Titel: Tatham's selbstthätige Apparate für Reisskrempeln.
Autor: G. Rohn
Fundstelle: Band 247, Jahrgang 1883, S. 276
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Tatham's selbstthätige Apparate für Reiſskrempeln. Mit Abbildungen auf Tafel 22. Tatham's selbstthätige Apparate für Reiſskrempeln. Die im J. 1881 in London abgehaltene Internationale Wollindustrie-Ausstellung bot in Bezug auf Maschinen nicht die erwartete Reichhaltigkeit und konnte auch, da fast nur englische Aussteller vertreten waren, nicht auf den Charakter „International“ Anspruch machen. Wenn auch nicht gerade Erfindungen von hervorragender Wichtigkeit, so fand sich doch manches Neue und Interessante dort. Unter den ausgestellten Maschinen nehmen die Tatham'schen Maschinen für Streichgarnspinnerei und unter diesen wieder die Reiſskrempel, welche durch ihre beiden neuen selbstthätigen Apparate für die Materialzu- und Abführung besonders bemerkenswerth sind, einen hervorragenden Platz ein. Es mag daher im Folgenden eine Beschreibung mit Zugrundelegung genauer und die innere Construction vollkommen klar stellender Zeichnungen der genannten beiden Apparate gegeben werden. Selbstthätiger Materialzuführ- oder Speiseapparat.Mikoloschek gibt in seinem Bericht über die Internationale Wollenausstellung 1881 (Reichenberg 1882) auf Taf. 4 Fig. 10 und 11 zwei schematische Skizzen dieses Apparates, welche einen genügenden Einblick in seine Wirksamkeit nicht gewähren. An der Lösung der Aufgabe, die Materialauflage auf den Zuführtisch der Reiſskrempel ganz selbstthätig durch Apparate in regelmäſsigster Weise zu bewirken, wird von verschiedenen Seiten gearbeitet (vgl. 1880 238 * 40) und man muſs gestehen, daſs der Tatham'sche Apparat den Bedingungen am nächsten kommt. Das hier zur Anwendung gebrachte Prinzip mit Zuhilfenahme einer Wage, das schon längst als ein richtiges erkannt wurde (vgl. King 1873 210 169. 249), ist hier in einer neuen Ausführung angewendet, so daſs der Apparat als ein wesentlicher Fortschritt gegen frühere ähnliche bezeichnet werden kann. Der Apparat ist auf Taf. 22 Fig. 1 im Durchschnitt, Fig. 2 in der Seitenansicht mit dem Regulirmechanismus abgebildet. Er ist nach dem Systeme des Amerikaners Bramwell construirt und von Tatham namentlich in der Wollzuführung verbessert.In der Allgemeinen Deutschen Polytechnischen Zeitung, 1882 Nr. 7 ist der Apparat als eine Combination des Holden'schen und Tatham'schen bezeichnet, wie letzterer in Grothe's Streichgarnspinnerei, * S. 276 beschrieben ist, während jener nur die Anwendung einer Wage mit diesem gemein hat, in der Wollzuführung und dem Regulirmechanismus aber ganz anders gestaltet ist. Wir geben hier zugleich die Verbesserungen Tatham's an diesem Apparat nach seinem neuesten englischen Patent (Nr. 4353 vom 6. Oktober 1881), welches die Abnahme der Wolle vom Speisetuch betrifft. Die Wolle befindet sich in einem Kasten A, welcher von den beiden Wänden S des Apparates, der dieselben verbindenden Rückwand R und von dem über die Walzen b laufenden und mit in Holzstäbchen eingesetzten Drahthäkchen versehenen endlosen Speisetuch B gebildet wird. Es ist die Anordnung der gebogenen Rückwand R eine Verbesserung gegen andere bekannte Speiseapparate mit vertikal laufenden Speisetüchern, da sie ohne Anwendung eines unten horizontal laufenden Tuches ein vollkommenes Aufarbeiten der im Kasten A befindlichen Wolle gestattet. Die Wolle wird durch die Häkchen von B erfaſst und in die Höhe geführt. Ein etwaiger Ueberschuſs an mitgenommener Wolle wird von dem Abschläger C abgekämmt und in den Kasten A zurückgeworfen. Bei dem ausgestellten Apparat machte der Abschläger C eine einfach schwingende Bewegung, welche jedoch jetzt dahin verändert ist, daſs die Achse 3 des Hebels C gleichzeitig eine zu B hin- und hergehende Schiebung ausführt. Von der Hauptantriebwelle 1 aus wird durch Scheiben 5 und 6 mit geschränkter Schnur die Welle 2 bewegt, welche gekröpft ist und deren Kropflager durch die kurzen Gelenkstangen c mit 3 verbunden sind. Ein Zapfen an der Scheibe 6, mit gleicher Excentricität wie die Kropflager, ist durch die Stange d mit dem auf 3 festen Arm e verbunden. Die Schlagleiste entfernt sich also beim Niedergehen gleichzeitig von den Zähnen des Speisetuches B, welche Bewegung punktirt angedeutet ist. Die an den Häkchen B hängen bleibende Wolle wird weiter nach der andern Seite geführt und dort durch einen schwingenden Schläger D abgestreift, um über das schräg gestellte Blech F in die Wagschale W zu fallen. Der Abschläger D erhält seine Bewegung von der Kurbel h aus, welche durch eine Stange g mit dem auf der Achse von D befestigten Arm f verbunden ist. Das Blech F ist an seiner unteren Kante verzahnt, damit die Wolle hängen bleibt und nicht von D wieder mit zurückgenommen werden kann.Bei dem Ausstellungsapparat geschah die Wegnahme der Wolle von B durch ein kleines, mit elastischen Querstreifen versehenes, endloses Tuch, welches eine etwas gröſsere Geschwindigkeit hatte und die Wolle in einer Mulde nach der Wagschale schaffte. Die beiden Seitenwände von W laufen nach hinten in die Arme k (Fig. 2) aus, mit denen sie in den verstellbar an S befestigten Lagern Z hängen und die Gewichte g1 tragen, welche die Schale mit der darin befindlichen Wolle ausgleichen. Hat die in W sich ansammelnde Wolle ein bestimmtes Gewicht erreicht, so senkt sich die Schale W. Indem sich gleichzeitig die Arme k heben, tritt die durch einen Draht 16 mit dem einen Arm k verbundene Klinke 17 in das durch eine oben angebrachte Querwelle von der Antriebseite aus bewegte Sperrrad 12, welches lose auf der oberen Walze b sitzt. Der Stillstand dieses Sperrrades 12 bringt dann auf der Antriebseite des Apparates eine VorrichtungVgl. Grothe's Streichgarnspinnerei, S. 424. zur Wirkung, welche durch Verschiebung des Antriebriemens auf der Losscheibe die Bewegung der Hauptwelle 1 des Speiseapparates abstellt, so daſs die weitere Wollzuführung nach W unterbleibt. Von den Zuführcylindern z (Fig. 1) aus wird durch Kegelräder eine Welle mit Schnecken getrieben, welche in das Rad 10 (Fig. 2) greift, das mit dem gleich groſsen Rade 11 in Eingriff steht; letzteres trägt zwei Stifte x und y. Der Stift y kommt nun vor den abwärts gerichteten Arm des Hebels 18, drückt diesen zurück und, indem der obere Arm 18 auf den die zwei Hebel 13 und 14 der beiden Wagschalenhälften W1 und W2 verbindenden Stift 15 drückt, öffnet sich die Wage, worauf die darin aufgenommene Wolle auf den Zuführtisch E fällt. Hier wird sie durch die Schaufel G, welche vom Rade 10 aus durch die Stange 22 und Hebel 23 eine hin- und hergehende Bewegung in Schlitzen der Wände T erfährt, gegen die Zuführcylinder hin geschoben. Der vor denselben befindliche und von dem Rade 9 durch die Stange 24 und Hebel 25 schwingende Zurückstreicher H bewirkt, daſs die zugeführte Wollschicht stets von gleicher Dicke ist. Bei der weiteren Drehung von 11 kommt der Stift x gegen den nach abwärts gerichteten Ansatz am Hebel 19 und drückt diesen zurück; der Hebel 19 steht durch den Draht 20 mit dem kleinen Doppelhebel 21 in Verbindung, welcher durch entsprechendes Andrücken gegen die Klinke 17 letztere auſser Eingriff mit dem Sperrrade 12 setzt, so daſs die Wollzuführung von Neuem erfolgen kann. Es wird also hier in genau gleichen Zwischenräumen immer dasselbe Gewicht Wolle auf den Zufuhrtisch geschüttet und von demselben in stets gleicher Stärke durch die zusammengesetzte Wirkung der Schaufel G und der Streichschiene H der Krempel zugeführt. Um den Apparat an jeder beliebigen Krempel anbringen zu können, ist derselbe vermöge der Schlitzlöcher der Füſse in seiner Höhe verstellbar, ebenso das Zuführtuch T. Die Gewichte g2 bis g4 sichern die richtige Anlage der Hebel 18 und 19 wie auch den Schluſs der Wagschalen W1 und W2. Selbstthätiger Wickelbildungsapparat. Ein schon längere Zeit bekanntes System der Speisung der zweiten Krempel, welches wegen seines Vorzuges der vollkommenen Ausgleichung des Pelzes von der Reiſskrempel geschätzt ist, besteht darin, die Wolle von der Reiſskrempel in runder Bandform abzunehmen, aufzuwickeln und viele solcher Wickel dann der zweiten Karde vorzulegen und diese Wickel gleichzeitig neben einander in der ganzen Breite abzuwickeln und den Speisewalzen zuzuführen. Es ist dieses Ueberführungssystem jedoch nur für die Verspinnung gröſserer Partien zu empfehlen. Bei dem eingangs erwähnten Tatham'schen Krempelsortiment war zwischen der Reiſs- und zweiten Krempel diese Ueberführung angewendet; die erste Karde war mit einem Apparat versehen, welcher ganz selbstständig die Bildung gleich groſser Wickel besorgte, so daſs man nur die leeren Spulen in einen Kasten zu legen und die fertigen Wickel aus einem anderen Kasten zu entnehmen brauchte. In Fig. 3 bis 9 Taf. 22 ist dieser Apparat dargestellt und geben Fig. 3 und 5 Seitenansichten, Fig. 4 einen Längenschnitt, Fig. 6 einen Querschnitt mit der Stellung der Mechanismen während der Wickelbildung, Fig. 8 Lage der Theile beim Auslegen des vollen Wickels und Fig. 9 das Umlegen des Bandes um die frische leere Spule. Das von der Kammwalze abgenommene Vlieſs wird durch einen Trichter zu einem runden Bande geformt, welches dann durch den Bandführer F (Fig. 6) in den Apparat tritt, um mit Hilfe der gerauhten Trommel T (Fig. 4 und 8) um die zwischen den Scheiben S von den Spitzen der Stifte s gehaltene Spule R gewickelt zu werden. Durch die Riemenscheibe 1 wird die Trommel T und von hier aus durch die Zahnräder 2 und 3 die Welle w1 angetrieben; auf derselben sitzt lose die Nuthscheibe 8, welche durch das auf w1 feste Rad 4, die mit einander verbundenen Räder 5 und 6 und das an 8 befestigte Rad 7 eine langsamere Drehung erhält. Die Scheibe 8 besitzt eine wellenförmig eingedrehte Nuth, in welche ein Finger des Bandführers F greift, um dessen für das Aufwickeln nothwendige Hin- und Herbewegung hervorzubringen. Die Stifte s führen sich auſser in bogenförmigen Schlitzen der beiden Apparatwände A1 und A2 in Schlitzhebeln C1 und C2, welche mit ihrem unteren Ende um Zapfen drehbar sind und mit ihrem oberen Ende in den gebogenen Führungen G1 und G2 gleiten. Die Schlitzhebel sind durch Lenkstangen 11 mit den auf einer Welle w2 befestigten Scheiben 10 verbunden. Beim Zunehmen des Wickels W verschieben sich die Stifte s in ihren Führungen; die Schlitzhebel C1 und C2 werden in Folge dessen bewegt und somit durch die Stangen 11 die Scheiben 10 gedreht. Der Bewegung dieser Theile wird sich immer ein gewisser Widerstand entgegensetzen, welchem entsprechend eine dichte Aufwickelung des Bandes stattfindet. Auf der linken Seite des Apparates sitzt auſserhalb auf der Welle w1 lose das Zahnrad 9, ferner ebenfalls lose die Scheibe 22, beide mit Kupplungszähnen versehen, in welche ein am federnden Hebel 26 sitzender Kupplungsmuff abwechselnd zum Eingriff gebracht werden kann. Zahnrad 9 steht mit dem Zahnkranz einer der Scheiben 10 in Eingriff, welche am Rande einen Anschlag 19 und eine etwas niedrigere verstellbare Nase 18 trägt. Der federnde Hebel 26 legt sich mit seinem freien Ende an diese Scheibe 10 und wird durch deren Anschlag bezieh. Nase entsprechend bewegt. Während der Wickelbildung liegt Hebel 26 auf der niedrigeren Nase 18, so daſs der Muff frei zwischen Rad 9 und Scheibe 22 läuft. Hat der Wickel jedoch seine bestimmte Gröſse erreicht, so sind durch C1 und C2 die Scheiben 10 etwas gedreht worden, wodurch der federnde Hebel 26 von Nase 18 abgleitet und den Kupplungsmuff mit dem Rad 9 zum Eingriff bringt und dieses zur Theilnahme an der Drehung der Welle w1 zwingt. Es wird dann diese Drehung durch 9 und 10 auf w2 übertragen. Die Schlitzhebel C1 und C2 werden schnell nach auswärts gedreht, bis dieselben am Ende ihrer Bahn angekommen sind, worauf die Stifte s aus einander gezogen werden und der volle Wickel W nun frei zwischen den Scheiben S über die schräge Wand M (Fig. 8) in den Kasten K fallen kann. Dabei bleibt das Band an dem Kamme h oben am Rand von M hängen und reiſst ab. Das eben erwähnte Auseinanderziehen der Stifte s geschieht dadurch, daſs die oberen Enden von C1, C2 durch die Führungen G1, G2 (vgl. Fig. 7) nach auſsen gedrückt werden. Es sind zwei Leitspuren vorhanden, die innere für den Hingang, die äuſsere für den Rückgang, welche an den Enden in einander übergehen. Dort, wo dieselben zusammenlaufen, ist je eine federnde Zunge 12 und 13 vorhanden, welche die Führung in der richtigen Weise sichert. Während des Auswärtsgehens von C1, C2 drückt gleichzeitig das mit der Lenkstange 11 verbundene Curvenstück 14 (Fig. 3) auf den Hebel 15 und hebt dadurch die auf dessen Achse innerhalb der Wände befestigte Zange Z (Fig. 4) in die Höhe; hierdurch wird der Vorhalter H des Spulenkastens K1 gelüftet und, da der Zangenschenkel z an einem Vorsprunge des Gestelles hängen bleibt, öffnet sich die Zange und eine leere Spule R fallt in sie hinein. Diese Lage und damit die Endstellung von C1, C2 zeigt Fig. 8. Wenn nun bei der weiteren Drehung von w2 die Schlitzhebel C1, C2 zurückgehen, so wird die Zange Z mit der aufgenommenen Spule R durch den Hebel 17 und die Zugstange 16 (Fig. 8) herabgezogen und die Spule gelangt in dem Augenblick zwischen die Scheiben S und Stifte s, wo C1 und C2 aus der äuſseren Führungsspur von G1 bezieh. G2 durch die Zungen 12 in die innere Spur treten, also wieder zusammengehen. Bei Fortschreiten der Drehung wird die Zange Z durch Hebel 16 und 17 wieder in die Höhe bewegt. Darauf kommt der Hebel 26 zur Auflage auf den höheren Anschlag 19 der Scheibe 10, der Muff 26 wird von Rad 9 gelöst und tritt in Eingriff mit Scheibe 22, so daſs diese nun an der Drehung der Welle w1 theilnimmt. Gleichzeitig tritt die Klinke 21 in einen Einschnitt 20 der Scheibe 10 und verhindert dadurch deren Weiterdrehung. Mittels der an die Scheibe 22 gekuppelten Stange 25 und der beiden Hebel 24 und 25 wird nun der Arm P mit dem Stopfer p nach oben bewegt, wobei derselbe durch ein am Stift V anliegendes Curvenstück richtig geführt wird. P geht in die Höhe, nimmt dadurch das Bandende aus dem Kamme h über die Spule hinweg, worauf der Stopfer p das Ende unter die Spule schiebt, so daſs die Wickelbildung wieder beginnen kann (vgl. Fig. 9). Die weitere Drehung der Scheibe 22 bringt P wieder in seine Ruhelage zurück und nun wird durch den Daumen y die Klinke 21 ausgehoben, also Scheibe 10 wieder frei gemacht, so daſs der Daumen x, wenn er mit dem Zapfen bei 18 zusammentrifft, die Scheibe 10 etwas drehen kann, wodurch der Kupplungshebel 26 von dem Anschlag 19 herab auf die Nase 18 gleitet und der Kupplungsmuff wieder in die Mittelstellung zwischen 9 und 22 gelangt, also die Lage erreicht hat, in welcher bei vollem Wickel das Spiel von Neuem beginnen kann. Wie man sieht, ist der Apparat nicht gerade einfach zu nennen; doch wirkt sein selbstthätiger sicherer Gang wirklich überraschend. Es ist schon früher von Platt Brothers ein solcher selbstthätiger Wickelbildungsapparat ausgeführt worden; doch konnte bei denselben immer nur gleichzeitig eine volle Spule entfernt und eine leere aufgegeben werden. An einer Scheibe waren auf einem Durchmesser einander gegenüber 2 Stifte angebracht, auf welche die Spulen gesteckt wurden. Während sich auf dem einen Stift der Wickel bildete, konnte man von dem anderen die vollen Wickel abnehmen und eine leere Spule aufstecken. Wenn der Wickel seine Gröſse erreicht hatte, machte die Scheibe ½ Umdrehung. G. Rohn.

Tafeln

Tafel Tafel 22
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