Titel: Selbstthätige Ventile mit gesteuerter Schlussbewegung für Pumpen und Gebläse.
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 49
Download: XML
Selbstthätige Ventile mit gesteuerter Schluſsbewegung für Pumpen und Gebläse. Mit Abbildungen. A. Riedler's Ventile für Pumpen und Gebläse. Gesteuerte Ventile für Pumpen, Gebläse u.s.w. in die Praxis einzuführen, wurde häufig und schon vor langer Zeit versucht. Alle diesbezüglichen Versuche sind aber bisher ohne nennenswerthen Erfolg geblieben und haben es nur zu einzelnen Ausführungen, nie zu dauernder gröſserer Verwendung gebracht. Das Bedürfniſs für eine verläſsliche Construction in dieser Richtung ist jedoch ein unbedingtes, da den weitgehenden Forderungen des heutigen Maschinenbaues, namentlich in Hinsicht auf Pumpen mit groſser Geschwindigkeit oder groſsem Drucke, mit selbstthätigen Ventilen zum Theile nur sehr unvollkommen, zum Theile nur durch sehr umständliche Ausführungen entsprochen werden kann. Die Ursachen, weshalb gesteuerte Ventile und verwandte Constructionen (Schieber, Kolben u.s.w.) im Pumpenbaue bisher keinen Erfolg errungen haben, sind darin zu suchen, daſs die Ventile mit durchaus gezwungener Bewegung, ohne jede selbstthätige Wirkung, ausgeführt wurden (Schieberpumpen) und daſs bei den bisherigen Ausführungen die Ventile sich den bei Pumpen und Gebläsen gelegentlich völlig veränderlichen Druck- und Bewegungsverhältnissen nicht anpassen, daſs die Steuerungen nicht genau genug, nicht rechtzeitig arbeiten und einsetzen, durch vorzeitigen Schluſs der Steuerungsorgane unrichtige Vertheilung und selbst gefährliche Störungen bewirken u. dgl. Durchaus gezwungene Bewegung von Pumpenventilen (wie bei Schieberpumpen) kann den gegebenen praktischen Betriebsverhältnissen überhaupt nicht entsprechen. Pumpen sind zuweilen in hohem Maſse veränderlichen Verhältnissen unterworfen, namentlich durch Luftsaugen, Undichtigkeiten, durch Massenbewegung u.s.w., denen durch unabänderliche Kanaleröffnungen und gezwungene Bewegung nicht Rechnung getragen werden kann. Eigentliche Ventilsteuerungen für Pumpen sind überwiegend auf ganz vereinzelte Ausführungen beschränkt geblieben und in weiteren Kreisen auch kaum beachtet worden. Allgemeiner bekannt dürften u.a. sein: die schon in den 60er Jahren ausgeführte Anordnung von Windhausen und die neue Ausführung (1880) von Corliſs (vgl. 1882 243 * 94). Aber auch diese haben keine Verbreitung gefunden, weil dieselben die Uebelstände selbstthätiger Ventile nur zum geringen Theile beheben, weil sie den vorerwähnten veränderlichen Verhältnissen nicht genügend Rechnung tragen, keine genau regulirbare Bewegungsübertragung und kein dem veränderlichen Betriebe anpaſsbares und sich selbstthätig anpassendes genaues Spiel ermöglichen, auch nicht frei von Stoſswirkung sind: Nachtheile, welche zum Theile als Ursache die Ableitung der Ventilsteuerung von einer geradlinigen Bewegung haben. Wird für die Ventilsteuerung geradlinige Bewegung benutzt, so erfolgt die Ableitung der Bewegung am häufigsten und einfachsten direkt von den Pumpenkolbenstangen aus, durch Verbindung einer Steuerungsstange mit den letzteren. Die Steuerungsstange macht mithin die Bewegungsbeschleunigungen und Verzögerungen innerhalb der todten Punkte mit der Kolbenstange mit. Nachdem nun die Pumpenventile stets am Ende des Hubes kurz vor dem Hubwechsel gesteuert werden müssen bezieh. in diesem Augenblicke die entscheidende Steuerung erfolgen muſs (wenn etwa die Ventilsteuerung ununterbrochen während des ganzen Hubes erfolgt), so ergibt sich hieraus der Nachtheil, daſs die entscheidende Bewegung von der Steuerungsstange auf das Ventil immer in dem Zeitpunkte zu übertragen ist, wo sich die Geschwindigkeit der Stange allmählich auf Null verzögert. Gegen Ende des Kolbenhubes legt die Steuerungsstange bei beträchtlichem Kurbelwinkel nur einen geringen Weg zurück. Die Ventile sollen aber gerade während dieses Ueberganges rasch und scharf bewegt werden; in Folge dessen ist die Ableitung der Steuerungsbewegung von der geradlinig bewegten Stange bei direkter Uebertragung auf die Ventile, mit Rücksicht auf den unvermeidlichen todten Gang, auf Abnutzungen u. dgl., für eine verläſslich wirkende Ventilsteuerung überhaupt nicht geeignet. Abhilfe dagegen ist nur möglich durch verschiedenartige besondere Zwischenconstructionen. Ein einfaches, aber unvollkommen wirkendes Mittel zur Milderung der Uebelstände liegt darin, die allmählich kleiner werdenden Wege der Steuerungsstange p durch entsprechende Hebelübersetzungen auf die Ventilstange v zu vergröſsern (vgl. Fig. 1), oder neben dieser Hubvergröſserung eine Geschwindigkeitsvergröſserung im letzten entscheidenden Augenblicke durch eine Keilübertragung d (Fig. 2) zu bewirken und durch letztere zugleich den Anfangsstoſs zu vermindern, oder durch Uebertragungshebel h, die auf einander abgleiten, den ersten Angriff mit groſsem Hebelarm des Ventilhebels, dagegen den Schluſs mit geringem Hebelarm und vergröſserter Geschwindigkeit zu bewirken (vgl. Fig. 3). Fig. 1., Bd. 254, S. 50 Fig. 2., Bd. 254, S. 50 Fig. 3., Bd. 254, S. 50 Fig. 4., Bd. 254, S. 50 Fig. 5., Bd. 254, S. 50 Durch solche und ähnliche einfache oder umständliche Mittel, wie beispielsweise in Fig. 4 mit schwingendem Uebertragungshebel, in Fig. 5 mit Umsetzung in rotirende Bewegung u. dgl., lieſsen sich die Uebelstände zum Theile mildern. Solche Constructionen wären in vielen Abänderungen immerhin constructiv gut ausführbar, aber von geringem praktischen Werthe, weil die erwähnten Uebelstände eben nur gemildert, keineswegs aber aufgehoben werden, und mit Rücksicht auf bereits bekannte Anordnungen kaum patentfähig. Vollständig behoben würden die Mängel nur durch Verwendung von Steuerungsstangen, welche im Augenblicke des Hubwechsels der Pumpen möglichst groſse Geschwindigkeit besitzen, beispielsweise in der bekannten Anordnung, daſs die mit einer Pumpe direkt verbundene Steuerung nicht die Ventile dieser Pumpe, sondern die Ventile einer zweiten, unter bestimmtem Kurbelwinkel gekuppelten Pumpe steuert; eine Einrichtung, welche aber zur Erreichung des vorliegenden Zweckes so weitläufig wird, daſs sie jeden praktischen Werth verliert. Weiterhin haben die Ventilsteuerungen für Pumpen, bei welchen die Steuerungsbewegung von einer hin- und hergehenden Stange abgeleitet wird, noch den wesentlichen Nachtheil, daſs die Ventile bei entsprechender Einstellung der Steuerung unmittelbar vor dem Hubwechsel geschlossen werden und daſs dann mit der Bewegung des Pumpenkolbens auch die der Steuerungsstange umkehrt, also die Pumpenventile unmittelbar nach dem Hubwechsel von den Steuerungsorganen verlassen und wieder frei werden. Dies entspricht nicht den gegebenen praktischen Verhältnissen; vielmehr ist es keineswegs unmöglich, daſs ein durch eine äuſsere Steuerung geschlossenes Ventil, wenn dasselbe durch diese nicht gesperrt erhalten bleibt, sich nach dem Hub Wechsel wieder öffne, durch Kräfte, welche sich gelegentlich aus Störungen des normalen Betriebes ergeben können, durch die lebendige Kraft der bewegten Wassermassen u.s.w. Mit Rücksicht auf unvermeidliche Störungen im regelmäſsigen Pumpengange müſste also an gesteuerte Pumpenventile unbedingt die Forderung gestellt, werden, daſs die Ventile, wenn dieselben durch die äuſsere Steuerung beim Hubwechsel geschlossen werden, in der angenommenen Lage durch die äuſsere Steuerung so lange gesperrt erhalten bleiben, bis eine nochmalige Eröffnung durch zufällige innere Kräfte nicht mehr erfolgen kann, d. i. während eines groſsen Theiles der rückgängigen Kolbenbewegung. Es müſsten daher gesteuerte Pumpenventile, deren Steuerung von hin- und hergehenden Stangen abgeleitet wird, mit einer Hemmungsvorrichtung o. dgl., etwa wie in Fig. 6 beispielsweise versinnlicht, ausgerüstet sein, eine Anordnung, welche für praktische Zwecke nicht genügend einfach und gegenüber den Zufälligkeiten des Betriebes auch keineswegs genügend verläſslich sein dürfte. Fig. 6., Bd. 254, S. 52 Eine den praktischen Verhältnissen und den unvermeidlichen Unregelmäſsigkeiten im Betriebe Rechnung tragende Construction müſste folgende Grundbedingungen erfüllen: Die Ventile müssen während des Hubwechsels vollständig selbstthätig sein und selbstthätig den Unregelmäſsigkeiten folgen können, sowie selbstthätig in Bezug auf Dichtung wirken, um verläſslichen Abschluſs durch den Flüssigkeitsdruck zu bewirken. Die auſsere Steuerung muſs die unerläſsliche Einfachheit besitzen, darf erst vor Ende des Hubes, unmittelbar vor dem Hubwechsel, wirken und muſs dann rasche Ventilbewegungen erzielen. Die Ventileröffnung muſs selbstthätig erfolgen und die äuſsere Steuerung deren beliebige, genaue Einstellung ermöglichen. Diesen Bedingungen entsprechen die gesteuerten Pumpenventile von Prof. Al. Riedler in Aachen (* D. R. P. Kl. 47 Nr. 24849 vom 10. Juni 1883). Die Grundlage dieser Construction ist folgende: Gewöhnliche einsitzige, selbstthätige Ventile müſsten zur Erzielung des normalen Durchgangsquerschnittes eine Hubhöhe gleich ¼ ihres Durchmessers besitzen, welcher groſse Hub aber das selbstthätige Schlieſsen der Ventile erschweren und bei groſser Geschwindigkeit unmöglich machen würde. Um den sicheren Schluſs zu erzielen, müssen Ventile mit möglichst kleinem Hube ausgeführt werden und, um trotz des notwendigen kleinen Ventilhubes den erforderlichen Durchgangsquerschnitt zu erhalten, muſs entweder der Querschnitt der Ventile, oder ihre Anzahl vergröſsert werden. Letzteres Verfahren ist das weitaus häufigste und hat zur Construction von sogen. Etagen-, Ring- und sonstigen zusammengesetzten Ventilen geführt, welche allerdings bei kleinem Ventilhube beliebig groſse Durchgangsquerschnitte ermöglichen, aber sehr umständliche, theure Constructionen und auſserordentlich ausgedehnte und zahlreiche Dichtungsflächen und auch den Ventilen entsprechend sehr groſse Pumpenkasten erfordern, so daſs bei vielen Ausführungen, namentlich für Pumpen unter hohem Drucke, sowohl in Bezug auf Dichtungsflächen, als auch in Bezug auf Gröſse der Pumpenkasten die Grenze des praktisch Zweckmäſsigen und Zulässigen überschritten wurde. Nun sind aber alle diese Nachtheile nur Folgen des kleinen Ventilhubes, welcher während der eigentlichen Pumpenarbeit gar nicht nöthig und zweckmäſsig, vielmehr nur am Ende des Hubes, beim Hubwechsel, zur Erzielung des sicheren Schlusses erforderlich ist. Fig. 7., Bd. 254, S. 52 Riedler verwendet nun, um alle erwähnten Uebelstände zu beseitigen, gewöhnliche einsitzige Ventile, die sich auf ¼ ihres Durchmessers heben können, entlastet dieselben durch Entlastungsfedern f (Fig. 7) in Bezug auf Eigengewicht der Ventile, auf Einfluſs der Sitzflächen und der Nebenwiderstände, so daſs das Ventil sich beim Hubwechsel sofort und vollständig eröffnen kann. Die nothwendige Führung des Ventiles erfolgt durch eine Spindel. Durch entsprechende Buffer im Federgehäuse oder unterhalb desselben wird das Aufschlagen bei zu raschem Eröffnen verhindert. Kurz vor Ende des Hubes werden die auf diese Weise vollständig geöffneten Ventile durch die äuſsere Steuerung und zwar von einer umlaufenden Welle, mittels Daumen d und Uebertragungshebel geschlossen, d.h. bis auf eine beliebig kleine, genau regulirbare Entfernung dem Sitze genähert, so daſs das Ventil beim eigentlichen Hubwechsel vollständig selbstthätig wirkt und dichtet wie ein Ventil von sehr geringem Hube. Die genaue Regelung dieses freien Hubes erfolgt theils durch die verstellbare Verschraubung v beim Angriffe an der Ventilspindel, theils durch Stellbarkeit der Uebertragungsrolle oder des Stiftes s und durch Verstellung des Steuerungsdaumens, wodurch das freie Spiel auch gänzlich aufgehoben werden kann. Der Steuerungsdaumen d erhält eine solche Begrenzung, daſs der erste Anhub des Ventiles bei der Schluſsbewegung möglichst sanft, dann aber unmittelbar vor dem Hubwechsel möglichst rasch erfolgt und daſs das geschlossene Ventil während eines groſsen Theiles der rückgängigen Kolbenbewegung gesperrt erhalten bleibt. In die Hülse s des Hebelkopfes oder in die Verschraubung v sind elastische Scheiben eingesetzt, um im äuſsersten Falle, wenn die Steuerung unrichtig gestellt oder in Unordnung gerathen sein sollte, eine Eröffnung des Ventiles zu ermöglichen und zwar auf gröſsere Hubhöhe, als das erwähnte freie Spiel des Ventiles naturgemäſs zuläſst. Die Steuerung kann bei doppelt wirkenden Pumpen dadurch vereinfacht werden, daſs Saug- und Druckventile der entgegengesetzten Pumpenseiten gleichzeitige Schluſsbewegung erhalten müssen und in Folge dessen auch nur eines gemeinsamen Steuerungsdaumens bedürfen. Solche Ventile wurden bisher für Gebläse, Pumpen und für unterirdische Wasserhaltungsmaschinen unter hohem Drucke ausgeführt und haben den Voraussetzungen und praktischen Anforderungen vollkommen entsprochen (vgl. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1884 * S. 2). Die Ventile arbeiten bei dem regulirbaren, beliebig kleinen, selbstthätigen Hube vollständig zuverlässig sowie geräuschlos und ergeben durch die ruhige Schluſsbewegung bei sicherer Führung der Ventile auch nur sehr geringe Abnutzung der Dichtungsflächen, welche letztere höchst unbedeutend ist, da die Ventile nur den normalen Durchmesser besitzen und die ganze Ventileröffnung für den Durchgangsquerschnitt nutzbar gemacht wird. Selbstverständlich ist stets nur je ein Ventil für jede Pumpenseite auszuführen, da es auf den vollen Hub ausgenutzt und dieser durch die äuſsere Steuerung in Bezug auf die nachtheiligen Folgen beim Ventilschlusse unschädlich gemacht wird. Diese Anordnung gewährt mithin den Vortheil, Ventile von geringster Abmessung und geringster Dichtungsfläche verwenden, den Ventilquerschnitt voll ausnutzen zu können und stets sicheren Schluſs und geringe Abnutzung zu erzielen; dabei vermeidet dieselbe die groſsen und vielgliederigen Ventile und deren schwierige Instandhaltung, sowie die bei derartigen Ventilen nothwendigen übermäſsig groſsen Abmessungen der Pumpen und Ventilkästen und ermöglicht ein sicheres, stets verläſsliches Ventilspiel bei allen Pressungen und bei hohen Geschwindigkeiten.