Titel: Die chemischen Veränderungen des Holzes in Folge des sogen. Hausschwammes bez. der Weiss- und Rothfäule; von A. Wagner.
Autor: A. Wagner
Fundstelle: Band 249, Jahrgang 1883, S. 342
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Die chemischen Veränderungen des Holzes in Folge des sogen. Hausschwammes bez. der Weiſs- und Rothfäule; von A. Wagner. A. Wagner, über die chemische Veränderung des Holzes. In dem seit kaum 12 Jahren eröffneten Münchener Ostbahnhofe hat der Hausschwamm das Holz mehrerer Parterresäle so zerstört, daſs eine völlige Erneuerung desselben nothwendig wurde. Das aus einem Wartesaale entfernte Balkenlager zeigte sich röthlich gefärbt, der Breite und Länge nach zerrissen, zwischen den Fingern leicht zu Staub zerreibbar und reichlich mit Myceliumsträngen behängt. Von einem Stücke eines solchen Balkens klopfte ich den am meisten zerstörten Theil ab, welcher sich in feinstes Pulver zerreiben lieſs, und verwendete denselben zur chemischen Analyse. Dieses zerstörte Holz gab, mit siedendem Wasser behandelt, eine stark braunroth gefärbte Lösung, welche eine sehr merklich sauere Reaction zeigte. In heiſser Kalilauge war es nahezu völlig löslich mit so tiefbrauner Farbe, als wenn etwa Rothkohle oder Braunkohle in derselben gelöst worden wäre. Die chemische Analyse dieses zerstörten Holzes gab folgende Resultate: Wassergehalt 17,12 Proc. Aschengehalt 2,41 Aus 100g dieses Holzes gingen durch Kochen mit Wasser in Lösung: 0g,03 Schwefelsäure und 0g,007 Chlor. Nitrate waren völlig abwesend. In der Asche des Holzes waren 1,54 Proc. Schwefelsäure enthalten. Die Elementaranalyse des bei 100° getrockneten Holzes ergab: KohlenstoffWasserstoffSauerstoff und StickstoffAsche 51,164,7041,242,90–––––100,00 oder freivon Ascheberechnet 52,69   4,84 42,47–––––100,00. Aus dem Ergebnisse der Analyse lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Der 17,12 Proc. betragende Wassergehalt des zerstörten Holzes, welches vor der Analyse einige Tage lang in einem über 20° warmen Zimmer gelegen war, ist ein ziemlich hoher, indem nach Rumford gesundes lufttrockenes Holz im Winter (bei 7,4°) 17 bis 19 und im Sommer (bei 16,6°) nur 6 bis 9 Proc. Wasser enthält. Der Aschengehalt mit 2,41 Proc. ist etwas gröſser als bei gesundem Fichten- und Tannenholz, dessen Aschengehalt selten 1 Proc. bedeutend übersteigt, während bei Kiefernholz von Wittstein selbst bis zu 2,9 Proc. gefunden wurden. Der verhältniſsmäſsig höhere Aschengehalt erklärt sich übrigens dadurch, daſs in Folge der Fäulniſs die Holzsubstanz an Gewicht abgenommen hat, während die unorganischen Aschenbestandtheile geblieben sind, wodurch ein höherer Procentsatz für letztere sich ergeben muſs. Der Procentgehalt der Asche an Schwefelsäure mit 1,54 ist ein völlig normaler, indem in der Asche von Fichtenholz von Berthier 1,67 Proc. und in der von Tannenholz nach Seubert selbst 2,07 Proc. Schwefelsäure gefunden worden sind. Bei Auslaugen des zerstörten Holzes durch Wasser fand ich in der erhaltenen Lösung 0g,03 Schwefelsäure, welche Zahl gut mit der in der Asche gefundenen Schwefelsäuremenge übereinstimmt, indem 100g Holz 2g,41 Asche ergeben, in welcher 0g,037 Schwefelsäure enthalten sein müssen. Ich betone hier den sehr geringen Gehalt an schwefelsauren Salzen in dem durch Hausschwamm zerstörten Holze besonders aus dem Grunde, weil von B. Emmerich in der Zeitschrift für Biologie, 1882 Bd. 18 S. 373 (vgl. 1883 248 137) die Behauptung aufgestellt worden ist, daſs das Auftreten des Hausschwammes in den im Füllmateriale der Zwischenböden enthaltenen oder sich bildenden schwefelsauren Salzen seinen Grund hätte.Emmerich sagt: „Weiterhin ist es wünschenswerth, daſs die Ausfüllmasse frei sei von Salzen, welche Schwefel, Phosphor, Kali und Magnesia enthalten. Auf die Abwesenheit von schwefelsauren Salzen ist besonders auch deshalb zu achten, weil nach v. Pettenkofer's und Radlkofer's Untersuchungen Merulius lacrimans besonders in Füllungen vorkommt, die einen hohen Gehalt an schwefelsauren Salzen, besonders an schwefelsaurer Bittererde haben. Die Thränen des Schwammes sind sehr reich an diesen Salzen...... und in Gegenden, in denen es (nämlich Füllmaterial aus Kohlenschlacken) ausschlieſslich verwendet wird, ist auch der Hausschwamm gemein, ebenso da, wo viel Gyps bei der Herstellung der Zwischendecken in Anwendung kommt.“Sind die Thränen des Hausschwammes sehr reich an schwefelsauren Salzen, so müſste sicher auch in dem durch Hausschwamm zerstörten Holze in Folge seiner Feuchtigkeit und Porosität die aufgesaugte Lösung von schwefelsauren Salzen sich vorfinden. Ich konnte jedoch, wie angeführt, nur äuſserst geringe Spuren an schwefelsauren Salzen in dem völlig zerstörten Holze finden, so daſs diese Behauptung Emmerich's durch vorliegenden Fall widerlegt ist. Der Gehalt an Chlorverbindungen im zerstörten Holze ist ganz unbedeutend; salpetersaure Salze sind nicht einmal spurenweise vorhanden gewesen, indem selbst mit Diphenylamin und concentrirter Schwefelsäure keine Reaction auf Nitrate erhalten wurde. Bei dem Ergebnisse der Elementaranalyse fällt am meisten der geringe Wasserstoffgehalt des durch Hausschwamm zerstörten Holzes auf, welcher in der von Wasser und Asche freien Substanz nur 4,84 Proc. beträgt, während er bei gesundem Holze 6 Proc. ausmacht. Eine ähnlich niedere Zahl erhielten Saussure und Liebig als Wasserstoffgehalt eines in einem späteren Stadium der Verwesung befindlichen Holzes, nämlich 4,9 Proc. Der Kohlenstoffgehalt mit 52,69 Proc. ist merklich höher als bei gesundem Holze, welches, als frei von Wasser und Asche berechnet, 50 Proc. im Durchschnitte enthält. Obgleich hiermit die Elementaranalyse merkliche chemische Unterschiede in der Zusammensetzung des durch Hausschwamm zerstörten und des gesunden Holzes ergeben hat, so stehen doch dieselben in gar keinem Verhältnisse zu den physikalischen Veränderungen, welche das Holz durch den Hausschwamm erlitten hat und durch welche die Balken in eine zwischen den Fingern zerreibliche Masse verwandelt worden sind. Der Umstand, daſs das durch Hausschwamm zerstörte Holz in Kalilauge beim Kochen sich mit tiefbrauner Farbe fast völlig auflöst, deutet auf eine gewisse Aehnlichkeit mit Rothkohle – d. i. eine bei höchstens 830° bereitete Holzkohle – hin, welche sich bekanntlich auch in kochender Kalilauge fast völlig mit tiefbrauner Farbe auflöst. Die stark sauere Reaction des wässerigen Auszuges des zerstörten Holzes kann nur davon herrühren, daſs sich eine merkliche Menge freier organischer Säure in Folge der Zersetzung der Holzbestandtheile gebildet hat. Das Gewicht eines Cubikdecimeter des zerstörten Holzes betrug 520g, während nach Karinarsch das entsprechende Gewicht von Tannenholz 647, von Föhrenholz 647 und von Fichtenholz 453g betragen soll. Es scheint hiermit durch den Hausschwamm das cubische Gewicht des Holzes in Folge chemischer Einflüsse zwar abgenommen zu haben, jedoch nicht in dem Maſse, als die physikalische Veränderung hätte erwarten lassen, wobei allerdings noch der ziemlich hohe Wassergehalt des zerstörten Holzes zu beachten ist. Durch die Güte des Hrn. Prof. Gottgetreu habe ich Proben von einem weiſs- und von einem rothfaulen Holze erhalten; ersteres stammt aus den Fuſsbodenbrettern eines etwa 2 Jahre alten Privathauses, letzteres aus Balken des Dachbodens von dem im vorigen Jahre neu erbauten Hofbräuhauskeller. Weiſsfaules Holz. Die mir übergebenen Stücke desselben waren in der Reibschale weit schwieriger zu zerreiben als das durch Hausschwamm zerstörte Holz und zerfielen nicht wie letzteres der Länge und Breite nach ganz gleich in feinstes Pulver, sondern zeigten die Langfasern beibehalten. Aus diesem Grunde siebte ich das Feinere von dem langfaserigen Groben ab und verwendete nur ersteres zur Analyse. Die Farbe des so erhaltenen Pulvers war gelblichweiſs. Mit kochendem Wasser behandelt, gab dasselbe eine nur hellgelb gefärbte Lösung, welche deutlich sauer reagirte; Chlorverbindungen waren darin nicht bestimmbar und Nitrate nicht nachweislich. In heiſser Kalilauge löste sich nur wenig davon auf mit hell röthlichbrauner Farbe. Der Wassergehalt dieses bei 15° trocken gelegenen Holzes betrug 11,71 Proc. und der Aschengehalt 1,77 Proc. Die Elementaranalyse des bei 100° getrockneten Holzes ergab: KohlenstoffWasserstoffSauerstoff und StickstoffAsche 50,896,3740,742,00–––––100,00 oder freivon Ascheberechnet 51,93   6,50 41,57–––––100,00. Die Asche enthielt 3,35 Proc. Schwefelsäure. Das rothfaule Holz unterschied sich von dem durch Hausschwamm zerstörten Holze auſser durch die Farbe besonders dadurch, daſs die bei dem letzteren mit freiem Auge wahrnehmbare reichliche Pilzwucherung fehlte. In der Reibschale war es schwieriger zerreibbar als das durch Hausschwamm zerstörte Holz und leichter als das weiſsfaule. Die Langfasern zeigten sich theilweise erhalten, so daſs auch hier nur das abgesiebte feine Pulver zur Analyse verwendet wurde. Dasselbe besaſs eine röthlichgelbe Farbe und zeigte ein weit weniger intensives Roth als das Product des Hausschwammes. Mit kochendem Wasser behandelt, gab dasselbe eine reingelbe Lösung, welche schwach sauer reagirte. Chlorverbindungen waren hierin nicht bestimmbar und Nitrate abwesend. In heiſser Kalilauge löste sich ein Theil auf mit ziemlich tiefrother Farbe. Der Wassergehalt des bei 15° trocken gelegenen Holzes betrug 9,9 Proc. und der Aschengehalt 3,35 Proc. Die Elementaranalyse des bei 100° getrockneten Holzes ergab: KohlenstoffWasserstoffSauerstoff und StickstoffAsche 50,046,4839,773,71–––––100,00 oder freivon Ascheberechnet 51,96   6,72 41,32–––––100,00. Die Asche enthielt 6,41 Proc. Schwefelsäure. Vergleicht man die erwähnten drei unter verschiedenen Fäulniſserscheinungen zerstörten Holzsorten mit einander, so ergibt sich, daſs der Wassergehalt des rothfaulen Holzes mit 9,9 Proc. und des weiſsfaulen mit 11,71 Proc. weit geringer ist als der des durch Hausschwamm zerstörten mit 17,12 Proc., wobei noch zu berücksichtigen bleibt, daſs die beiden ersteren Sorten in einem nur 15° warmen Räume aufbewahrt waren, während die letztere bei einer Temperatur von über 20° gelegen war. Der Aschengehalt ist bei rothfaulem Holze am höchsten gefunden worden und ebenso auch der Schwefelsäuregehalt in der Asche. Den Gehalt an Asche und an Schwefelsäure läſst am deutlichsten folgende Berechnung ersehen. In je 1000g des zerstörten Holzes befinden sich: bei Hausschwammfäule 24,1g Asche mit 0,371g SO3 Weiſsfäule 17,7 0,593 Rothfäule 33,5 2,147 Der hohe Gehalt des rothfaulen Holzes vom Hofbräuhauskeller an schwefelsauren Salzen rührt davon her, daſs die Balken, von welchen die Probe genommen ist, in Füllmaterial aus feuchter Kohlenlösche bestehend gebettet waren. Die angeführten Zahlen beweisen deutlich – entgegen der von v. Pettenkofer und Emmerich aufgestellten Theorie –, daſs der eigentliche echte Hausschwamm (Merulius destruens) keineswegs einen gröſseren Gehalt an schwefelsauren Salzen zur Entstehung verlangt, indem derselbe in den erwähnten drei Fällen gerade in dem Holze aufgetreten ist, in welchem die geringste Menge von Sulfaten vorhanden war. Kochendes Wasser löst aus dem durch Hausschwamm zerstörten Holze bedeutende Mengen organischer Substanzen auf mit stark braunrother Farbe, aus dem rothfaulen und besonders aus dem weiſsfaulen Holze weit geringere Mengen mit nur gelber oder hellgelber Farbe. Noch weit deutlicher als Wasser zeigt den Unterschied kochende Kalilauge an, welche das durch Hausschwamm zerstörte Holz fast völlig mit tief dunkelbrauner Farbe auflöst, während sie aus rothfaulem und besonders aus weiſsfaulem Holze weit weniger löst mit viel hellerer und mehr röthlicher Farbe. Der Elementarzusammensetzung nach unterscheiden sich weiſs- und rothfaules Holz nur wenig von einander und unterscheiden sich auch nur wenig von gesundem Holze, welches im Durchschnitte einen etwas niederen Kohlenstoffgehalt zeigt. Das durch Hausschwamm zerstörte Holz zeigte einen höheren Kohlenstoff- und einen weit niederen Wasserstoffgehalt als das weiſsfaule und rothfaule Holz. Bei allen drei erwähnten Arten der Holzfäule zeigen die Zersetzungsüberreste im Vergleiche mit gesundem Holze keine so bedeutend abweichende chemische Veränderung in der Elementarzusammensetzung, wie die zwar verschiedenartig auftretenden, aber sehr tief eingreifenden physikalischen Einwirkungen hätten erwarten lassen, so daſs bei diesen drei Holzfäulearten, die im Vergleiche zur gewöhnlichen Holzverwesung sehr rasch verlaufen, die mechanischen Eingriffe, wie z.B. die Pilzthätigkeit, sich mehr geltend machen als die chemischen Prozesse bei der Zerstörung des Holzes.