Titel: Beitrag zur Untersuchung der Fette; von Eduard Valenta.
Autor: Eduard Valenta
Fundstelle: Band 249, Jahrgang 1883, S. 270
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Beitrag zur Untersuchung der Fette; von Eduard Valenta. Valenta, Beitrag zur Untersuchung der Fette. Die von J. Köttstorfer (1879 232 286) empfohlene Methode zur Prüfung der Fette, welche von ihm hauptsächlich zur Erkennung etwaiger Verfälschungen der Kuhbutter mit fremden Fetten und zu deren quantitativer Ermittelung angewendet wurde, beruht auf einer einfachen Titriranalyse der gesammten in dem fraglichen Fettgemenge vorhandenen Fettsäuren. Köttstorfer geht hierbei von der Thatsache aus, daſs der gröſsere oder geringere Verbrauch einer bestimmten Menge irgend eines Fettes an Kalihydrat durch den höheren Gehalt desselben an Fettsäuren mit einer geringeren Anzahl von Kohlenstoffatomen im Molekül als die Palmitinsäure und daher auch die Stearin- und Oelsäure bedingt sei, welche Säuren in Form von Glyceriden den weitaus gröſseren Antheil an der Zusammensetzung der meisten uns bekannten Fette nehmen. Die Kuhbutter enthält nicht unbedeutende Mengen von Fettsäuren mit weniger als 10 Kohlenstoffatomen im Molekül, bedarf daher auch bedeutend mehr Kali zur Verseifung als irgend eines jener Fette, welche von J. Köttstorfer, H. FleckDie Chemie im Dienste der öffentlichen Gesundheitspflege, Dresden 1882 S. 192. u.a. bisher in dieser Richtung untersucht wurden. Zu diesen Fetten zählen Rindstalg, Schweinefett, Hammelfett, Speck, Rüböl, Olivenöl, Oleomargarin, MohnölDie Chemie im Dienste der öffentlichen Gesundheitspflege, Dresden 1882 S. 192., WalrathZeitschrift für analytische Chemie, 1880 S. 242., Wollschweiſsfett (vgl. 1883 247 305). Dieselben erfordern im Durchschnitte für 1g Fett 197 bis 198mg KOH zur Verseifung, während reines Butterfett im Mittel einen Verseifungstiter = 227mg ergibt. Ich habe, Köttstorfer's Idee benutzend, eine Reihe von Fetten des Pflanzen- und Thierreiches nach dessen Methode untersucht und bin bei einigen derselben auf Resultate gestoſsen, welche einerseits geeignet erscheinen, den Werth der „Butterprüfungsmethode“ in gewissen Beziehungen in Frage zu stellen, andererseits aber dem Analytiker ein Mittel an die Hand geben, in gewissen Fällen die Natur einzelner Fette feststellen zu können und unter Umständen sogar Verfälschungen bestimmter Fette mit anderen quantitativ mit annähernder Genauigkeit zu ermitteln, wenn dieselben einigermaſsen bedeutend sind. Die Resultate der Untersuchungen, von denen ich einen Theil gemeinsam mit Hrn. Karl Gerstner im Laboratorium des Hrn. Prof. Dr. J. J. Pohl an hiesiger technischer Hochschule durchgeführt habe, sind in folgender Tabelle zusammengestellt. Von den in diese Tabelle aufgenommenen Fetten zeigen Palmkernöl und Cocosnuſsöl, besonders aber letzteres Fett, einen weit über die Durchschnittszahl der sämmtlichen übrigen hier angeführten Pflanzen- und Thierfette (mit Ausnahme einer Sorte Leberthran) hinausgehenden Verseifungswerth. Ferner ergibt sich bei näherer Betrachtung, daſs unter Nr. Gattung des Fettes Dichtebei 15° Benöthigt auf 1gzur Verseifungmg KOH Schmelz- undErstarrungs-punkt Anmerkungen. Fett Fett-säuren Fett Fett-säuren   1 Aprikosenkernöl 0,9191 192,9 Von der Firma J. Stettner in    Triest bezogen.   2 Arachisöl   0,91931 191,3 Desgleichen.   3 Bittermandelöl    (fettes) 0,9196 194,5 Desgleichen.   4 Cottonöl 0,9228 195,0 203,9 38,335,5   5 Hederichöl 0,9175 174,0 Unraffin. Oel, aus Ungarn bez.   6 Kürbiskernöl 0,9241 189,5 Desgleichen.   7 Mandelöl (aus    süſsen Mandeln) 0,9186 194,7196,1    I –  II Von J. Stettner in Triest.Frische Oele.   8 Olivenöl 0,9149 191,7 203,0 23,619,3 Die untersuchten Oele stammen    theils aus Dalmatien, theils    aus Italien und ist der ange-    gebene Verseifungswerth    191,7 als Mittelwerth von    27 derartigen Oelen.   9 Oelkuchenöl 0,9215 188,6 Dunkelgrün gef. übelriechen-    des Oel, soll als Schmier-    mittel verwendet werden? 10 Olivenkernöl   0,92021 188,5 Scheint mit vorigem identisch    zu sein. Frisches Oel, grün    gefärbt, aus Italien bezogen. 11 Rapsöl 0,9172 177,0 Unraff. Oel Rohes ungarisches    Rüböl, wie es im Handel    vorkommt, zeigt einen Ver-    seifungswerth von 176,5. 12 Ricinusöl I       „      II 0,96130,9736 181,0181,5 Erste und zweite Pressung von    Italien bezogen. Frische Oele. 13 Rüllöl 0,9248 186,0 Unter diesem Namen kommt    ein olivenbraun gef. Oel in    den Handel, welches in Un-    garn gewonnen wird und zur    Verfälschung d. Rüböles An-    wendung findet. Es enthält    Schwefel, stammt also wahr-    scheinlich von einer Cruci-    ferenart ab, wie Rüböl u.a. 14 Sesamöl 0,9213 190,0 199,3 Von J. Stettner in Triest. 15 Palmöl I 202,0 206,5 30,822,6   47,7543,0 Altes ranziges Fett, bereits    zum Theile ausgebleicht. 16     „     II 202,5 207,3 28,521,0   47,7542,5 Frisches Fett. 17 Palmkernöl 247,6 265,8 28,2  20,60 Altes ranziges Fett. Reinheit    zweifelhaft. 18 Cocosnuſsöl I 268,4 275,5 24,119,5   24,65  21,85 Altes ranziges Fett. Abstam-    mung unbekannt. 19         „        II 258,3 275,2 23,515,7 24,719,0 Frisches Fett aus Ceylon.    Bräunlich gefärbt. 20         „       III 257,3 270,7 Frisches Fett aus Cochinchina.    Weiſs gefärbt. 21 Amerikanisches    Knochenfett 190,9 Handelswaare aus dem eng-    lischen Handel. 22 Gänsefett I 192,6 Im Laborator. ausgeschmolzen. 23 Schweinefett I 195,5 Aus dem Wiener Handel. 24          „          II 196,5 Im Laborator. ausgeschmolzen. 25262728          „         III         „        IV         „         V         „        VI 196,6195,9195,3195,6 Aus dem Wiener Handel. 29 Leberthran 213,2 Raffinirt aus der k. k. Hofapo-    theke in Wien. Die sämmtlichen in der Tabelle angeführten Verseilungstiter sind Mittelwerthe von 10 bis 15 Bestimmungen; die Schmelz- und Erstarrungspunkte wurden nach Pohl's Methode festgestellt. den genannten Pflanzenölen es wiederum die Gruppe der aus dem Samen der Cruciferen gewonnenen Oele ist, welche von den übrigen nicht unbeträchtlich abweicht. Ein ähnliches Verhalten zeigt das Ricinusöl. Das Cocosnuſsöl enthält nicht unbedeutende Mengen von Laurin- und Myristinsäure sowie geringe Mengen Capril-, Capronsäure u. dgl. Diese Säuren besitzen aber einen bedeutend niederen Kohlenstoffgehalt im Molekül als Palmitin-, Stearin- oder Oelsäure; daher der hohe Verseifungswerth erklärlich erscheint. Aehnliches mag für Palmkernöl gelten, obschon meines Wissens hierüber keine Angaben vorliegen. Beim Palmöle, welches sich an diese Fette anschlieſst, kann ein selbst bei ziemlich frischen Fetten vorhandener Gehalt an freien Fettsäuren als Ursache für den verhältniſsmäſsig hohen Verseifungswerth angenommen werden, wofür auch die geringe Differenz zwischen den Verseifungswerthen des Fettes und jenem der daraus abgeschiedenen Fettsäuren spricht. Die von Köttstorfer aufgestellte Gleichung zur Ermittelung des Gehaltes eines Butterfettes an fremdem Fette lautet: (227 – 195,5) : (227 – n) – 100 : x, worin x die Procente an fremdem Fette, 227 und 195,5 Mittelwerthe für Butter- und „fremdes Fett,“ n den Verseifungswerth des fraglichen Gemenges bedeuten. Es ist klar, daſs, im Falle eine Verfälschung eines Fettes von verhältniſsmäſsig niederem Verseifungswerthe mit einem anderen von hohem Verseifungswerthe vorliegt, der Gehalt des fraglichen Fettes an fremdem, zur Verfälschung benutztem Fette leicht ermittelt werden kann, wenn man anstatt der Werthe 227 und 195,5 die entsprechenden aus der Tabelle zu entnehmenden Mittelwerthe für die betreffenden Fette in die obige Gleichung einsetzt. Man erhält zwar hierbei keine absolut genauen Resultate; doch wird der erzielte Grad von Genauigkeit in den meisten Fällen genügen, wenn es sich darum handelt, solche Verfälschungen quantitativ nachzuweisen, da der Zusatz an „fremden Fetten“ in solchen Fällen selten unter 20 Proc. beträgt. Nach ihren Verseifungswerthen lassen sich die in der Tabelle angeführten Fette in folgende Gruppen bringen:       1) Aprikosenkernöl, Oel aus süſsen Mandeln, Oel aus Bittermandeln,Arachisöl, Baumwollsamenöl, Olivenöl, Sesamöl, mit dem Mittel-werthe = 193,0       2) Kürbiskernöl, Oelkuchenöl (Olivenkernöl), Rüllöl mit demMittelwerthe = 188,1       3) Rüböl, Rapsöl, Hederichöl, Ricinusöl mit dem Mittelwerthe = 177,1 Für die in der Tabelle angeführten festen Thierfette Nr. 21 bis 29 ist der Mittelwerth 195,0. Die übrigen in diese Gruppen nicht aufgenommenen Fette der Tabelle zeichnen sich durch hohe Verseifungswerthe aus, welche für dieselben charakteristisch sind. Man wird daher, wenn man bei Prüfung eines Fettes eine derartige Zahl erhält, leicht durch Vergleich mit den in der Tabelle angeführten Zahlen die Art des Fettes zu ermitteln im Stande sein. Empfehlenswerth erscheint es mir, statt der Fette die aus deren Seifen mit Hilfe von Säuren ausgeschiedenen, gut gewaschenen und getrockneten Fettsäuren zur Titrirung zu verwenden, da in diesem Falle die Methode selbst bei sehr alten ranzigen Fetten gute Resultate liefern muſs. Gleiches gilt für die Bestimmung des Schmelzpunktes, welche bei den Fettsäuren stets constante Resultate gibt. Ich behalte mir vor, weitere Versuche in der erstgenannten Richtung durchzuführen und deren Ergebnisse zu veröffentlichen. Bei Durchführung der Methode ist es Bedingung, die einzelnen Titerstellungen mit gröſster Sorgfalt auszuführen, und erscheint in den meisten Fällen dringend nothwendig, sich streng an den Gang, welcher bei Ermittelung der in der Tabelle angeführten Zahlen eingeschlagen wurde, zu halten, um verwendbare Ziffern zu erzielen. Zum Zwecke der Titrirung ist das fragliche Fett (wenn ein bei gewöhnlicher Temperatur festes Fett vorliegt) bei möglichst niederer Temperatur zu schmelzen, in jedem Falle aber zu filtriren. Hierauf werden 1 bis 2g desselben in ein weithalsiges Kölbchen gebracht, welches während des nachfolgenden Erwärmens mittels eines Trichters, den man in den Hals des Kölbchens senkt, geschlossen erhalten wird. Die alkoholische Kalilauge ändert sehr rasch ihren Titer; es ist daher angezeigt, denselben vor jeder neuen Versuchsreihe zu bestimmen. Dies geschieht, indem man 25cc mit Hilfe einer Pipette abmiſst, 10 bis 15 Minuten auf dem Wasserbade erwärmt und sodann mit Halbnormal-Salzsäure titrirt; als Indicator ist Phenolphtaleïn in alkoholischer Lösung zu empfehlen. Die Lauge wird hergestellt, indem man 28g,05 Aetzkali in 96 procentigem Alkohol löst und die gesättigte kalte Lösung durch Zusatz von Alkohol auf 1l bringt. Behufs Ermittelung des Verseifungswerthes wird die Kalilauge auf 15° gebracht; sodann werden 25cc in der gleichen Weise wie bei der Titerstellung abgemessen und der im Kölbchen befindlichen abgewogenen Menge Fett zugesetzt. Man erwärmt nun auf dem Wasserbade, welches nahe bei Siedetemperatur zu erhalten ist, während 10 bis 15 Minuten, was in den meisten Fällen genügt. Bei einigen Fetten muſs jedoch diese Zeit bedeutend überschritten werden, während sie bei Cocosfett genau einzuhalten ist, wenn die Resultate brauchbar sein sollen. Es ist in letzterem Falle sogar dringend anzurathen, die Erwärmung nicht länger als 12 Minuten hindurch fortzusetzen. Die klare Seifenlösung wird mit Phenolphtaleïn versetzt und der Ueberschuſs an Kali mit Halbnormal-Salzsäure zurücktitrirt, wobei das Ende der Reaction durch die rein gelbe Farbe der Flüssigkeit angezeigt wird. Wien, Juni 1883.