Titel: Die Compound-Wickelung der Dynamomaschinen.
Fundstelle: Band 251, Jahrgang 1884, S. 25
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Die Compound-Wickelung der Dynamomaschinen. Mit Abbildungen. Die Compound-Wickelung der Dynamomaschinen. Unter den wenigen Sachen, welche an den dynamo-elektrischen Maschinen als völlig neu auf der Wiener Ausstellung 1883 zum ersten Male zu Tage traten, dürfte nach der Wochenschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, 1883 S. 304 als die wichtigste eine neue, mit dem Namen „Compound-Wickelung“ (vgl. 1883 250 470) belegte Umwindungsweise dieser Maschinen anzusehen sein. Wie bei den Compound-Dampfmaschinen der Dampf in zwei Cylindern von verschiedenem Durchmesser zur Arbeit gebracht wird, so sind bei den Compound-Dynamomaschinen die Elektromagnete mit zweierlei Draht von verschiedener Dicke bewickelt, und zwar liegt der dickere Draht in dem Hauptschlieſsungskreise, während der dünnere einen Nebenschluſs bildet. Die Wickelung wird verschieden ausgeführt, theils über einander, theils neben einander; beide Varianten waren in der Rotunde bei einigen Maschinen von S. Schuckert für Glühlicht und Bogenlampen und Kraftübertragung, sowie bei der die elektrische Eisenbahn bedienenden Dynamomaschine von Siemens und Halske vertreten. Die Compound-Wickelung soll unter alleiniger Zuhilfenahme des elektrischen Stromes einer Dynamomaschine bewirken, daſs bei der Beleuchtung z.B. einem Lampenschlieſsungskreise stets die entsprechende Stromstärke erhalten bleibe, auch wenn durch das Ausschalten irgend einer beliebigen Anzahl der seither in diesem Schlieſsungskreise brennenden Lampen der innere Widerstand desselben plötzlich und bedeutend vergröſsert wird. Nach dem Ohm'schen Gesetze: J=\frac{E}{W} ist die Stromstärke oder Intensität J direkt proportional der elektromotorischen Kraft E und umgekehrt proportional dem Widerstände W des Stromkreises; der Widerstand aber ist direkt proportional der Länge des Stromkreises und dem specifischen Leitungswiderstande des Stoffes, woraus derselbe hergestellt ist, dagegen umgekehrt proportional dem Querschnitte desselben. – Der specifische Leitungswiderstand des verwendeten Drahtes kann hier ganz aus dem Spiele gelassen werden, da derselbe gegenüber den hohen Widerständen der Kohlenbügel in den Glühlampen von irgend welchem Einflüsse nicht sein kann; den Hauptfactor bildet daher der Einfluſs des Querschnittes des Leitungsdrahtes. Fig. 1., Bd. 251, S. 25 Fig. 2., Bd. 251, S. 25 Gesetzt zunächst den Fall, eine solche Dynamomaschine speise 100 parallel geschaltete Glühlampen, was durch den äuſseren Stromkreis in der Textfigur 1 schematisch angedeutet werden soll, so ist weiter, wenn man den Widerstand des Kohlenbügels einer dieser Lampen in erwärmtem Zustande mit 150 Ohm ansetzt, der Gesammtwiderstand aller dieser 100 Glühlichter gleich (150 : 100) = 1,5 Ohm; denselben Widerstand wie die 100 Glühlichtbügel von je 0qmm,04 Querschnitt besäſse ein einziger Kohlenstab von 100 fach gröſserem Querschnitte. Setzt man nun einen gleichmäſsigen Gang (gleiche Umlaufzahl) der Dynamomaschine, also auch die gleiche elektromotorische Kraft voraus, so muſs, wenn plötzlich 50 dieser Glühlampen ausgeschaltet werden, der Widerstand im äuſseren Schlieſsungskreise sich wesentlich erhöhen und zwar auf (150 : 50) = 3 Ohm, somit (da E gleich bleibt) die Stromstärke J abnehmen. Bei einer Maschine ohne Compound-Wickelung, zunächst bei denjenigen, deren Elektromagnete im Hauptschlusse liegen, wird daher augenblicklich auch die Kraft des magnetischen Feldes abnehmen, da ja der im Inductorringe erzeugte Strom sich verringert, weil die Wickelung der Elektromagnete einen Theil des Schlieſsungskreises bildet, in welchem die Lampen liegen. Die secundäre Folge hiervon ist eine neuerliche Schwächung nicht nur der Stromstärke J, sondern auch der elektromotorischen Kraft E, was seinerseits wiederum dahin führt, daſs die noch brennenden Lampen schwächer leuchten werden. Bei Dynamomaschinen dagegen, deren Elektromagnete im Nebenschlusse liegen (vgl. Fig. 2) – wie z.B. bei Edison und theilweise auch bei Weston – wird, wenn der Widerstand im äuſseren (Lampen-) Schlieſsungskreise durch Verringerung der Zahl der eingeschalteten Lampen sich vergröſsert, die Intensität J im Nebenschlusse eine gröſsere werden, was unmittelbar eine Stärkung des magnetischen Feldes und dadurch mittelbar wiederum eine Erhöhung nicht nur der Stromstärke, sondern auch der elektromotorischen Kraft zur Folge haben muſs. In diesem Falle würden dann die noch eingeschaltet gebliebenen Lampen mit einer gröſseren Lichtintensität brennen als zuvor; ja es könnte die Erhöhung der Spannung sogar das Bestehen der einzelnen Kohlenbügel gefährden. Deshalb müssen für solche Fälle in den Nebenschluſs künstliche Widerstände, gewöhnlich Neusilberdraht, eingeschaltet werden, sei es mit Hand, sei es selbstthätig, wie z.B. bei der Beleuchtungsanlage im Brünner Stadttheater (vgl. 1883 248 * 242) geschehen ist. Da nun aber diese Widerstandsdrähte durch den elektrischen Strom erwärmt werden, so sind hier Stromverluste durch Umsetzen der elektrischen Energie in Wärme unvermeidlich. Die Compound-Wickelung soll nun bei Veränderung des Widerstandes in Folge Ausschaltung von Lampen die elektromotorische Kraft im äuſseren Schlieſsungskreise auf der gleichen Höhe wie früher und die Stromstärke ohne Energieverlust auf der der jeweilig brennenden Lampenanzahl entsprechenden Höhe erhalten, was bisher im ersteren Falle (Elektromagnete im Hauptschlusse) nur bis zu einer gewissen Grenze (bis etwa zu ⅓ der Lampenanzahl), im zweiten Falle (Elektromagnete im Nebenschlusse) nur durch Einschaltung äuſserer Widerstände und einen damit verbundenen Verlust an elektrischer Energie möglich war. Bei der Compound-Wickelung wird nun die Stärke des elektrischen Feldes gleichzeitig abhängig gemacht von der Stromstärke der elektromotorischen Kraft im Haupt-Schlieſsungskreise und im Nebenschlusse. Die Folge dieser Wickelung ist nun direkt die, daſs, wenn im Hauptschlieſsungskreise wegen Ausschaltung von Lampen und wegen der deshalb eintretenden Erhöhung des Widerstandes eine Stromschwächung eintritt, der Strom im Nebenschlusse wegen des hier vorhandenen constanten Widerstandes gemäſs der noch brennenden Lampenanzahl stärker gemacht und dadurch das magnetische Feld gleichfalls auf die entsprechende Stärke gebracht wird. Die Wirksamkeit der Compound-Wickelung hängt sonach hauptsächlich von der richtigen Wahl des entsprechenden Widerstandes des Nebenschluſsdrahtes ab, wofür, wie oben bemerkt wurde, nicht nur Querschnitt, Material und Länge desselben, d. i. Anzahl der Windungen, sondern auch die Anordnung der letzteren maſsgebend sind. Krizik hat mehrmals während der Ausstellung Versuche mit einer von einer compound gewickelten Dynamomaschine mit Strom versorgten Glühlampenreihe von 50 Stück gemacht und die Lampen allmählich, theils einzeln, theils gruppenweise von 50 bis herab auf eine Lampe, ausgeschaltet, wobei alle jeweilig brennend gebliebenen Lampen mit stets gleicher Intensität leuchteten. Dies beweist, daſs man mit der Compound-Wickelung nicht nur einfacher und sicherer, sondern auch ökonomischer arbeitet, als ohne dieselbe. Die Einführung der Compound-Dynamomaschinen gestattet auch neuartige, sehr bequeme und wirksame Schaltungen, sowohl für Bogenlicht, als für Glühlampen wie auch für Kraftübertragung, ja sogar für gleichzeitige Einschaltung aller drei Verwendungsarten des Stromes und zwar ohne Einführung von Widerständen. Bemerkt sei zum Schlüsse, daſs bei der hier in Rede stehenden Wickelung einer Schlickert'schen Flachring-Maschine (Type E. L. 4) der Draht des Hauptschlusses 4mm, dagegen der des Nebenschlusses 1mm,2 Durchmesser hatte; bei den die elektrische Bahn Mödling-Brühl bedienenden von der Firma Siemens und Halske beigestellten Dynamomaschinen ist die Compound-Wickelung sogar unter Anwendung von 3 Drahtstärken (6,5 bezieh. 1,8 und 1mm,2) durchgeführt; diese Wickelung weicht von der Schuckert'schen Art bedeutend ab und ist weit umständlicher als diese.