Titel: Ueber eine Vorrichtung zum Hobeln und Stossen nach grossen Kreisbögen; von Carl Simon.
Autor: Carl Simon
Fundstelle: Band 259, Jahrgang 1886, S. 443
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Ueber eine Vorrichtung zum Hobeln und Stoſsen nach groſsen Kreisbögen; von Carl Simon. Mit Abbildungen. C. Simon, über Hobeln nach groſsen Kreisbögen. In einigen Locomotivfabriken und Eisenbahnwerkstätten wird seit Jahren eine einfache Vorrichtung benutzt, welche das Bearbeiten von Werkstücken nach Bogenlinien von groſsem Halbmesser auf gewöhnlichen Geradehobel- und Stoſsmaschinen, wie es bei Herstellung von krummen Steuerungscoulissen, ovalen Triebkurbeln, Federbalanciers u. dgl. häufig erfordert wird, und zwar mit selbstthätiger Schaltung ermöglicht.Vgl. auch Penn 1873 207 * 363. Greenwood 1882 246 * 362. Finke 1883 249 * 328. Wie aus der in Fig. 1 im Grundrisse dargestellten, meist gebräuchlichen Anordnung ersichtlich ist, wird am Bette der Hobelmaschine ein Führungslineal EF unbeweglich, oder aber um den Bolzen F drehbar befestigt, in welch letzterem Falle das Lineal auf dem am Maschinenbette befestigten Bogenstücke GH beliebig festgestellt werden kann. Bei Hobelmaschinen wird ferner an derem Tische ein besonderer Hilfstisch aufgespannt, welcher aus einer Bodenplatte p und einer auf derselben um den Bolzen O1 drehbar befestigten, mit gewöhnlichen Spannnuthen versehenen Scheibe S besteht. An dieser Aufspannscheibe S ist seitlich die Lenkstange D A angeschraubt, deren freies Ende A mittels eines Gleitbackens an dem Lineale EF geführt wird. Bei der geradlinigen Längsbewegung des Tisches wird hierdurch das auf der Aufspannscheibe S befestigte Arbeitstück in entsprechendem Bogen an dem in gewöhnlicher Weise bei O eingespannten Messer vorbeigeführt. Durch entsprechende Einrichtung des Endes A des Lenkers AD kann selbstverständlich auch die Länge AO1 desselben veränderlich gemacht werden. Fig. 1., Bd. 259, S. 444 Bei Stoſsmaschinen ist nur die Anbringung des Führungslineales am Bette und die Befestigung der Lenkstange an dem ohnehin wagerecht drehbaren Aufspann tische der Maschine nöthig, um bei selbstthätiger geradliniger Schaltung nach Bogenlinien von groſsem Halbmesser stoſsen zu können, welche Arbeit bei Kreuzschaltung von Hand ganz von der Aufmerksamkeit des Arbeiters abhängt und letztere während der ganzen Dauer der Arbeit auch völlig beansprucht. In ähnlicher Weise kann die Vorrichtung auch bei Fräs- und Langlochmaschinen angewendet werden. Obwohl nun diese Vorrichtung seit Jahren bekannt und in Verwendung ist, so wurde dennoch eine entsprechende theoretische Behandlung derselben bisher nicht veröffentlicht und dürften darum die nachfolgenden Entwickelungen einiger Beachtung werth erscheinen. Fig. 2., Bd. 259, S. 444 In Fig. 2 bedeutet XX die Richtung der Längsbewegung des Hobeltisches bezieh. der Aufspannplatte, EF die Richtung des mit der X-Achse den Winkel ω einschlieſsenden Führungslineales, AO den Lenker von der Länge l, dessen Drehpunkt O als derjenige der Aufspannplatte sich zunächst im Schnittpunkte O von XX und EF befinde. In diesem Punkte O sei ferner statt des Hobelmessers am Support ein Schreibstift angebracht, welcher auf der sich darunter bewegenden Aufspannplatte die dem festen Punkte O entsprechende Curve verzeichnet. Bei der Fortbewegung des Tisches von O nach O1 wobei O nach XX und A nach EF geführt und die Aufspannplatte sammt dem Lenker um den Winkel α gedreht wird, gelangt die Achse X nach X1 und Y nach Y1; der Schreibstift in O hat hierbei auf der Aufspannplatte die Curve O1 O verzeichnet, welche, wie leicht zu entwickeln ist, einem Kreise angehört, dessen auf XOY bezogene Gleichung x2 + y2 = (l : sin ω) y, dessen Halbmesser somit r = l : 2sin ω = OC = BC ist und welcher in der Stellung ABO fortan „Grundkreis“ genannt werden soll. Zieht man daher AB ┴ EF, so ist BO = 2r. Der Punkt B bleibt ferner, wie leicht zu ersehen ist, bei der Bewegung der Aufspannplatte stets in der Y-Achse. Die in der beschriebenen Zwangläufigkeit sich bewegende Aufspannplatte stellt ferner in Bezug auf das fest stehende Bett der Hobelmaschine bezüglich der Linien AO, XX und BO den unter dem Namen „schiefer bezieh. gerader Ellipsenlenker“ und bezüglich des Dreieckes ABO, dessen Eckpunkte A und B sich in EF bezieh. in YY fortbewegen, den als „Dreieckslenker“ bekannten Mechanismus dar. Alle anderen, mit dem Support fest verbunden gedachten Punkte, welche nicht in der Grundkreislinie liegen, wie z.B. S, verzeichnen auf der sich fortbewegenden Aufspannplatte Curven SS1, deren Gleichungen sehr zusammengesetzt werden. Verfasser hat nun andere, nachfolgend angegebene Erzeugungsgesetze dieser Curven ermittelt, nach deren Kenntniſs sich letztere in übersichtlicher und zweckentsprechender Weise leicht untersuchen lassen. Fig. 3., Bd. 259, S. 445 Aus dem oben erwähnten Umstände, daſs der auf der Aufspannplatte in der Stellung ABO verzeichnete Grundkreis sich so bewegt, daſs derselbe stets durch O geht und daſs dessen Durchmesser sich mit seinem Endpunkte O stets in der X-Achse und mit B stets in der Y-Achse bewegt, folgt, daſs die in Rede stehenden Curven auch erhalten werden, wenn umgekehrt jetzt der auf der Auf spann platte verzeichnete Grundkreis AOB (vgl. Fig. 3) feststehend vorausgesetzt wird und das Coordinatensystem XOY in der durch den Pfeil angedeuteten Richtung sich so fortbewegt, daſs hierbei dessen Ursprung O bezieh. O1 stets in der Grundkreislinie bleibt, ferner die Achse X bezieh. X1 stets den Endpunkt O des Durchmessers OB und dann nothwendigerweise auch die Achse Y bezieh. Y1 stets den Endpunkt B des letzteren schneidet; jeder beliebige Punkt S, welcher sich mit dem Systeme XOY so fortbewegt, daſs dessen Stellung gegen dasselbe stets dieselbe bleibt, wobei also SM = S1 M1 und OM = O1 M1 ist, wenn SM ┴ OX und S1 M1 ┴ O1 X1 gezogen wird, und wobei selbstverständlich auch OS = O1 S1 ist, beschreibt hierbei auf der Aufspannplatte die ihm entsprechende Curve SS1. Dies wäre ein zweites Erzeugungsgesetz der inRede stehenden Curven, welches indeſs zur weiteren Untersuchung der letzteren noch nicht übersichtlich genug ist. Zieht man nun in Fig. 3 die Gerade SO, welche den Grundkreis in P schneidet, so ergibt sich, daſs dieselbe bei ihrer gleichzeitigen Fortbewegung mit dem Coordinatensysteme XOY stets den Grundkreis in demselben Punkte P schneidet, weil der Winkel SPS1 immer dem Verdrehungswinkel YBY1 = α des Systemes XOY gleich ist und daher die Linie S1 O1 die fest gedachte Linie 50 wegen Gleichheit der Umfangswinkel OBO1 und OPO1 nothwendigerweise stets im Punkte P schneiden muſs. Hieraus ergibt sich das dritte und einfachste Erzeugungsgesetz der gesuchten Curven. Man hat nämlich nur in der bereits bekannten Weise den Grundkreis ABO (Fig. 3) zu verzeichnen, für den beliebigen Punkt S den Schnittpunkt P der Geraden SO mit dem Grundkreise zu bestimmen, von P als Pol die Leitstrahlen SP, S1 P1 zu ziehen und S1 O1 = SO u.s.w. aufzutragen, so ist SSl .... die gesuchte, dem Punkte S entsprechende Curve. Diese wird also durch den Endpunkt S des sich um den Pol P in der Richtung des Pfeiles drehenden Leitstrahles SOP verzeichnet, dessen abgegrenztes Stück SO von immer gleicher Länge hierbei mit seinem anderen Endpunkte O sich stets in der Grundkreislinie ABO fortbewegt. Fig. 4., Bd. 259, S. 446 In Fig. 4 sind nun die den Punkten S, T und V entsprechenden Curven, nach diesem einfachen Erzeugungsgesetze construirt, dargestellt, wobei der Punkt T von O um den Durchmesser des Grundkreises entfernt, also TO = 2r ist. Aus diesem Erzeugungsgesetze lassen sich nun leicht folgende Eigenschaften der in Rede stehenden Curven ableiten: 1) Nur der Punkt O erzeugt eine wirkliche Kreislinie, nämlich die des Grundkreises selbst. 2) Alle anderen Punkte erzeugen andere Bogenlinien und zwar: a) Jene Punkte, wie J, welche von dem Punkte O um die Länge 2r des Grundkreisdurchmessers entfernt sind, also alle Punkte der von O aus als Mittelpunkt mit dem Grundkreisdurchmesser als Halbmesser beschriebenen Kreislinie TBt, liefern Curven von der Form TT1 T2. b) Punkte, für welche diese Entfernung kleiner als 2r ist, welche also innerhalb des Kreises TBt liegen, wie S, ergeben Curven von der Form SS1 S2.. c) Punkte endlich, für welche diese Entfernung gröſser als 2r ist, die also auſserhalb des Kreises TBt liegen, wie U, erzeugen Curven von der Form UU1 U2 .. 3) Je 2 Punkte wie S und s, T und t, U und u, welche so gelagert sind, daſs sie mit O in einer und derselben geraden Linie liegen und vom Punkte O gleichweit entfernt sind, erzeugen eine und dieselbe Curve. 4) Jede der unter (2) genannten Curven ist in Bezug auf die durch ihren zugehörigen Pol P und den Mittelpunkt C des Grundkreises gezogene Gerade PC symmetrisch. 5) Alle Punkte, wie S, T, U, s, t und u, welche in einer und derselben geraden Verbindungslinie mit O liegen, haben denselben Pol P und somit auch dieselbe Symmetrieachse gemeinschaftlich. 6) Alle Punkte, welche von dem Punkte O gleichweit entfernt sind, erzeugen congruente Curven, deren Pole P jedoch verschieden sind und deren Symmetrieachsen PC somit verschiedene Neigungen gegen die Coordinatenachsen besitzen. Es läſst sich ferner leicht nachweisen, daſs alle unter 2 erwähnten Curven Cycloiden sind und ist hiermit noch ein viertes Erzeugungsgesetz dieser Curven aufgefunden.Die Curven der Form TT1 T2 sind nichts anderes als die Epicycloide eines sich auf dem Grundkreise wälzenden Kreises gleicher Gröſse, oder die Cardioide des Grundkreises, für welche das vorerörterte dritte Erzeugungsgesetz ohnedies bereits bekannt ist.Alle oben unter (2) erwähnten Curven sind ferner Hypocycloiden eines sich am Grundkreise wälzenden Kreises, dessen Halbmesser gleich dem Durchmesser des Grundkreises ist, und zwar sind die Curven der Form UU1 sogen. verlängerte, jene der Form SS1 sogen. verkürzte Hypocycloiden; die Curve TT1 endlich stellt die sogen. gemeine Hypocycloide dar, welche mit der früher betrachteten Cardioide des Grundkreises übereinstimmt. Schlieſslich soll noch untersucht werden, in wie weit die von der beschriebenen Vorrichtung auſser dem Grundkreise erzeugten Curven für praktische Zwecke verwendbar sind, bezieh. wieviel dieselben von den zumeist gewünschten richtigen Kreislinien abweichen. Fig. 5., Bd. 259, S. 447 Angenommen, es sollen die Gleitflächen einer gewöhnlichen krummen Locomotivsteuerungscoulisse mittels der genannten Vorrichtung gehobelt oder gestoſsen werden; die Coulisse sei, wie in Fig. 5 ersichtlich, so aufgespannt, daſs deren Mittellinie mit dem Grundkreise AGOG1B und deren Mittelpunkt mit O zusammenfalle- die beiden Gleitflächen der Coulisse werden also, wenn sich die Messerschneide in der Achse Y bewegt, nach einer Hypocycloide gehobelt oder gestoſsen, deren Erzeugungspol in B liegt, und der Coulissenschlitz wird gegen beide Enden hin enger als in der Mitte. Fig. 6., Bd. 259, S. 448 Es seien nun in Fig. 6 GOG1 P der mit der Mittellinie der Coulisse zusammenfallende Grundkreis vom Radius r, OG = OG1 die halbe Länge und SO = sO = b die halbe Breite des Coulissenschlitzes, SH und sI mit dem Grundkreise concentrische Kreislinien, SS1 und ss1 die gehobelte, dem Pole P entsprechende Hypocycloide, für welche also GS1 = OS = b und G1 s1 = Os = b ist. Zieht man ferner CS1 bis zum Schnitte H1 mit dem Kreise SH und Cs1 bis zum Schnitte I1 mit dem Kreise sI, so stellen die Strecken H1 S1 und s1 I1 die radialen Verengerungsfehler in der halben Breite b des Coulissenschlitzes an den Enden G und G1 desselben dar. Es ist nun: H_1\,S_1=H_1\,C-S_1\,C=r+b-S_1\,C, ferner im \triangle\ S_1\,C\,G\,:\,\overline{S_1\,C}^2=\overline{G\,C}^2+\overline{G\,S_1}^2-G\,C\,.\,G\,S_1\,cos\,\gamma, oder: \overline{S_1\,C}^2=r^2+b^2+2\,r\,b\cos\,\alpha,\ \mbox{weil}\ \gamma=180^{\circ}-\alpha. Ebenso folgt: I_1\,s_1=s_1\,C-I_1\,C=s_1\,C-(r-b), ferner aus \triangle\ s_1\,G_1\,C\,:\,\overline{s_1\,C}^2=\overline{G_1\,C}^2+\overline{G_1\,s_1}^2-2\,G_1\,C\,.\,G_1\,s_1\,cos\,\alpha, oder: \overline{s_1\,C}^2=r^2+b^2-2\,r\,b\,cos\alpha. Hiermit ergibt sich schlieſslich als Fehler der änſseren Gleitfläche: H_1\,S_1=r+b-\sqrt{r^2+b^2+2\,r\,b\,cos\,\alpha} und als Fehler der inneren Gleitfläche der Coulisse: I_1\,s_1=\sqrt{r^2+b^2-2\,r\,b\,cos\,\alpha}-(r-b) wobei der Winkel α aus sin2α = (l : r) berechnet werden kann, wenn l = Gg = G1 g die halbe Sehnenlänge des Coulissenschlitzes bedeutet. Es sei nun, um die Fehler H1 S1 und I1 s1 an einem Beispiele zu berechnen, für eine Locomotivcoulisse r = 800mm, b = 30mm und l = 160mm, wobei also r wegen seiner Kleinheit und b wegen seiner Gröſse bezüglich der Fehler H1 S1 und I1 s1 schon ziemlich ungünstig sind. Die Rechnung ergibt hierfür nach den vorigen Formeln: α = 5°46'6,5'' und damit die Abweichung H1 S1 = 0mm,14 bezieh. I1 s1 = 0mm,15, somit für die gesammte Verengerung des Coulissenschlitzes an je seinen beiden Enden 0mm,29. Hieraus folgt, daſs die in Rede stehende Vorrichtung wohl nicht zum Fertigstellen bezieh. Schlichten von Arbeitstücken zu verwenden ist, an welchen Kreisbögen mit groſser Genauigkeit hergestellt werden sollen, daſs aber dieselbe beim Vorarbeiten oder Schroppen solcher Gegenstände recht gut gebraucht werden kann, und empfiehlt sich die Anwendung dieser Vorrichtung besonders deshalb, weil sie an jeder bestehenden Hobel-, Stoſs-, Fräs- oder Langlochmaschine mit verhältniſsmäſsig geringen Kosten angebracht werden kann, leicht wieder abnehmbar ist und somit die sonstigen Arbeiten der betreffenden Maschine nicht weiter behindert. Floridsdorf bei Wien, December 1885.