Titel: Neuere Einrichtungen zum gefahrlosen Andrehen grosser Dampfmaschinen.
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 277
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Neuere Einrichtungen zum gefahrlosen Andrehen groſser Dampfmaschinen. Mit Abbildungen auf Tafel 20. Neuere Einrichtungen zum Andrehen von Dampfmaschinen. Auf der diesjährigen Londoner Textilindustrie-Ausstellung haben J. Musgrave und Söhne in Bolton verschiedene Anordnungen ihrer durch Hand oder kleine Dampfmaschinen zu bewegenden Einrichtungen zum Andrehen groſser Dampfmaschinen ausgestellt. Durch dieselben wird das Schwungrad (bezieh. die Antriebsscheibe) der Dampfmaschine durch ein unmittelbar in eine innere Verzahnung desselben eingreifendes kleines Zahnrad an Stelle der bis jetzt zu diesem Zwecke benutzten Schaltwerke (vgl. Scott 1884 252 * 227) langsam bewegt, wenn vor dem Anlassen der Dampfmaschine die Kurbel über den Todtpunkt zu drehen, Seile oder Riemen aufzulegen sind, oder sonstige Arbeiten an der Transmission oder Maschine ein langsames Drehen der Maschine bedingen. Das Bemerkenswerthe an diesen Einrichtungen ist die selbstthätige Ausschaltung, indem beim Anlassen der Dampfmaschinen, wenn die Todtpunktstellung überwunden ist und der in den Cylinder hinter den Kolben tretende Dampf nun das Schwungrad in Bewegung setzt, der Eingriff des kleinen Antriebrades aufhört, so daſs kein Bruch einzelner Theile des Andrehwerkes vorkommen kann. Fig. 1 und 2 Taf. 20 verdeutlichen die Anordnung für Handbetrieb. Durch eine von dem Kurbelrade H gedrehte Schnecke S wird das Rad R und das auf dessen Welle C mit sitzende, in die innere Verzahnung des als Seilscheibe ausgebildeten Schwungrades A greifende kleine Rad B getrieben. Fängt nun das Rad A an, schneller zu gehen, wenn der Dampf im Cylinder wirken kann, so wird das Rad B auf der Welle C zurück und damit auſser Eingriff mit A geschoben. Das Rad B sitzt nämlich lose auf der Welle C und wird nur durch eine am Ende der Welle C befindliche Schraube mit einem Gange mitgenommen. Wird das Rad B vom Schwungrade dann schneller als die Welle C gedreht, so schiebt es sich dem Schraubengange entsprechend zurück, wobei der Gewichtshebel G an der Führungsstange F des Rades B durch seine lebendige Kraft die vollkommene Ausrückung vermittelt. Ganz ähnlich ist die Einrichtung von C. J. Galloway und J. H. Beckwith in Manchester (Englisches Patent Nr. 6824 vom 25. April 1884, vgl. Engineering, 1884 Bd. 38 S. 329), bei welchem die Achse des Getriebes selbst als steilgängige Schraube ausgebildet ist. So lange das Getriebe treibend wirkt, bleibt dasselbe mit den Zähnen des Schwungrades im Eingriffe; wird es aber von letzterem überholt, so schraubt sich das Getriebe auf seiner Achse so weit zurück, daſs es aus den Schwungrad zahnen ausgerückt ist. Wenn zu dem Andrehen eine kleine Dampfmaschine benutzt wird, so erhält der Musgrave'sche Andrehapparat die Einrichtung Fig. 3 und 4 Taf. 20. Das auf der Schneckenrad welle W sitzende Rad C greift nicht direkt in die innere Verzahnung des Schwungrades A ein, sondern es erfolgt die Bewegungsübertragung durch ein gleich groſses Zwischenrad B. Das Rad B sitzt an dem um die Welle W des Rades C drehbaren Hebel D, welcher an seinem anderen Ende in einen Handgriff G ausläuft. In der Ruhelage hängt der Hebel D mit dem Rade B lothrecht und das Rad B muſs erst durch das Verdrehen des Hebels in die wagerechte Lage zum Eingriffe mit A gebracht werden. Wenn die kleine Dampfmaschine M nun arbeitet, wird die Scheibe A langsam gedreht und erhält zugleich der Widerstand der Bewegung das Rad B, indem sich der Hebel D auf einen Vorsprung E stützt, wie aus beistehender den kinematischen Zusammenhang verdeutlichenden Skizze ersichtlich, stets im Eingriffe. Kommt das Schwungrad A der groſsen Dampfmaschine jedoch durch den im Cylinder wirkenden Dampf in eine schnellere Bewegung in derselben Richtung, so wird dadurch das Rad B nach unten gedrückt und auſser Eingriff mit A gebracht. Textabbildung Bd. 254, S. 278 Statt einer eincylindrigen Maschine hat einer der ausgestellten Apparate eine Zwillingsdampfmaschine zum Antriebe der Schnecke S erhalten. Eine dem gleichen Zwecke dienende, fast noch einfachere Vorrichtung, welche auf der erwähnten Ausstellung gleichfalls vorgeführt war, ist von Hick, Hargreaves und Comp. in Bolton ausgeführt und in Fig. 5 bis 7 Taf. 20 nach Engineering, 1884 Bd. 38 S. 185 abgebildet. Es ist eine stehende Zwillingsmaschine mit oben liegender Welle und zwei um 90° versetzten Kurbelkröpfungen, welche also in jeder Stellung ohne weiteres anläuft. Eine am Ende der Welle aufgekeilte kräftige Schraube greift in ein Zahnrad r, welches auſserdem mit dem innen verzahnten Schwungrade der groſsen Maschine in und auſser Eingriff gebracht werden kann. Die Welle desselben ruht zu diesem Zwecke in einem wagerechten Schlitze und wird durch zwei Federn f stets nach innen, d.h. auſser Eingriff gezogen. Die Zähne des Rades r haben einerseits schräge, zur Schraube passende, andererseits gewöhnliche winkelrechte Flanken. Soll diese Hilfsmaschine benutzt werden, so wird, nachdem man derselben Dampf gegeben hat, mittels eines Handhebels h (Fig. 5) ein Klotz unten seitlich gegen das Rad r gepreſst. Dasselbe dreht sich dann um diesen festgehaltenen Punkt nach rechts (vgl. Fig. 6) in die äuſserste Lage, in welcher es mit dem Schwungrade in Eingriff ist und dieses also in Bewegung setzt. Sobald die Zähne in einander gegriffen haben, kann man den Hebel h loslassen, da die Räder dann durch die Resultante der beiden an r auftretenden Zahndrücke, welche ungefähr durch die Achse von r gehen wird, in Eingriff gehalten werden, vorausgesetzt, daſs die Spannung der Federn f nicht zu groſs ist. Wird darauf der Dampf in der groſsen Maschine wirksam, so werden jene Zahndrücke schnell abnehmen; ehe dieselben zu Null geworden sind, werden mithin die Federn f das Rad r zurückziehen und auſser Eingriff bringen. Uebrigens wird, wenn das Rad r von dem Schwungrade überholt werden sollte, der Zahndruck des dann treibend wirkenden Schwungrades eine Drehung von r um den durch die Schraube gebotenen Stützpunkt und hierdurch die Ausrückung veranlassen. Für Dampfmaschinen bis zu 500e indicirt erhalten die Cylinder dieser Hilfsmaschine einen Durchmesser von 190mm. Eine gröſsere Sorte mit 230mm Cylinderdurchmesser soll für Maschinen bis zu 1500e genügen. Aehnlich ist die Einrichtung von R. Matthews in Hyde, Cheshire (Englisches Patent Nr. 10368 vom 19. Juli 1884, vgl. Engineering, 1884 Bd. 38 S. 329). Auch hier steht das Schraubenrad B (Fig. 9 Taf. 20) zugleich mit dem Schwungrade A in Eingriff. Zum Ausrücken desselben soll jedoch statt der Federn ein Ueberfallhebel E benutzt werden, welcher mit dem die Achse von B tragenden Gleitstücke D verbunden ist. In der gezeichneten Stellung sichert E den Eingriff zwischen B und A. Wird aber B von A überholt und um seinen unteren Stützpunkt etwas nach links gedrängt, so fällt der Hebel, sobald derselbe die senkrechte Lage überschritten hat, in die wagerechte Lage E1 und zieht dabei das Gleitstück D sammt dem Rade B genügend weit nach links, um A und B vollständig auſser Berührung zu bringen. In Verbindung mit dem Ueberfallhebel oder auch an Stelle desselben kann die in Fig. 8 Taf. 20 abgebildete Einrichtung benutzt werden. In einem kleinen Dampfcylinder, in welchen der Dampf bei M oder N eintreten und aus dem er bei O austreten kann, befinden sich zwei starr verbundene Kolben P und P1 deren Kolbenstange mittels Gelenkstange Z an den zum Einrücken dienenden Handhebel angehängt ist. Sind die Räder B und A in Eingriff, so haben P und P1 die gezeichnete Stellung, in welcher sie, da der Dampf bei N Zutritt hat, durch den Dampfdruck gehalten werden, bis das Schwungrad treibend wirkt, das Rad B nach links drängt, dabei die Kolben etwas herabzieht und hierdurch die Dampfzuströmung bei N abschlieſst, bei M öffnet. Die Kolben werden dann sofort abwärts gestoſsen, wobei der unter P1 befindliche Dampf durch O entweicht, und eine schnelle vollständige Ausrückung herbeigeführt, Es kann ferner noch die nach oben verlängerte Kolbenstange G mit einer Sperrklinke H verbunden werden, welche beim Niedergange der Kolben zugleich ausgelöst wird, so daſs sie den belasteten Hebel K frei gibt. Dieser schlieſst dann niederfallend einen Hahn o. dgl., welcher die Dampfzuströmung zu der Andrehmaschine absperrt, während dieselbe sonst von Hand abgestellt werden muſs. Auch J. Musgrave hat in Verbindung mit A. Walsh in Bolton (Englisches Patent Nr. 2823 vom 6. Februar 1884) noch einen dritten Apparat angegeben, welcher mit den letzt besprochenen eine gewisse Aehnlichkeit besitzt, insofern auch hier das Getriebe in der Ebene der Räder ausgerückt wird; doch ist hier nicht die Achse desselben im Gestelle verschiebbar, vielmehr sitzt das Getriebe selbst mit einem länglichen Schlitze auf derselben auf und wird beim Ueberholen derart zurückbewegt, daſs die Achse desselben näher am Umfange sich befindet und so der Eingriff mit den Zähnen des Schwungrades aufgehoben ist.

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