Titel: Der sogenannte Fluss der Seifen.
Autor: Kp.
Fundstelle: Band 243, Jahrgang 1882, S. 414
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Der sogenannte Fluſs der Seifen. Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Potytechnikums zu Braunschweig. Dege, über den sogenannten Fluſs der Seifen. Im J. 1873 hat sich Hr. A. Fricke mit gewissen Ausscheidungen der Kernseifen im hiesigen Laboratorium beschäftigt, welche die technische Sprache als „Fluſs“ zu bezeichnen pflegt. In der festen Seife erscheint der Fluſs als eine zartfaserige geflammte Abscheidung, die sich in einer dem Auge gefälligen Weise von der homogenen Grundmasse abhebt und die Waare ansehnlich macht. Es ist an der betreffenden Stelle (1873 209 46) gezeigt worden, daſs sich der Fluſs durch einen selbstthätigen Auslaugeproceſs mit groſsem Ueberschuſs von kaltem Wasser von der Grundmasse trennen läſst. Während diese letztere sich langsam in dem Wasser löst, bleibt der Fluſs als ein Skelet zurück in Gestalt von blendend weiſsen, ausgesprochen faserigen, schwach zusammenhängenden Stücken in der Form der angewendeten Seife nach dem Trocknen von ausgezeichnetem Perlmutterglanz. Die von Fricke damals benutzte Seife sowie das dabei zur Anwendung gebrachte Verfahren gab nur eine äuſserst geringe Ausbeute bei sehr groſsem Aufwand an Zeit. Dieses wenige gewonnene Material reichte nur zu einer einzigen Analyse, in welcher der Betrag der fetten Säure des perlmutterglänzenden Rückstandes und die zur Sättigung der Base erforderliche Menge Schwefelsäure bestimmt wurde. Auf Grund der Thatsache, daſs sich die ursprüngliche Seife ohne Rückstand in siedendem Alkohol und Wasser löste, ist die Base als Natron angesehen und berechnet worden, – mit Unrecht, wie sich aus dem Folgenden ergibt. Eine hiesige auf Ausfuhr arbeitende Seifensiederei bringt nun seit längerer Zeit eine besonders schöne, als „Talgkernseife“ bezeichnete Waare in den Handel, welche bei sehr weiſser Farbe den Fluſs besonders reich und ungewöhnlich entwickelt zeigt. Die gelegentlich gemachte Beobachtung, daſs der den Fluſs bildende perlmutterglänzende Körper aus jenem Material viel leichter und weit reichlicher gewonnen werden kann, gab den Anlaſs zur Wiederaufnahme und Fortführung der Studien über den „Fluſs“ der Seife, denen sich Hr. Conrad Dege im hiesigen Laboratorium unterzogen hat. Nach dem a. a. O. beschriebenen Verfahren kommen die etwa bohnengroſsen, länglichen Seifenstückchen auf ein unter dem Wasserspiegel ausgespanntes Stück Stramin zu liegen, so daſs sie eben untergetaucht sind. Sie geben den löslichen Theil nicht so ohne weiteres und direct an das Wasser ab; der lösliche Theil quillt äuſserlich zu einer Gallerte auf und erst diese geht allmählich und langsam in Lösung. Die halb ausgelaugten Seifenstückchen erscheinen dann als von Gallerte umhüllte Klümpchen, in welchen der unlösliche Theil der Seife in weiſsen opaken Faserbündeln eingebettet liegt. Dieser Zustand, welchen die Seife im Wasser annimmt, führte auf eine sehr annehmbare Abkürzung des Auslaugeverfahrens. Man preſst die halb ausgelaugten Seifenstückchen zwischen Leinwand ab; die Gallerte geht groſsentheils durch die Maschen, während die noch zusammenhängenden Faserbündel in Gestalt eines sehr weiſsen dünnen Kuchens zurückbleiben. Der Kuchen wird in kleine Stückchen zerbröckelt und diese werden wieder in den Auslauger gebracht. Ganz gegen Ende, wenn nur noch wenig lösliche Seife übrig war, kochte man zur Entfernung dieser anhängenden Reste mit Wasser oder mit Alkohol aus. Der faserige abgeschiedene Körper löst sich dann nicht mehr oder nur in verschwindender Menge darin auf. In den anfänglichen Stadien des selbstthätigen Auslaugens sind die auf dem Straminnetz liegenden Seifenstücke unberührt und ungestört zu lassen, weil sie allzu leicht zerfallen und viel feinere Fasern des unlöslichen Körpers mit durchgehen. Auch bei dem besten Gang der Operation ist die beim Auslaugen entstehende Flüssigkeit trübe; sie verhält sich wie verdünntes Seifenwasser und läſst sich, wie dieses, schlechterdings nicht filtriren. Versetzt man aber die Auslaugeflüssigkeit mit einer geringen Menge Kochsalz, so ändert sich die Lage der Dinge sofort: Die Flüssigkeit verliert alsbald ihre Eigenschaft, die unlöslichen Theile so stark aufzuschlämmen und schwebend zu erhalten; sie sammeln sich in Flocken, scheiden sich ab und können nun mit Leichtigkeit auf einem Filter von der Flüssigkeit getrennt werden. Die zur Scheidung der Seifenlösung erforderliche Menge Kochsalz richtet sich nach der Concentration des Auslaugewassers. Dieses muſs auf Grund seines Verhaltens zu dem unlöslichen Körper jederzeit sehr verdünnt sein, d.h. man hat die Seife mit einem groſsen Ueberschuſs von destillirtem Wasser zu behandeln, namentlich in den ersten Stadien der Auslaugung. Durch allmähliches Hinzufügen des Salzes findet man den Punkt leicht, bei welchem die Scheidung eintritt; die entsprechende Menge Salz ist entfernt nicht zureichend, die Seife auszusalzen. Von dem beschriebenen Verhalten der Seifenlösung zum Kochsalz läſst sich vortheilhaft Gebrauch machen bei der Darstellung der den Fluſs bildenden Verbindung. Man übergieſst zu dem Ende den nach dem Pressen erhaltenen Kuchen, nachdem man ihn in kleine Stückchen zerbröckelt, mit einer etwa 5procentigen Salzlösung und schüttelt von Zeit zu Zeit um. Die verdünnte Salzlösung zieht dann die noch vorhandene lösliche Seife weiter aus, ohne den unlöslichen Theil zu zerschlämmen. Nach längerem Stehen filtrirt man, preſst den unlöslichen Rückstand ab und wiederholt dieselbe Behandlung mit der Salzlösung ein zweites Mal. Ist die Auslaugung der Seife so weit vorgeschritten, daſs dem unlöslichen Theil nur noch geringe Mengen der löslichen Seife anhaften, so entfernt man diese leicht und bequem durch Auskochen mit Wasser oder Weingeist, aber stets in gröſsern Mengen, weil nur sehr verdünnte Lösungen entstehen dürfen. Nach der Hauptregel – sehr viel Flüssigkeit im Verhältniſs zur Menge der auszulaugenden Substanz – namentlich auch für das selbstthätige Auslaugen vor dem Pressen geltend, hat man jedesmal etwa 4l Wasser auf 1g Seife zu rechnen und dieses 3mal zu wechseln, so daſs auf die drei Auslaugungen vor dem Pressen 12l Wasser auf die Seife wirken. Auf dem Wege der selbstthätigen Auslaugung, des darauf folgenden Pressens, Behandelns mit Salzwasser und schlieſslichen Auskochens mit bloſsem Wasser erhält man den als Fluſs in der Seife vorhandenen Bestandtheil rein von der Grundmasse durch Auskochen mit Alkohol, auch rein von jenen durch die starke Verdünnung aus der Natronseife sich abscheidenden Verbindungen, – nicht aber umgekehrt die Grundmasse rein von jenen. Es hängt dies mit den Löslichkeitsverhältnissen der Seifenbestandtheile zusammen. Der ausgelaugte, den Fluſs der Seife bildende Rückstand ist völlig weiſs, faserig, perlmutterglänzend, nach dem Trocknen schwer benetzbar, im Wasser ganz oder doch nahezu unlöslich bei allen Temperaturen. Kaltes Wasser nahm 0,02 Proc. seines Gewichtes, siedendes 0,02 Proc., also ebenso viel auf. Aehnlich verhält sich absoluter Alkohol, welcher 0,34 Proc. aufnimmt. – So unlöslich der perlmutterglänzende Körper in bloſsem Wasser, um so viel löslicher ist derselbe in einer Lösung von Natronseife, um so mehr, je concentrirter und von je höherer Temperatur sie ist. Daraus erklärt sich die Möglichkeit seiner Abscheidung durch Auslaugen mit sehr viel Wasser in der Kälte gegenüber der Thatsache, daſs sich die käufliche Seife in der Siedhitze im Wasser sammt dem Fluſs vollkommen klar auflöst. Aber auch die Entstehung und Bildung von Fluſs ist danach leicht zu verstehen. In der kochend heiſsen, fertig gesottenen Seife ist der ganze Betrag des perlmutterglänzenden Körpers gelöst; während des Erkaltens auf der Form scheidet sich ein Theil in seidenglänzenden Fasern aus, welche dann als Fluſs erscheinen. Der gereinigte perlmutterglänzende Körper der untersuchten Kernseife ist seinem chemischen Bestände nach nichts als eine Kalkseife; er lieferte durch die Zersetzung mit Chlorwasserstoffsäure bei der Analyse 8,35 Proc. Kalk in der trockenen Substanz. Einigermaſsen auffallend und gröſser, als man erwarten sollte, ist der Betrag dieser Kalkseife in der Kernseife. Eine Probe dieser letzteren zu den Versuchen verwendeten Seife ergab bei der Analyse: Fette Säuren 76,27 Natron 8,21 Kalk 0,30 Wasser 15,22 –––––– 100,00. Der Gehalt von 0,30 Proc. Kalk entspricht 3,8 Procent der aus der Seife präparirten Kalkseife. Bei der Ungleichheit der Vertheilung des Flusses in der Natronseife gilt dieser Betrag selbstverständlich nur von der analysirten Probe. Eine andere Portion der Seife mit besonders stark entwickeltem Fluſs, in der beschriebenen Weise auf dem Straminnetze ausgelaugt, dann 2 mal mit Wasser kalt digerirt und gepreſst, gab über 14 Proc. Rückstand. Woher der Kalk in die Seife kommt, mag dahin gestellt bleiben. Man arbeitet in der Werkstätte, aus welcher die Seife stammt, noch viel mit Soda, nicht blos mit kaustischem Natron. Oekonomisch betrachtet ist die Verzierung der Seife mittels Fluſs obiger Art, also aus Kalkseife, nur Verlust, wenigstens soweit die Seife im lauen oder kalten Wasser verbraucht wird. Der Schluſs, daſs der sogen. „Fluſs“ der Seife überhaupt nur ein auskrystallisirtes Kalksalz der fetten Säure sei, wäre als voreilig zu bezeichnen. Wohl aber kann man nach den vorstehenden Beobachtungen sagen, daſs ein solches Kalksalz unter Umständen die Grundlage des Flusses abgibt. Kp.