Titel: Ueber den Einfluss der Anstrengungsdauer auf die Festigkeit und Elasticität des Nadelholzes; von R. H. Thurston.
Autor: W–h.
Fundstelle: Band 244, Jahrgang 1882, S. 281
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Ueber den Einfluſs der Anstrengungsdauer auf die Festigkeit und Elasticität des Nadelholzes; von R. H. Thurston. Thurston, über Festigkeit und Elasticität von Nadelholz. Vor etwa 40 Jahren fand Hermann HauptVgl. H. Haupt: Bridge Construction. New-York 1856 S. 61. , daſs Holz bei lange andauernder Belastung durch weit geringere Spannungen zerstört werde, als wenn der Versuch in gewöhnlicher Weise nur einige Minuten währt. Indem er Stäbe von 152,40 × 7,62 × 2,54cm (= 60 × 3 × 1 Zoll engl.) einerseits horizontal festspannte, andererseits mit P belastete, ergaben sich für die gröſste Biegungsspannung: s=\frac{6\,P\,L}{b\,h^2} (L, b, h = Länge, Breite, Höhe des Stabes) folgende Werthe in k für 1qc Tabelle I. Holzart s Zeit Bemerkungen 1) Weiſstanne (White Pine) 160 10 Minuten Verletzt 109 16 Tage 2) Hemlocktanne (Hemlock) 184    5 Minuten 114 16 Tage 3) Gelbtanne (Yellow Pine) 200    5 Minuten 127 16 Tage 4) Schotendorn (Locust) 387    2 Minuten     Unverletzt 253 3,5 Tage Verletzt 162 16    „ 5) Weiſseiche (White Oak) 299 16 Minuten     Unverletzt 506 15      „ Verletzt 256 40 Stunden     Unverletzt 287 48      „ Verletzt 1) Pinus Strobus. 2) Abies Nigra. 3) Pinus australis. 4) Robinia pseudoacacia. 5) Quercus Alba. Neuerdings hat Prof. R. H. Thurston in Hoboken unter Mitwirkung von J. E. Denton und A. Riesenberger in gleicher Richtung Versuche angestellt, welche Haupt's allgemeines Resultat bestätigten. Ein im October 1879 bei Jacksonville geschnittenes Gelbtannenscheit (Yellow Pine) wurde Anfangs 1880 übernommen und zunächst 6 Monate der Luft ausgesetzt, die letzte Zeit in bedecktem Raum. Aus der Mitte dieses 731,52 × 30,48 × 10,16cm (288 × 12 × 4 Zoll) messenden Stückes wurde sodann ein Brett von 731,52 × 7,62 × 7,62cm (288 × 3 × 3 Zoll) gewonnen und hieraus vorläufig 10 Stäbe von 101,60 bis 137,16cm (40 bis 54 Zoll) Länge und 3,16 bis 7,62qc (5/4 bis 3 Quadratzoll) Querschnitt hergestellt, welche zur Ermittelung des Elasticitätsmoduls und der Festigkeit bei vorübergehender Belastung dienten. Die für den einfachen frei aufliegenden Balken von rechteckigem Querschnitte gültige Formel s=\frac{3\,P\,L}{2\,b\,h^2} beim Bruche s = 770 bis 840k/qc (11000 bis 12000 Pfund auf 1 Quadratzoll), während der Elasticitätsmodul zwischen 140600 und 158200k/qc (2 bis 2,25 Million Pfund auf 1 Quadratzoll) schwankte. Die Dichtigkeit variirte von 0,75 bis 1,00 und hielt sich gewöhnlich um 0,85. Durch mäſsiges Ausdörren wurde die Dichtigkeit jedenfalls nur unwesentlich geändert, während der Elasticitätsmodul auf 173700 (2,5 Million) stieg und die Festigkeit um etwa 20 Proc. wuchs. Von dem unverwendet gebliebenen Theile des Brettes wurden 3 weitere Stäbe rechteckigen Querschnittes geschnitten, auf 2 Stützen von 101cm,598 (40 Zoll) Entfernung horizontal aufgelegt und in der Mitte durch P belastet. Die Linien der Jahresringe bildeten mit den Querschnittskanten Winkel von etwa 45°. Es ergaben sich folgende Einsenkungen und Bruchgewichte in cm und k: Tabelle II. Gewöhnliche Versuchsmethode. Stützweite 101cm,598. Stab A Stab B Stab C b = 2,827 h = 2,807 b = 2,812 h = 2,812 b = 2,794 h = 2,794 P Einsenkung P Einsenkung P Einsenkung 22,7 0,5402 22,7 0,5169 22,7 0,5557 Nach 5 Min. 0,5496 Nach 5 Min. 0,5397 Nach 5 Min. 0,5667 45,3 1,1021 45,3 0,9995 45,3 1,1501 Nach 5 Min. 1,1120 Nach 5 Min. 1,0160 Nach 5 Min. 1,1742 68,0 1,6700 68,0 1,4744 68,0 1,7356 Nach 5 Min. 1,7008 Nach 5 Min. 1,4821 Nach 5 Min. 1,7653 90,6 2,2819 90,6 1,9405 90,6 2,3617 Nach 5 Min. 2,3230 Nach 5 Min. 1,9634 Nach 5 Min. 2,4088 113,4 2,9342 113,4 2,4460 113,4 3,0627 Nach 5 Min. 3,1206 Nach 5 Min. 2,4828 Nach 5 Min. 3,1579 136,1 3,8376 136,1 2,9984 136,1 3,9745 Nach 5 Min. 4,0464 Nach 5 Min. 3,0937 Nach 5 Min. 4,2450 „    6    „ 4,0713 158,8 3,7350 „    6    „ 4,2882 158,8 4,9095 Nach 5 Min. 3,9067 147,4 4,7162 172,4 Bruch „    6    „ 3,9877 154,2 Splitterung 186,0 Bruch 156,5 Bruch Der Stab B scheint nach der geringen Einsenkung und groſsen Bruchlast ausnahmsweise steif und fest gewesen zu sein und, da Stab C durch Zersplitterung brach und etwas schwächer als Stab A und B war, so nimmt der Verfasser etwa 170k (375 Pfund) als durchnittliche Bruchlast für Stäbe obiger Abmessungen an. Um jetzt den Einfluſs der Anstrengungsdauer festzustellen, wurden 9 Stäbe in gleicher Weise wie die vorigen aufgelegt und belastet, jedoch zu je dreien mit nur 158,1, bezieh. 136,4 u. 113k,6 (350, 300, 250 Pfund), also mit etwa 95, 80, 65 Procent der angenommenen Tabelle III. Zeitversuch: Belastung P = 158k,1. Stützweite 101cm,598. Stab A Stab B Stab C b = 2,794 h = 2,794 b = 2,845 h = 2,845 b = 2,794 h = 2,794 Zeit in Stdn. Einsenkung Zeit in Stdn. Einsenkung Zeit in Stdn. Einsenkung 0,3975 0,4331 0,4597 0,4068 4,3624 5,1561 18 5,9397 zwischen 27 ¼ 5,9681 43 Bruch und 30½ Bruch zw. 4½ Bruch und 13½ Tabelle IV. Zeitversuch: Belastung P =136k,4. Stützweite 101cm,598. Stab A Stab B Stab C b = 2,819 h = 2,743 b = 2,794 h = 2,845 b = 2,794 h = 2,845 Zeit in Stdn. Einsenkung Zeit in Stdn. Einsenkung Zeit in Stdn. Einsenkung 0,4168 0,3734 0,4802 3,6730 2,8486 4,2381 1 4,0589 ½ 3,0060 1 4,7396 3 4,2331 3 3,1419 2 4,8132 5 4,3982 3,2346 18½ 5,7022 22½ 4,8694 5 3,2435 44 6,4642 47½ 5,3305 21¾ 3,6271 50 6,5836 54 5,4042 46¾ 3,9331 66½ 6,9366 70½ 5,7293 69¾ 4,1605 zwischen 79½ 7,6198 78½ 6,2881 77¾ 4,5059 und 88½ Bruch 95½ 6,9967 94¾ 4,7002 118½ 7,7587 117¾ 4,9174 121 Bruch 141¾ 4,9809 165¾ 5,0367 189¾ 5,0927 238 5,1510 262 5,1917 286 5,2272 310 5,2399 335 5,2857 359 5,3619 406 5,4127 430 5,6159 454 5,7962 478 6,2407 502 6,4794 526 6,5709 598 6,7144 622 6,7360 646 6,7563 719 Bruch Maximalbruchlast. Die Einsenkungen wurden sofort nach Eintritt der Ruhe und dann in Zwischenpausen mittels eines Mikrometers gemessen, der Ablesungen bis nahe 0cm,00025 (0,0001 Zoll) gestattete. Nach Tabellen III und IV brachen die Stäbe der ersten Gruppe sämmtlich innerhalb 2 Tagen, die der zweiten innerhalb 3½, 5, 30 Tagen. Der Verfasser hält es für wahrscheinlich, daſs die Verschiedenheit der Zeiten bis zum Bruche mehr in verschiedener Festigkeit der einzelnen Stücke als in der Verschiedenheit des Einflusses der Anstrengungsdauer lag. Jedenfalls zeigt sich, daſs bei der üblichen Festsetzung des Sicherheitsmoduls je nach der Anstrengungsdauer ganz verschiedene Sicherheiten entstehen können. Das Verhalten der letzten Gruppe Stäbe, welche mit etwa 65 Procent des Maximalbruchgewichtes am geringsten belastet waren, zeigt Tabelle V. Die Einsenkung nahm bei allen 3 Stäben mit der Zeit langsam und stetig zu. Wie ihr übereinstimmendes Verhalten und eine Tabelle V. Zeitversuch: Belastung P = 113k,6. Stützweite 101cm,598. Stab A Stab B Stab C b = 2,743 h = 2,794 b – 2,743 h = 2,794 b = 2,794 h = 2,794 Zeit in Stdn. Einsenkung Zeit in Stdn. Einsenkung Zeit in Stdn. Einsenkung 0,3407 0,3891 0,3277 2,6209 2,6423 2,4945     91 3,2834     90 3,4942       89 3,2247       161⅓ 3,5474       160½ 3,8435        159½ 3,5041       185½ 3,5755       184½ 3,9120        183½ 3,5752       210½ 3,6161       209½ 3,9603        208½ 3,6184       233½ 3,6504       232½ 4,0289        231½ 3,6692       258½ 3,7952       257½ 4,2168        256½ 3,8597       281½ 3,8676       280½ 4,3286        279½ 3,9753       305½ 3,9057       304½ 4,3730        303½ 3,9969       329½ 3,9489       328½ 4,4200        327½ 4,0274       353½ 3,9768       352½ 4,4429        351½ 1,0731   402 4,0124   401 4,4861     400 4,1188   426 4,0378   425 4,4962     424 4,1366   450 4,0530   449 4,5343     448 4,1518   474 4,0632   473 4,5394     472 4,1645   499 4,0886   498 4,5801     497 4,1925   523 4,1292   522 4,6055     521 4,2255   570 4,2207   569 4,7325     568 4,2966   594 4,3299   593 4,7833     592 4,4033   618 4,4238   617 4,9585     616 4,4820   642 4,5153   641 5,0753     640 4,5887   666 4,6194   665 5,1668     664 4,6878   690 4,6601   689 5,2125     688 4,7157   762 4,7439   761 5,2963     760 4,7919   786 4,7693   785 5,3166     784 4,8122   810 4,7820   809 5,3420     888 4,8325 1195 5,0372 1194 5,5427   1193 5,0560 2107 5,5313 2106 6,0736   2105 5,5107 2923 5,7802 2922 6,3288   2921 5,7596 6715 7,4413    6066 ± Bruch   6713 6,7096    8899 ± Bruch 11100 Bruch Vergleichung der anfänglichen Einsenkungen mit den unter gleichem Gewichte bei den ersten Versuchen (Tabelle II) erhaltenen lehrt, konnten die Versuchsstücke als Muster einer guten Qualität Yellow Pine gelten. Kein auſsergewöhnlicher Vorfall beeinfluſste den Bruch. Der Stab, welcher anfangs die gröſste Einsenkung gezeigt hatte, brach zuerst nach etwa 6000 Stunden (die genaue Zeit ist unsicher), derjenige von mittlerer Steifheit hielt 9000 Stunden oder 1 Jahr aus und der letzte brach am 31. Juli 1881 nach 15monatlicher Belastung. Bei Untersuchung der gebrochenen Stücke ergab sich kein Anzeichen einer Festigkeitsverringerung durch Abnutzung; alle Stücke waren vollkommen gesund und die Bruchstellen lieſsen vorzügliches Material erkennen. Die letzte Tabelle zeigt, daſs 65 Procent der gewöhnlichen Bruchlast nicht beliebig lange mit Sicherheit ausgehalten wird; doch scheint es, daſs eine nur wenig kleinere Last unbeschränkt lange oder bis zur Abnutzung des Holzes getragen worden wäre. Rechnet man die wahrscheinliche Bruchlast bei dauernder Anstrengung zu 50 Proc. derjenigen bei vorübergehender und wendet einen Sicherheitsmodul von 2 an, so ergibt sich 4 als Sicherheitsmodul nach der gewöhnlichen Festsetzung auf Grund der Festigkeit bei vorübergehender Belastung. Der Verfasser nimmt an, daſs Holz wie die „Zinnklasse“ der Metalle (vgl. 1877 225 17. 1880 237 10) bei dauernder Belastung eine Abnahme der normalen Reihe von Elasticitätsgrenzen erfährt und würde eine vollständige Erforschung dieser Erscheinung an Hölzern von verschiedenen Dimensionen und allen bei Bauconstructionen verwendeten Arten für sehr werthvoll halten. Sicher sei einstweilen, daſs Yellow Pine-Holz bei Beanspruchungen von über 60 Procent der gewöhnlichen transversalen Festigkeit während langer Zeit stetig nachgab und schlieſslich nach einer Periode brach, welche bei den geringeren Belastungen 1 Jahr überschreiten konnte. Selbst wenn die Eigenschaften des Holzes genau bekannt seien, solle für absolut ruhende Belastung ein Sicherheitsmodul von mindestens 4 verwendet werden. Der Verfasser würde wenigstens 5 wählen. Wenn jedoch die Unsicherheiten der gewöhnlichen Praxis bezüglich der Eigenschaften des Materials, besonders aber Erschütterungen und bewegte Lasten in Betracht kommen, soll man nicht unter 8 bleiben und für viele der gewöhnlichen Constructionen auf 10 gehen. – Dies ist übrigens in Deutschland schon jetzt der Fall, wenn auch allerdings auf die besonderen Umstände der Beanspruchung wenig Rücksicht genommen wird. W–h.