Titel: Neuerungen an zwangläufigen Ventilsteuerungen.
Autor: Whg.
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 439
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Neuerungen an zwangläufigen Ventilsteuerungen. Mit Abbildungen auf Tafel 25, 27 und 29. (Patentklasse 14. Schluſs des Berichtes S. 401 dieses Bandes.) Neuerungen an zwangläufigen Ventilsteuerungen. Fig. 1 und 2 Taf. 29 zeigen eine allerdings nicht sehr einfache, aber recht sinnreich ausgedachte Steuerung von O. Köchy in Berlin (*D. R. P. Nr. 13771 vom 13. Oktober 1880), bei welcher hauptsächlich eine möglichst schnelle Schluſsbewegung der Einlaſsventile erstrebt wurde. Der hierzu dienende Mechanismus besteht aus zwei Theilen, welche von den Punkten H1 und W1 des Excenterringes ausgehen und den Hebel H bezieh. den Winkelhebel W in Schwingung setzen. Denkt man zunächst W feststehend, so wird durch die gleichmäſsige Schwingung des Hebels H, welche er durch Zugstange s und Winkelhebel h erhält, das Ventil mittels einer kleinen Schwinge regelmäſsig gehoben und gesenkt, wie es etwa der Vollfüllung entspricht. Dabei rollt der Hebel H zu Anfang und Ende des Hubes mit seiner schwach gekrümmten unteren Fläche auf dem mit Stahlplatte versehenen horizontalen Arm des Winkelhebels W, wodurch ein sanftes Anheben und Aufsetzen des Ventiles erreicht wird. Indem nun dem Winkelhebel W durch den Lenker L und die Zugstange Z gleichfalls eine Schwingung ertheilt wird, welche gröſser oder geringer ausfällt, je nach der Lage des durch den Regulator verstellbaren Drehpunktes o des Gegenlenkers G, wird der als Stütze für H dienende Arm von W früher oder später ausweichen und damit den Ventilschluſs und zwar mit verhältniſsmäſsig groſser Geschwindigkeit herbeiführen. In Fig. 3 Taf. 29 stellt abc die Erhebung des Ventiles (bezogen auf die Kurbelwege als Abscissen) dar, wie sie sich ergeben würde, wenn der Hebel W feststände und der Hebel H sich stets um den Endpunkt e der Rollbahn drehte. Die Curven op bis ol geben andererseits die Ventilhebung an, wie sie bei den verschiedenen Regulatorstellungen stattfinden würde, wenn H in c festgehalten und durch den Winkelhebel W bei steter Berührung in e bewegt würde. Aus beiden ergeben sich die der wirklichen resultirenden Bewegung entsprechenden Curven o1 p1 bis o1 t1 in Fig. 4 oder, wenn noch die Rollbahn berücksichtigt wird, die Curven o2 p2 bis o2 t2 In Fig. 5 sind die entsprechenden auf die Kolbenwege bezogenen Curven gezeichnet. – Die Bewegung des Auslaſsventiles erfolgt gleichfalls mit Hilfe eines auf ebener Platte rollenden Hebels. Die Platte kann genau eingestellt werden. Um die Rückwirkung auf den Regulator und das in Folge davon eintretende Zucken des ganzen Mechanismus zu vermeiden, ohne einen sehr schweren Regulator verwenden zu müssen, empfiehlt O. Köchy, einen der in Fig. 6 und 7 Taf. 29 dargestellten indirekten Uebertrager anzuwenden, von denen der erste für mäſsig schnell, der zweite für sehr schnell laufende Regulatoren bestimmt ist. Dieselben bestehen aus dem in bekannter Weise angeordneten Wendegetriebe und dem Stellzeug, wozu im einen Falle ein Kegelrad- und ein Schraubengetriebe, im anderen Falle ein Schraubenrad- und ein Zahnstangengetriebe verwendet ist. Das Eigenthümliche aber liegt darin, daſs das Reibungsrad v sammt dem ganzen Stellzeug an einem Schlitten g gelagert ist, welcher zugleich mit der nach der Steuerung führenden Zugstange auf- und abbewegt wird. Hierdurch wird erreicht, daſs das ganze Stellzeug der Regulatorhülse immer folgt, daſs also die regulirende Wirkung ähnlich ist, als ob der Regulator mit unbegrenzter Energie direkt wirkend wäre. An der Wirkungsweise der ganzen Steuerung wird somit kaum etwas auszusetzen sein. L. A. Riedinger in Augsburg (*D. R. P. Nr. 13654 vom 6. Oktober 1880, Zusatzpatent zu Nr. 8155) hat die in D. p. J. 1880 235 * 89 beschriebene Steuerung dadurch vereinfacht, daſs er die Coulisse mit dem Excenterring vereinigte, d.h. die bekannte Form der Fink'schen Coulisse benutzte. Bemerkenswerth an der neuen, in Fig. 8 und 9 Taf. 29 abgebildeten Anordnung ist die Bewegung der Auslaſsventile mit Hilfe von Rolle und Rollbahn, welche so gestaltet ist, daſs (wie bei den Einlaſsventilen durch den Wiegenhebel) ein schnelles Oeffnen und Schlieſsen der Ventile, verbunden mit sanftem Anheben und Aufsetzen, stattfindet. Das gleiche Patent betrifft noch verschiedene Anordnungen für Umsteuerungen, bei welchen ebenfalls die Fink'sche oder auch eine andere der bekannten Coulissenanordnungen verwendet ist. Als Beispiel ist in Fig. 10 die Einrichtung mit Stephenson'scher Coulisse dargestellt, wobei der Gleitklotz an einem Lenker aufgehängt ist und die Coulisse durch den Regulator verstellt wird. In etwas veränderter Form ist die Fink'sche Coulisse bei der in Fig. 11 Taf. 29 veranschaulichten Steuerung der Maschinenfabrik „Cyclop“ (Mehlis und Behrens) in Berlin (*D. R. P. Nr. 15 790 vom 4. März 1881) verwendet worden. Mit dem Excenterring ist eine gerade Stange f verbunden, welche im Punkte c durch einen Lenker cd geführt wird. Auf f gleitet eine Hülse, welche einerseits mit dem Regulator, andererseits durch die Zugstange e mit dem Ventilhebel verbunden ist. Sollte für alle Füllungen gleiches Voröffnen erreicht werden, so müſste die Stange f nach einem Kreisbogen gekrümmt sein, dessen Radius gleich der Länge der Zugstange e ist. Bei der in Fig. 12 Taf. 29 abgebildeten Steuerung von F. Knüttel in Bannen (*D. R. P. Nr. 17 046 vom 18. Februar 1881, abhängig von Nr. 8155 bezieh. Nr. 13 654) ist gleichfalls eine Coulisse c benutzt, welche zugleich den Ventilhebel bildet und in ihrem Endpunkte mit der Stange des Excenters a verbunden ist. Der durch den Regulator verschiebbare Gleitklotz, welcher von dem Excenter d regelmäſsig auf- und abbewegt wird, bildet den Stützpunkt für den Hebel c mit Ausnahme des ersten und des letzten Theiles des Ventilhubes, für welche der bei y fest gelagerte und durch den Gleitklotz gehaltene Arm f bei h als Rollbahn für c dient. Abgesehen von dieser ein sanftes Anheben und Aufsetzen bezweckenden Einrichtung hat die Steuerung in ihrer Wirkungsweise viel Aehnlichkeit mit der in Fig. 4 Taf. 27 abgebildeten Construction von Kliebiscli (vgl. S. 402 d. Bd.). Während aber dort die Bewegung des Hebeldrehpunktes veränderlich gemacht ist, wird hier der Stützpunkt selbst verschoben und seine Bewegung unveränderlich gelassen. Die Rückwirkung auf den Regulator wird wie bei den Riedinger'schen Constructionen gering, dagegen zur Verstellung des Gleitklotzes eine gröſsere Energie des Regulators nöthig sein als bei den früher besprochenen Steuerungen; am zweckmäſsigsten dürfte dabei ein indirect wirkender Uebertrager etwa von der oben beschriebenen Einrichtung sein. Auch die in Fig. 13 bis 18 Taf. 29 dargestellte Steuerung von M. Kuchenbecker in Schweidnitz, Schlesien (*D. R. P. Nr. 15841 vom 6. Mai 1881) arbeitet mit einer Coulisse. Dieselbe erhält von dem Excenter eine gleichmäſsige Schwingung um den Punkt c. Die breite Excenterstange trägt einen Arm gf, dessen Endpunkt f mit dem Gleitklotz der Coulisse und mit der Ventilzugstange verbunden ist. Die Bewegung des Punktes f wird mithin sowohl von der Bewegung des Punktes g, wie von der Bewegung des Coulissensteins beeinfluſst, wie aus Fig. 13 Taf. 29 näher zu ersehen ist. Im Augenblick des Ventilanhubes befindet sich der Punkt f in a. Nimmt nun der Gleitklotz die Lage D ein, so bewegt sich f nahezu auf einer Geraden, der Ausschlag der Zugstange fällt dann gering aus. Ist aber der Gleitklotz in die andere äuſserste Lage nach D1 gerückt, so beschreibt f die ellipsenähnliche Bahn und die Zugstange erhält einen groſsen Ausschlag. Die Zugstange des Auslaſsventiles ist direkt an die Coulisse gehängt. Das Bemerkenswertheste an dieser Steuerung sind die zur Bewegungsübertragung auf die Ventile dienenden eigenartig geformten Winkelhebel O und P. Fig. 14 entspricht der Ventilöffnung; die Hebel berühren sich in p1; es wird also sanftes Anheben stattfinden. Die Schenkel rollen dann schnell auf einander ab; im nächsten Augenblick findet die Berührung in p1 statt; es folgt nun ein schnelles Oeffnen, bis die Hebel in die Lage Fig. 15 übergehen. In dieser Stellung, welche der für alle Füllungen gleichen gröſsten Ventilerhebung entspricht, bleibt P in Ruhe, bis der Hebel O während der Rückschwingung bei p2 anstöſst; es erfolgt dann schneller Schluſs und schlieſslich sanftes Aufsetzen. Bei der Weiterbewegung nach Schluſs des Ventiles nehmen die Hebel die in Fig. 17 (für ein Auslaſsventil) gezeichnete Lage ein. In die Ventilspindel ist eine Feder eingeschaltet (vgl. Fig. 16), welche in der Schluſsstellung des Ventiles (vgl. Fig. 17) etwas zusammengepreſst ist und einen dichten Abschluſs sichert, zugleich auch einen Bruch verhütet, wenn ein harter Körper zwischen Ventil und Sitz gelangen sollte. Im Gegensatz zu allen bisher besprochenen kraftschlüssigen Mechanismen findet hier also vollständiger Paarschluſs, wenn auch mit höherer Paarung, in der Kette zwischen Excenter und Ventil statt. Es fällt mithin auch jede Feder- oder Gewichtsbelastung der Ventile fort. Dies ist schon deshalb sehr vortheilhaft, weil hier für die Inanspruchnahme der Theile nur das Ventilgewicht in Betracht kommt, folglich die Abnutzung der Bolzen wie auch der Kanten bei p1 und p2 (vgl. Fig. 14) nur gering sein wird. Auſserdem erscheint auch die Verstellung des Gleitklotzes durch einen direkt wirkenden, nicht allzu schweren Regulator möglich. Die Ventilbewegung selbst ist eine möglichst günstige. Wie aus Vorstehendem ersichtlich, ist auch für solche Fälle, wo eine zwangläufige Schluſsbewegung der Ventile gewünscht wird, schon ein sehr reichhaltiges Material vorhanden und es dürfte wohl an der Zeit sein, endlich einmal mit dem Aussinnen von neuen Steuermechanismen aufzuhören. Mit den besseren Constructionen der auslösenden, wie auch dieser zwangläufigen Steuerungen ist im Wesentlichen Alles zu erreichen, was überhaupt von einer Steuerung zu erreichen sein wird. Möge man auch den übrigen Theilen der Dampfmaschine und namentlich einer möglichst tadellosen, genauen und dauerhaften Ausführung derselben seine Aufmerksamkeit zuwenden. Whg.