Titel: Einfluss des Bleichprozesses und einiger Beizen auf die Festigkeitseigenschaften baumwollener Gewebe.
Autor: E. M.
Fundstelle: Band 255, Jahrgang 1885, S. 348
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Einfluſs des Bleichprozesses und einiger Beizen auf die Festigkeitseigenschaften baumwollener Gewebe. Einfluſs des Bleichens und Färbens auf die Festigkeit der Gewebe. Ueber die Frage, in welcher Weise die Festigkeitseigenschaften eines Gewebes durch die Appretur und durch das Beizen geändert werden, sind in neuerer Zeit einige Versuche ausgeführt worden, welche sich allerdings bis jetzt nur auf leinwandbindige Baumwollengewebe erstrecken, indeſs soviel Beachtung verdienen, um hier näher erwähnt zu werden. Alb. Scheurer stellte Versuche an über den Einfluſs der Wärme auf die Festigkeit der Baumwolle. Wie im Bulletin de Mulhouse, 1883 S. 76 berichtet wird, fand der Verfasser, daſs Wasser bei einer Temperatur von 150° selbst nach 8stündiger Einwirkung keine wesentliche Schwächung des betreffenden Stoffes hervorbrachte. Stieg aber die Temperatur über 160°, so trat rasch eine merkbare Schwächung ein; Scheurer glaubt deshalb, daſs es für die Baumwollfaser eine kritische Temperatur gibt, welche bei 160° liegt. Bei Gegenwart von Luft wirkte eine Temperatur von 170°, welche nur eine Stunde anhielt, nicht schwächend auf die Faser. Durch das Sengen der Gewebe dürfte deshalb im Allgemeinen keine Schwächung derselben zu erwarten sein. Grosseteste (daselbst S. 65) hat versucht, die Temperatur zu ermitteln, welche ein Gewebe beim Sengen auszuhalten hat. Er tränkte zu diesem Zwecke ein Gewebe vor dem Sengen mit einer Lösung, welche bei 80° getrocknet grün wird, bei 100° sich schwärzt und zwischen 120 und 130° sich rothbraun färbt. Es ist dies eine Lösung eines Anilinsalzes, mit Ferridcyankalium und chlorsaurem Kali im Verhältnisse von 1250g Wasser, 90g krystallisirter Weinsäure, 43g chlorsaurem Kali, 150g Anilin und 53g Ferridcyankalium. So getränkte Gewebe gingen durch die Sengmaschine. Mit der Maschine von Tulpin (vgl. 1869 191 * 355) entstand eine grünliche Färbung; bei 3maligem Durchgange einer Maschine nach Blanche (vgl. 1874 213 * 386. 1884 254 137) mit 3 Flammen wurde das Gewebe gleichmäſsig geschwärzt; erst ein anderer Versuch mit derselben Maschine, aber langsamer bewegtem Gewebe, lieferte rothbraune Streifen. Hier war also das Gewebe stellenweise einer höheren Temperatur als 120° ausgesetzt. Vollständiger durchgeführt sind die Versuche über die Einwirkung des Bleichprozesses auf die Festigkeitseigenschaften baumwollener Gewebe, welche Theod. Haebler in den Mittheilungen des technologischen Gewerbe-Museums, Section für Färberei, Wien 1884 S. 11 veröffentlicht. Verfasser berücksichtigt ebenso wohl die Bruchbelastung P in den beiden Hauptrichtungen des Gewebes, als die specifische Festigkeit oder Reiſslänge R, die Zähigkeit oder Bruchdehnung Z und den Arbeitsmodul A des Zerreiſsens (vgl. Hartig 1882 245 * 368. 246 441), wie auch die Gewichtsänderung der Flächeneinheit, indem er für jedes Versuchstück die Feinheitsnummer N angibt; besser wäre die übliche Angabe des Gewichtes der Flächeneinheit gewesen. Die Versuche sind mit Hilfe eines selbstregistrirenden Zerreiſsapparates von Reusch (vgl. 1880 235 * 414) ausgeführt und es ist allemal ein und dieselbe Anzahl Fäden für eine Gewebegattung zerrissen worden. Die folgende Tabelle I enthält die Versuchsergebnisse für ein Gewebe der Felixdorfer Weberei. Nach der jeweiligen Beendigung der Tabelle I. Gewebe aus 36er Kette and 42er Schuſs. Untersuchungs-gröſsen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Ent-schichtet Geschichtet Gesengt In Kalkgekocht,gewaschen Mit Salz-säure ab-gesäuert,gewaschen In Sodagekocht,gewaschen Chlorirt,gewaschen MitSchwefels,abgesäuert,gewaschen Appretirt N a b   0,935  0,923   0,872  0,839   0,845  0,819   0,895  0,871   0,926  0,874   0,926  0,868   0,922  0,892   0,938  0,887   0,769  0,680 P k a b   4,656  3,889   5,029  3,950   5,206  3,531   4,694  4,316   4,664  4,302   4,799  4,412   5,204  4,453   5,345  4,773   6,423  5,382 R km a b   4,351  3,589   4,385  3,308   4,398  2,890   4,198  3,749   4,318  3,753   4,442  3,825   4,794  3,960   5,011  4,230   4,938  3,653 Z% a b   8,907  9,516   8,79  9,34   6,9812,20   7,8913,30   8,2113,03   7,4814,89   7,8114,94   8,0115,06   6,1317,11 A\,\frac{m\,k}{g} a b   0,129  0,120   0,133  0,119   0,124  0,115   0,116  0,144   0,124  0,139   0,120  0,156   0,142  0,163   0,149  0,177   0,147  0,200 η a b   0,333  0,353   0,344  0,385   0,405  0,327   0,350  0,288   0,349  0,283   0,360  0,274   0,374  0,276   0,369  0,278   0,484  0,320 Zahl derFäden für1cm Gewebe-breite a b 3333 3030 31,829,4 3230 3230 33,630 33,430 33,230,4 32,629,7 einzelnen Bleichgänge sind entsprechende Stücke herausgeschnitten und später untersucht worden. Die Breite der Versuchstücke betrug hierbei immer 30 Fäden. Der Untersuchung wurden die Festigkeitswerthe der ohne Anwendung schädlich wirkender chemischer Mittel entschlichteten, rein baumwollenen Gewebe zu Grunde gelegt (Entschlichtung durch Malzschrot bei 50° und darauf folgendes. mehrfaches Auswaschen in reinem Wasser). Jede Zahl ist der Mittelwerth aus 10 Einzelversuchen; es bedeutet noch a in der Kettenrichtung, b in der Schuſsrichtung, während η der Völligkeitscoefficient des Arbeitsdiagrammes ist.Referent wollte dieser Originaltabelle noch die Mittelwerthe für die Gewichte eines Quadratmeter beifügen, da ja alle zur Umrechnung nöthigen Werthe gegeben sind, hat aber davon abgesehen, weil die erhaltenen Werthe keine Uebereinstimmung mit den Urwerthen zeigen. So findet sich u.a. mitgetheilt, daſs das Gewicht für das appretirte Gewebe (unter Nr. 9) 118g,5 für 1qm betrage; dasselbe hat, wenn 30 Faden zerrissen werden, eine Feinheitsnummer N = 0,769 and 32,6 Kettenfäden auf 1cm. Rechnet man nun hiernach das Gewicht G für 1qm aus, so bekommt man dagegen statt 118,5:G=100\,\frac{32,6}{30}\ \frac{1}{N}=141^g,3 (aus a berechnet),undG=100\,\frac{29,7}{30}\ \frac{1}{0,680}=145^g,6 (aus b berechnet).Es dürfte sich also bei Angabe des Gewichtes der Flächeneinheit ein Druckfehler eingeschlichen haben. Auf diese Art sind 2 Gewebesorten untersucht worden. Eine mikroskopische Prüfung beider Gewebe stellte fest, daſs die Cuticula der Baumwollfaser nach beendigtem Bleichprozesse noch vorhanden war. Nach der vorliegenden Untersuchung zweier, einem jedenfalls rationell durchgeführten Bleichprozesse unterworfenen Gewebe, deren Festigkeiten nach beendigter Behandlung man mindestens denen der Gewebe vor dem Bleichen gleichstellen muſs, kann man daher dem solchermaſsen angewendeten Chlor, wie überhaupt dem gesammten Bleichprozesse – hinsichtlich seiner Einwirkung auf die Festigkeitseigenschaften baumwollener Gewebe – nicht den schwächenden Einfluſs zuerkennen, welchen man demselben für gewöhnlich zuzuschreiben geneigt ist. In Spon's Encyclopaedia of the Industriell Arts, Heft 8 S. 487 finden sich einige Versuchsergebnisse über die Einwirkung des Bleichprozesses auf die Festigkeiten baumwollener Gewebe verzeichnet, nach welchen der betreffende Verfasser gleichfalls zu der Ansicht gelangte, daſs die Festigkeit der Baumwolle durch den Bleichprozeſs nicht herabgemindert wird. Anders gestalten sich die Verhältnisse bei den gefärbten Geweben, welche hinsichtlich ihrer Festigkeit den ungefärbten Urgeweben im Allgemeinen nachstehen. Auch hierüber hat Haebler Versuche an Baumwollengeweben angestellt, deren Ergebnisse er in der oben angegebenen Quelle S. 19 mittheilt. Da die Versuchsreihe systematisch durchgeführt ist und alle zu beachtenden Werthe erhoben sind, folgen hier die betreffenden Zahlenwerthe in Tabelle II. Unter Nr. 0 sind die Festigkeitswerthe des gebleichten Urgewebes verzeichnet; an diese schlieſsen sich Tabelle II. Gefärbtes Gewebe. Nr. derBeize N P k R km Z% A\,\frac{m\,k}{g} η 0 0,981 5,481 5,377   6,15 0,142 0,427 1 0,882 5,371 4,738   8,96 0,143 0,337 2 0,902 5,269 4,753   8,53 0,138 0,340 3 0,928 5,368 4,981   8,73 0,146 0,336 4 0,911 4,920 4,483   8,28 0,124 0,333 5 0,930 4,230 3,935   7,36 0,100 0,346 6 0,927 4,495 4,163   7,69 0,112 0,349 7 0,835 5,199 4,340 13,35 0,165 0,285 8 0,873 4,620 4,035   8,89 0,121 0,337 9 0,881 4,776 4,205   8,77 0,124 0,336 diejenigen der gebeizten Gewebestücke unter Nr. 1 bis 9 an. Für Nr. 1 bis 4 dienten als Beizen Aluminiumverbindungen von je genau derselben Concentration, um so den Einfluſs der an Aluminium gebundenen Säure bezieh. des Alkalis zu bestimmen. Die Beizen waren folgende: Nr. 1: Sulfatacetat Al2(SO4)2(C2H3O2)2. Aus je 100g Aluminiumsulfat wurden 600cc Beize dargestellt; das Klotzen und Oxydiren geschah unter denselben Bedingungen. Beize 1, 3 und 4 wurden in Natriumphosphat, Beize 2 in Chlorammonium fixirt, alle gründlich gewaschen und unter den gleichen Bedingungen getrocknet. Nr. 2: Natriumaluminat Al4Na6O9. Nr. 3: Rhodanaluminium Al2(CyS)6. Nr. 4: Reine essigsaure Thonerde Al2(C2H3O2)6. Nr. 5: Chamoisbeize: 140g Ferrosulfat, 0l,5 Wasser, 55g Natriumacetat. Nr. 6: wie Nr. 5, aber 110g Natriumacetat. Nr. 7: Bister: 100g krystallisirtes Manganchlorür, 0l,5 Wasser, 55g Natriumacetat. Hierbei ist, wie in Nr. 5, die Hälfte des Metalles als Acetat vorhanden, um die Faser mehr zu schonen, was jedoch in der Praxis nicht immer geschieht. Die Behandlung war die allgemein übliche (Aetznatron, Chlorkalk). Nr. 8: Gewöhnliches Bleichromat: Als Beize diente Bleiessig; fixirt wurde in Ammoniak und ausgefärbt in mit Essigsäure versetztem Kaliumbichromat (kalt). Nr. 9 wie Nr. 8, schlieſslich in Kalkwasser orangirt und gründlich gewaschen. Wie man sieht, ist die Feinheitsnummer N bei allen gebeizten Geweben verkleinert, d.h. das Gewicht der Flächeneinheit vergröſsert worden; es hat bei allen Beizen eine Zusammenziehung, eine Verkürzung des Gewebes nach beiden Richtungen hin stattgefunden, woraus auch der gröſsere Zähigkeitsgrad Z zu erklären ist. Aber die Bruchbelastung P und die Reiſslänge R – d. i. der hauptsächlich zu beachtende Werth, da derselbe den Materialaufwand berücksichtigt – sind wesentlich herabgemindert worden. Die Untersuchungen zeigen also, daſs durch die angegebenen Beizbehandlungen Baumwollengewebe in ihrer Festigkeit geschwächt werden. E. M.