Titel: Die elektrische Geschützabfeuerung an Bord der österreichischen Kriegsschiffe.
Fundstelle: Band 257, Jahrgang 1885, S. 104
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Die elektrische Geschützabfeuerung an Bord der österreichischen Kriegsschiffe. Mit Abbildung. E. v. Wohlgemuth und S. Marcus' elektrische Geschützabfeuerung. In der Zeitschrift für Elektrotechnik, 1885 S. 225 berichtet der Marine-Elektrotechniker M. Burstyn über die elektrische Geschützabfeuerung an Bord der österreichischen Kriegsschiffe. Diese Einrichtung stammt vom Corvetten-Capitän E. v. Wohlgemuth und Mechaniker Siegfr. Marcus. Textabbildung Bd. 257, S. 104 Die Zündung der Geschütze erfolgt mittels Spaltzünder, d. s. bekanntlich Zünder, bei welchen der Anfeuerungssatz um zwei Drähte gelagert ist, welche in der -förmigen Krümmung durch einen etwa 0mm,1 weiten Spalt von einander getrennt sind. Der die Zündung bewirkende elektrische Strom muſs demnach so hoch gespannt sein, daſs derselbe den Widerstand des Zünderspaltes überwindend von einem Drahtende zum anderen in Form eines Funkens überspringt und den Anfeuerungssatz zur Entzündung bringt, welcher dann die Explosion der Geschützladung bewirkt. Der zur Geschützabfeuerung von S. Marcus in Wien construirte Zellen-Inductor besteht, wie auch die beigefügte Skizze erkennen läſst, zunächst, wie jeder Inductor nach dem Systeme Ruhmkorff, aus einer primären Spirale I von dickem Kupferdraht, welche um einen Eisenkern F gewunden ist. In ihrem Stromwege ist eine Neef'sche Unterbrechungsvorrichtung HS geschaltet und an beiden Enden derselben ist behufs Abkürzung des Verlaufes der Extraströme, folglich zur Verstärkung der Inductionswirkung in gewöhnlicher Weise ein Condensator C geschaltet. Ueber die primäre Spirale sind nun 4 bis 7 secundäre Spiralen neben einander aufgewickelt, nämlich so viele, als Geschütze in einer Breitseite stehen. In der schematischen Darstellung sind der leichteren Uebersicht wegen nur zwei secundäre Spiralen H mit ihren Enden d, g und d1, g1 gezeichnet, die zu Klemmschrauben f1, f1 und f2, f3 führen, in welche weiter die Leitungen zu den Zündern Z, Z1 geklemmt werden. Von den beiden Drahtenden jeder der secundären Spiralen sind nun Abzweigungen zu den Belegen eigener, kleiner Condensatoren geführt. Diese laden sich und ergieſsen ihre Ladung im Augenblicke der Zündung mit über den Zünderspalt, wodurch der Funken ungleich mächtiger wird. Darin liegt das Eigenthümliche und Vorzügliche des Marcus'schen Inductors. Die Wirkung der in die secundären Stromwege eingeschalteten Condensatoren ist eine bedeutende. Es wird nun im Allgemeinen ohne weiteres klar sein, wie die Geschützabfeuerung erfolgt. In dem Augenblicke, in welchem der von der Batterie B kommende primäre Strom durch Niederdrücken eines in seinem Wege eingeschalteten Tasters geschlossen wird, entstehen in den secundären Spiralen inducirte Ströme, welche die in ihre Stromkreise geschalteten, je einem Geschütze zugehörigen Zünder zur Explosion bringen. Es erfolgt also gleichzeitig und in einem beliebig gewählten Augenblicke die Abfeuerung sämmtlicher Geschütze einer Breitseite, welche in einen Zellen-Inductor geschaltet sind. Jede Breitseite eines Schiffes hat ihre eigene selbstständige Einrichtung für die Geschützabfeuerung. Die Batterien B sind in den untersten Schiffsräumen aufgestellt. Von innen aus ist die Leitung zur primären Spirale des Inductors über einen Taster geführt, welcher sich auf der Commandobrücke befindet. Natürlich hat jede Breitseite ihre eigene primäre Leitung und ihren eigenen Taster. Für jedes Geschütz ist eine besondere secundäre Leitung gelegt, welche zu einer der secundären Spiralen des Zellen-Inductors führt. Es kann also von der Brücke aus die Abfeuerung sämmtlicher Geschütze einer Breitseite oder derjenigen Geschütze, welche eben geschaltet wurden, erfolgen. Es sind nämlich in den secundären Stromwegen jedes Geschützes eigene Schalt Vorrichtungen (Brückenkästchen) angebracht, welche es gestatten, jedes beliebige Geschütz ein- oder auszuschalten, und andererseits Sicherheit gewähren, daſs nicht vorzeitig oder unfreiwillig die Abfeuerung eines Geschützes erfolgen könne. Die wesentlichsten Vortheile, welche die elektrische Geschützabfeuerung auf Schiffen bietet, sind folgende: 1) Erhöhung der Treffwirkung in Folge gleichzeitigen Auftreffens der Geschosse. 2) Das Abfeuern von der Brücke aus, von wo auch das Schiff manövrirt wird, macht jede Irrung in Bezug auf Freund und Feind unmöglich. 3) Kleine Berichtigungen in der Distanz lassen sich noch im letzten Augenblicke anbringen, indem man vor oder nach der Stellung des Schiffes „auf geradem Kiel“ abfeuert, je nach dem Schwingungssinne des rollenden Schiffes. 4) Gröſsere Feuerdisciplin, d.h. es wird dem Vormeister die Wahl des Abfeuerungszeitpunktes entzogen, da ja dieser von der Rauch erfüllten Casematte aus nichts deutlich wahrnehmen kann. 5) Die Möglichkeit sowohl einzelne, als sämmtliche Geschütze abzufeuern.