Titel: Ueber die Analyse von Dynamiten; von G. Lunge.
Autor: Georg Lunge [GND]
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 171
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Ueber die Analyse von Dynamiten; von G. Lunge. Lunge, über die Analyse von Dynamiten. Schon längst hat man erkannt, daſs es bei der Analyse eines Dynamites zu groben Irrthümern führen kann, wenn man sich damit begnügt, das Nitroglycerin durch ein Lösungsmittel auszuziehen und nach dem Trocknen zu wägen, wobei die Grenze zwischen der Verjagung von Feuchtigkeit und einem Verlust durch Verdampfung von Nitroglycerin kaum zu ziehen ist. Noch weniger zuverlässig ist eine Wägung des unlöslichen Rückstandes. Ohnehin kann man diese Methode nur bei ganz einfachen Guhr-Dynamiten anwenden, nicht aber bei den Gelatine-Dynamiten, welche jetzt so sehr in Aufnahme kommen. Man hat es daher von verschiedenen Seiten für nothwendig erklärt, den Stickstoffgehalt des Dynamites bezieh. den des daraus extrahirten Nitroglycerins zu bestimmen. Dann wird, was wohl keinerseits als ungerecht bestritten werden dürfte, ein nicht vollkommen nitrirtes Produkt nur nach seinem Stickstoffwerthe (18,5 Th. Stickstoff = 100 Th. Trinitroglycerin) angeschlagen. Die früheren Methoden kann man jetzt ganz auſser Acht lassen, seitdem Hempel in der Zeitschrift für analytische Chemie, 1881 Bd. 20 S. 82 gezeigt hat, daſs das Nitroglycerin, sowie andere Salpetersäure-Ester, sich nach der von Crum gefundenen Methode, welche ich durch die Construction des „Nitrometers“ zugänglicher gemacht habe, analysiren lassen und zwar ebenso leicht und genau, wie dies mit der Salpetersäure und deren anorganischen Salzen der Fall ist. Er hat aber mit Recht hervorgehoben, daſs man Kieselguhr-Dynamit nicht gut in meinem Nitrometer behandeln könne, weil die Einführung des breiförmigen Gemenges unbequem ist, und hat daher ein eigenes Instrument für die Dynamit-Analyse construirt, welches a. a. O. beschrieben und abgebildet ist. Wo es sich nur um direkte Bestimmung des Stickstoffgehaltes eines Guhr-Dynamites handelt, dürfte wohl dieser Apparat von Hempel sich als sehr schnell arbeitend und verhältniſsmäſsig bequem sehr bald einbürgern. Wenn man dagegen mit anderen complicirteren Dynamiten zu thun hat, läſst eine so einfache Bestimmung im Stiche; man muſs dann doch zu einer Isolirung des Nitroglycerins in Substanz greifen und kann ich nicht besser thun, als auf die ausgezeichnete und erschöpfende Arbeit von F. Heſs über diesen Gegenstand (vgl. Jahresbericht der chemischen Technologie, 1881 S. 338) hinzuweisen. Heſs hebt darin hervor, daſs man jedenfalls das Nitroglycerin selbst analysiren solle, und empfiehlt dazu statt der Hempel'schen Apparate, auf mein Nitrometer zurückzugreifen, welches allerdings ungleich einfacher in der Construction und bequemer in der Handhabung ist. Bei Gelegenheit der Untersuchung einiger Gelatine-Dynamite, welche mir vor kurzem vorlagen, hatte ich Veranlassung, obigen Fragen selbst näher zu treten, und möchte mir erlauben, meine dabei gemachten Beobachtungen an dieser Stelle mitzutheilen. Nitroglycerin selbst – sei es ganz rein, oder enthalte es Feuchtigkeit, Harz u. dgl. gleichmäſsig durch reine Masse vertheilt, wie man es bei dem Verdunsten einer ätherischen Lösung bekommen wird, – läſst sich im Nitrometer mit gröſster Leichtigkeit, Schnelligkeit und Genauigkeit analysiren. Man wird hierzu entweder das von mir schon früher angegebene „Nitrometer für Säuren,“ oder das erst neuerdings construirte „Nitrometer für Salpeter“ (vgl. 1882 243 * 421) anwenden können. In ersterem kann man höchstens 0g,12, in letzterem nicht unter 0g,3 und nicht über 0g,35 Nitroglycerin anwenden. Diese Begrenzung der zu verwendenden Menge ist die einzige, aber nicht ernstliche Schattenseite der Methode. Man wägt das Kölbchen o. dgl., in welchem sich der Verdunstungsrückstand befindet, tropft die nöthige Menge in den Becher des Nitrometers und wägt zurück. Hat man zu wenig genommen, so gibt man noch etwas zu; hat man aber schon zu viel eingetropft, so daſs das beim Schütteln entwickelte Stickoxydgas nicht Raum genug vorfinden würde, so hilft man sich durch den Kunstgriff, daſs man ein kleines Röllchen Filtrirpapier abwägt, etwas Nitroglycerin aus dem Becher des Nitrometers damit aufsaugt und die entnommene Menge durch eine zweite Wägung des Röllchens feststellt, um sie von der früher gewogenen Menge abzuziehen. Nun gieſst man etwa 2cc concentrirte reine Schwefelsäure in den Becher, saugt diese mit dem Nitroglycerin ein und spült mit einer Menge von etwa 2 und 1cc Säure nach, worauf wie gewöhnlich geschüttelt wird. Die Arbeit dauert nur wenige Minuten, worauf man den Apparat ¼ Stunde stehen läſst und dann abliest. Wenn der Dynamit auſser Nitroglycerin nur noch Nitrocellulose enthält (eigentliche Spreng-Gelatine), so kann man ihn auch direkt im Nitrometer analysiren, indem man ein Stückchen abwägt, in dem Becher des Nitrometers selbst mit Schwefelsäure auflöst und die Lösung einsaugt. Dann erfahrt man natürlich den Gesammtstickstoff und kann, wenn man will, das Nitroglycerin nach dem Extrahiren mit wasserfreiem Aether und nochmalige Behandlung im Nitrometer für sich bestimmen. Dagegen lösen sich die mit nicht nitrirter Cellulose bereiteten Dynamite in Schwefelsäure zu langsam auf, um ihr direktes Einbringen in das Nitrometer empfehlen zu können- hier muſs eben auch die Extraction mit Aether vorhergehen, welche übrigens bei Anwendung eines Soxhlet'schen Apparates (1879 232 * 461) eine sehr einfache Arbeit ist. Ganz unentbehrlich wird eine solche Extraction bei den Dynamiten, welche Salpeter enthalten, der natürlich im Nitrometer seinen Stickstoff ebenfalls als NO abgeben würde. Es ist aber gerade eine ungemein bequeme Methode, zunächst den Gesammtstickstoff, dann denjenigen des mittels Aether ausgezogenen Produktes (Nitroglycerin) und endlich den des Lösungsrückstandes nach völligem Auswaschen mit Wasser (Pyroxylin) zu bestimmen; oder aber man extrahirt diesen selben Lösungsrückstand mit Aetheralkohol (Pyroxylin) und behält dann den Salpeter im Rückstande. Den sogenannten Trauzl'schen Dynamit (Nitroglycerin, Cellulose und Salpeter) kann man folgendermaſsen analysiren: Eine gröſsere gewogene Menge (etwa 10g) wird im Exsiccator 24 Stunden stehen gelassen; durch Rückwägen erfährt man die Feuchtigkeit. Nun extrahirt man mit wasserfreiem Aether, was am besten geht, wenn man die Substanz in eine cylindrische Düte von Filtrirpapier bringt, die man nach der Extraction herausnimmt, zufaltet und bis zum Verdunsten alles Aethers vor dem Wägen liegen läſst. Das Gewicht des Rückstandes sollte sehr nahe dasjenige des rohen Nitroglycerins ergänzen, welches man nach Verjagen des Aethers aus dem Auszuge bei mäſsiger Wärme erfuhrt. Von letzterem Produkte wird eine kleine Probe im Nitrometer analysirt und das Rein-Nitroglycerin daraus berechnet; am besten macht man zwei solche Bestimmungen. Der oben erhaltene Rückstand wird in dem cylinderförmigen Filter selbst in einem dazu passenden Scheidetrichter anhaltend mit heiſsem Wasser gewaschen, bis die Reaction auf Salpeter vollkommen verschwunden ist; der jetzt bleibende Rückstand wird erst einige Stunden bei 70 bis 80°, dann mindestens 24 Stunden im Exsiccator getrocknet und gewogen. Derselbe besteht aus Cellulose, zuweilen mit ein wenig (1 bis 2 Proc.) Nitrocellulose. Wenn diese bestimmt werden soll, was meist nicht lohnen wird, so kann man sie durch Schwefelnatrium oder durch Aetheralkohol ausziehen. Den Salpetergehalt erfährt man hinreichend genau durch den Gewichtsverlust des mit Aether extrahirten Rückstandes beim Ausziehen mit Wasser; will man aber ganz genau verfahren, so sammelt man die Waschwässer, verdampft sie zur Trockene, wägt und analysirt einen kleinen Theil im Nitrometer. Zum Schlüsse möchte ich noch erwähnen, daſs ich auch Versuche angestellt habe, ob eigentliche Nitrokörper beim Schütteln mit Schwefelsäure und Quecksilber ihren Stickstoff ebenso als Stickoxyd abgeben, wie dies die Salpetersäure-Ester thun. Es war dies, wenn auch nicht wahrscheinlich, doch nicht geradezu unmöglich, da sich ja unter diesen Umständen Sulfosäuren bilden und die frei werdende Salpetersäure auf das Quecksilber wirken konnte, z.B. C6H5NO2 + SO4H2 = C6H5SO3H + NO3H. Aber Nitrobenzol mit Schwefelsäure gab auch beim heftigsten Schütteln im Nitrometer keine einzige Gasblase ab und wurde überhaupt nicht verändert; man darf wohl annehmen, daſs auch die anderen eigentlichen Nitrokörper diesen Unterschied von den Salpetersäure-Estern des Glycerins, der Cellulose und anderen analogen Verbindungen zeigen werden.