Titel: Ueber die Verwendung der Elektricität in der chemischen Industrie; von Ferd. Fischer.
Autor: Ferd. Fischer
Fundstelle: Band 251, Jahrgang 1884, S. 28
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Ueber die Verwendung der Elektricität in der chemischen Industrie; von Ferd. Fischer.Nach am 20. April und 30. November 1883 im Hannoverschen Bezirksvereine deutscher Ingenieure, gehaltenen Vorträgen. F. Fischer, über Elektricität in der chemischen Industrie. Der griechische Geschichtsschreiber Zosimos im 5. Jahrhundert erwähnt bereits, eiserne Schwerter und Schilder würden dadurch verkupfert, daſs man sie in eine Lösung von caprischen Vitriol tauchte. Paracelsus, (1493 bis 1541) hielt die scheinbare Umwandlung des Eisens in Kupfer durch die Cementwässer zu Schmöllnitz in Ungarn für einen Beweis der Metallverwandlung, eine Ansicht, welche sogar noch der Professor der Chemie Stisser in Helmstedt (1690) theilte.Vgl. A. Bauer: Chemie und Alchemie in Oesterreich, 1883 S. 12. Die Fällung des Kupfers aus wässeriger Lösung durch Elektricität wurde von M. H. Jacobi (1839 72 76. 74 317. 1840 78 110) studirt, welcher damit die Grundlage zur Galvanoplastik legte. Diese hat jedoch weniger die Gewinnung als vielmehr die Verarbeitung der Metalle zur Aufgabe. Becquerel (1836 60 76. 1838 69 265. 1854 133 213. 1869 192 471) löste jene Aufgabe für Silber-, Kupfer- und Bleierze durch Behandeln der gerösteten Erze mit Chlornatriumlösung und Fällen der gelösten Metalle durch den elektrischen Strom. Holf und Pioche (1869 192 473) in Californien versuchten, in entsprechender Weite die Erze direkt zu verarbeiten. Wegen der hohen Kosten der durch galvanische Elemente erzeugten Elektricität konnte aber die dadurch bewirkte Gewinnung von Metallen nur in seltenen Fällen vortheilhaft erscheinen; erst durch Einführung der Dynamomaschinen konnte die Verwendung der Elektricität für die Metallgewinnung allgemeiner werden. Ein Strom von 1 Weber schlägt nach F. KohlrauschF. Kohlrausch: Leitfaden der praktischen Physik, 1880 S. 299. in 1 Minute 6mg,779 Silber nieder, während bei den Meſsapparaten von Siemens und HalskeVgl. Wagner's Jahresbericht der chemischen Technologie, 1882 S. 1154 u. 1157. 1 Ampère (entsprechend 10 Weber) in 1 Stunde 3g,96 Silber in einer Zelle entspricht; somit liefert 1 Ampère in einer Secunde nach: Kohlrausch 1,129mg Silber 0,332mg Kupfer 0,0105mg Wasserstoff Siemens. 1,10 0,3223 0,0102 Für praktische Zwecke wird man daher rechnen können, daſs ein Strom von 100 Ampère in der Secunde ein Milligrammäquivalent der verschiedenen Stoffe ausscheidet. Die thermochemischen UntersuchungenA. Naumann: Thermochemie, S. 451. haben nun sehr verschiedene Werthe für die einzelnen Stoffe ergeben, z.B.: Reaction Bildungswärmeder Verbindung Lösungswärmeder Verbindung Bildungswärmein wässeriger Lösung Zn, Cl2   97210 + 15630 112840 Cd, Cl2   93240   + 3010   96250 Cu2, Cl2   65760 Cu, Cl2   51630 + 11080   62710 Hg, Cl2   63160   – 3300   59860 Au, Cl3   22810   + 4450   27260 Sn, Cl2   80790     + 350   81140 Sn, Cl4 127240 + 29920 157160 Zn, O, SO3 aq 106090 Cu, O, SO3 aq   55960 Ag2, O, N2O5 aq   16780 M. KilianiBerg- und Hüttenmännische Zeitung, 1883 S. 375 u. 423. meint nun, die elektromotorische Kraft eines Daniell'schen Elementes sei äquivalent der Differenz der den darin stattfindenden chemischen Prozessen entsprechenden thermischen Werthe, d.h. 106090 – 55960 = 50130c. Wenn nun die elektromotorische Kraft eines Daniell'schen Elementes zu 1,12 Volt angenommen würde, so sei 1 Volt äquivalent 44760c und könne man hiernach die Wärmetönungen auf elektromotorische Kraft reduciren; beispielsweise: Verdungen Wärmetönung Daraus berechnete elektro-motorische Kraft Ag2, O, N2O5 aq 16780          0,37 Volt Ag2, O, SO3 aq 20390 0,46 Cu, O, N2O5 aq 52410 1,17 Cu, O, SO3 aq 55960 1,25 Man würde somit eine Abscheidung von reinem Silber aus einem Lösungsgemische der Sulfate oder Nitrate von Silber und Kupfer erreichen durch Anwendung einer elektromotorischen Kraft von 1,17 bezieh. 1,25 Volt. Kiliani schlägt vor, auf diese Weise die Metalle elektrolytisch zu trennen.Wesentlich denselben Gedanken hat übrigens schon Berthelot in den Comples rendus, 1881 Bd. 93 S. 661 u. 1883 Bd. 97 S. 92 ausgesprochen. Nun hat aber F. Braun (1882 246 394) gezeigt, daſs nur ein Theil dieser Wärme in Elektricität übergeht, und H. JahnMonatshefte für Chemie, 1883 S. 692. , daſs trotz der Verschiedenheiten der durch den Strom zu leistenden chemischen Arbeit der gesammte Kraftverlust der Kette, z.B. für schwefelsaures Zink und Kupfersulfat, derselbe ist, da sich bei der Ausscheidung von 1k Kupfer 1807c und von 1k Zink 977c entwickeln, entsprechend für: FreieWärme Chem.Arbeit ZnSO4    63216c + 106090c = 169306c CuSO4 114744 + 55960 = 170704 Die gesammten der Batterie bei diesen Zersetzungen entzogenen Elektricitätsmengen entsprechen somit rund 170000c. Ist keine chemische Arbeit zu leisten, werden also statt Platinelektroden Zink- bezieh. Kupferelektroden verwendet, so beträgt die freigewordene Wärmemenge bei der Zerlegung von CuSO4 78994c, von ZnSO4 79916cVgl. Chemisches Centralblatt, 1883 S. 218. . Ferner ergab ein Versuch mit einer Lösung gleicher Theile obiger Sulfate, zwischen zwei Platinelektroden ebenfalls durch den Strom von 2 Bunsen'schen Chromsäure-Elementen elektrolysirt, in vollständiger Uebereinstimmung mit den älteren Beobachtungen von Poggendorff und Magnus, daſs die Metallabscheidung an der Kathode aus reinem Kupfer bestand, während Zink in derselben nicht nachgewiesen werden konnte. Es ergab sich ferner der Unterschied, daſs während aus der reinen Kupfersulfatlösung das Metall vollkommen dicht abgeschieden wurde, der Metallniederschlag bei der Elektrolyse der gemischten Lösung nur zum Theile aus dichtem Kupfer bestand, während ein anderer Theil des Kupfers sich in lockerer, schwammiger Gestalt abgeschieden hatte. Daſs derselbe Strom aus reiner Zinksulfatlösung Zink fallt, aus der gemischten Lösung aber reines Kupfer an der Anode abscheidet, kann dadurch erklärt werden, daſs man mit Favre annimmt, der Strom zerlege zunächst das leichter zersetzliche Kupfersulfat und lasse das Zinksulfat unverändert, oder man deutet mit Hittorff den Vorgang in der Weise, daſs man annimmt, beide Salze würden zu gleichen Theilen zerlegt, das Zink löse sich aber an der Kathode in der Kupfersulfatlösung unter Abscheidung einer äquivalenten Menge Kupfer wieder auf. Abgesehen davon, daſs die letztere Deutung dem Faraday'schen Gesetze besser entspricht, scheint auch das Aussehen des abgeschiedenen Kupfers den Gedanken an eine secundäre Abscheidung eines Theiles desselben nahe zu legen. – Zur Klarstellung dieser Fragen sind weitere Versuche wünschenswerth. Nach Hittorf sind die Schwefelmetalle, welche aus ihren Lösungen schwarz gefällt werden, in natürlichem Zustande gute Leiter; die sogen. Blenden leiten nicht. Nach Versuchen von KilianiBerg- und Hüttenmännische Zeitung, 1883 S. 238. sind von den Erzen gute Leiter: Zinnstein, Silberglaserz, Rothgiltigerz, Bleiglanz, Kupferglanz, Buntkupfererz, Kupferkies, die Schwefel haltigen Kobalt- und Nickelerze, Schwefelkies; nicht oder schlecht leiten: Grauspieſsglaserz, Zinnkies, Weiſsbleierz, Rothkupfererz, Malachit, Lasur, Fahlerze, Zinkblende, Galmei. Gute Leiter können direkt als Anoden verwendet werden, die schlecht oder gar nicht leitenden Erze werden nur durch secundäre Prozesse gelöst. Zur Gewinnung von Zink will zwar Luckow (1881 242 390) Gemenge von Blende mit Kokes verwenden; die Lösung derselben ist jedoch mangelhaft. L. Létrange (1882 245 * 455) empfiehlt daher, die Blende zunächst zu rösten, dann mit der bei der Elektrolyse erhaltenen sauren Lösung gemeinschaftlich mit Galmei o. dgl. auszuziehen und die so erhaltene neutrale Zinksulfatlösung durch den elektrischen Strom zu zersetzen. Er richtete eine derartige Anlage zur Verarbeitung von Zinkasche auf seinem Walzwerke zu St. Denis ein, eine zweite Anlage für Blei und Silber haltige Blende wird im Departement du Var erbaut. Nach einer Mittheilung von R. KosmannBerg- und Hüttenmännische Zeitung, 1883 S. 287. erhält man in St. Denis im regelmäſsigen Betriebe aus abgerösteter Blende mit 1e in 12 Stunden 8k Zink, somit bei 1k,4 Kohlen für Stunde und Pferdestärke für 1k Zink 2k,1 Kohlen, während in den oberschlesischen Zinkhütten für 1k Metall, durchschnittlich 2k Reductionskohle und 9k,8 Heizkohle, zusammen also fast 12k Kohlen verbraucht werden. Hat sich auf den als negative Pole eingehängten Messingblechen eine 4 bis 5mm dicke Schicht von metallischem Zink abgesetzt, so nimmt ein Arbeiter die Bleche heraus und hebt mit einem Messer die Zinkplatte ab, welche sich wie ein Stück Leder abziehen läſst. Das gewonnene Metall wird umgeschmolzen. Das von Létrange angegebene Verfahren, die Erze durch Behandlung mit Schwefligsäure in Sulfate zu verwandeln und diese elektrolytisch zu fallen, würde geeignet sein, gewaltige Massen armer Galmeihalden in Oberschlesien nutzbar zu machen. Die Angabe, daſs für Pferdestärke und Stunde 0k,67 Zink gewonnen werden, ist wohl nicht richtig. Bei Verwendung unlöslicher Anoden erfordert die Abscheidung von 65k Zink aus der Sulfatlösung 170000c, somit für 1k Metall 2615c, oder, da ein le stündlich (75 × 60 × 60) : 428 = 631c gleichkommt, 4e, entsprechend 9k Kohlen, wenn 60 bis 65 Procent der Maschinenkraft nutzbar gemacht werden. Die Angabe von F. GautierGénie civil, 1883 Bd. 3 S. 160. , daſs 17k Kohlen erforderlich seien, erscheint dagegen zu hoch gegriffen, da er für die Zersetzung von ZnSO4 zwar nur 106090c, dagegen nur 30 Procent der Maschinenkraft als Nutzwerth und für Pferdestärke und Stunde 2k Kohle rechnet. (Schluſs folgt.)