Titel: Ueber die Herstellung blauer Farbstoffe (Patentklasse 22).
Fundstelle: Band 252, Jahrgang 1884, S. 78
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Ueber die Herstellung blauer Farbstoffe (Patentklasse 22). Ueber die Herstellung blauer Farbstoffe. Zur Darstellung blauer, Schwefel haltiger Farbstoffe empfiehlt die Actiengesellschaft für Anilinfabrikation in Berlin (D. R. P. Nr. 25 240 vom 2. Mai 1883) aus Nitrosodimethylanilin bezieh. Nitrosodiäthylanilin gewonnene Schwefel haltige Basen. Zur Herstellung derselben werden z.B. 10k Dimethylanilin in 10l Salzsäure von 21,50 B. und 50l Wasser gelöst und unter Abkühlung mit einer Lösung von 7k salpetrigsaurem Natron in 25l Wasser langsam versetzt. Nach einigem Stehen hat sich das Nitrosodimethylanilin der Hauptsache nach abgeschieden und die Lauge reagirt neutral. Man versetzt die ganze Reactionsmasse mit überschüssigem Schwefelammonium (etwa 20l concentrirtes bezieh. je nach der Stärke etwas mehr oder weniger), erwärmt im Wasserbade unter gutem Umrühren so lange, bis das unangegriffene Schwefelammonium verjagt ist, läſst erkalten und filtrirt die wässerige Lauge von der gebildeten harzartigen, Schwefel haltigen Verbindung ab. Zur Herstellung Schwefel haltiger Farbstoffe erhitzt man nach A. Bernthsen in Heidelberg (D. R. P. Nr. 25150 vom 29. Mai 1883) 10 Th. Diphenylamin mit 4 Th. Schwefel am Rückfluſskühler auf 250 bis 300° während 2 Stunden oder so lange, bis die Beendigung der Reaction sich durch das Aufhören der Schwefelwasserstoff-Entwickelung anzeigt. Zur Reinigung des so erhaltenen rohen Thiodiphenylamins wird dasselbe destillirt und das hellgelbe, krystallinisch erstarrende Destillat mehrfach aus Alkohol umkrystallisirt. Zur Nitrirung trägt man dasselbe unter gutem Kühlen und Umrühren nach und nach in 5 Th. Salpetersäure von 40° B. Die erhaltene breiartige Mischung wird dann in viel kaltes Wasser eingetragen und die sich als hellgelbes Pulver ausscheidende Nitroverbindung filtrirt und gewaschen. Dieselbe ist schwer löslich in Alkohol und Benzol, leichter löslich in Eisessig. Statt freier Salpetersäure lassen sich auch die bekannten Nitrirungsgemische anwenden. Zur Reduction dieses nitrirten Thiodiphenylamins eignen sich die üblichen Reductionsmittel, z.B. Zinnchlorür, Eisen, Zinn oder Zink und Salzsäure o. dgl. Unter Anwendung von Zinn und Salzsäure verläuft die Reduction in der Wärme sehr schnell, die Nitroverbindung löst sich auf und es entsteht eine farblose Lösung, aus welcher nach der Entfernung des Zinnes durch Schwefelwasserstoff bezieh. Zink durch Eindampfen das salzsaure Salz der Leukobase bezieh. eine Chlorzinkdoppelverbindung desselben erhalten wird. Die Leukoverbindung ist dadurch charakterisirt, daſs sie beim Uebersättigen mit Ammoniak sowie in Berührung mit irgend einem Oxydationsmittel sich sofort in einen violetten Farbstoff umwandelt. Zur Oxydation des obigen Reductionsproductes kann man zweckmäſsig direkt die mittels Zink entzinnte farblose Lösung anwenden. Auf Zusatz von Eisenchlorid bis zum schwachen Vorwalten desselben entsteht sofort eine intensiv violette Fällung des Schwefel haltigen Farbstoffes, welche, wenn nöthig, durch Zusatz von Kochsalz vervollständigt werden kann. Nach dem Abfiltriren des Niederschlages kann derselbe durch Umkrystallisiren aus siedendem Wasser weiter gereinigt werden; auch erhält man den Farbstoff völlig rein und in Gestalt feiner Krystallnadeln, wenn man seine concentrirte wässerige Lösung durch Zusatz von Salzsäure fällt. Im trockenen Zustande ist der Farbstoff ein metallisch glänzendes, grünes Krystallpulver, löslich in concentrirter Schwefelsäure mit grüner Farbe, welche bei steigendem Wasserzusatze zuerst in ein reines Blau und dann in Violett übergeht. Die durch Alkalien in Freiheit gesetzte Farbstoffbase ist roth und in Aether mit gelbrother Farbe löslich. Beim trocknen Erhitzen wird der Farbstoff unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff zersetzt. Seine wässerige Lösung ist intensiv violett gefärbt und wird durch Reductionsmittel, wie Zinkstaub oder Zinn und Salzsäure, Hydrosulfitlösung u. dgl. schnell entfärbt, Oxydationsmittel stellen die violette Farbe wieder her. Der Farbstoff fixirt sich direkt auf animalischer Faser und eignet sich besonders zum Färben von animalisirter oder tannirter Baumwolle, Durch den Eintritt von Alkoholradikalen in das Farbstoffmolekül entstehen Farbstoffe von violettblauem bis blaugrünem Tone; dieselben lassen sich sowohl aus dem violetten Farbstoffe, wie aus dessen Leukobase in der üblichen Weise durch die Brom-, Chlor- und Jodverbindungen von Methyl, Aethyl, Amyl und Benzyl darstellen. Die aus der Leukobase entstehenden alkylirten Leukoverbindungen gehen durch Oxydation schnell in die entsprechenden Farbstoffe über. Zur Darstellung eines blauen, methylirten Abkömmlinges verfährt man z.B. in der Weise, daſs man 4 Th. des violetten Farbstoffes mit einer Auflösung von 3 Th. Natronhydrat in 12 Th. Methylalkohol und mit 6 Th. Jodmethyl in einem Autoklaven während 8 bis 10 Stunden auf 110 bis 120° erhitzt. Nach dem Abtreiben der flüchtigen Producte wird die Farbstoffbase von den Natronsalzen getrennt, durch verdünnte Salzsäure in ihr Chlorhydrat umgewandelt und letzteres durch Auflösen in Wasser und Fällen mit Kochsalz und Chlorzink in einer verwendbaren Form abgeschieden. Zur Herstellung orangerother Farbstoffe und Umwandlung derselben in blaue, Schwefel haltige Farbstoffe werden nach R. Möhlau in Dresden (D. R. P. Nr. 25828 vom 28. Juni 1883) z.B. 14k salzsaures Nitrosodimethylanilin und 8k,5 Dimethylanilin unter Erwärmen in 45k Salzsäure von 1,16 sp. Gew. gelöst. In der klaren gelben Lösung spielt sich bei 100° eine lebhafte Reaction ab, wobei die Masse eine braunrothe Farbe annimmt und in heftiges Schäumen geräth, bedingt durch das Entweichen von Wasserdämpfen. Durch Hinzufügen von Wasser wird der gebildete Farbstoff, welchen Möhlau „Rubifuscin“ nennt, theilweise abgeschieden. Seine vollständige Fällung gelingt durch theilweise Neutralisation der Säure mittels eines Alkalis, mit Ammoniak, Kalk, Soda u. dgl. Durch Umkrystallisiren gereinigt, wird er entweder in orangerothen feinen Nadeln oder in ausgebildeten goldglänzenden, braunrothen Prismen erhalten. Der Vorgang beruht auf der Aneinanderlagerung je eines Moleküls salzsauren Nitrosodimethylanilins und salzsauren Dimethylanilins unter Abspaltung von 1 Mol. Wasser: C6H4.NO.N(CH3)2.HCl + C6H5.N(CH3)2.HCl = C16H19N3.2HCl + H2O. Wie das Nitrosodimethylanilin und das Dimethylanilin verhalten sich die Nitrosoderivate anderer tertiärer aromatischer Amine und die anderen tertiären Amine. Zur Bildung der blauen Farbstoffe wird die saure wässerige Lösung des Rubifuscins (man kann sich auch des oben erwähnten unmittelbaren Productes der Einwirkung von Nitrosodimethylanilin auf Dimethylanilin bedienen) bei gewöhnlicher oder erhöhter Temperatur mit irgend einem Reductionsmittel (Zink, Zinn, Eisen, Schwefligsäure in Gasform oder in der Form von Salzen, unterschwefligsaures Natrium, Schwefelammonium, Schwefelwasserstoff) bis zur vollständigen Umwandlung in eine Leukoverbindung behandelt. Die Anwendung von Schwefelwasserstoff hat sich dabei als sehr zweckmäſsig erwiesen. Das in der Kälte mit Schwefelwasserstoff gesättigte Product wird hierauf bis zum Verschwinden des Geruches nach diesem Gase mit Eisenchloridlösung oxydirt und der gebildete blaue Farbstoff nach dem Sättigen der Lösung mit Kochsalz durch Chlorzink oder ähnliche Chlormetalle gefällt und weiterer Reinigung unterworfen. Nach O. Fischer in München (D. R. P. Nr. 25827 vom 23. Juni 1883) gibt Trichlorbenzaldehyd (Schmelzpunkt 100 bis 111°) mit Dimethylanilin und Diäthylanilin krystallisirbare Leukobasen, welche durch Oxydationsmittel in blaugrüne Farbstoffe übergeführt werden. Zur Herstellung des Trichlorbenzaldehydes wird Trichlorbenzalchlorid (Siedepunkt 280°) mit 10 Theilen concentrirter Schwefelsäure unter gelindem Erwärmen so lange digerirt, bis sich das Chlorid gelöst hat. Nun wird die erhaltene Lösung in Wasser eingetragen, wobei sich der Aldehyd in krystallinischen Flocken vollständig abscheidet. Nimmt man statt concentrirter Schwefelsäure solche mit Anhydritgehalt, so verläuft die Umwandlung des Trichlorbenzalchlorides in den Aldehyd bereits bei gewöhnlicher Temperatur. Erhitzt man nun 1 Th. Trichlorbenzaldehyd mit 2 bis 3 Th. Dimethylanilin bei Gegenwart von Chlorzink oder einem anderen bekannten, ähnlich wirkenden Condensationsmittel einige Stunden auf dem Wasserbade, so entsteht eine neue Leukobase von der Zusammensetzung C23H23Cl3N2, welche in Wasser und Alkohol schwer löslich ist, aus heiſsem Alkohol oder Benzol in Nadeln krystallisirt und bei 128 bis 129° schmilzt. Diese Leukobase wird in saurer Lösung durch Oxydationsmittel, wie Bleisuperoxyd, in eine Farbbase von der Zusammensetzung C23H23Cl3N2O verwandelt, deren Salze krystallisiren und die Faser blaugrün anfärben. P. J. Meyer in Berlin (D. R. P. Nr. 25136 vom 2. März 1883) beschreibt die Darstellung substituirter Isatine und Ueberführung derselben in substituirten Indigo. Anilin, Toluidin, Xylidin, Cumidin, Naphtylamin, ihre alkylirten oder halogenisirten Substitutionsproducte (Chlor-, Brom-, Jod-, Methyl-, Aethylderivate) oder die entsprechenden Diamine (Phenylendiamin, Toluylendiamin) werden der Einwirkung von Dichlor- (Dibrom-, Dijod-) Essigsäure oder deren Amiden ausgesetzt. Dies kann entweder durch anhaltendes Kochen ihrer Lösungen, oder besser durch direktes Zusammenschmelzen eines Gemisches über freiem Feuer geschehen, unter Umständen namentlich bei den flüssigen oder bei niedriger Temperatur schmelzenden Basen schon bei Wasserbadtemperatur. Die Mengenverhältnisse werden am besten so gewählt, daſs auf 1 Mol. Säure 4 Mol. Base angewendet werden. Die direkten Einwirkungsproducte sind substituirte Imesatine, welche beim Behandeln mit starken Säuren oder Basen, einzelne schon bei gewöhnlicher Temperatur, die Imidogruppe leicht gegen Sauerstoff auswechseln und Isatin oder substituirtes Isatin liefern; die Reactionen verlaufen nach folgenden Gleichungen: C2H2Cl2O2 + 4NH2(C6H5) = C14H10N2O + 2NH2(C6H5)HCl + H2O + 2H; Dichloressigs. Anilin Phenylimesatin C14H10N2O + H2O = C8H5NO2 + (C6H5)NH2. Isatin C2H2Cl2O2 + 4NH2(C7H7) = C16H14N2O + 2NH2(C7H7)HCl + H2O + 2H; Dichloressigs. Toluidin Substituirtes Imesatin C16H14N2O + H2O = C9H7NO2 + (C7H7)NH2 u.s.w. Substituirtes Isatin Die Operation wird in der Weise ausgeführt, daſs 1 Th. Dichloressigsäure beispielsweise mit 3,3 Th. Paratoluidin in offenen Gefäſsen bei 100° so lange erhitzt wird, bis die zunächst klar und dünnflüssig gewordene Mischung zähflüssig geworden oder erstarrt ist. Das durch Auslaugen von salzsaurem Salze befreite Product, das Imesatin, wird darauf, am besten mit Salzsäure, bei gewöhnlicher Temperatur oder unter gelindem Erwärmen behandelt, wodurch nach den obigen Gleichungen in Folge von Wasserzuführung Paratoluidin und substituirtes Isatin (Methylisatin) entsteht. Statt der Dichlor- (Dibrom-, Dijod-) Essigsäure oder deren Amiden können auch ihre Aldehyde oder Dichlor- (Dibrom-, Dijod-) Aceton in Anwendung gezogen werden. Das auf dem beschriebenen Wege erhaltene Isatin oder die substituirten Isatine können auf dem gewöhnlichen Wege durch Ueberführen in das Chlorid und Reduction desselben, z.B. mittels Zink- oder Jodwasserstoffes in Eisessig, in Indigo oder substituirten Indigo verwandelt werden.