Titel: Zur Bestimmung des Alkoholgehaltes im Weine; von Dr. Julius Löwe.
Autor: Julius Löwe [GND]
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 219
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Zur Bestimmung des Alkoholgehaltes im Weine; von Dr. Julius Löwe. Mit Abbildung. J. Löwe, zur Bestimmung des Alkoholgehaltes im Weine. Tabarié hat bekanntlich zuerst eine Methode zur Bestimmung des Alkoholgehaltes im Weine in Vorschlag gebracht, welche auch verwendbar ist bei der Bestimmung des Alkoholgehaltes in Bier, in Liqueuren und sonstigen geistigen Flüssigkeiten und darin besteht, daſs ein abgemessenes Volumen der der Untersuchung vorliegenden Flüssigkeit im Wasser bade bis zur Hälfte zur Entfernung des Alkohols verdampft, darauf der eingeengte Rückstand nach dem Erkalten mit destillirtem Wasser wieder auf sein ursprüngliches Volumen gebracht und von diesem das specifische Gewicht genau ermittelt wird. Kennt man von einer so behandelten Weinprobe zugleich das specifische Gewicht des Weines selbst, so findet man dasjenige des verjagten Alkohols, indem man das specifische Gewicht der verdampften und wieder verdünnten Weinprobe von jenem des ursprünglichen Weines abzieht. Angenommen, man habe das specifische Gewicht eines Weines genau ermittelt und gefunden, dasselbe betrage 0,9976; ferner habe man ein Volumen von 100 bis 150cc des zur Ermittelung des Alkoholgehaltes vorliegenden Weines im Wasserbade bis auf die Hälfte verdampft und den erkalteten Rückstand bei gleicher Temperatur mit destillirtem Wasser wieder bis auf 100 bis 150cc aufgefüllt und dann das specifische Gewicht = 1,0137 gefunden, so ergibt sich das specifische Gewicht des verjagten Alkohols = 0,9976 – 0,0137 = 0,9839 und dieses entspricht nach den Tabellen von O. Hehner (1881 239 36) einem Alkoholgehalte von 12,58 Vol.- oder 10,15 Gew. Proc. bei 15,5°. Diese Methode beruht auf dem Grundsatz, daſs der Alkohol den Wein specifisch leichter macht, während die nicht flüchtigen Stoffe dessen specifisches Gewicht erhöhen. Entfernt man daher den Alkohol mittels Verdunstung, so muſs die Differenz des specifischen Gewichtes von dem Weine und dem verdünnten Weine das specifische Gewicht des verjagten Alkohols ergeben und nach diesem sich der Procentgehalt dem Volumen oder Gewichte nach feststellen lassen. Vorstehende Methode liefert um so befriedigendere Resultate, je genauer man arbeitet, die Temperatur bei der Bestimmung berücksichtigt und die specifischen Gewichte alle mittels des Pyknometers auf der Wage ermittelt und die Anwendung von Aräometern ausschliefst. Absolut genau ist allerdings auch dieses Verfahren nicht, denn bei der Verdampfung des Alkohols verflüchtigen sich beim Wein bekanntlich auch kleine Mengen von Essigsäure und vorhandene Aetherarten. Da jedoch diese mit dem Alkohol entweichende Stoffe gegen die Menge des Alkohols selbst sehr zurückstehen, so ergibt dieses Verfahren der Bestimmung des Alkoholgehaltes so befriedigende Resultate, daſs es den Anforderungen der Praxis in den meisten Fällen völlig genügt.Vgl. Mulder: Chemie des Weines. Verbindet man nun mit dieser Methode von Tabarié noch die Bestimmung des Alkohols aus dem Destillate, indem man ein abgemessenes Volumen des zur Untersuchung vorliegenden Weines nicht im Wasserbade, sondern in einem Kölbchen, bei guter Kühlung der Dämpfe, der Destillation unterwirft, so controliren sich die Resultate gegenseitig und man erhält die gröſste Sicherheit für den Verlauf der Arbeit. Bei genauer Ausführung liegt das Ergebniſs der beiden specifischen Gewichte des so ermittelten Alkohols sehr nahe bei einander und zieht man aus beiden das Mittel, so dürfte man sich dem wahren Gehalte am meisten nähren. Nach meinen Bestimmungen, die ich an 36 Weinproben nach diesen combinirten Methoden ausgeführt, hat sich fast constant ergeben, daſs das Resultat nach der Methode von Tabarié um ein geringeres niedriger ausfällt als dasjenige nach der Bestimmung des Destillates, so daſs man den Procentgehalt an Alkohol nach Tabarié's Verfahren etwas niedriger findet, aber niemals höher. Unverkennbar macht die Ausführung beider Methoden die Untersuchung etwas zeitraubender in Folge der vielen genauen specifischen Gewichtsbestimmungen, Berücksichtigung der Temperatur dabei u. dgl. m.; allein solche Umstände dürfen bei analytischen Untersuchungen keinen Grund abgeben, die eine oder die andere zu unterlassen, um nur schneller zum Ziele zu gelangen. Ich gebe hier Nr. Spec. Gew.des Des-tillates a Spec. Gew.aus Weinim Rück-stand b Differenz Procent Alkohol Mittel ausbeiden Bestim-mungen nach a nach b Vol. Gew. Vol. Gew. Vol. Gew.   1 0,9829 0,9840 0,0011 13,51 10,92 12,49 10,08 13,05 10,50   2 0,9820 0,9832 0,0012 14.37 11,62 13,24 10,69 13,80 11,15   3 0,9839 0,9846 0,0007 12,58 10,15 11,96 9,64 12,27   9,89   4 0,9835 0,9835 0,0000 12,96 10,46 12,96 10,46 12,96 10,46   5 0,9828 0,9832 0,0004 13,62 11,00 13,24 10,69 13,43 10,84   6 0,9829 0,9839 0,0010 13,52 10,92 12,58 10,15 13,05 10,53   7 0,9825 0,9831 0,0006 13,90 11,23 13.34 10,77 13,62 11,00   8 0,9835 0,9844 0,0009 12.96 10,46 12,13 9,79 12,54 10,12   9 0,9838 0,9845 0,0007 12,68 10,23 12,05 9,71 12,36   9,97 10 0,9832 0,9840 0,0008 13,24 10,69 12,49 10,08 12,86 10,38 11 0.9832 0,9840 0,0008 13,24 10,69 12,49 10,08 12,86 10,38 12 0,9840 0,9850 0,0010 12,49 10,08 11,61 9,36 12,05   9,72 eine Zusammenstellung der Resultate nur von 12 nach diesen Methoden bei 15 bis 16° untersuchten Proben und verzichte auf die Wiedergabe der anderen, weil letztere sich jenen so genau anschlieſsen, daſs dieser Materialbeweis hier genügen dürfte. Bei der Ausführung der combinirten Methode ist noch Nachstehendes zu beachten. Man wähle ein Kölbchen für die Destillation von 300 bis 350cc Rauminhalt, beschickt dasselbe mit einem genau abgemessenen Volumen von 100 bis 150cc Wein und unterwirft den Inhalt nach bestem Verschlüsse des Kölbchens und unter guter Kühlung der Dämpfe der Destillation. Wollte man diese Destillation nur im Wasserbade ausführen, so würde man keine Gewiſsheit erlangen, daſs aller Alkohol übergegangen, und das Resultat könnte somit sehr zweifelhaft ausfallen; denn Weine, reich an Zucker oder Extract überhaupt – wie südliche Weine, Liqueure u. dgl. –, halten den Alkohol fester zurück und man muſs schon längere Zeit den Inhalt des Kölbchens kochen, um allen Weingeist zum Destillate zu führen. Die Temperatur des Wasserbades reicht somit hierfür nicht aus und wollte man zum Ersatze dafür diejenige des Sandbades u. dgl. wählen, so gibt dies wieder der Befürchtung Raum, daſs bei der Concentration des Inhaltes des Kölbchens dessen Temperatur mit steigt und sich dadurch leicht Veränderungen in der Zusammensetzung der rückständigen Flüssigkeit vollziehen können, welche auf das Resultat der Bestimmung des specifischen Gewichtes später von Einfluſs sind. Man wählt deshalb als Bad für das Kölbchen eine gesättigte Kochsalzlösung, deren Siedepunkt bei 108 bis 110° liegt. Das Kölbchen wird so tief in die Flüssigkeit eingelassen, daſs dieselbe bis zu der Stelle reicht, wo der Hals des Kölbchens nach der Ausbauchung beginnt, das Destillationsgefäſs somit ¾ in der Flüssigkeit steht. Um zu vermeiden, daſs beim Verdampfen der Flüssigkeit des Bades sich ausgeschiedenes Kochsalz heraufzieht, bestreicht man den Hals des Kölbchens auſserhalb in der Nähe von dessen Rande mit einer ganz dünnen Fettschicht. Das Kochsalzbad wird erst mit kleiner Flamme erhitzt, so daſs dessen Temperatur nicht über 75 bis 78° steigt, und, sobald bei dieser der gröſste Theil des Alkohols übergegangen ist, erhöht man die Temperatur des Bades bis zum Sieden seines Inhaltes, bei welcher die Flüssigkeit des Kölbchens selbst kocht und die Destillation sich ruhig vollzieht. Steigert man die Temperatur des Kochsalzbades zu schnell, so schäumt der Kölbcheninhalt gerne und es ist ein Ueberspritzen zu befürchten, wodurch das Destillat leicht verunreinigt wird. Textabbildung Bd. 245, S. 222 Bei manchen derartigen zur Destillation gebrachten Flüssigkeiten kommt es dennoch bei aller Vorsicht vor, daſs solche bei einem kleinen Eiweiſs- oder Hefengehalte oder aus sonstigem Grunde schäumen und aus der Flüssigkeit aufsteigende Blasen sich zum Verschlüsse des Kölbchens ziehen, welche in das Kühlrohr gelangen und das Destillat verunreinigen. Kann man auch durch eine nochmalige Destillation des Inhaltes der Vorlage den entstandenen Uebelstand heben, so ist derselbe doch weniger gut zu machen für den rückständigen Inhalt des Kölbchens, dessen specifisches Gewicht doch eine Controle für das Destillat bilden soll. Zur Beseitigung eines solchen Miſsstandes bediene ich mich nachstehender einfacher Abänderung des Verschlusses. Das offene Rohr a reicht bis auf einige Millimeter, zum Stopfen des Kölbchenverschlusses. Bei b ist eine kleine Kugel bestimmt zur Aufnahme von übergetretener Feuchtigkeit; denn die aufsteigenden Blasen werden sich am Stopfen brechen und die mitgeführte Flüssigkeit an den Glaswandungen ablaufen, ohne merklich in a einzutreten. Die Biegung mit der Kugel reicht tief in die zu destillirende Flüssigkeit und steht nur wenige Millimeter vom Boden des Kölbchens entfernt, damit beim festen, luftdichten Eindrehen des Stopfens in das Kölbchen vor Beginn der Destillation nicht das Röhrchen oder der Boden des Kölbchens beschädigt wird. Ebenso darf dieses Röhrchen nicht zu eng gewählt sein, damit die umlaufenden Dämpfe durch dasselbe einen leichten Durchgang finden und eine Spannung im Kölbchen selbst vermieden wird. Füllt man die Kugel mit Pulver von gelöschtem Kalk mit der Vorsicht, daſs der Röhrengang frei bleibt, so kann man selbst auf diese Art das Destillat theilweise entsäuren; denn fast bei allen Weinen besitzt das Destillat eine saure Reaction (durch Essigsäure). Allerdings wäre eine solche Einsäuerung nur für eine normale Destillation zu empfehlen, bei welcher keine Blasenbildung stattfindet und das Röhrchen innen frei von eingetretener Weinflüssigkeit bleibt. Die Destillation ist zu unterbrechen, sobald ⅔ – also 100cc von 150cc – überdestillirt sind. Um bei Untersuchung mehrerer Proben dieselben unter gleiche Bedingungen zu stellen, fängt man das gut gekühlte Destillat in einem nach bekannter Art verschlossenen, in Cubikcentimeter getheilten Cylinder auf oder in einem ungetheilten, an welchem man den Rauminhalt von 100cc markirt hat. Der weingeistige Inhalt der Vorlage wird darauf in den wohl gereinigten Cylinder entleert, welcher anfänglich zum Abmessen des Weines gedient hatte, mit wenig destillirtem Wasser öfter ausgespült und mit diesem das Destillat bis auf 150cc verdünnt. Nach guter Mischung stellt man die Flüssigkeit in einem Zimmer von möglichst constanter Temperatur zwischen 15 bis 16° auf und füllt mit ihr das Pyknometer zur Ermittelung des specifischen Gewichtes nach bekanntem Verfahren, nachdem man zuvor das Gewicht eines gleichen Raumtheiles luftfreien Wassers von gleicher Temperatur gesucht hat. Unterdessen hat sich das Kochsalzbad so weit abgekühlt, daſs man das Kölbchen mit dem Destillationsrückstande herausheben und gut mit destillirtem Wasser abspülen kann. Man kühlt es ab durch längeres Einstellen in Wasser von 15 bis 16°, trocknet es dann ab, lüftet den Stopfen und hebt das Röhrchen mit demselben etwas heraus, um es mit wenig destillirtem Wasser zu reinigen. Den Inhalt des Kölbchens entleert man dann in einen in Cubikcentimeter getheilten Cylinder, spült dasselbe mit dem destillirten Wasser aus und füllt den Inhalt des Cylinders mit destillirtem Wasser genau auf 150cc auf. Im Uebrigen ist dann in gleicher Art zu verfahren wie mit dem weingeistigen Destillate. Man hat zur Ermittelung des Weingeistgehaltes im Wein, Bier, in Liqueuren u. dgl. verschiedene Instrumente empfohlen, wie z.B. das Oenometer von Tabarié, das Ebullioskop von Brossard-Vidal u.a., ferner das Vaporimeter von Geiſsler. Alle diese geben sicherlich in geübter Hand recht zuverläſsige Resultate, wenn es sich nur um die Ermittelung des Alkoholgehaltes reiner Gemische von Wasser und Alkohol handelt, auf welche sie zumeist gestellt sind; ob jedoch diese Zuverläſsigkeit auch bei vergohrenen, geistigen, Extract haltigen Flüssigkeiten von der Natur der obengenannten in allen Fällen zutrifft, erscheint sehr fraglich und läſst sich eher verneinen. Aus der Spannung der Dämpfe allein auf den Alkoholgehalt solcher geistigen Lösungen zurück zu schlieſsen, ist schon deshalb nicht genau, weil z.B. in allen Weinen kleine Mengen von Aetherarten enthalten sind, deren Betrag ja nach der Qualität des Weines und dessen Jahrganges wechselt und deren Gegenwart die Spannung bei 100° sicherlich mit erheblich beeinfluſst. Sind nun gar noch Gase in der zu untersuchenden geistigen Flüssigkeit aufgelöst, wie z.B. Kohlensäure bei Schaumweinen, so wird das Resultat begreiflich auch bei einem richtig justirten Instrumente ganz unbrauchbar und man ist genöthigt, erst das Gas für das Vaporimeter mit Kalkhydrat zu entfernen und die Flüssigkeit der Filtration zu unterwerfen, welche Arbeiten die Schnelligkeit der Ausführung hemmen, leicht Verluste mit sich führen und bei einem hier kaum zu vermeidenden Ueberschusse des Entsäuerungsmittels leicht den anderen Nachtheil schaffen, daſs sich beim Erwärmen der alkalisch reagirenden Flüssigkeit Ammoniak entwickelt, welches die Spannung mit vergröſsert; denn alle Weine entbinden beim Erhitzen mit Kalkhydrat Ammoniak, mag dieses nun auf Kosten von Eiweiſs, Hefe oder von kleinen Mengen zurückgebliebener Schöne u. dgl. kommen. Der groſse Vortheil des Japanischen Verfahrens, verbunden mit der Destillation, ist, wie bereits hervorgehoben, immer der, daſs ein erlangtes Resultat das andere controlirt und dadurch die Befürchtung jeglicher Täuschung ausgeschlossen wird. Es ist ja nicht zu verkennen, daſs auch die Destillation keinen reinen Alkohol hier liefert, sondern daſs derselbe kleine Mengen von Aetherarten und Essigsäure mit sich führt, wie dies der weinige Geruch des Destillates und dessen saure Reaction für blaues Lackmuspapier hinlänglich beweisen; allein so viel kann angenommen werden, daſs diese Erscheinungen das Resultat der specifischen Gewichtsbestimmungen in viel geringerem Grade beeinflussen, als dies sicherlich bei der Spannungsmethode der Fall ist. Zum Zwecke der Feststellung des Unterschiedes im specifischen Gewichte zwischen dem gesäuerten und entsäuerten Destillate wurden 150cc Wein der Destillation in angegebener Art unterworfen, die erlangten 100cc des Destillates wieder auf 150cc aufgefüllt und das specifische Gewicht zu 0,9840 ermittelt. Darauf wurden wieder von 150cc desselben Weines gut ⅔ abdestillirt, das Destillat wieder auf 150cc gestellt und nochmals in der Art unter Zusatz von etwas kohlensaurem Calcium der Destillation unterzogen, bis 100 bis 120cc übergegangen waren, und darauf das specifische Gewicht mit 0,9843 gefunden, also eine Differenz von 0,0003, die sicherlich nicht erheblich ist und 0,27 Vol.-Proc. bezieh. 0,22 Gew. Proc. beträgt. Die sauere Reaction des Destillates beim Wein in der Art zu vermeiden, daſs man den Wein mit wenig Kalkmilch oder Kreide versetzt und dann denselben erst der Destillation unterwirft, wie dieses Verfahren von einzelner Seite vorgeschlagen wurde, hieſse die Gegenprüfung nach Tabarié's Verfahren unmöglich machen. Die freie Essigsäure wie die Aetherarten würden damit allerdings aus dem Destillate fern gehalten, an ihre Stelle aber bei Anwendung von Kalkmilch in erheblicher Menge ein Ammoniakgehalt treten, dessen Gegenwart wieder die erstrebten Vortheile höchst fraglich macht. Man könnte nach meinem Dafürhalten das Destillat, ohne 2malige Rectification, nur in der Weise entsäueren, daſs man die Alkoholdämpfe über heiſses gelöschtes Kalkpulver leitet etwa in der Art, wie dies im Prinzipe von mir mit dem Röhrchen nebst der Kugel angegeben wurde. Frankfurt a. M., Juni 1882.