Titel: Die elektrische Kraftübertragung und ihre Bedeutung für das Kleingewerbe.
Fundstelle: Band 248, Jahrgang 1883, S. 95
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Die elektrische Kraftübertragung und ihre Bedeutung für das Kleingewerbe. Mit Abbildungen. Slaby, über die elektrische Kraftübertragung. Ueber dieses zeitgemäſse Thema hat kürzlich Docent Dr. A. Slaby im Verein zur Beförderung des Gewerbfleiſses einen Vortrag gehalten, welchen wir mit gef. Genehmigung des Verfassers nach den Sitzungsberichten, März 1883 S. 93 nachstehend zum Abdruck bringen. Bei der hervorragenden Bedeutung der Gasmaschine ist es nicht ohne Interesse, zu untersuchen, ob die elektrische Kraftübertragung, die seit einigen Jahren anfängt, eine Rolle zu spielen, berufen sein dürfte, die Stellung der Gasmaschinen herabzudrücken. Die elektrische Kraftübertragung ist ein Kind des allerletzten Jahrzehntes; als sie vor wenig Jahren auf der Berliner Gewerbeausstellung durch Dr. Werner Siemens zum ersten Male in gröſserer praktischer Anwendung gezeigt wurde, wollten Viele, die nicht zu den Eingeweihten gehörten, an eine umfassende nutzbringende Verwendung dieses durchaus fremdartig in die Erscheinung tretenden Mittels nicht recht glauben. Heute ist die Sachlage geändert. Die elektrische Kraftübertragung ist das Schlagwort des Tages geworden in allen industriellen Kreisen und man knüpft die hochgehendsten Hoffnungen daran – und auch nicht mit Unrecht; denn sie steht in der That am Thor und verlangt Einlaſs in die Industrie, sie legitimirt sich bereits durch einen vollberechtigten Paſs auf Grund zahlreicher erprobter Ausführungen. Die Maschinen-Industrie wird diesen Bundesgenossen nicht von der Hand weisen, sondern sie wird seine Dienste an geeigneter Stelle sich zu Nutze. machen. Die Frage nach der Centralisirung der Arbeitskraft ist durch das Hervortreten der elektrischen Kraftübertragung in ein ganz neues Stadium gerückt. Man hat schon früher vorgeschlagen, die Arbeitskraft in gröſseren Städten an mächtigen Centralsitzen zu erzeugen und den Kleinindustriellen zuzuleiten, ähnlich wie Gas und Wasser. Die Wasserleitungen sind zu theuer, als daſs sich an eine ausgedehnte Verwendung dieses schönen und einfachen Mittels zu dem angegebenen Zweck denken lieſse. Der Vorschlag bezüglich der gepreſsten Luft (vgl. S. 22 d. Bd.) hat sich ebenfalls der Kosten wegen nicht durchführen lassen. Anders steht die Sache jetzt. Wenn es gelänge, auf billige Weise die Erzeugung der Elektricität im Groſsen an einem Centralpunkte zu betreiben und den elektrischen Strom in die einzelnen Häuser zu leiten, so wäre damit auch die Frage der Kraftübertragung für die Handwerker in den Bereich der Möglichkeit gerückt. In erster Linie ist dies eine reine Kostenfrage, die Annehmlichkeit steht erst in zweiter Reihe; wäre die letztere allein maſsgebend, so würde es nicht zweifelhaft sein, wohin die Wage sich neigt. Auf der einen Seite eine ungefüge Maschine mit Rädergerassel und mächtigem Schwungrad, mit Gasgeruch und stinkendem Auspuff, – auf der anderen Seite ein kleines, mit Draht bewickeltes, kunstvoll und doch einfach zusammengefügtes Geräth, dessen einziges Geräusch ein behagliches Surren und Knistern ist. Die praktische Lösung verlangt aber, daſs man die Kosten in Rücksicht zieht und daſs der kühlere Standpunkt gewählt wird, wo Zahlen gegen Zahlen stehen. Es fragt sich, ob die erheblichen Kosten für die Centralanlage, für die Leitung und für die unvermeidlichen Verluste ausgeglichen werden können durch den Vortheil einer billigen Krafterzeugung im Groſsen. Die Hauptkosten bei der Transmission verursacht der Kraftverlust; um diesen aber rechnungsmäſsig schätzen zu können, muſs man wissen, in wie weit derselbe durch den Prozeſs bedingt ist. Die Erzeugung der Elektricität in solchen Mengen, daſs die Maschinen-Industrie davon Nutzen ziehen kann, datirt erst von dem Augenblicke, wo Dr. Werner Siemens durch Erfindung der dynamo-elektrischen Maschine die Möglichkeit gab, mechanische Arbeitskraft in jedem Betrage in elektrische Energie zu verwandeln. Wenn eine Dynamomaschine, deren Pole durch einen leitenden Draht verbunden sind, unter Aufwendung mechanischer Arbeit in Umdrehung versetzt wird, so entsteht dasjenige, was man nach Analogie mit den Wärmemaschinen einen elektrischen Kreisprozeſs nennen kann. Wir wollen diesen zunächst unter der Annahme betrachten, daſs in dem ganzen Kreise keinerlei mechanische oder chemische Arbeit geleistet wird, sondern daſs einzig und allein der Widerstand des Drahtes in Rücksicht komme. Dann haben wir 3 Gröſsen sorgfältig aus einander zu halten: zunächst die Stromstärke oder die Intensität des Stromes. Da wir nicht wissen, was Elektricität ist, so müssen wir uns mit Vorstellungen behelfen, die nur in so fern richtig zu sein brauchen, als sie mit den Resultaten im Einklang sind. Man thut nun gut, sich die Sache vom Standpunkt des Mechanikers und zwar so vorzustellen, daſs in dem Stromkreise eine Masse bewegt wird, eine elektrische Masse: welcher Natur dieselbe ist, lassen wir dahin gestellt. Nehmen wir an, es sei möglich, die elektrische Masse durch Zurückführung auf eine Einheit zu messen, so stellt die Intensität des Stromes diejenige elektrische Masse dar, welche in der Zeiteinheit durch jeden Querschnitt dieses Kreises hindurch geführt wird; dieselbe werde mit J bezeichnet. Der elektromotorische Vorgang innerhalb der Dynamomaschine besteht nun darin, daſs dieser elektrischen Masse ein Arbeitsvermögen ertheilt wird. Heben wir z.B. einen Stein auf einen Tisch o. dgl., so häufen wir in dem Stein ein gewisses Arbeitsvermögen an, welches wir auslösen, d.h. zur Wirkung bringen können, indem wir den Stein wieder herunterfallen lassen. Abgesehen von einem Faktor (der Erdacceleration) ist dieses Arbeitsvermögen das Product aus der mechanischen Masse und der Hubhöhe. Das Arbeitsvermögen, welches der elektrischen Masse in der Dynamomaschine ertheilt wird, läſst sich nun ebenfalls darstellen durch das Product aus der elektrischen Masse und einer ideellen Hubhöhe. Letztere nennt man die elektromotorische Kraft der Dynamomaschine und bezeichnet sie mit E. Das Product J × E ist dann das Arbeitsvermögen A, welches der elektrischen Masse in der Zeiteinheit ertheilt wird. Aus dieser Erklärung folgt unmittelbar die gebräuchliche Definition der elektromotorischen Kraft, wonach man unter derselben dasjenige Arbeitsvermögen versteht, welches der elektrischen Masseneinheit in der Zeiteinheit ertheilt wird. Der angegebenen Erklärung schmiegt sich dagegen die in der Praxis übliche Benennung der elektromotorischen Kraft als „Spannung“ zutreffender an. Die 3. Gröſse, welche in dem elektrischen Kreisprozesse eine Rolle spielt, ist der sogen. Widerstand. Man kann sich darunter eine Art Reibungswiderstand denken, welchen die elektrische Masse bei ihrer Fortbewegung zu überwinden hat man bezeichnet ihn mit W. Indem die in der Dynamomaschine gespannte und mit Arbeitsvermögen versehene elektrische Masse durch den Schlieſsungskreis flieſst, gibt sie die Energie, welche in ihr aufgehäuft ist, in Form von Widerstandsarbeit ab; letztere auſsert sich in Wärme und wird durch Strahlung oder Leitung abgeführt. Zwischen den 3 Gröſsen J, E und W besteht eine wichtige Beziehung, das Ohm'sche Gesetz: E = J × W, also elektromotorische Kraft E ist immer das Product aus Stromstärke J und Widerstand W. Das Ohm'sche Gesetz gestattet eine einfache graphische Darstellung. Trägt man in einem Coordinatensysteme Fig. 1 den Widerstand W als Abscisse und die Spannung (elektromotorische Kraft) E als Ordinate auf, so ist J die Tangente des Neigungswinkels a der die Endpunkte X und Y verbindenden Geraden. Denkt man sich der Einfachheit halber den gesammten elektromotorischen Vorgang auf zwei unmittelbar auf einander folgende Punkte (ideelle Pole) innerhalb der Ankerwindungen der Dynamomaschine concentrirt, welche Windungen hier einen Bestandtheil des gesammten Schlieſsungskreises ausmachen, so wird den durch diese beiden Punkte flieſsenden elektrischen Massen die Spannung E ertheilt. Fig. 1., Bd. 248, S. 97 Während die elektrische Masse nun von einem dieser Punkte fort in den Stromkreis flieſst, vermindert sich ihr Arbeitsvermögen und damit ihre Spannung gegen den ursprünglichen Nachbarpol. Das Diagramm gibt uns ein Bild dieses Vorganges; O und X sind die durch den Widerstand W getrennten Pole. Ist die elektrische Masse unter Ueberwindung des Widerstandes OB in den Punkt B gelangt, so ist ihre Spannung gegen den Pol X von E auf e gesunken. Ihr Arbeitsvermögen ist aber (entsprechend der Spannung e) noch so groſs, daſs sie im Stande ist, den weiteren Widerstand BX zu überwinden. Erst nachdem dieser Widerstand vollkommen durchlaufen ist, gelangt sie in dem Pole X an; hierbei ist das gesammte Arbeitsvermögen erschöpft und es bedarf erst einer neuen elektromotorischen Wirkung beim Uebergang von X nach O, damit die elektrische Masse, mit neuem Arbeitsvorrathe ausgerüstet, den ganzen Kreisprozeſs noch einmal durchlaufen kann. Es folgt hieraus, daſs die Intensität des Stromes so lange constant bleiben muſs, als die elektromotorische Kraft und der Widerstand sich nicht verändern. Aus dem oben Angegebenen folgt ferner, daſs die gesammte elektrische Arbeit, welche in dem Kreisprozesse in der Zeiteinheit zur Leistung der Widerstandsarbeit aufgewendet wird, sich ausdrücken läſst durch das Product E × J. Unter Benutzung der Ohm'schen Gleichung kann man aus diesem Ausdrucke entweder E oder J ausscheiden und erhält dann den Arbeitswerth in 3 verschiedenen Formen: A=E\times J=J^2\times W=\frac{E^2}{W}. Man kann also die Gesammtarbeit entweder durch elektromotorische Kraft und Intensität, oder durch Intensität und Widerstand, oder aber durch elektromotorische Kraft und Widerstand ausdrücken. Wenn man nun mit diesen Gröſsen rechnen will, muſs man sie messen können; früher war in Deutschland allgemein das Maſssystem verbreitet, welches Dr. Werner Siemens angegeben hat. Er ging von dem Widerstände aus und definirte für denselben eine Einheit. Die sogen. Siemens-Einheit (SE) ist der Widerstand, den ein Quecksilberfaden von 1m Länge und 1qmm Querschnitt dem elektrischen Strome bietet. Als Einheit der elektromotorischen Kraft wurde nach diesem System die elektromotorische Kraft eines Daniel-Elementes angenommen. Diese Einheit hängt nicht von der Gröſse des Elementes, sondern nur von der Natur der verwendeten chemischen Stoffe ab. Hierdurch ist die Einheit für die Stromstärke bestimmt; denn es folgt aus J=E:W, daſs die Einheit des Stromes diejenige sein muſs, welche erzeugt wird, wenn die elektromotorische Kraft von 1 Dan. in einem Widerstände von 1 SE arbeitet, und man drückt diese Einheit aus durch das Zeichen \frac{\mbox{Dan}}{\mbox{SE}}. Bekanntlich wurde auf dem Pariser Congreſs dieses System für die allgemeine Einführung nicht angenommen (vgl. 1882 243 74); man entschied sich vielmehr für ein System, das auf Erwägungen rein theoretischer Natur basirt (vgl. auch 1882 245 193). Man ging dabei auf die absoluten Einheiten der Zeit, der Länge und der Masse zurück. Es mag beiläufig erwähnt werden, daſs die hieraus abgeleitete Einheit der elektromotorischen Kraft, das Volt = 0,89 Dan. ist, die Einheit für den Strom heiſst Ampère und ist ungefähr =0,84\frac{\mbox{Dan}}{\mbox{SE}}. Die Widerstandseinheit ist das Ohm = 1,06 SE. Wir haben im Kreisprozeſs mit Arbeiten zu thun. Das absolute Maſssystem gibt nun die Arbeitseinheiten sofort in Meterkilogramm an, wenn man das Product E × J, (E in Volt und J in Ampère ausgedrückt) durch die Erdacceleration g dividirt, so daſs also: A=\frac{E\times J}{g\times 75}=\frac{E\times J}{736} die Anzahl der im Kreisprozesse erzeugten elektrischen Pferdestärken bezeichnet. Drückt man E und J in Dan. bezieh. \frac{\mbox{Dan}}{\mbox{SE}} aus, so lautet diese Formel, wie eine einfache Umrechnung ergibt: A=0,00181\,EJ Pferdestärken. Betrachten wir jetzt den Kreisprozeſs, welcher der elektrischen Kraftübertragung entspricht. Mittels einer Dynamomaschine werde mechanische Arbeitskraft in elektrische umgesetzt und in die von den Polen der Maschine ausgehende Leitung werde eine zweite Dynamomaschine eingeschaltet. Es ist bekannt, daſs der von der primären Dynamomaschine erzeugte Strom die secundäre Dynamomaschine in Umdrehung versetzt und zwar in einem Sinne, der demjenigen entgegengesetzt ist, in welchem die secundare Maschine diesen Strom erzeugen würde. Denken wir zunächst einmal die secundare Maschine festgehalten, so daſs sie sich nicht drehen kann; dann haben wir den einfachen vorhin behandelten Kreisprozeſs vor uns: Die von der primären Maschine erzeugte elektrische Arbeit wird verzehrt durch die Widerstandsarbeit und äuſsert sich in Wärme Wirkungen, welche sich über den ganzen Kreis vertheilen. Durch Apparate, welche die Elektrotechnik in so einfachen Formen construirt hat, daſs sie von jedem Arbeiter bedient werden können, lassen sich die 3 Gröſsen E, J und W bestimmen. Tragen wir E und W in der angegebenen Weise in einem Coordinatenkreuze Fig. 2 auf, so erhalten wir in der Tangente des Winkels YXO ein Mais für die in dem Kreise herrschende Stromstärke, welche mit dem Messungsresultate übereinstimmen wird. Geben wir nun, während alles Uebrige unverändert bleibt, die secundäre Maschine frei, so daſs sie sich bewegen und irgend eine nützliche Arbeit verrichten kann;, führen wir also eine Kraftübertragung aus. Wir erkennen diesen Vorgang sofort an unserem Instrumente, welches wir zur Messung der Stromstärke in den Kreis geschaltet haben. Wir beobachten nämlich ein Sinken der Intensität. Dieses Fallen ist unvermeidlich, sobald die elektrische Energie gezwungen wird, neben den Wärmewirkungen noch an irgend einer Stelle des Kreises mechanische Arbeit zu verrichten. Fig. 2., Bd. 248, S. 99 Wie stellt sich dieser Vorgang nun im Diagramm dar? Die Intensität ist durch einen Winkel gemessen. Wird die Intensität kleiner, so wird auch dieser Winkel kleiner; an dem Widerstände in dem ganzen Kreise ist dabei nichts geändert. Nehmen wir an, die secundäre Maschine sei so aufgestellt, daſs von ihren beiden Polen aus bis zur primären Maschine gleiche Widerstände herrschen. Dann wird in dem Punkte P, in der Mitte von O und X, der Standpunkt der secundären Maschine innerhalb des Gesammtwiderstandes zu verzeichnen sein. Tragen wir nun, von den Polen der primären Maschine O und X aus, die während der Kraftübertragung gemessene Stromstärke ein, d.h. ziehen wir von Y und X aus unter dem kleineren Neigungswinkel SXP die Linien YR und SX. Diese neuen Linien geben durch ihre Ordinaten an jeder Stelle des Kreises die daselbst herrschende Spannung der Elektricität. Dieses Diagramm unterscheidet sich nun von dem vorher betrachteten in Folgendem: Die Spannungslinie geht nicht mehr geradlinig von Y nach X, sondern sie erleidet an dem Punkte P einen plötzlichen Sturz; sie fällt von der Höhe PR auf PS. Während bei dem einfachen Umsätze der elektrischen Energie in Wärme sich der Sturz allmählich vollzieht, sehen wir, daſs hier dieser allmähliche Fall nur bis zur secundären Maschine vor sich geht; dann folgt ein plötzlicher Sturz und schlieſslich wieder ein allmähliches Fallen bis zum anderen Pole. Wir können uns diese Sache ebenso erklären wie bei einer Wasserleitung. Wenn durch eine Pumpe (primäre Maschine) Wasser auf eine gewisse Höhe gehoben wird und durch eine Leitung flieſst, so entspricht jedem Punkte der Leitung eine gewisse Druckhöhe des Wassers. Wenn dann ein Stelle kommt, wo das Wasser eine Turbine (secundäre Maschine) treibt, so vollzieht sich an dieser Stelle ein Sturz der Druckhöhe und es erfolgt eine Umsetzung der Energie des bewegten Wassers in mechanische Arbeit; von da ab flieſst das Wasser dann unter allmählicher Druckverminderung weiter. Wir können nun diesen complicirteren Fall der elektrischen Kraftübertragung auf den früheren einfacheren Fall mit reinen Wärmewirkungen zurückführen, wenn wir die Spannungslinie XS bis T verlängern. Wir müssen dann aber zur Erklärung des Vorganges statt der elektromotorischen Kraft E_1=OY der primären Maschine eine kleinere elektromotorische Kraft OT=OY-TY=E_1-E_2 einführen. Man kann also sagen: Die Wirkung der secundären Maschine ist gleichbedeutend mit der Erzeugung einer elektromotorischen Gegenkraft E2. Die Intensität des wirkenden Stromes ergibt sich dann im Einklänge hiermit als J=\frac{E_1-E_2}{W}. Welche Verluste treten nun bei dieser Kraftübertragung auf? Die mechanische Arbeit, welche auf die primäre Maschine übertragen wird, sei A1. Ist E1 die elektromotorische Kraft derselben und J die eintretende Stromstärke, so ist die elektrische Arbeit zu berechnen aus A_1=E_1\times J. In der secundären Maschine wird ein Theil dieser elektrischen Arbeit wieder in mechanischeArbeit umgesetzt. Wir haben auf die Masseneinheit ein Gefälle = E2; die fallende Masse ist J, also ist die umgesetzte Arbeit A_2=E_2\times I. Es sind dies nun nicht alle Arbeitsleistungen des elektrischen Stromes; der Strom hat ja auch den gesammten Widerstand zu überwinden. Diese Widerstandsarbeit, welche sich in Warme umsetzt, kann nach Obigem ausgedrückt werden durch W und J; sie ist S=J^2\times W. Wir haben also bei einer Kraftübertragung 3 verschiedene Arbeitsgröſsen aus einander zu halten: Die elektrische Arbeit, welche in der primären Maschine erzeugt wird, diejenige, die in der secundären Maschine gewonnen wird, und die verloren gehende Stromarbeit. Die letztere stellt einen unvermeidlichen Verlust dar. Der Nutzeffekt einer Kraftübertragung kann naturgemäſs nur das Verhältniſs zwischen der gewonnenen Arbeit A2 und der aufgewendeten A1 sein. Dividirt man beide durch einander, so folgt der Nutzeffekt \eta=\frac{A_2}{A_1}=\frac{E_2}{E_1}. Derselbe ist also bestimmt durch das Verhältniſs der elektromotorischen Kräfte beider Maschinen. Es sind nun A1 und A2, wenn wir sie durch 736 dividiren, elektrische Pferdestärken, d.h. solche, die mit Hilfe von elektrischen Meſsapparaten bestimmt werden. η ist darum auch nur der elektrische Nutzeffekt. Will man dagegen den mechanischen Nutzeffekt der ganzen Anlage, d.h. das Verhältniſs zwischen der gewonnenen und der übertragenen mechanischen Arbeitskraft bestimmen, so wird dieser kleiner sein als der elektrische. Glücklicher Weise ist die Einbuſse hierbei nur gering; man kann im Allgemeinen annehmen, daſs bei der Umsetzung von mechanischer Arbeit in elektrische und umgekehrt jedes Mal etwa 10 Proc. verloren gehen. Es fragt sich nun, wie groſs stellt sich dieser Nutzeffekt bei praktischen Anlagen? Derselbe kann niemals 1 werden, da ein Verlust durch die Stromwärme unvermeidlich ist. Der Nutzeffekt hängt ferner ab von der Länge der Transmission; denn jede Verlängerung der Leitung bringt, falls alle übrigen Verhältnisse ungeändert bleiben, einen vermehrten Widerstand und damit einen gröſseren Verlust durch Stromwärme mit sich. Es läſst sich allerdings in gewissen Grenzen eine Ausnahme von diesem Satze nachweisen. Führt man nämlich in die Ausdrücke für die elektrischen Arbeiten den Werth für die Stromstärke J=\frac{E_1-E_2}{W} ein, so erhält man: A_1=\frac{E_1\,(E_1-E_2)}{W},      A_2=\frac{E_2\,(E_1-E_2)}{W},      S=\frac{(E_1-E_2)^2}{W}. Ersetzt man E2 durch ηE1, so nehmen diese Gleichungen nachfolgende Form an: A_1=(1-\eta)\,\frac{{E_1}^2}{W},      A_2=\eta\,(1-\eta)\,\frac{{E_1}^2}{W},      S=(1-\eta)^2\,\frac{{E_1}^2}{W}. Die rechten Seiten dieser Gleichungen enthalten auſser n nur noch den Ausdruck \frac{{E_1}^2}{W}. Daraus folgt, daſs die Entfernung beider Maschinen (die Länge der Leitung und damit W bei gleichbleibendem Querschnitte vergröſsert werden kann, ohne daſs eine Aenderung von A1, A2, S und des Nutzeffektes η eintritt, wenn nur die Einrichtung so getroffen wird, daſs der Faktor \frac{{E_1}^2}{W} denselben Werth behält. Dies kann geschehen, wenn die elektromotorische Kraft der primären Maschine E1 proportional der Quadratwurzel aus dem Widerstände zunimmt. Marcel Deprez (vgl. 1882 245 193. 233) hat hieraus den Satz abgeleitet: Der Nutzeffekt ist unabhängig, von der Entfernung. Man muſs sich hüten, den Satz in dieser allgemeinen Form aufzufassen. Die elektromotorische Kraft der primären Maschine soll mit der Quadratwurzel aus dem Widerstände wachsen. Es ist einleuchtend, daſs wir bei einigermaſsen hervorragenden Längen der elektrischen Leitung zu Spannungen von Tausenden von Volt für die primäre Maschine gelangen, zu deren Erzeugung ganz auſserordentlich dünndrähtige Ankerwickelungen nöthig werden. Beide Momente führen Uebelstände mit sich, welche von der Technik nur bis zu einer gewissen Grenze überwunden bezieh. ertragen werden können. Wenn die Behörden aller Länder die Verwendung hochgespannter Dämpfe durch peinliche Vorsichtsmaſsregeln beschränken und controliren, werden sie den hochgespannten elektrischen Strömen gegenüber sicher nicht müſsig bleiben. In England wird jetzt schon lebhaft die Frage ventilirt, ob es nicht räthlich sei, durch Gesetz die höchste zulässige Spannung auf 200 Volt, wenigstens für die Leitungen in bewohnten Häusern, zu beschränken, eine Spannung, welche der menschliche Körper noch ohne Gefahr für seine Gesundheit ertragen kann. Es muſs gerade als eine Hauptaufgabe der technischen Wissenschaft bezeichnet werden, daſs sie in ihren Gesetzen und Formeln die zulässigen, von der Natur gesteckten Grenzen mit Vorsicht innehält. Man muſs darum den von Deprez ausgesprochenen Satz vom technischen Standpunkt für unzulässig erklären. Bei den von Siemens und Halske im J. 1880 angestellten Versuchen hat sich gezeigt, daſs man auf kurze Entfernungen einen elektrischen Nutzeffekt bis zu 60 Proc. erhalten kann; doch ist der mechanische Nutzeffekt entsprechend geringer. – Deprez hat auf der letzten Münchener Ausstellung 1882 die Richtigkeit seines Satzes beweisen wollen und zu dem Zweck eine Kraftübertragung auf 57km von Miesbach nach München ausgeführt. Diese Uebertragung ist glücklich gelungen und zwar mit Hilfe eines einfachen Telegraphendrahtes. Eine in Miesbach erzeugte Arbeitskraft von 1e wurde nach dem Münchener Glaspalaste übertragen mit einem mechanischen Nutzeffekte von etwa 25 Proc. unter Anwendung einer auſserordentlich groſsen elektromotorischen Kraft der primären Maschine; doch ist auch dieses Resultat nicht geeignet, die Allgemeingültigkeit des angegebenen Satzes zu beweisen. Jedenfalls haben wir aber hier den ungünstigsten Fall, in welchem sich die elektrische Kraftübertragung bis jetzt als ausführbar hat erweisen lassen. Wenn wir nun der Frage näher treten, ob es möglich sein dürfte, dem Handwerker durch elektrische Transmission mechanische Triebkraft zuzuführen, so wollen wir, um von vorn herein allen Einwendungen die Spitze abzubrechen, die ungünstigste Annahme machen und unseren Rechnungen einen mechanischen Nutzeffekt von nur 25 Proc. zu Grunde legen. Was kostet nun dem Kleingewerbtreibenden die Pferdestärke auf die Stunde in seiner Werkstatt, wenn er sie durch elektrische Transmission aus einer Centralanstalt bezieht? Zu diesem Behufe müssen wir zunächst einen Kostenanschlag für eine solche Centralanlage aufstellen. Es ist schwierig, eine solche Angabe, die nur auf Schätzung beruhen kann, mit genügender Sicherheit vorzunehmen. Dr. C. W. Siemens hat vor einigen Monaten in der Society of Arts einen Vortrag über das elektrische Licht gehalten, worin er seine Ansichten über eine Centralanlage für eine groſse Stadt äuſsert und bestimmte Zahlenangaben macht, welche, wie nicht anders zu erwarten, auf eingehenden Ermittelungen beruhen. Diese Zahlen können wir für unseren Zweck ohne weiteres benutzen. C. W. Siemens wendet sich zunächst gegen die Idee, ganze Städte, wie London oder Berlin, von einer Centralstelle aus mit Elektricität zu versorgen; er hält es vielmehr für richtiger, sich auf kleinere Bezirke zu beschränken. Er nimmt als Beispiel für einen zulässigen District das Kirchspiel St. James in London (vgl. 1882 245 522), welches etwa ¼ Quadratmeile englisch (65ha) Bodenfläche besitzt, d. i. ein Quadrat von etwa 800m Seitenlänge. Siemens empfiehlt ferner, nicht die gesammte Beleuchtung elektrisch zu machen, sondern nur 25 Proc., das übrige aber dem Gaslicht zu lassen. Er rechnet aus, daſs für eine solche Beleuchtung, Straſsen, Theater und zahlreiche Läden eingeschlossen, 7000e ausreichen. Die Kraftquelle soll in der Mitte des Bezirkes liegen. Ein Raum von 2500qm würde genügen, die gesammte Centralanlage aufzunehmen. Siemens rechnet für diesen Bau mit Boden, Kesseln und Maschinen in runder Summe 2800000 M. Hierzu kommen die Kosten der Leitung. Wie ist die Leitung in rationeller Weise anzuordnen? Macht man sie dünn, so kostet sie nicht viel, aber der Stromverlust ist groſs und man müſste ungeheure elektromotorische Kräfte verwenden, die wegen der groſsen damit verbundenen Gefahr ausgeschlossen sind. Macht man sie dick, so wird zwar der Verlust geringer, aber die Leitung wird theuer. Zur Bestimmung der richtigen Dimensionen für die Leitung schlägt C. W. Siemens mit Thomson vor, die Summe aus den Kosten des Verlustes in Folge der Stromwärme und den Zinsen des Werthes der Leitung zu einem Minimum zu machen. Eine einfache Rechnung zeigt, daſs zu diesem Zwecke beide Summanden gleich sein müssen. Nach diesen rationellen Principien und unter Annahme einer Spannung von 200 Volt hat Siemens die Leitung berechnet und beziffert unter Zugrundelegung englischer Preise den Werth der Leitung oder die Anlagekosten für dieselbe auf rund 740000 M. Hiernach betragen die Gesammtkosten 3540000 M. Die Beleuchtung wird man nun vorwiegend des Abends oder früh benutzen, also nur einige Stunden; einen groſsen Theil des Tages würden die Maschinen und die Leitung unbenutzt stehen. Es dürfte also der Vorschlag nicht unangemessen sein, etwa 8 Tagesstunden die Anlage zur Transmission von Arbeitskraft zu verwenden; es dürfte ferner nicht unbillig sein, wenn man für diesen Zweck nur die Hälfte der gesammten Anlagekosten in Betracht zieht. Es soll hierbei nur der Fall ins Auge gefaſst werden, wo ein Handwerker eine Arbeitskraft von 1 bis 1e,5 gebraucht, welche er heute aus einer Gasmaschine erhält, die nicht den ganzen Tag über in Betrieb zu sein braucht. Da kann er es sehr wohl so einrichten, daſs die schweren Arbeiten, welche die Mithilfe der Maschine verlangen, im Laufe des Tages vorgenommen werden, die leichteren des Abends; man wird also unter diesen Umständen annehmen können, daſs eine 8stündige Kraftausnutzung vollkommen ausreicht. Wir wollen für diesen Fall die Hälfte der gesammten Anlagekosten der Centralanstalt rechnen, d.h. 1700000 M.; die andere Hälfte möge auf die Beleuchtung entfallen, die vortrefflich dabei fährt. Was kostet nun die Pferdestärke (1e) in der Werkstatt? Wir wollen für Ausbesserungen, Amortisation und Verzinsung 15 Proc. rechnen. Nehmen wir 8stündige Benutzung und 300 Arbeitstage, so bekommen wir 1,58 Pf. auf 1 Stunde. Hierzu kommt der Kohlenverbrauch auf der Centralanstalt. Es sind 7000e zu erzeugen. Nehmen wir an, daſs Kohlen zu 15 M. die Tonne verwendet werden und daſs vortreffliche Dampfmaschinen zur Verwendung kommen, so kostet die Pferdestärke für die Stunde (1k) 1,50 Pf. an der Erzeugungsstelle. Ferner rechnen wir gewiſs reichlich, wenn wir für Oel, Packung u. dgl. 0,20 Pf. für 1e und 1 Stunde annehmen. Gehälter und Arbeitslöhne sollen auf 120 000 M. im Jahr geschätzt werden, also auf 60000 M. für die Transmission; dies gibt auf 1e und 1 Stunde verrechnet 0,30 Pf. Ziehen wir die Summe, so kostet 1e an der Centralstelle 3,58 Pf. Der Handwerker erhält hiervon, wenn wir den ungünstigsten Fall annehmen, nur 25 Proc; also kostet 1e in der Werkstatt 4 mal so viel oder 14,32 Pf. Jetzt braucht der Handwerker noch eine Dynamomaschine. Wir werden gewiſs nicht zu niedrig greifen, wenn wir die Kosten für Anschaffung, Aufstellung und Zubehör für 1e mit 1000 M. annehmen. Rechnen wir wieder 15 Proc. Amortisation, Verzinsung und Instandhaltung, so macht dies 6,25 Pf. für 1e; mithin kostet 1e auf die Stunde in der Werkstatt 20,57 Pf. Wenn der Handwerker (in Berlin) sich einen kleinen Gasmotor aufstellt, so kosten die für die gewählten Bedingungen in Betracht kommenden Otto'schen Motoren: Gröſse in effektiven Pferdestärken = 0,5 1 Preis des Motors in Deutz M. 1350 1650 Fracht ab Deutz bis Berlin 30 40 Fundamentanker mit Splinten 12 16 Montage mit 1 jähriger Beaufsichtigung 30 40 Mauerfundament 30 50 Gas- und Wasserrohrleitung, vom Gas- und Wassermesser    gerechnet, und Ausblaseleitung 50 75 –––––––––––––––– Summe M. 1502 1871 Wir werden also nicht zu hoch rechnen, wenn wir für 1e durchschnittlich 2000 M. zu Grunde legen. Bei 15 Proc. für Amortisation, Verzinsung und Instandhaltung für 300 Tage und 8 Stunden (wie oben) gerechnet, macht dies für die Stundenpferdestärke 12,5 Pf. 1cbm Gas, welcher für die Stundenpferdestärke nöthig ist, kostet durchschnittlich 16 Pf. Rechnen wir für Wartung und Oel 2 Pf. für 1e und 1 Stunde, so ergibt dies eine Summe von 30,5 Pf. Wir haben hiernach ein Verhältniſs von 20,57 zu 30,5. d.h. etwa 2 : 3 zu Gunsten der elektrischen Transmission. Die Lösung der Aufgabe durch die elektrische Transmission scheint hiernach nicht mehr unmöglich zu sein. Es wird allerdings noch viel Wasser ins Meer flieſsen, ehe der Wettstreit wirklich beginnen kann. Immerhin ist es nicht uninteressant, nach den Grenzen und Zielen schon jetzt zu forschen, selbst auf die Gefahr hin, als Zukunftsträumer gescholten zu werden.