei von Gerbstoff, während alles übrige Parenchym sehr reich an eisenbläuendem Tannin ist. Das Secret der Drüse dürfte eine wässerige zuckerhaltige Flüssigkeit sein. Die Stengelstücke sind 1 bis 3mm dick und 1 bis 3cm lang, auſsen meist von einer rothbraunen Haut bedeckt. Die Blattnarben sind gegen- ständig, die Internodien etwas flach oder vierseitig, seltener drehrund. Vom Baue sei nur folgendes kurz hervorgehoben. Der Kork ist ganz dünnwandig und inhaltsleer, der Bast faserführend, das Mark ist homogen, die Gefäſse sind sehr groſs und überall finden sich Oxalatdrüsen. Die dickeren Zweig- und Holzstückchen erreichen bloſs einen Durchmesser von 6 bis 7mm, weil die Stammpflanze nur ein kleiner Strauch ist. Was endlich die Früchtchen anbelangt, welche man in der Drogue wohl immer antrifft, so geben dieselben ein vortreffliches Kennzeichen derselben ab. Sie sind 4 bis 18mm lang, 3 bis 8mm breit und 2 bis 3mm dick, also flach. Alle sind unreif, hellbräunlichgrau, conisch, fast herzförmig. An der Spitze stehen fünf kurze, derbe, eingebogene Kelchzähne (da der Fruchtknoten unterständig ist), ferner eine epigynische Scheibe, welche in der Mitte einen kleinen Knopf, den Basaltheil des Griffels, zeigt. Ueberdies finden sich an der Frucht, die einfächerig und einsamig ist, 5 korkig weiche Riefen, deren zwei gröſsere seitlich stehen und an der Spitze je ein anliegendes (angewachsenes) Deckblättchen tragen. Die ganze Frucht ist mit kurzen, anliegenden, hellgrauen Seidenhaaren bedeckt, daher etwas seidig schimmernd. Wie bereits erwähnt, sind die Mangleblätter sehr reich an Gerbstoff. Einige von Hrn. K. Schlagenhaufer in Prof. Pohl's Laboratorium für organische Technologie an der technischen Hochschule zu Wien nach der verbesserten Löwenthal'schen Methode gemachte Bestimmungen ergaben als Mittel 17,03 und 17,36 Proc. Gerbsäure. Die durch Chamäleon oxydirbare Substanz des Extractes der Blätter, auf Tannin berechnet, betrug 26,69 bis 26,89 Proc. Analysen, die durch Fällung des Gerbstoffes mittels Hautpulver unter der Leitung von W. Eitner ausgeführt wurden, ergaben 24 bis 25 Proc. Tannin. Nach freundlicher Mittheilung des Genannten dürften die Mangleblätter, welche, wie man sieht, im Gerbstoffgehalt den besseren Sumachsorten entsprechen, auf Grund ausgeführter Versuche, den Sumach kaum zu ersetzen, geschweige denn zu verdrängen im Stande sein, da dieselben dem Leder eine sehr unerwünschte Färbung ertheilen. Immerhin mag jedoch ihre Anwendung unter Umständen vortheilhaft sein.