Titel: Reynolds' Goldscheidung aus Barren; von F. Gutzkow in San Francisco.
Autor: F. Gutzkow
Fundstelle: Band 255, Jahrgang 1885, S. 303
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Reynolds' Goldscheidung aus Barren; von F. Gutzkow in San Francisco. J. Reynolds' Goldscheidung aus Barren. In den „Reisenotizen aus Nordamerika“ der Berg- und Hüttenmännischen Zeitung, 1884 S. 43 heiſst es u.a.: „Bei der Scheidung von Gold und Silber will man die Erfahrung gemacht haben, daſs sich Silber in Barren weit leichter löse als in Granalien – eine Thatsache, welche jedenfalls sehr der Bestätigung bedarf.“ Hier erhält also ein Metallurgist, an der Küste des Stillen Oceans angekommen, die erste Nachricht von einem nahezu 20 Jahre alten metallurgischen Prozesse, mittels welchen wohl doppelt so viel Silber geschieden wurde, als Deutschland während dieses Zeitraumes gefördert hat. Ich meine die Goldscheidung aus Barren, erfunden von John Reynolds in San Francisco im J. 1865. Eine nähere Beschreibung des Reynolds'schen Prozesses dürfte am Platze sein, weil derselbe dem Namen nach kaum, dem Werthe nach gar nicht in Fachkreisen bekannt zu sein scheint. Die Scheidung des Goldes vom Silber mittels Schwefelsäure war bekanntlich eine im J. 1802 gemachte Erfindung d'Arcet's. Die verschiedenen Behandlungen, durch welche man dazu gelangte, aus niederhaltigern Scheidegut münzfeines Gold zu erhalten, galten lange als Fabrikgeheimniſs. Die wichtigste war die Zerkleinerung des Gold haltigen Silbers durch Granulation, d.h. durch Eingieſsen des geschmolzenen Metalles in Wasser, und die Wiedereinschmelzung und Ueberführung des abgeschiedenen Goldes zu einer an Gold reicheren Legirung behufs einer zweiten Scheidung. Denn die sich in den Lehrbüchern findende, von Pettenkofer erfundene Methode der Schmelzung des Goldes in doppelt schwefelsauren Alkalien hat sich für den Groſsbetrieb nie einzubürgern vermocht. Bis zum J. 1865 war man nicht im Stande, aus Silber, welches weniger als ungefähr 25 Proc. Gold enthielt, unmittelbar und in einem Ginge mittels Schwefelsäure das Gold in einer Feinheit von mindestens 99 Proc. abzuscheiden. Zu dieser Zeit arbeitete J. Reynolds in der der Firma Kellogg, Hewston und Comp. gehörigen Scheideanstalt, welcher ich selbst als „Superintendent“ vorstand. Die nervöse, fast krankhafte Hast, welche, als Erbtheil des „Goldfiebers“, alle californische Arbeit, geistige wie körperliche, in so merkwürdiger Weise kennzeichnet, war in der erwähnten Fabrik zur hohen Vollkommenheit ausgebildet. Der Zinsfuſs war hoch, gemünztes Gold immer selten, da Gold damals die beinahe einzige Ausfuhr bildete. Für die Bankhäuser, die Hauptkunden der Firma, war es von hoher, zeitweise äuſserster Wichtigkeit, ihr Gold so bald als möglich in die Münze zu schaffen. Die Folge war ein tägliches Wettrennen. Die Arbeiter an den Scheidetöpfen wurden getrieben von den Leuten, welche das geschiedene Gold weiter zu behandeln hatten, diese wieder von den Schmelzern und, lange bevor das Gold gegossen werden konnte, hatte die ungeduldige „Office“ den Wagen geschickt, um die Barren in die Stadt zu Schaffen. Häufig genug wurden die letzteren noch beinahe rothglühend verladen, für etwaige Räuber in dem nicht allzu sicheren Stadttheile gewiſs eine Unangenehme Ueberraschung. In der Stadt warteten die Probirer schon an der Straſsenthür und die Hetzjagd unter ihnen und den Handlungsgehilfen und den Ausläufern und den Wagenpferden war nicht eher zu Ende, bis das Gold schlieſslich in der Münze lag. Reynolds war sehr unglücklich, daſs er für seinen Theil seinen „Furor Californicus“ an nichts auslassen konnte. Er hatte die Scheidetöpfe zu überwachen und diese bedurften sehr zarter Behandlung. Das Feuer muſste sorgfältig geregelt werden, sonst schäumte die Säure aus dem Topfe und verursachte nur noch mehr Zeitverlust, abgesehen von der Kränkung seines Arbeiterstolzes. „Ich habe es satt“, sagte er zu mir, „daſs die Schmelzer alle paar Minuten nachsehen, ob ich fertig bin, und ich muſs Wasser in das Feuer werfen, damit die Töpfe nicht übersteigen. Ich will das Feuer von Anfang bis zu Ende so heiſs halten wie möglich und dies kann ich nur, wenn ich immer dieselbe Oberfläche zu lösen habe. Geben Sie mir die Barren, wie diese aus der Stadt kommen. Ist die Oberfläche auch klein, so weiſs ich doch, daſs Säure, wenn sie wirklich kocht, für gleiche Oberfläche zehnmal so viel Silber in der Stunde löst als bei der Temperatur, die ich jetzt halten muſs. Ueberhaupt je mehr das Silber zertheilt ist, desto kleiner werden die Gasblasen und desto mehr schäumt der Topf. Und wenn das Gold unbedeckt bleibt, so zieht es sich zusammen und wird schwer; wenn es von wirklich kochender Säure abgeschieden wird, so wird es sogleich Feingold.“ Reynolds erhielt die Barren und seit diesem Tage ist keine Unze güldischen Silbers wieder granulirt worden. Derselbe Topf konnte jetzt in gleicher Zeit 91k (200 Pfund) in Barren lösen, früher nur 60k (135 Pfand) granulirten Silbers; das Gold war 996 fein, früher höchstens 970. Es schied sich ab in schweren, gleichmäſsig groſsen Körnern, während es früher pulverig war und viel Aufmerksamkeit erforderte, um zu verhindern, daſs es bei den nachfolgenden Arbeiten nicht in der Silberlösung schweben blieb. Dieses pulverige Gold hielt früher Silbersulfat so hartnäckig zurück, daſs ein zweites Auskochen in Säure nöthig war. Jetzt konnte es unmittelbar nach beendigter Lösung des Silbers mit durchlöcherten Löffeln ausgefischt werden. In 6 Stunden konnte jetzt das Feingold die Anstalt verlassen, gerechnet von der Zeit der Anlieferung des güldischen Silbers, während sich bei der früher nöthigen zweiten Scheidung in Quartation, dies nicht unter 15 Stunden erreichen lieſs. Ich habe keinen Zweifel, daſs auch d'Arcet, ehe er im J. 1802 die Granulation erfand oder anwendete, versucht hat, das Silber in Barren zu lösen; hätten seine Leute damals gearbeitet wie Reynolds im J. 1865, so wäre seinen Nachfolgern viel Geld und Arbeit erspart geblieben. Die vorstehende Mittheilung dürfte also die a. a. O. angezweifelte Thatsache genüglich bestätigen.