Titel: Ueber Behandlung von Flüssigkeiten mit Gasen.
Fundstelle: Band 259, Jahrgang 1886, S. 469
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Ueber Behandlung von Flüssigkeiten mit Gasen. Hurter, über Behandlung von Flüssigkeiten mit Gasen. Bei Behandlung von Flüssigkeiten mit Gasen bezweckt man entweder völlige Sättigung einer Flüssigkeit mit einem Bestandtheile eines Gasgemisches, oder aber völlige Abscheidung eines Bestandtheiles aus Einern Gasgemische. Sehr oft will man beide Zwecke zusammen erziehen. Die Absorption eines Gases durch eine Flüssigkeit ist abhängig von der Anzahl Gasmoleküle, welche in gewisser Zeit mit der Flüssigkeit in Berührung kommen; sie ist daher proportional der Berührungsfläche von Gas und Flüssigkeit oder proportional der Zahl der Moleküle, welche auf die Oberflächeneinheit in der Zeiteinheit aufstoſsen. Zur Vergleichung der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Verfahren zur Behandlung von Flüssigkeiten mit Gasen nimmt F. Harter (Journal of the Society of Chemical Industry, 1885 S. 639) eine Berührungseinheit von Flüssigkeit und Gas an. Dieselbe entspricht der Anzahl Moleküle, welche in der Zeiteinheit (1 Secunde) auf die Flächeneinheit (1qm) aufstoſsen, wenn sich das Gas unter dem Drucke von 1m Wasser befindet. Alle Apparate zur Behandlung von Flüssigkeiten mit Gasen sind nach einem der folgenden Grundsätze construirt: 1) Das in Blasen vertheilte Gas steigt durch eine Flüssigkeitssäule. 2) Die zu feinen Tropfen vertheilte Flüssigkeit fällt durch eine Gasschicht, 3) Feste Stoffe mit groſsen Oberflächen werden mit Flüssigkeit befeuchtet, das Gas geht durch Zwischenräume. Es ist in der Praxis oft sehr schwierig zu wählen, welcher dieser drei Klassen von Apparaten im besonderen Falle der Vorzug zu geben ist. Die Apparate der ersten Klasse, welche Hurter zunächst geprüft hat, sind gewöhnlich von sehr einfacher Construction. Die Flüssigkeit befindet sich meist in einem cylindrischen Gefäſse. Das Gas wird durch eine unten mit durchlöcherten Zweigröhren versehene Röhre in die Flüssigkeit eingeblasen. Manchmal wird das Gas durch die Flüssigkeit gesaugt, oder das Gefäſs, welches die Flüssigkeit enthält, ist oben geschlossen und mit Druckventil versehen, so daſs das Gas bei höherem Drucke in die Flüssigkeit gepumpt werden muſs. Die Berechnung der Nutzwirkung solcher Apparate ist sehr schwierig, da man die Oberfläche der durch die Flüssigkeit gehenden Blasen nicht kennt. Nach Versuchen von Hurter ist der Durchmesser von in Flüssigkeiten aus Röhren austretenden Gasblasen nur abhängig von der Gröſse der Austrittsöffnung und der Natur der Flüssigkeit, nicht aber von der Höhe der Flüssigkeitssäule und von der Art des Gases. Diese Verhältnisse finden statt, wenn die Blasen in nicht sehr groſser Entfernung vom Austritte gemessen werden. Je höher die Blasen steigen, desto gröſser werden sie. Die Geschwindigkeit der Blasen beim Aufsteigen in der Flüssigkeit ist nach Hurter's Versuchen vollkommen gleichförmig und beträgt etwa 0m,3 in der Secunde. Hurter hat dieses im Laboratorium gefundene Ergebniſs auch durch die Messung der Geschwindigkeit der Luftblasen in einem Weldon'schen Cylinder nach einer sehr sinnreichen Methode bestätigt gefunden. Hurter gibt in seiner Arbeit Formeln zur Berechnung der Berührungseinheiten von Gas und Flüssigkeit, welche man erhält: a) beim Durchpumpen bezieh. b) beim Durchsaugen von Gasen durch Flüssigkeiten und c) beim Einpressen von Gasen in Flüssigkeiten, welche sich in oben mit belastetem Ventile versehenen geschlossenen Gefäſsen befinden. Aus diesen Formeln ist ersichtlich, daſs bei allen 3 Methoden bei gleichen Bedingungen die Berührung von Gas und Flüssigkeit ungefähr gleich groſs ist. Hurter hat dies auch beim Carbonisiren von Sodalaugen bestätigt gefunden. Der Kraftaufwand und die Nutzwirkung der drei Verfahren ist jedoch ganz verschieden. Er zeigt, daſs die Anzahl der für 1m erzeugten Berührungseinheiten oder die Nutzwirkung bei dem ersten Verfahren am gröſsten ist, dann folgt das 2., schlieſslich das 3. Verfahren. Nach der Theorie steigt die Nutz Wirkung beim 1. und 3. Verfahren, wenn eine höhere Flüssigkeitssäule verwendet wird. In der Praxis zeigt sich aber, daſs das Arbeiten nach diesen Verfahren unter diesen Umständen theurer wird, da das Pumpen von Gasen gegen sehr hohen Druck bedeutende Kosten verursacht. Die Nutzwirkung des zweiten Verfahrens nimmt bei höherer Flüssigkeitssäule ab. Dieses Verfahren wird daher auch nur dann verwendet, wenn man es nicht umgehen kann, z.B. bei Gasen, welche Metalle angreifen. Alle Verfahren haben einen groſsen Nachtheil gemein; sie besitzen nämlich keinen vollständigen Gegenstrom.