Titel: Neu erbohrte gewaltige Erdölquelle bei Baku; mitgetheilt von C. Engler.
Autor: C. Engler
Fundstelle: Band 262, Jahrgang 1886, S. 379
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Neu erbohrte gewaltige Erdölquelle bei Baku; mitgetheilt von C. Engler. Neu erbohrte gewaltige Erdölquelle bei Baku. Freundlicher Mittheilung des Hrn. J. J. Thyss in Baku verdanke ich die folgende Schilderung über eine bei Bibi-Eybat, südlich der Stadt, am Golf von Baku gelegen, erbohrte gewaltige Petroleum-Springquelle. An besagter Stelle liegt die auch in meinem Reiseberichte mehrfach erwähnte Raffinerie von Tagjeff und Sarkisoff, welche Firma schon seit Jahren hierselbst mit wechselndem Erfolge Bohrungen betrieb, ohne jedoch auch nur entfernt zu Ergebnissen zu gelangen, welche in Bezug auf massenhaftes Auftreten des Erdöles mit denjenigen der etwa 4 Stunden davon entfernten Felder von Balakhani-Sabuntschi zu vergleichen gewesen wären. Oel wurde zwar wiederholt und in solchen Mengen erschlossen, daſs die ziemlich umfangreiche Raffinerie genügend damit versorgt werden konnte; die Schwierigkeiten waren jedoch, wie mir bei meiner Anwesenheit seitens der Techniker des Werkes mitgetheilt wurde, in Anbetracht des felsigeren Grundes und bedeutenderer Tiefe (damals bis über 200m) der Erdöl führenden Schichten, sehr bedeutende. Eine in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Bohrunternehmung ging in Folge dieser Schwierigkeiten zu Grunde. Nach oben erwähnter Mittheilung hat nun aber die Firma Tagjeff und Sarkisoff in allerneuester Zeit eine Springquelle erbohrt, die – nach ihrer Wirkung zu beurtheilen – zu den gewaltigsten gehört, welche bis jetzt gesehen worden sind. Der Naphta-Strahl dringt aus der 305mm (12 Zoll engl.) weiten Bohrröhre, und noch um diese Röhre herum, mit solcher Gewalt aus der Erde heraus und in die Höhe, daſs bei Südwind die 8km nördlich davon auf der anderen Seite des Golfes gelegene Villa Petrolea des Hrn. Thyss von dem Erdölregen noch derart getroffen wird, daſs Balkone, Fenster u.s.w. davon beschmutzt werden und daſs es bis zum Abgange der mir gewordenen Notiz nicht gelungen war, einen Verschluſs der Springquelle herbeizuführen. In unmittelbarer Umgebung der Quelle, insbesondere in der Raffinerie der HH. Tagjeff und Sarkisoff selbst, wurden die gröſsten Verheerungen angerichtet. Alles stand in einem Sandschlamm- und Naphta-Regen; dieser sammelt sich in den Vertiefungen an und, was überläuft, ergieſst sich in das unmittelbar dabei befindliche Meer. Gebäude, Maschinen und die dort fast insgesammt im Freien aufgestellten Apparate sind mit Erdöl übergössen, desgleichen eine Kirche und die in der Nähe gelegenen Häuser der Kaiserl. Rhede und des nächst gelegenen Theiles der Stadt Baku mit Petroleum bespritzt. So gewaltig traten zu Anfang Sand, Schlamm und Erdöl auf, daſs durch die Wucht der niedergefallenen Massen das Dach eines mit 70000 MC. raffinirten Brennöles gefüllten Behälters eingedrückt und der Inhalt verdorben und zerstört wurde. In einen anderen Behälter gleicher Gröſse, der mit Rohöl gefüllt war, drangen die Wassermassen eines gleichzeitig niederströmenden Regens ein und hoben das Erdöl in die Höhe, so daſs es ebenfalls in das Meer sich ergoſs. Wie ich schon in meinem Reiseberichte bemerkte, kann das Auftreten einer so gewaltigen Springquelle nicht immer als ein Glück betrachtet werden. Die Erbohrung der gewaltigen Drujba-Quelle im J. 1883 führte den Ruin der betreffenden amerikanischen Gesellschaft dadurch herbei, daſs in Folge nicht genügender Vorbereitung zum Abschlieſsen der Bohrquelle und Ueberflutung der Umgebung durch Schlamm und Naphta zu dem Verluste der letzteren auch noch der zu leistende sehr bedeutende Schadenersatz kam. Auch im jetzigen Falle werden, wie mir mitgetheilt wurde, von den umliegenden Besitzern bereits Ansprüche auf Schadenersatz erhoben und ist nur zu hoffen, daſs die schöne Anlage der HH. Tagjeff und Sarkisoff nicht ebenfalls an Ueberfluſs zu Grunde geht. Wichtig bleibt unter allen Umständen, daſs durch diese neue Springquelle der Nachweis geführt ist, daſs auch in erheblicher Entfernung von den bisher fast allein abgebauten Oelfeldern von Balakhani und Sabuntschi ein allem Anscheine nach ebenfalls sehr bedeutender natürlicher Oelbehälter sich befindet. Gerade gegenüber Bibi-Eybat entströmen dem Kaspischen Meere die schon seit alter Zeit berühmten Gasquellen.