Titel: Ueber Arbeitsübertragung durch Elektricität.
Autor: Gustav Schmidt
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 273
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Ueber Arbeitsübertragung durch Elektricität. (Fortsetzung des Berichtes S. 233 d. Bd.) G. Schmidt, über Arbeitsübertragung durch Elektricität. Die von Deprez geführte Rechnung stellt sich allgemein durchgeführt folgendermaſsen. Sei für eine untersuchte Dynamomaschine: die Anzahl der Umdrehungen in der Minute = u die Stromstärke in Ampère = J die elektromotorische Kraft in Volt = E die verbrauchte Arbeit in der Sekunde T = EJ : g die Arbeit für eine Umdrehung t = 60 T : u der Gesammtwiderstand, der hierbei überwunden wurde,    in Ohm R = E : J der gemessene innere Widerstand an den Schenkeln, d.h.    dem inducirenden Elektromagnete, und dem Anker,    d.h. dem rotirenden inducirten Leiter = r. Geben wir der Drahtleitung der Schenkel und des Ankers für den Zweck der Kraftübertragung auf, eine groſse Entfernung = Lkm einen Querschnitt a : m, wenn sie früher den Querschnitt a hatte, so wird bei Verwendung gleicher Materialmenge die Länge und somit die Anzahl der Windungen m mal so groſs und der innere Widerstand bei m facher Länge und (a : m) Querschnitt m2 mal so groſs als früher, also r1 = m2r. Für die sekundäre Maschine gleicher Construction ist ebenfalls r2 = m2r und für die Leitung betrage der Widerstand w Ohm für 1km, somit wL Ohm, dann ist der Gesammtwiderstand: R_1=2\,m^2\,r+w\,L . . . . . . . . . (1) Wird also nach Deprez angenommen, daſs bei gleicher Gröſse des magnetischen Feldes die neue Stromstärke im Beharrungszustande: J_1=J\,:\,m . . . . . . . . . (2) werde, so ergibt sich für den Beginn der Bewegung der sekundären Maschine die elektromotorische Kraft an der primären Maschine: E_1=J_1\,R_1=(J\,:\,m)\,R_1 . . . . . . . . . (3) Bei u Umdrehungen der primären Maschine wäre aber wegen der mfachen Windungszahl die elektromotorische Kraft E2 = mE; wir benöthigen daher nicht u Umdrehungen, sondern nur: u_1=\frac{E_1}{E_2}\,u=\frac{J_1\,R_1}{m\,E}\,u=\frac{J\,R_1}{m^2\,E}\,u . . . . . . . . . (4) Umdrehungen in der Minute, um das an der sekundären Maschine anpassend wirkende Kraftmoment eben zu überwinden. Wegen Gleichung (1) ist auch: u_1=\frac{J\,u}{m^2\,E}\,(2\,m^2\,r+w\,L)=\frac{2\,r\,J\,u}{E}+\frac{J\,u\,w\,L}{e\,m^2}, welche Gleichung den Typus hat: u_1=\left(a+\frac{b\,L}{m^2}\right)\,u, wobei a=\frac{2\,r\,J}{E},\ b=\frac{J\,w}{e} . . . . . (5) Sollen N Pferdestärken geleistet werden = 75 N Meterkilogramm in der Sekunde, so muſs die sekundäre Maschine (75 N : t) Umgänge in der Sekunde, also: U_1=\frac{60\,\times\,75\,N}{t}=\frac{60\,\times\,75\,N}{60\,T}\,u=\frac{75\,N\,u}{T} . . . . . . . (6) Umdrehungen in der Minute machen, folglich muſs die primäre Maschine: U_2=u_1+U_1 . . . . . . . . . (7) Umdrehungen in der Minute erhalten, wobei sie eine Betriebsarbeit von \frac{U_2\,t}{60}=\frac{U_2\,T}{u} Meterkilogramm in der Sekunde benöthigt, oder N'=\frac{U_2\,T}{75\,u} Pferdestärken =\frac{T}{75\,u}\,(u_1+U_1). Wegen Formel (4) und (6) ist: N'=\frac{T}{75}\,\left(\frac{J\,R_1}{m^2\,E}+\frac{75\,N}{T}\right)=N+\frac{J\,R_1\,T}{75\,m^2\,E}, also wegen T = EJ : g auch: N'=N+\frac{J^2\,R_1}{75\,m^2\,g} . . . . . . . . . (8) Der Wirkungsgrad α ist: \frac{U_1}{U_2}=\frac{N}{N'}=\frac{e'}{E'} . . . . . . . . . (9) wenn e' und E' die negative und positive elektromotorische Kraft an der sekundären und primären Maschine im Betriebe bedeuten, deren Unterschied Er – e' = J1 R1 sein muſs; also ist: E'-\alpha\,E'=J_1\,R_1=\frac{J}{m}\,R_1, daher E'=\frac{J\,R_1}{m\,(1-\alpha)} . . . . . (10)          e'=\alpha\,E' . . . . . . . (11) und zur Controle: E'-e'=J_1\,R_1 . . . . . . . . . (12) Die in Wärme übergegangene Arbeit beträgt in der Sekunde: T_c=75\,(N'-N)=\frac{J^2\,R_1}{m^2\,g} . . . . (13) daher auch N'=N+1/75\ T_c . . . . . . . . . (14) und \alpha=\frac{N}{N'}=\frac{1}{1+(T_c\,:\,75\,N)} . . . . . . (15) Zur Controle dieser Formeln, welche die Deprez'sche Rechnungsweise allgemein darstellt, erhalten wir für die Maschine Modell C gegeben: n = 1200, J = 81,22, E = 69,9, r = 0,21, also T = 579 und für gewöhnlichen Telegraphendraht w = 9, also nach Gleichung (1): R_1=0,42\,m^2+9\,L, . . . . . . (16) nach (2): J_1=\frac{J}{m} . . . . . . (17) nach (3): E_1=\frac{81,22\,R_1}{m} . . . . . . (18) Dann nach (4): u_1=\frac{81,22\,R_1}{m^2\,\times\,69,9}\,\times\,1200=1394\,\frac{R_1}m^2{} . . . . . . (19) oder auch nach (5): u_1=585,5+12550\,\frac{L}{m^2} . . . . . . . . . (20) Nach (6): U_1=\frac{75\,\times\,1200\,N}{579}=155,44\,N . . . . . . . . . (21) Nach (7): U_2=u_1+U_1=585,5+12550\,\frac{L}{m^2}+155,44\,N . . . . . . . . . (22) Nach (13): T_c=\frac{{\overline{81,22}}^2\,R_1}{m^2\,\times\,9,81}=672,445\,\frac{R_1}{m^2} . . . . . . . . . (23) Nach (14): N'=N+8,966\,\frac{R_1}{m^2} . . . . . . . . . (24) Nach (9): \alpha=\frac{U_1}{U_2}=\frac{N}{N'} . . . . . (25) Nach (10): E'=\frac{81,22\,R_1}{m\,(1-\alpha)} . . . . . . (26) Nach (11): e'=\alpha\,E' . . . . . (27) Nach (12): E'-e'=E_1 . . . . . (28) Nach den specialisirten Formeln (16) bis (28) erhalten wir zunächst für das Deprez'sche Beispiel mit m = 50, L = 50km, N = 10e die Werthe: R1 = 1500, J1 = 1,6244, E1 = 2436,6, (R1 : m2) = 0,6, u1 = 836,4, U1 = 1554,4, U2 = 2391, Tc = 403,5, N' = 15,38, α = 0,6502, E' = 6966, e' = 4529, E' – e' = 2437. Da nun diese Zahlwerthe mit jenen von Deprez gerechneten übereinstimmen, ist sichergestellt, daſs durch die Formeln (1) bis (15) bezieh. (16) bis (28) die Deprez'sche Methode zu rechnen richtig verallgemeinert ist und auf andere Beispiele übertragen werden kann, wobei wir uns nicht auf die Frage einlassen, ob diese Deprez'sche Methode von den strengeren Physikern gebilligt wird oder nicht, da Deprez ein so erfahrener Elektriker ist, daſs angenommen werden darf, es sei die Methode für den praktischen Gebrauch hinreichend genau. Wir setzen also nun N = 4e statt 10e und L = 5km statt 50km und finden dafür folgende Resultate: Mit m = 5 7 10 25 J 1 = 16,244 11,603 8,122 3,2488 R 1 = 55,5 65,58 87 307,5 E 1 = 901,5 760,92 706,6 999 R1 : m2 = 2,220 1,338 0,870 0,492 u 1 = 3095 1866 1213 686 U 1 = 622 622 622 622 U 2 = 3717 2488 1835 1308 T c = 1493 900 585 331 N' = 23,91 16 11,80 8,41 α = 0,1673 0,25 0,339 0,4755 E' = 1082,6 1014,5 1069,0 1904,6 e' = 181,5 253,6 362,4 905,6 E' – e' = 901,5 760,9 706,6 999 Zur Controle rechnen wir noch den Wirkungsgrad α für m = 5: nach der Formel: \alpha=\frac{1}{2}\,\left(1-\sqrt{\frac{4\,R_1\,T_1}{E^2}}\right), worin Ti = g × 75 N = 2943 und E = 1082,6 zu setzen ist, und finden \alpha=1/2\,(1-\sqrt{0,4425})=0,1673. In allen 4 Fällen gilt hier das Zeichen minus vor dem Wurzelzeichen. Bei der zunehmenden Feinheit des in den Maschinen verwendeten Drahtes nehmen folgende Gröſsen ab: Die Stromstärke J1, die Geschwindigkeit u1 der primären Maschine für den Beginn der Bewegung der sekundären Maschine, die Umdrehungszahl U2 der primären Maschine für gegebene indicirte Leistung N an der sekundären Maschine, die in Wärme übergehende Arbeit Tc und die Leistung N' Pferdestärken an der primären Maschine. Dagegen nehmen stetig zu: Der Gesammtwiderstand R1, der Wirkungsgrad a und die elektromotorische Kraft e' an der sekundären Maschine. Nicht so verhält es sich mit der für die Möglichkeit der Isolirung wichtigsten Gröſse E' nämlich mit der elektromotorischen Kraft an der primären Maschine und mit dem Unterschied E' – e' = E1 = J1R1, welche beiden Gröſsen zuerst abnehmen, bei zwei verschiedenen Werthen von m ein Minimum erreichen und dann wieder stetig wachsen. Sehr leicht ergibt sich das Minimum von: E_1=\frac{J}{m}\,R_1=\frac{J}{m}\,(2\,m^2\,r+w\,L)=2\,J\,r\,m+\frac{J\,w\,L}{m} für 2\,J\,r-\frac{J\,w\,L}{m^2}=0, also m=\sqrt{\frac{w\,L}{2\,r}}, . . . . . . . . . (29) wobei E_1=2\,J\,\sqrt{2\,r\,w\,L} . . . . . . . . . (30) wird, also in unserem Beispiele für: m=\sqrt{45\,:\,0,42}=10,35, womit E_1=706,2. Die etwas umständlichere Untersuchung des Minimums von E' gibt das Resultat: m=J\,\sqrt{\frac{w\,L}{75\,g\,N+2\,r\,J^2}} . . . . . . . . . (31)     {E'}_{min}=\frac{2\,J\,w\,L}{m} . . . . . . . . . (32) in unserem Beispiel: m = 7,2082 und E' = 1014,1. In dem Deprez'schen Beispiel mit L = 50km und N = 10e hätte man das Minimum von E' erhalten für m=81,22\,\sqrt{450\,:\,10128}=17,12, womit E' = 4270 statt 6966 Volt, also doch viel eher ausführbar. Allerdings wäre hierbei der Wirkungsgrad u geringer; es würde nämlich folgen: R1 = 573,1, J1 = 4,7442, E1 = 2719, u1 = 2726, U1 = 1555, U2 = 4281, Tc = 1315mk, N' = 27,53, α = 0,3632, E' = 4270, e' = 1551, E'e' = 2719. Der theoretische Wirkungsgrad wäre daher 36 statt 65 Proc. und die Umdrehungszahl der primären Maschine müſste 4281 statt 1554 in der Minute betragen, wobei durch die Vibrationen nicht nur ein erheblicher Theil der Betriebsarbeit verloren ginge, sondern auch das Heiſslaufen zu befürchten wäre. Da es also ebenso unthunlich ist, auf mehr als 4000 Touren zu gehen, wie es wohl unthunlich sein wird, 7000 Volt zu isoliren, so ist die Uebertragung von 10e auf 50km Entfernung mittels eines Telegraphendrahtes vorläufig wohl nur ein frommer Wunsch, während die Uebertragung von 4e auf 5km ausführbar und geeignet erscheint, die Kleinmotoren zu ersetzen, ja vielleicht dieselben sogar zu verdrängen, wegen der Feuersicherheit elektrischer Motoren. – Wir sehen, daſs erst die Verallgemeinerung der Deprez'schen Methode gestattet, die verschiedenen Umstände gegen einander abzuwägen und eine richtige Wahl der Feinheit der Maschinendrähte zu treffen. Gustav Schmidt.