Titel: Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk.
Fundstelle: Band 251, Jahrgang 1884, S. 313
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Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk. Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk. Ueber die Melasse-Entzuckerung mittels Kalk und Alkohol hat P. Degener umfassende Versuche ausgeführt und deren Resultate in der Zeitschrift des deutschen Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1883 * S. 351 und 649 veröffentlicht. Um Vergleichswerthe zu bekommen, wurde zu allen Versuchen derselbe gebrannte Kalk (Marmor) und dieselbe Melasse aus Nordgermersleben verwendet. 1) Scheibler-Seyferth'sches Verfahren. Je 2k Melasse von 84 bis 85° Brix und 30° wurden mit der theoretisch berechneten Menge des gebrannten Marmors von 93 Proc. Gehalt an Aetzkalk nebst einem Ueberschusse von 20g zur Deckung der Verluste durch Verstäuben u. dgl., alles aufs feinste gepulvert und danach mittels eines Pistilles sorgfältigst gemischt, bis die Masse vollkommen gleichmäſsig und hell erschien; wurde dies nicht beobachtet, so erfolgt fast keine Bindung zu Melassekalk, der gröſste Theil der Melasse schwitzt nach dem Erkalten wieder aus. Danach wurde die Schale bis zum Eintreten der Reaction auf ein Dampfbad gebracht und nach deren Beendigung wohl bedeckt zum vollständigen Erstarren bei Seite gestellt. Die vorzüglich poröse, auf dem Bruche nur noch geringe Menge ungebundenen Kalkes zu erkennen gebende Masse wurde nun zu erbsengroſsen Stücken zerkleinert und demnächst sofort zum Laugen angesetzt, bezieh. zur Saturation. Es entweicht bei der Reaction eine nicht unbeträchtliche Menge Ammoniaksalze und etwas Wasserdampf; die beobachtete Wärme schwankte zwischen 115 bis 129°. Das Gelingen der Reaction hängt wesentlich davon ab, ob der Aetzkalk frisch gebrannt und sehr fein gepulvert, ob die Masse sorgfältigst gemischt ist und ob sie sofort nach Eintreten der Reaction sich selbst überlassen bleibt. 2) Eißfeldt'sches Verfahren: Es wurden je 2k Melasse von 84 bis 85° Brix auf 30° gebracht; andererseits wurde die berechnete Menge des auch im ersten Verfahren benutzten Aetzkalkes nebst 20g mit der von Eißfeldt vorgeschriebenen Menge Wasser gemischt. In dem Augenblicke, als die Reaction des Wassers auf den Kalk begann, wurde der letztere zunächst rasch und gründlich gerührt und zu dem inzwischen zur höchsten Reaction gelangenden Product die auf 30° erwärmte Melasse gemischt. Dabei wurde das Ganze dünnflüssig und nun unter möglichst sorgfältigem Zerdrücken der noch darin befindlichen Klümpchen so lange gerührt, bis es steif wurde, demnächst in schwach gefettete Kästen gefüllt und langsam erkalten gelassen. Nach 2 Stunden war in der Regel – bei einer Dicke der Kuchen von etwa 3 bis 4cm – die vorgeschriebene plastische Consistenz erreicht; darüber hinaus wurde die Masse brüchig. Die geschnitzelten Kuchen wurden sofort zur Auslaugung gebracht, da sie nach kurzer Zeit eine spröde Beschaffenheit annehmen. (Vgl. Wagner's Jahresbericht. 1881 S. 693 und 1882 S. 768.) 3) Weinrich's Verfahren (vgl. 1880 235 * 53 u. * 361). Es wurden je 2k Melasse von 81 Proc. Trockensubstanz mit der berechneten Menge gelöschten fein gepulverten Kalkes nebst 20g Ueberschuſs verwendet. Die auf 100° erwärmte Melasse wurde mit dem auf dieselbe Temperatur gebrachten Kalke innig gemischt, die Masse in ein enges und tiefes Gefäſs gebracht und hierauf etwa 2 Stunden im Dampfbade verweilen gelassen. Geschah dies nicht, so war, da das Kalkhydrat in der angewendeten geringen Menge offenbar nur unvollständig an Zucker gebunden wurde, der entstandene Melassekalk von einer weich festen Beschaffenheit, aus dem nach kurzer Zeit die Melasse wieder herausschwitzte. Durch das Erwärmen im Dampfbade, eine Behandlung, welche an Wirksamkeit noch weit hinter dem viel längere Zeit andauernden heiſsen Zustande der in der Fabrik dargestellten groſsen Melassekalkmengen zurückbleibt, wurde es erreicht, daſs die Masse nach dem Erkalten hart und spröde sich erwies und bei der Auslaugung in der That zu einer sandigen Masse zerfiel. 4) Manoury's Verfahren. Der hierzu verwendete Aetzkalk wurde in Stücken in ein Blechsieb gethan und darauf in Wasser getaucht, bis er sich vollgesaugt hatte, dann herausgenommen und rasch in eiserne, verzinnte, verschlieſsbare, hohe Cylinder gefüllt. In denselben löschte er sich, wurde nach dem Erkalten abgesiebt und durch nochmaliges Zerreiben und Sieben in möglichst feine Form gebracht. 6 bis 8l dieses Pulvers wurden in eine Schale gethan und aus einem Trichter mit enger Ausfluſsöffnung auf 30° erwärmte Melasse von 80° Brix unter Umrühren mit einem dicken Glasstabe hinzulaufen gelassen. Dabei bildeten sich Körner von Hirsekorn- bis kleine Bohnengröſse, welche in ganz kurzer Zeit vollkommen hart wurden. Das ganze erhaltene Product wurde durch Absieben vom anhängenden Kalkpulver befreit. Die Vorreinigung bestand darin, daſs die Melasse zunächst mit 0,7 Procent mit Wasser abgelöschten Aetzkalkes im Vacuum bei etwa 70° ½ Stunde gekocht wurde; dann wurde der Masse 1,5 Proc. in wenig Wasser gelöste Soda zugesetzt und abermals bei etwa 50° ½ Stunde gekocht. Die nach der Entfernung aus dem Vacuum auf die Consistenz von 80 bis 81 Proc. gebrachte Melasse wurde dann wie oben ohne vorherige Filtration verwendet. (Vgl. Wagner's Jahresbericht, 1880 S. 597. 1881 S. 692. 1882 S. 768.) 5) Drevermann's Verfahren bezieh. dessen Abänderung nach Sostmann. 1k Melasse wurde mit 250g Aetzkalk (etwas mehr als der erforderlichen Menge) und 21 Alkohol von 350 angesetzt derart, daſs 1l des letzteren zum Verdünnen jener, ein weiteres zum Anrühren dieser verwendet wurden. Das Gemisch wurde 24 Stunden unter öfterem Rühren sich selbst überlassen und darauf 140cc Alkohol von 75 Proc., entsprechend dem Wassergehalte der Melasse, unter Hinzuziehung des durch den Aetzkalk absorbirten Wassers zugesetzt. Die Mischung enthielt nun durchgehende 35 Proc. Alkohol. Ferner wurden auf je 100g 33g Aetzkalk (etwas mehr als die berechnete Menge) in 100cc 40- bezieh. 35 procentigem Alkohole gelöscht. Beide vereinigte Flüssigkeiten wurden unter häufigem Mischen 24 Stunden sich selbst überlassen und dann zur Auslaugung gebracht. Zur Vorreinigung nach Gundermann werden je 100g Melasse in 100cc Alkohol von 60° Tr. gelöst bezieh. gemischt. In dem Alkohole wurden vorher je 3g Chlorcalcium gelöst, gut gerührt, 1g in wenig Wasser gelöschten Aetzkalkes hinzugefügt und nun saturirt. Auf die filtrirte klare Lösung wurden 35g freien gepulverten Aetzkalkes in 100cc 40 procentigen Alkoholes gelöscht, eingerührt und nach 8 stündigem Rühren bis auf 13 bis 15° abgekühlt und darauf zur Auslaugung gebracht. (Vgl. Degener 1883 247 256.) Die erhaltenen Resultate sind in 24 Tabellen zusammengestellt. Dieselben ergeben, daſs eine wesentliche Verbesserung oder Verschlechterung der Quotienten durch die Melassekalk-Bereitung nicht eingetreten ist. In wenigen Fällen ist derselbe etwas geringer als der der entsprechenden Melasse, in den meisten Fällen ziemlich gleich, in einigen besser. Da nun die Melasse durch die Behandlung mit Kalk von demselben wechselnde Mengen aufnimmt, so ist ohne Zweifel damit auch eine Abscheidung von Nichtzucker in Form schwerlöslicher Kalksalze verbunden, die in ihrer Gröſse aber selbst bei den einzelnen Verfahren schwanken kann. Es kann ferner kaum einem Zweifel unterliegen, daſs mit gesteigerter Reactionstemperatur auch die Entstehung organischsaurer Kalksalze befördert wird. Ganz gewiſs werden bei einer Reactionstemperatur von 120 bis 130° die theilweise nicht sehr widerstandsfähigen Nichtzuckerstoffe energischer angegriffen werden als da, wo diese Temperaturerhöhung nur wenige Grad beträgt. Die Wärmeentwickelung betrug bei der Bereitung des Melassekalkes nach Scheibler-Seyferth 120 bis 130°, nach Eißfeldt 70 bis 75°, nach Manoury 20 bis 30°, nach Weinrich etwa 100° und nach Drevermann 15 bis 20° Erhöhung. Die hohe Reactionstemperatur bei dem ersten der genannten Verfahren wird durch die Wärmeentwickelung beim Löschen des Kalkes in der Melasse hervorgebracht. Wenn man bedenkt, daſs das hierzu benöthigte Wasser in Verbindung mit Substanzen ist, welche sich durch ein groſses Wasserbindungsvermögen auszeichnen, so kann es nicht Wunder nehmen, daſs der Kalk im Bestreben, dieses fester als gewöhnlich gebundene Wasser an sich zu reiſsen, den Nichtzucker gleichzeitig energischer angreift. Es kommt dazu, daſs da der gelöschte, daher eigentlich nun erst kaustisch wirkende Kalk sich hier in der That im Status nascendi, also in einer wirksamen Modification befindet. Diesen letzteren Umstand finden wir zwar auch bei dem Eißfeldt'schen Verfahren wieder; doch ist hier so viel Wasser vorhanden, daſs die Reactionstemperatur beträchtlich herabgedrückt wird. Bei dem Weinrich'schen Verfahren fällt nun der Status nascendi und seine speeifische Wirkung fort; dagegen ist der Melassekalk von geringerem Wassergehalt als der nach Eißfeldt bereitete, und die hohe Temperatur desselben, die nicht in der Reaction begründet, sondern wenn auch nothwendig, so doch additionell ist, wird dennoch dieselbe Einwirkung haben. Bei dem Melassekalke nach Scheibler-Seyferth kann diese Nachreaction nicht so sehr von Bedeutung sein, weil einerseits durch die Poren rascher ein Ausgleich der Temperatur hervorgerufen wird und weil weiterhin der wichtigste Ueberträger chemischer Reactionen, das Wasser, hier in viel beschränkterer Menge vorhanden ist. Die Reactionswärme bei der Bereitung des Melassekalkes nach Manoury und Drevermann ist eine geringe; doch wird dies zum Theile ausgeglichen durch die gröſseren Mengen von Angriffspunkten für den Kalk im ersteren Falle und durch die Vertheilung in einer lösenden Flüssigkeit im anderen Falle. Die für die Bildung der Salze bei der Melassekalk-Herstellung ermittelten Zahlen ergeben allerdings eine Steigerung in dem Gehalte an Kalksalzen in der aus obigen Betrachtungen sich ergebenden Reihenfolge. Es sind durch die Einwirkung des Kalkes auf die Melasse auf 100 Th. Zucker entstanden im Durchschnitte bei: Manoury (mit Vorreinigung). 0,435 Th. organ. Kalksalze, Eißfeldt 0,553 Weinrick 0,643 Scheibler-Seyferth 1,159 Die Unterschiede unter den drei ersten Verfahren von geringerer Reactionstemperatur sind nur unbedeutend, dagegen ganz wesentlich vom letzten abweichend. Daraus ergibt sich die nachtheilige Einwirkung der Temperaturen über 100°, und es ist dies nicht zu verwundern, wenn man berücksichtigt, daſs man es bei der Bereitung des Melassekalkes nach dem ältesten Verfahren, ganz abgesehen von der Wirkung des Kalkes, auch noch mit dem energisch einwirkenden überhitzten und gespannten Wasserdampfe zu thun hat. Denn jedes Kalktheilchen, indem es sich löscht, bildet in dem zähen Melassekalke zunächst einen kleinen Dampfsammler um sich, der von innen geheizt wird, sich mit Wasserdämpfen von 120 bis 130° erfüllt, sich immer mehr ausdehnt und schlieſslich zerplatzt unter Entweichen des Dampfes durch die schwer bewegliche Masse, welche die Spannung bewirkt, und unter Zurücklassung eines Hohlraumes, einer Blase. Dieser demnach so nachtheilig wirkende Theil der Reaction ist aber zur Erzielung der eigentümlichen Structur des Präparates erforderlich und es wird nach dieser Richtung das letztere um so besser, je ungestörter die Temperaturentwickelung statthaben konnte. Man wird zugestehen, daſs unter diesem Gesichtspunkte die drei erst aufgeführten Verfahren unbedingt den Vorzug verdienen, da hier nur die Wirkungen des gelösten Kalkes (Zuckerkalkes) in Betracht kommen, die allerdings auch mit steigender Reactionstemperatur energischer werden. Was nun sonstige auffällige Erscheinungen bei der Melassekalk-Bereitung betrifft, so ist zunächst hervorzuheben, daſs die Ammoniakentwickelung – selbst bei dem Weinrich'schen Verfahren – im Verhältnisse bei diesem und den anderen auſserordentlich viel geringer ist als bei dem Scheibler-Seyferth'schen, vielleicht weniger wegen der Entstehung geringerer Mengen, als wegen der vollkommeneren Austrocknung durch den überhitzten Wasserdampf. Weiter ergibt sich, daſs für dasselbe Verfahren und dieselbe Melasse die Reinheit des erzielten Melassekalkes etwas schwankt, daſs sie höher und geringer werden kann. Diese Schwankungen sind gering bei dem Eißfeldt'schen, Weinrich'schen und Manoury'schen Verfahren, am stärksten bei dem Scheibler-Seyferth'schen, sie werden bedingt durch die Ausscheidung von organischem Nichtzucker, von Ammoniak, vielleicht auch von Zucker bezieh. optisch activer Substanz, sowie durch Aufnahme von Kalk als Kalksalze. Im Ganzen genommen aber läſst sich sagen, daſs die Quelle der organischsauren Kalksalze durch die Reaction des Kalkes auf die Melasse nicht eine so sehr bedeutende ist, als man bisher vielfach anzunehmen geneigt war, daſs mit Hinsicht auf die viel gröſsere, in den ausgelaugten Melassekalken enthaltenen Mengen derselben noch eine andere Ursache der Kalksalzbildung vorhanden sein muſs, welche wir in den Umsetzungen während der Auslaugung zu suchen haben. Bei der Einwirkung von Kalk auf die Melasse nach irgend einem der besprochenen Verfahren wird nicht lediglich dreibasischer Zuckerkalk gebildet, sondern auch minderbasische Saccharate, bei dem einen Verfahren mehr, bei dem anderen weniger. Diese Reaction hängt von der Menge des vorhandenen Wassers ab, und zeigen die Versuche, daſs die Verluste an Zucker in Folge mangelhaften Gebundenseins desselben bei denjenigen Verfahren gröſser sind, welche Melassekalke von niederem Wassergehalte erzeugen, als bei denen, welchen dieser Träger der meisten Reactionen, wenn auch, wie bei Fällungsverfahren, in reichlicherem Maſse bei ihrer Bildung zur Verfügung steht. Es ist durch Scheibler dargethan worden, daſs dreibasisches Kalksaccharat in 35 procentigem Alkohole fast unlöslich ist. Ferner wird nach Scheibler das dreibasische Saccharat durch 35 procentigen Alkohol auch nicht zersetzt wie durch Wasser; auf der anderen Seite sind die niedrigerbasischen Saccharate, besonders das einbasische, leichter löslich. Es wird nun in diesem Verhalten eine weitere Ursache der Entstehung von Kalksalzen zu suchen sein, indem die in Lösung gegangenen minderbasischen Saccharate sich mit einem Theile des gelösten organischsauren Alkalis umsetzen zu gar nicht oder schwer in verdünntem Alkohole löslichen Kalksalz und Zuckeralkali. Dies ist zugleich eine der Ursachen der Zuckerverluste; denn bei Abwesenheit der Kalisalze wäre es wohl denkbar, daſs durch einen Zusatz von Kalk zu den Laugen sich die gelösten minderbasischen Saccharate in unlösliche dreibasische überführen lieſsen. Aber bekanntlich fällt aus Aetzkali enthaltenden Zuckerkalklösungen durch Zusatz von Alkohol zunächst Kalk, und zwar mehr Kalk als ohne jenes, und sind die fällenden Saccharate Alkali haltig. Eine zweite Ursache der Kalksalzbildung, welche mit der Entstehung freien Zuckers und freien Kalis oder Zuckerkalis eng zusammenhängt, ist, daſs der Kalk nicht ganz unlöslich in verdünntem Alkohole ist; sobald er aber in Lösung mit gewissen organischsauren Kalisalzen zusammentrifft, kann er unter Umständen denselben ebenso leicht die organische Säure entziehen, wie er in wässeriger Lösung dem kohlensauren Alkali die Kohlensäure zu entziehen vermag, nämlich unter Bildung eines schwer- oder unlöslichen Kalksalzes. Dabei wird abermals Alkali frei. Dieses Alkali ist seinerseits nun wiederum im Stande, gelöste Kalksaccharate unter Abscheidung von Kalkhydrat zu zersetzen, und dadurch, daſs man auf diese Weise die mit Kalksaccharat bezieh. mit Kalk gesättigt gewesene Lauge wieder in ungesättigte umwandelt, werden weitere Zuckerverluste herbeigeführt. Ob dieses freie Alkali im Stande ist, dreibasischen Zuckerkalk zu zersetzen, ist noch nicht klar bewiesen und, wenn auch nicht unwahrscheinlich, doch jedenfalls nur in geringem Maſse festzustellen. Eine weitere, noch offene Frage ist, ob organischsaure Alkalisalze in alkoholischer Lösung im Stande sind, dreibasischen Zuckerkalk zu zersetzen. Es ergeben sich also zwei unbestrittene Ursachen der Kalksalzbildung: Die Umsetzung der organischsauren Alkalisalze mit Saccharaten und mit Aetzkalk. Es kann der gelöste freie Kalk sowohl, wie auch der Zuckerkalk auf Verbindungen der Alkalien mit Schwefelsäure und Phosphorsäure, soweit solche in der Melasse vorhanden zu sein pflegen, unter Freiwerden von Kali und Abscheidung von Kalksalz einwirken. Da diese Abscheidung aber nicht vollständig unter den obwaltenden Bedingungen erfolgen kann, weil die gröſsten Mengen jener Säuren in den Melassen an Kalk gebunden sind, und da sie gegen die organischen Säuren fast vollkommen zurücktreten, so ist auf diese Reaction nicht besondere Rücksicht genommen. Dasjenige, was gewöhnlich, durch die Analyse nachgewiesen, als organischsaure Kalksalze angesprochen wird, erweist sich durchaus nicht immer als solche; in den Melassen ist vielmehr ein gewisser Theil, in den saturirten Zuckerkalken ein weit geringerer Theil des gesammten Kalkgehaltes an Schwefelsäure und Phosphorsäure gebunden. Werden nun gewisse Mengen jener, wie üblich, langsam verkohlt und mit Wasser ausgezogen, so werden durch das in Lösung gehende kohlensaure Alkali die Sulfate und Phosphate zu kohlensaurem Kalke und Verbindungen der Alkalien mit jenen Säuren umgesetzt. Es finden sich daher organische Säuren, ursprünglich an Alkali gebunden, als Kalksalze. Es ist somit die letztere Bezeichnung auf die durch die Analyse ermittelte Menge kohlensaurer Kalkasche, soweit es die Melassen (und die Laugen in demselben Maſse) betrifft, nur mit der besprochenen Einschränkung anzuwenden. Wollte man annehmen, daſs etwa vorhandene schwefelsaure und phosphorsaure Alkalien sich mit organischsauren Kalksalzen umsetzten, so könnte dies nur mit solchen der letzteren der Fall sein, welche bei der Melassekalk-Bereitung oder der Auslaugung entstanden waren. In beiden Fällen würde durch die beregte Umsetzung bei der Auslaugung der zur Untersuchung hergestellten Aschen wieder eine Rückbildung erfolgen und der gebildete schwefelsaure bezieh. phosphorsaure Kalk wird sich als das, was er vorher war, als organischsaures Salz (kohlensaurer Kalk) erweisen. In den Zuckerkalken ist die Menge des noch enthaltenen organischsauren Alkalis zu gering, um jene Umsetzung bei der Auslaugung der Asche in der Kalkasche herbeiführen zu können; sie erscheinen hier also nicht als organische Kalkverbindungen bezieh. kohlensaurer Kalk. Eine Entstehung bedeutender Mengen organischsaurer Salze, etwa durch Einwirkung freien Kalkes oder freien Kalis auf den organischen Nichtzucker, speciell die Stickstoffverbindungen, während der Auslaugung ist nicht anzunehmen, wenn man bedenkt, wie verhältniſsmaſsig gering diese Quelle der Kalksalze bei der direkten Einwirkung des Kalkes auf Melasse ist. Daſs jedoch diese Einwirkung vorhanden ist, unterliegt keinem Zweifel, da man leicht beobachten kann, wie Laugen, welche man in verschlossenen Gefäſsen sich selbst überläſst, nach Wochen allmählich ihre Alkalität (meist unter gleichzeitiger Abscheidung von Kalksalzen) verlieren. Dagegen besteht noch eine andere, jedoch hier nicht besonders berücksichtigte Quelle der Kalksalze, und zwar die Reaction, welche zwischen dem ausgewaschenen Zuckerkalke und dem demselben noch anhaftenden Nichtzucker bei dem Abtreiben des noch eingesaugten Waschspiritus, und die gleiche Reaction, welche bei der Verwendung der Zuckerkalkmilch in der Rübensaftreinigung sowohl, wie in der direkten Saturation sich ergibt. Wegen der gröſseren Concentration der reagirenden Flüssigkeiten wird die erstere Reaction die energischere sein als die zweite. Bei den vorliegenden Versuchen haben wir es allerdings nur mit den auf dem zweiten Wege entstandenen Kalksalzen zu thun und auch hier nur in geringem Maſse, da die Zuckerkalke zwar in sehr concentrirter Form, aber doch kalt, die Selbsterwärmung abgerechnet, saturirt wurden. Die erhaltenen Säfte sind somit von diesem Fehler ziemlich frei, was wegen der Vergleichbarkeit der Versuche nothwendig war. Indessen hätte doch die Anstellung vergleichender Versuche über kalte und warme Saturation, über Saturation concentrirterer oder verdünnterer Zuckerkalkmilch noch ein bedeutendes Interesse. Für den Zweck vorliegender Versuche war dieses Verhalten zunächst ohne Bedeutung, da diese Ursache der Kalksalzbildung allen Elutionsverfahren gleichmäſsig anhaftet und natürlich in ihrer Bedeutung in direktem Verhältnisse zur Reinheit der erzielten Zuckerkalke steht, so daſs das in der letzteren Beziehung bessere Verfahren es auch in jener sein wird. Je vollkommener bei der Melassekalk-Bereitung die Bindung des Zuckers als in verdünntem Alkohole unlösliches dreibasisches Saccharat vor sich gegangen war, desto geringer sind offenbar die Zuckerverluste, die Mengen der entstandenen Kalksalze, ferner die Menge des mit denselben somit niederfallenden organischen Nichtzuckers, des freien Alkalis der Laugen und der durch Einwirkung desselben auf den Nichtzucker während der Laugung etwa entstandenen Alkali- und Kalksalze. Umgekehrt wird in dem Melassekalke die Bindung des Zuckers als Trisaccharat die vollständigste sein, welche bei der Laugung die geringsten Zuckverluste und in den Laugen somit die niedrigsten Quotienten hat. Ferner ist die mechanische und chemische Structur der Melassekalke vom wesentlichsten Einflüsse auf die Entstehung der Zuckerverluste wie der Kalksalze. Bei denjenigen Melassekalken, in denen nicht sämmtlicher Zucker als Trisaccharat gebunden war, wird eine gröſsere Menge überschüssigen Kalkes im Stande sein, die minderbasischen Saccharate noch während der Auslaugung zum Theile in das dreibasische Saccharat überzuführen. Diese Reaction findet wahrscheinlich statt, da die Vereinigung von Zucker mit Kalk von einer bestimmten Wärmeentwickelung begleitet sein muſs und die auftretende Temperaturerhöhung beispielsweise bei Manoury so gering erscheint, daſs die Annahme einer unvollständigen Bindung des Zuckers bei der Melassekalk-Bereitung zwar nur durch calorimetrische Versuche direkt zu erweisen ist, aber doch nicht ganz unwahrscheinlich erscheint, um so mehr, wenn man bedenkt, wie unvollkommen diese Bindung hier bei dem Weinrich'schen Verfahren, welches auch gelöschten Aetzkalk anwendet und die Mischung desselben mit Melasse bis auf 100° lange Zeit erhitzt, gelungen ist. Es werden sich weiter um so weniger Kalksalze bilden können, je rascher und vollständiger die organischsauern Kalisalze in den ersten Portionen der Laugen enthalten sind, und ist dies möglich, da dieselben weit leichter in Lösung gehen als die minderbasischen Saccharate und der Aetzkalk. Da mit der raschen Entfernung der Kalisalze die Reinheit der Zuckerkalke entsprechend rasch steigt, so wird gleichzeitig an Laugen gespart werden und dieserhalb geringere Mengen etwa entstandener minderbasischer Saccharate in Lösung gehen, die Zuckerverluste also, geringer werden. Es wird ferner dasjenige Präparat sich am leichtesten auslaugen lassen, welches dem einwirkenden Alkohole die gröſste Berührungsoberfläche bietet. Dabei erscheint aber jede andere Art des Aufbaues dieser Massen zweckmäſsiger als die schwammartig poröse Form und zwar deshalb, weil sich in diesen Poren, besonders der äuſseren Schichten, die in Lösung gehenden Kalk- und Zuckerkalkmengen mit den organischsauern Kalisalzen treffen und dadurch Veranlassung zu ununterbrochener Ablagerung von Kalksalzen in denselben, somit zu einem Verstopfen der Poren gegeben ist. Ununterbrochen muſs diese Ablagerung in den Poren deshalb stattfinden, weil durch die Ausscheidung der Kalksalze die Concentration der Lauge an dieser Stelle zerstört und in Folge dessen ein Diffusionsprozeſs eingeleitet wird, der wieder neue Mengen Alkalisalze nach jenen Stellen führt. Die Ablagerung von wasserlöslichen Kalksalzen (neben diesen entstehen natürlich auch wasserunlösliche) bezieh. deren Vermeidung ist aber von gröſster Wichtigkeit, denn es hängt davon fast ausschlieſslich die Reinheit der Zuckerkalke ab. Daſs es bei allen Verfahren gelingt, die Kalisalze vorher nahezu vollständig zu entfernen und dennoch sich eine groſse Verschiedenheit in den Quotienten ergibt, ist dadurch zu erklären, daſs mit Ausnahme der bei der Melassekalk-Bereitung entstehenden Kalksalze, deren Löslichkeit bekannt ist und die wir nicht vermeiden können, und mit Ausnahme des darin enthaltenen organischen Nichtzuckers der gröſste Theil des sonst in den verschiedenen Zuckerkalken noch anzutreffenden organischen Nichtzuckers an während der Auslaugung unlöslich gewordenen Kalk gebunden sein muſs; an und für sich war dieser Nichtzucker in der Melasse löslich in verdünntem Alkohole, weil er an Kali gebunden war. Daſs es nicht in allen Fällen gelungen ist, sämmtliches Alkali auszuwaschen, mag seinen Grund darin haben, daſs es gewisse, entweder schon in der Melasse vorhanden gewesene oder wahrscheinlich erst späterhin entstandene Alkalisalze gibt, welche in Alkohol von 35 bezieh. 40 Proc. nicht leicht löslich sind, oder daſs die Auslaugung gegen Ende derselben schwieriger wird. Die organischsauern Kalksalze stören also nicht nur die Verkochung und die Krystallisation der Säfte, sondern sind auch die hauptsächlichste Ursache der gröſseren oder geringeren Unreinheit der Zuckerkalke. Dasjenige Verfahren daher, welches sowohl in der Melassekalk-Bereitung wie in der Auslaugung die Entstehung jener Salze am vollständigsten vermeidet, ist ohne Zweifel das am meisten vorzuziehende, da es den reinsten Zuckerkalk und in Folge geringen Laugenverbrauches die geringsten Verluste an Zucker aufweisen wird. (Fortsetzung folgt.)