Titel: Dampfmaschinen des Wasserwerkes zu Lille.
Fundstelle: Band 260, Jahrgang 1886, S. 49
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Dampfmaschinen des Wasserwerkes zu Lille. Mit Abbildungen. Dampfmaschinen des Wasserwerkes zu Lille. Für die Lieferung von zwei neuen Dampfmaschinen zur Erweiterung des Wasserwerkes zu Lille war im J. 1882 ein Wettbewerb ausgeschrieben worden. Die Hauptbedingungen waren dabei folgende: 1) Jede Maschine soll bei einer Normalgeschwindigkeit von 20 Umdrehungen in der Minute 2401 Wasser in der Secunde heben; 2) beide Maschinen müssen noch 24 Umdrehungen in der Minute zu machen und dabei 288l Wasser in der Secunde zu heben im Stande sein; 3) bei dieser Arbeit darf ein Druck von 5k/qc in den Schieberkästen und eine Füllung von ⅛ nicht überschritten werden; 4) bei 20 Umdrehungen in der Minute darf der Dampfverbrauch für das Nutzpferd (gehobenen Wassers) in der Stunde nicht 9k,5 überschreiten. Die Compagnie de Fives-Lille, welche bereits die früher aufgestellten Maschinen des Wasserwerkes geliefert hatte, verbürgte den kleinsten Dampfverbrauch – nicht über 9k,2 – und erhielt trotz wesentlich höheren Preises doch vor ihren Mitbewerbern den Zuschlag. Die von ihr gelieferten Dampfmaschinen sind nach der Revue industrielle, 1885 * S. 333 bezieh. Portefeuille économique des Machines, 1886 * S. 49 liegend und besitzen durch den Regulator verstellbare Expansion sowie Condensation. Der Cylinder wird mit direktem Dampf aus dem Kessel geheizt; das Condensationswasser aus dem Dampfmantel wird durch eine besondere Pumpe in den Kessel zurückbefördert. Der Durchmesser des Dampfcylinders beträgt 850mm, der Kolbenhub 1600mm. Die Dampfvertheilung erfolgt durch je 2 getrennte Einlaſs- bezieh. Auslaſsschieber. Die ersteren liegen, wie aus der Zeichnung ersichtlich, an der Seite des Cylinders; sie sind doppelspaltig und werden durch ein Excenter geöffnet, dagegen durch Spiralfedern geschlossen, sobald die in Fig. 1 sichtbaren Klinken durch die vom Regulator abhängigen Anschläge ausgelöst werden (vgl. Uebersicht 1884 251 * 1). Die Auslaſsschieber sind vierspaltig und werden durch ein Daumenexcenter, also ruckweise bewegt; in Folge ihrer Lage unter dem Cylinder läuft alles Niederschlagswasser von selbst nach dem Condensator. Diese ebenen Schieber geben einen sehr guten dampfdichten Schluſs; doch erlauben sie nicht, die schädlichen Räume so weit zu beschränken, wie dies bei Kreisschiebern möglich sein könnte. Desungeachtet überschreiten die schädlichen Räume bei den vorliegenden Maschinen nicht den Betrag von 1,29 Procent der Cylinderfüllung; bei ähnlichen, aber langsamer gehenden Motoren beträgt derselbe nur 1,20 Proc. In Anbetracht der zulässigen Saughöhe muſste die Pumpe tiefer gelegt werden als die Dampfmaschine. Die Pumpe ist vor dem Schwungrade angebracht und wird mit Hilfe eines senkrechten Balancier und kurzer Schubstangen vom Querhaupte aus getrieben. Hierdurch wird gleichzeitig auch die Geschwindigkeit der Pumpen auf annähernd die halbe Geschwindigkeit des Dampfkolbens herabgesetzt. Durch denselben Balancier erfolgt auch der Betrieb der Luft- und Speisepumpe, sowie der Pumpe für das Condensationswasser des Cylindermantels. Fig. 1., Bd. 260, S. 50Fig. 2., Bd. 260, S. 50Fig. 3., Bd. 260, S. 50Fig. 4., Bd. 260, S. 50 Die Pumpe ist doppeltwirkend in der Art, daſs in zwei einfach wirkenden, gegen einander gekehrten Gehäusen derselbe Plungerkolben arbeitet. Die Pumpencylinder sind von faſsartig bauchiger Gestalt. Die Ventile, aus je 3 einzelnen runden Tellerventilen bestehend, haben ebene Sitzfläche und werden durch auſserhalb angebrachte Federn, die zugleich als Hubbegrenzung wirken, zu raschem Schlieſsen veranlaſst. Beide Pumpen saugen aus einem gemeinschaftlichen, mit aufgesetztem Windkessel versehenen Behälter und drücken das Wasser wieder durch ein gemeinschaftliches Steigrohr in den Druckwindkessel. In diesem Rohre ist noch ein besonderes Absperrventil angebracht, um vorkommenden Falles die Pumpe von der Leitung trennen und Ausbesserungen vornehmen zu können. Im April 1885, gegen Ende der einjährigen Verpflichtungszeit, wurden eingehende Versuche über die Leistung der Maschinen vorgenommen und zwar am 23. April an der linken, am 28. April an der rechten Maschine, in einer Dauer von je 10 Stunden, bei 20 Umdrehungen in der Minute, am 30. April aber noch bei 24 Umdrehungen, 2½ Stunde dauernd, an der rechten Maschine allein. Die Ergebnisse zeigten, daſs in allen Fällen höhere als die vertragsmäſsig festgestellten Leistungen erzielt wurden: 23. AprilLinke Maschine 28. April Rechte Maschine 30. April Rechte Maschine Dauer der Versuche Stunden 10 10 Mittlere Umdrehungszahl     20,093     20,025   23,96 Mittlere Eintrittspannung des Dam-  pfes in den Cylinder k       4,962       5,129 Mittlere Füllung Proc.       9,205       9,435       9,835 Indicirte Arbeit im Cylinder. Pferd 144,83 143,11 171,61 Nutzarbeit in gehobenem Wasser     „ 118,77 121,02   141,119 Verhältniſs der Nutzarbeit zur in-  dicirten Proc.   82,01   84,56   82,23 Inhalt des vom Pumpenkolben se-  cundlich beschriebenen Raumes l 258,26   257,368   308,448 Menge des gehobenen Wassers l 251,97   250,831           298,4 Geometrischer Wirkungsgrad der  Pampe Proc.   97,56   97,46   96,90 Dampfverbrauch für das indicirte    Pferdfür das Nutzpferd    in gehobenem    Wasser kk       7,429      9,059       7,183      8,494 Kolbengeschwindigkeit der Dampf-  maschine m       1,071       1,068       1,278 Kolbengeschwindigk. der Pumpen m       0,572       0,570       0,682 Der Nutzeffect der Maschine beträgt 82,01 Proc. bei der linken und 84,56 Proc. bei der rechten Maschine. Dieser Unterschied erklärt sich dadurch, daſs die Versuche mit der linken Maschine während des laufenden Betriebes gemacht wurden, ohne daſs die Maschine irgendwie besonders in Stand gesetzt worden war; da sie bereits 45 Tage ohne jede Unterbrechung in Gang war, so lieſs ihr Unterhaltungszustand Manches zu wünschen übrig, wogegen die rechte Maschine nach einem Stillstande geprüft wurde, während dessen sie in tadellosen Zustand versetzt worden war. Diese Unterschiede sprechen sich in den Zahlen für den Dampfverbrauch aus, welcher bezieh. 9k,059 und 8k,494 für das indicirte, 7k,429 und 7k,183 für das Nutzpferd bei der linken und rechten Maschine betrug. Da 9k,2 Dampf als Höchstverbrauch für das Nutzpferd verbürgt waren, so entsprechen die vorstehenden Ziffern bei der im Normalzustande befindlichen rechten Maschine einer Dampfersparniſs von 7,66 Proc. Die während der Versuche genommenen Diagramme zeigen, daſs während der Eintrittsperiode keinerlei Sinken der Dampfspannung stattfindet; während des ganzen Kolbenlaufes herrscht eine gleichförmige Luftleere auf der Ausströmungsseite und das Voreilen der Ausströmung ist so kurz, als irgend möglich. Die Companie de Fives-Lille hat soeben 6 Maschinen gleicher Art für die Wasserversorgung von Konstantinopel geliefert: dieselben drücken das Wasser in einem Satze 125m hoch. Proben sind damit noch nicht angestellt worden. Gegenwärtig stellt die Gesellschaft auch zwei weitere Maschinen zu Maisons-Alfort bei Paris für die Compagnie générale des eaux auf, deren Leistung wohl noch günstiger sein dürfte als die der Liller Maschinen, da erstere mit ungefähr 70m Steighöhe arbeiten werden, während in Lille diese Höhe nur 36m beträgt; es wird also bei den Pariser Maschinen das Verhältniſs der Nutzarbeit zu den Widerständen der Maschine selbst, die beinahe gleich bleiben, ein entschieden vortheilhafteres sein. (Vgl. Kuhn 1882 245 350. 246 445.)