Titel: Ueber Erdöl und seine Producte; von B. Redwood.
Fundstelle: Band 262, Jahrgang 1886, S. 462
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Ueber Erdöl und seine Producte; von B. Redwood.Nach einer vom Verfasser gef. eingesendeten Druckschrift: Cantor Lectures on Petroleum and its Products. (W. Trounce. London 1886.) B. Redwood, über Erdöl und seine Producte. Im März 1886 wurden von Boverton Redwood vor der Society of Arts in London eine Anzahl Vorlesungen, welche jetzt im Drucke erschienen sind, über Erdöl und die daraus zu gewinnenden Producte gehalten. Nachstehend folgt ein gedrängter Auszug aus diesen umfassenden und vieles Neue enthaltenden Vorträgen des englischen Chemikers. 1) Geschichtliches. Geographische und geologische Vertheilung. Chemische Zusammensetzung. Quellenbohrung. Beförderung durch Röhrenleitungen und in Behältern. Redwood gebraucht das Wort Erdöl in seiner weitesten Bedeutung, indem er nicht nur das flüssige Oel darunter versteht, sondern einerseits auch die festen und gasförmigen Kohlenwasserstoffe, welche uns die Erde unmittelbar liefert, andererseits die Producte der trockenen Destillation von Bogheadkohle, bituminösen Schiefern, Braunkohle und Torf in den Kreis seiner Betrachtungen zieht. Sehen wir von den Ueberlieferungen ab, welche uns die alte Geschichte und das Mittelalter über das Vorkommen von Erdöl bieten, so ist zu erwähnen, daſs die erste sichere Nachricht über die Auffindung von Erdöl in Nordamerika aus dem J. 1629 stammt, wo der Franziskaner-Missionär Jos. de la Roche d'Allion bei seinem Aufenthalte in dem jetzigen Staate von New-York in einem Briefe der Oelquellen erwähnt. Im J. 1750 beschreibt der Befehlshaber vom Fort Duquesne in einem Berichte an General Montcalm die bei den Seneca-Indianern gebräuchlichen Ceremonien, welche damit endigten, daſs der Schaum, welcher die Oberfläche eines kleinen, in den Alleghany flieſsenden Flusses bedeckte, angezündet wurde. Im J. 1765 berichtet Major Symes, welcher Mitglied einer Gesandtschaft an dem Hof von Ava in Birma war, über die birmanischen Oelquellen in der Nähe des Yenangyoung oder Erdölflusses. In Galizien soll im J. 1771 in dem jetzigen Oelfelde von Sloboda-Rungurska nahe bei Kolomea zuerst Erdöl entdeckt worden sein und aus dem J. 1791 stammt eine Mittheilung von Martinovich über eine dunkelbraune Sorte galizischen Erdöles. Dieses Oel wurde zuerst nur als Wagenschmiere benutzt, bis nach Gintl 1817 eine Destillation eingerichtet und Prag mit dem erhaltenen Oele beleuchtet wurde. Der Preis des Oeles scheint 55 Gulden für 1 Centner gewesen zu sein. Die Fabrik stellte ihre Arbeiten jedoch schon im folgenden Jahre wieder ein. Von ungarischem Erdöle wurde 1788 eine dicke schwarze Probe von Winterl untersucht. Nach John Fairman erhielt Genua zuerst 1802 Beleuchtung mit Rohpetroleum von Miano und dieses Oel wurde 1817 von Saussure untersucht. Wie Ch. A. Ashburner angibt, hat man wahrscheinlich das erste Gas, welches technisch verwerthet wurde, zu Fredonia, in der Grafschaft Chatauqua, New-York, erhalten, wo man am Ufer des Canadaway-Flusses 1821 eine Quelle er bohrte, welche genügend Gas für 30 Brenner lieferte. Paraffin wurde 1831 von Gregory und Christison aus Rangoon-Petroleum, 1830 von Reichenbach aus Holztheer und von Laurent bei der Destillation von bituminösen Schiefern erhalten. In England hat zuerst Young im J. 1850 durch Destillation der Bogheadkohle Paraffinöle gewonnen. Nachdem Laurent 1833 die Aufmerksamkeit auf die zu Autun gefundenen bituminösen Schiefer, als zur Gewinnung von Mineralöl brauchbar, gelenkt hatte, wurden 1839 Brennöl und andere aus diesen Schiefern dargestellte Producte von Selligue ausgestellt. Der erste von Erfolg begleitete Versuch, Brennöl aus Kohle in Amerika zu erzeugen, wurde von Geßner gemacht, welcher das so erhaltene Oel in Lampen bei öffentlichen Vorlesungen auf Prince Edward's Island im August 1846 brannte. Geßner verkaufte seine Patente an die North American Kerosene Gas-Light Company, welche das Oel 1854 unter dem Namen Kerosin in den Handel brachte; doch wurde die allgemeine Verwendung des Oeles wegen seines üblen Geruches anfangs erschwert, wenn auch die groſse Leuchtkraft desselben überall Anerkennung fand. Im J. 1849 stellte man in Irland Versuche an, Mineralöle aus Torf zu gewinnen. Im darauf folgenden Jahre begann man am Rhein mit der Destillation von Braunkohle auf Paraffinol, während von Young 1852 ein amerikanisches Patent auf die Gewinnung von Brennöl und Paraffin aus bituminösen Schiefern genommen wurde. Im J. 1853 stellte die United States Chemical Manufacturing Company Brennöl aus Kohlentheer zu Waltham in Massachusetts dar und 1857 bereitete die Downer Kerosene Oil Company Leuchtöl aus der Kohle von Neu-Braunschweig. Zu derselben Zeit wurde in New-Bedford, Mass., die Destillation von aus Schottland stammender Bogheadkohle begonnen; doch ersetzte man dieses Rohmaterial bald durch Cannelkohle aus West-Virginia und Kentucky. Diese Industrie nahm einen so groſsen Aufschwung, daſs schon 1859 eine einzige Raffinerie am Alleghanyfluſs 27200l Rohöl im Tag destilliren konnte. Die Entwicklung dieser Industrie war indessen nur dadurch ermöglicht, daſs man bis dahin sehr wenig Roherdöl in Amerika gefunden hatte. Im August des J. 1859 wurde jedoch von Oberst Drake die erste gröſsere Erdölquelle erbohrt und von dieser Zeit datirt das rasche Wachsen der Erdölindustrie in Amerika. Nach diesem günstigen Ergebnisse wurden an unzähligen anderen Punkten Bohrversuche mit gleich gutem Erfolge unternommen. In Folge dessen hörten die bestehenden Raffinerien sehr bald auf, Kohle zu verarbeiten und benutzten das Erdöl als Rohmaterial. Augenblicklich gibt es ungefähr 20000 mehr oder weniger ergiebige Quellen in den Oelfeldern der Vereinigten Staaten. Ashburner zählt 6 Hauptbezirke in den Staaten von Pennsylvanien und New-York auf, nämlich den Alleghany-, Bradford-, Warren-, Venango-, Butler- und Beaver- bezirk. Welch berichtete im Januar dieses Jahres über zwei neue Oelfelder, die von Kane und Washington, von denen besonders das letztere reiche Ausbeute zu liefern verspricht. Die folgende Tabelle gibt ein Bild über die Gewinnung von Roherdöl (1 Barrel = 154l) den Vereinigten Staaten in den J. von 1859 bis 1885: Jahr Barrels Jahr Barrels Jahr Barrels 1859 5000 1862 3050000 1865 2497000 1860 500000 1863 2611000 1866 3597000 1861 2113000 1864 2116000 1867 3347000 Jahr Barrels Jahr Barrels Jahr Barrels 1868 3583176 1874 10950730 1880 26562000 1869 4210720 1875 8787506 1881 28447115 1870 5673195 1876 9175906 1882 31051165 1871 5715900 1877 13490171 1883 24090000 1872 6531675 1878 15165462 1884 23520817 1873 7878629 1879 19741661 1885 21600651 Neben diesen Oel ergebenden Gegenden kennt man 3 Hauptbezirke, welche natürliches Gas liefern, das unmittelbar zur Beleuchtung und zum Heizen verwendet wird. Der bedeutendste von diesen befindet sich 24km südlich von Pittsburg, der Mittelpunkt des zweiten ist die Stadt Tarentum am Alleghanyflusse, während das dritte Feld 40km südlich von Pittsburg liegt und Washington zum Mittelpunkte hat. Nach der amerikanischen nimmt den ersten Rang an Gröſse und Bedeutung die russische Erdölindustrie mit Baku als Hauptort ein, über welche kürzlich von C. Engler (vgl. 1886 260 337 ff.) ausführlich berichtet wurde. In dritter Reihe sind die Oelfelder von Galizien zu nennen, über deren Vertheilung und Leistung Gintl folgende Tabelle aufstellt: West-Galizien: Jährlich MC. (100k) 1) Sandez und Gorlice   91500 2) Jaslo und Sanok   44900 Ost-Galizien: 3) Sambor und Drohobycz   73600 4) Rolomea 300000 Der dritte Bezirk lieferte auſserdem 53400 MC. Ozokerit. Von den deutschen Erdölvorkommen ist nach der Ansicht von Redwood das von Oelheim das wichtigste. Die von Young begründete Verarbeitung der bituminösen Schiefer ist besonders in Schottland zu einer groſsen Bedeutung gelangt (vgl. S. 286 d. Bd.). Die augenblicklich in Schottland verwendeten Schiefer finden sich unter den Kohlenschichten und kommen gewöhnlich mit Mergel, Kalkstein und Sandstein gemengt vor; sie besitzen eine graue oder braune Farbe und liefern 100 bis 172l Rohöl auf die Tonne. Im J. 1871 wurden etwa 8 Mill. MC. (zu je 100k) Schiefer destillirt, welche 113,5 Mill. Liter Rohöl ergaben, während augenblicklich der Jahresverbrauch auf 20,9 Mill. MC. mit einem Ertrage von rund 290 Mill. Liter veranschlagt wird. Auſser in Schottland werden auch in Neu-Südwales in Australien bituminöse Schiefer auf Mineralöle verarbeitet. Es bestehen dort 2 Gesellschaften, von denen die eine wöchentlich 4000 MC. die andere 2000 MC. Schiefer destillirt. Das Erdöl findet sich in allen Formationen vom Silur bis zum Tertiär und zwar auf der westlichen Halbkugel hauptsächlich in den silurischen und devonischen Schichten, auf der östlichen dagegen sind das Eocän und Miocän die Träger des Erdöles. In Amerika bestehen die Oel führenden Schichten vorzugsweise aus Sandstein und im Oil-Creek-Distrikt kann man drei unter einander liegende Sandsteinschichten unterscheiden, welche sich durch groſse Regelmäſsigkeit bezüglich ihrer eigenen Mächtigkeit sowie der der Zwischenlagen auszeichnen. Der oberste Sandstein hat eine Dicke von 12m, darauf folgt ein Zwischenraum von 32m bis zur zweiten Schicht, welche eine Mächtigkeit von 7m,6 besitzt. Die dritte 10m,7 dicke Lage beginnt 33m unterhalb der zweiten. In manchen Gegenden ist die mittlere Lage in zwei Theile gespalten, welche durch eine Schieferschicht von 4,6 bis 9m Dicke getrennt sind. Aehnliche Verhältnisse beobachtet man bei dem Vorkommen von natürlichem Gas. Nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse ist das mehr oder minder reichliche Vorkommen desselben abhängig: a) von der Porosität und gleichmäſsigen Ausbildung der Gas führenden Schichten, b) von der Ausdehnung, in welcher das Hangende und Liegende geborsten ist, c) von der Neigung der Schicht und der Stellung der Antiklinalen und Synklinalen, d) von den relativen Mengenverhältnissen von Wasser, Oel und Gas und e) von dem Drucke, unter welchem sich das letztere befindet. Ueber die Bildungsweise des Erdöles sind sehr verschiedene Theorien aufgestellt worden. Der Ansicht von Berthelot, wonach das Erdöl durch Einwirkung von Kohlensäure und Wasserdampf auf die Alkalimetalle entstanden sei, und der von Mendelejeff, welcher die Einwirkung von Wasser auf Eisen oder andere Metalle und auf Kohle bei hoher Temperatur und unter groſsem Drucke als Ursache ansieht, stehen die Theorien gegenüber, welche die Mitwirkung von pflanzlichen und thierischen Resten bei der Bildung betonen. Redwood bespricht alsdann die chemische Zusammensetzung des Erdöles, macht auf die diesbezüglichen Unterschiede zwischen dem amerikanischen und russischen Oele aufmerksam, erinnert an die Isolirung eines festen Kohlenwasserstoffes, Thallen, der im J. 1873 von Morton in den leicht siedenden Theilen des pennsylvanischen Erdöles aufgefunden sein soll und aus welchem dann Divers und Nakamura einen Körper von der Zusammensetzung (C4H3)n mit einem Siedepunkte von 280 bis 285° dargestellt haben wollen. Des Weiteren werden die von Hell und Medinger sowie von Markownikoff u.a. aufgefundenen Säuren bezieh. Phenole besprochen. Ueber die Procentzusammensetzung des Gases der Oelgasquellen geben die von Carnegie auf seinen Werken bei Pittsburg ausgeführten, in der nachstehenden Tabelle zusammengefaſsten Analysen Aufschluſs (vgl. Engler 1886 260 346): Bestandtheile 1 2 3 4 5 6 Sumpfgas 72,18 65,25 60,70 49,58 57,85 75,16 Wasserstoff 20,12 26,16 29,03 35,92   9,64 14,45 Aethan   3,6   5,5   7,92 12,30   5,20   4,8 Oelbildendes Gas   0,7   0,8   0,98   0,6   0,8   0,6 Sauerstoff   1,1   0,8   0,78   0,8   2,1   1,2 Stickstoff 23,41   2,89 Kohlensäure   0,8   0,6   0,4   0,3 Kohlenoxyd   1,0   0,8   0,58   0,4   1,0   0,6 Auf den Beginn der Erdölbohrungen in Amerika ist schon weiter oben hingewiesen; auch ist die Geschichte dieser Technik durch anderweitige Veröffentlichungen zur Genüge bekannt. Dagegen ist es von Interesse, aus den Vorträgen Redwood's die in den verschiedenen Ländern gebräuchlichen Bohrmethoden kennen zu lernen. Von ursprünglichster Art ist die Herstellung der Brunnen in Japan, welche durch einfache Handarbeit gegraben werden. Hierbei sind gewöhnlich 2 Arbeiter beschäftigt, von denen der eine gräbt, während der andere eine am Eingange des Brunnens aufgestellte Pumpe durch Treten in Bewegung setzt und so dem ersteren frische Luft zuführt. Die ausgegrabene Erde wird in an Tauen hängenden Behältern durch Aufziehen mit Hilfe einer Winde zu Tage gefördert. Die Brunnen haben einen Durchmesser von ungefähr 1m und werden oft bis zu einer Tiefe von 180 bis 275m gegraben. Wegen der in dieser Tiefe herrschenden Dunkelheit muſs die Arbeit oft schon um 3 Uhr Mittags abgebrochen werden. Die Beleuchtung des Brunnens wird auf sehr einfache, dabei aber sehr eigenartige Weise mittels eines ungefähr 1m,5 langen und 1m breiten Spiegels von gelblichem, geöltem Papiere bewerkstelligt, welcher unter entsprechendem Neigungswinkel aufgestellt ist, so daſs das Licht in den Schacht fällt. Das Oel wird auf dem Boden des Brunnens in Fässer geschöpft und in diesen mittels des Taues gehoben. Die Herstellungskosten eines solchen 275m tiefen Brunnens belaufen sich nach Syman auf nicht mehr als 4000 M., also ungefähr ⅓ der Kosten eines gleich tiefen Bohrloches in England oder Nordamerika. Die Ersetzung dieser Arbeitsweise durch Einführung des Bohrens mittels Dampfkraft ist ausgeschlossen wegen der hohen Kosten der nothwendigen Maschinen, des Mangels an Feuerungsmaterial, sowie der Schwierigkeit der Maschinenverfrachtung in einem Lande, welches fast keine Fuhrwege besitzt; auch verbietet die geringe Oelausbeute die Anwendung von irgendwie kostspieligen Einrichtungen. Die letztere beträgt im Ganzen in den Oelfeldern von Echigo und Shinano zwischen 11000 und 12000 Barrels (zu 154l) im Jahr. In ganz ähnlicher Weise werden die Brunnen in Birma hergestellt. Hierbei entwickeln sich oft so reichliche Mengen Gase, daſs der Arbeiter mir wenige Minuten im Brunnen verweilen kann. Auch in der Moldau und in der Wallachei, in Galizien sowie in Italien hat man noch jetzt theilweise solche gegrabene Brunnen, während auffallender Weise in China schon seit lange die artesische Brunnenbohrung in Anwendung ist. Die in Nordamerika gebräuchliche Bohrmethode ist in dem Berichte über die Weltausstellung in Philadelphia 1876 von Höfer ausführlich beschrieben und daher den deutschen Fachkreisen zur Genüge bekannt. Ebenso wurde über die von der amerikanischen abweichende Herstellungsweise der Bohrlöcher in Ruſsland erst kürzlich von Engler (vgl. 1886 260 349) berichtet. Bei jeder Bohrung sind in Amerika 3 verschiedene Abtheilungen zu durchteufen: 1) Die zu oberst liegenden Thon- und Sandschichten, 2) die Wasser führenden Felsschichten, 3) die mehr oder weniger von Wasser freien Felsschichten mit dem Oelvorkommen. Das Durchsetzen der ersten Schicht geschieht nicht durch Bohrarbeit, wenn die Dicke nur 3 bis 4m,6 beträgt; man gräbt alsdann einen gewöhnlichen, 2,4 bis 3m breiten Schacht bis auf den Fels. Ist die Mächtigkeit der Thon- und Sandschichten zu groſs, so rammt man, um das Einstürzen zu verhüten, eiserne Röhren bis auf die Felsschichten und dann beginnt man mit dem eigentlichen Bohren. Ist man bis zur letzten Wasser führenden Schicht gelangt, so werden Röhren eingelassen, deren unteres Ende mit einer Dichtung versehen ist, welche einen Abschluſs des zwischen der Felswand und den Röhren befindlichen Raumes gestattet, wodurch man sowohl den Wasserzufluſs zu dem Bohrloche, als auch ein Ausströmen der in der Oelschicht vorhandenen Gase verhindert. Die Tiefe der Bohrlöcher ist von 133m im J. 1861 auf 490m im J. 1878 gestiegen und nimmt auch seither noch immer zu. Die kürzlich erbohrte Gordonquelle besitzt beispielsweise eine Tiefe von 732m. Bei vielen Erdölquellen in Amerika wendet man nach Fertigstellung des Bohrloches noch Sprengungen mittels Nitroglyzerin an, um ein reichlicheres Flieſsen des Oeles zu erzielen. Die Nitroglycerinladung befindet sich in einer Büchse, welche auf den Grund des Brunnens gesenkt wird. Die aus Zinnplatten hergestellten Büchsen sind von zweierlei Gröſse und die Sprengung wird nach 2 Verfahren vorgenommen. Bei dem einen wird die Büchse mittels eines Taues niedergelassen und darauf das letztere wieder herausgezogen. Die Büchse trägt an ihrem oberen Ende eine Zündscheibe, welche aus einer kreisrunden Eisenplatte besteht und nur wenig kleiner ist als der Durchmesser des Bohrloches. Von der unteren Fläche der Scheibe führt ein Stiel senkrecht abwärts, der an seinem Ende mit einem Zündhütchen versehen ist und auf einem Ambosse ruht. Die Entladung wird durch das Hinunterwerfen eines eisernen Gewichtes bewirkt, welches durch sein Aufschlagen das Zündhütchen und damit die Sprengladung zur Explosion bringt. Die hierbei verwendeten Büchsen haben gewöhnlich einen Durchmesser von 90mm und eine Länge von 3m und enthalten etwa 22l Nitroglycerin. Häufig wird jedoch zur Sprengung eine Ladung von 90l verwendet, indem mehrere Büchsen, welche mit einander verbunden sind und von denen nur die obere die Zündvorrichtung trägt, versenkt werden. Bei dem zweiten Verfahren läſst man die Büchsen ebenfalls mittels eines Seiles in die Tiefe, das letztere wird jedoch nicht wieder entfernt, sondern dient als Führung für ein durchbohrtes Gewicht. Die Büchsen sind hierbei bedeutend kleiner; sie enthalten nur ungefähr 1l des Sprengstoffes und werden jetzt in der Regel als Schlagladung benutzt, um die groſsen Büchsen zur Explosion zu bringen. Die Sprengung wird gewöhnlich 15m unter Wasser vorgenommen. Man hört kein oder nur geringes Geräusch, dagegen wird häufig eine Erschütterung des Bodens wahrgenommen. Kurz nach der Explosion wird die im Bohrloche befindliche Flüssigkeit mit groſser Gewalt herausgeschleudert und wenige Minuten später beginnt die Quelle zu flieſsen; doch ist gewöhnlich hinreichend Zeit, um die Mündung des Bohrloches mit dem Sammelbehälter zu verbinden. Von manchen Seiten wird diesen Sprengungen wenig Werth beigemessen und die Ansicht aufgestellt, daſs die Wirkung einfach in einer Reinigung der Poren des Gesteines von Verstopfungen bestehe und daſs der reichlichere Ausfluſs von Oel nur scheinbar sei und seine Erklärung in dem durch die Explosion erzeugten groſsen Gasdrucke finde. Dem steht jedoch die Erfahrung entgegen, daſs viele Bohrlöcher, welche nach ihrer völligen Fertigstellung kein Oel lieferten, nach der Vornahme von Sprengungen zu einem reichlichen Flieſsen gebracht wurden. Die durchschnittlichen Erträgnisse der Quellen weichen sehr von einander ab. Von den 20000 oder mehr in Amerika in Thätigkeit befindlichen Bohrlöchern geben die meisten nur wenige Faſs Oel im Tag, während allerdings manche eine kurze Zeit bis 11800001 in 24 Stunden geliefert haben. Diese Leistung wird jedoch von manchen kaukasischen Quellen bedeutend übertroffen, so daſs man genöthigt ist (vgl. Engler 1886 260 351. 262 379), die Quellen mittels einer Kappe zu verschlieſsen und das Oel nur nach Bedarf flieſsen zu lassen. Diese Methode ist in Amerika wegen der geologischen Verhältnisse nicht anwendbar, weil das Oel, an einem Bohrloche am Ausflieſsen gehindert, sich seitwärts durch die Sandschichten fortbewegt und in Folge dessen an fremden Quellen wieder zum Vorscheine kommt. Der Druck des Oeles in den durch eine Kappe verschlossenen Bohrlöchern beträgt häufig 14, in manchen Fällen sogar bis zu 22at. Von den in Baku bei der Anwesenheit Medwood's (1884) vorhandenen 400 Quellen waren nur ungefähr 100 in Thätigkeit und von diesen letzteren nicht mehr als 20 flieſsend. Die Ausbeutung der nicht flieſsenden Bohrlöcher kann wegen der groſsen Menge des vorhandenen Sandes (oft 30 bis 40 Proc.) in Ruſsland nicht durch gewöhnliches Pumpen geschehen, sondern das Oel wird in Cylindern gehoben, welche den zur Entfernung des Bohrpulvers gebrauchten ähnlich construirt sind und gewöhnlich 2001 halten. In Amerika ist es üblich, nach Erschöpfung der Bohrlöcher die Verrohrung herauszunehmen, um sie bei neuen Bohrungen zu benutzen. In Folge dessen erlangt das Tagewasser Zutritt zu den Oel führenden Schichten und übt einen nachtheiligen Einfluſs auf den Ertrag der benachbarten Bohrlöcher aus. Es ist deshalb durch die pennsylvanische Gesetzgebung bestimmt worden, daſs solche verlassene Bohrlöcher mit Sand aufgefüllt werden müssen. Auf ähnliche Ursachen ist vielleicht die in letzter Zeit nach Vasilieff im Kaukasus beobachtete Erscheinung zurückzuführen, daſs der Wassergehalt des geförderten Oeles stetig zunimmt. Die Beförderung des Erdöles in Amerika geschah in der ersten Zeit in Fässern (sogen. Barrels), welche auf Wasserwegen, und seit 1862, wo von der Atlantic Great Western Railway eine Seitenbahn in die Oelbezirke gebaut wurde, auf der Eisenbahn befördert wurden. Diese Fässer hatten unter anderen den groſsen Nachtheil, daſs der Kitt, mit welchem sie immer gedichtet waren, durch das Wasser, welches das Rohöl enthielt, aufgelöst wurde, so daſs die Fässer bald leck wurden. Im J. 1865 oder 1866 hat man die ersten Cysternwagen angewendet, welche zunächst aus gewöhnlichen Wagen bestanden, auf denen sich zwei runde, hölzerne Wannen befanden mit einem Inhalte von 9000 bis 18000l Im J. 1871 wurde der jetzt unseren Eisenbahnwagen für Theer, Gaswasser u.s.w. ähnliche sogen. Tankwagen eingeführt; ebenso dienen jetzt Cystern- oder Tankschiffe von 2200 Barrels Inhalt zur Verfrachtung des Rohöles auf dem Wasserwege (vgl. * S. 317). Der erste Versuch zur Legung einer Röhrenleitung zur Beförderung des Hohöles wurde im J. 1862 gemacht, begegnete jedoch einem solchen Widerstande seitens der bisher mit der Verfrachtung beschäftigten Fuhrleute, daſs man denselben fallen lieſs. Die erste mit Erfolg arbeitende Leitung wurde 1865 von van Syckle aus Titusville gelegt, nachdem schon vorher Hutchinson eine Leitung eingerichtet hatte, welche jedoch so undicht war, daſs an dem einen Ende eingeführtes Oel nur in geringer Menge das andere Ende erreichte. In der ersten Zeit muſsten diese Leitungen durch bewaffnete Streifwachen gegen die erbitterten Fuhrleute geschützt werden, welche wiederholte Zerstörungsversuche machten. Gegenwärtig sind fast alle Röhrenleitungen mit einer Länge von ungefähr 2130km im Besitze der National Transit Company. Die Röhren werden auf einen Druck von 110 k/qc geprüft, während der gewöhnliche Arbeitsdruck 66 bis 88, zuweilen allerdings selbst 110 k/qc beträgt. In entsprechenden Entfernungen befinden sich Stationen, welche mit Pumpen nach dem Worthington-System (vgl. 1886 259 480), welches einen gleich bleibenden Druck auszuüben gestattet, versehen sind. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung des Rohöles von den einzelnen Bohrlöchern zu bestimmten Taxen und stellt dem Eigenthümer über den Empfang des Oeles eine Bescheinigung aus, welche wieder nach Belieben übertragen werden kann. Es ist einleuchtend, daſs bei dieser Beförderungsweise ein Eigenthümer nie sein ursprüngliches Oel wiedererhält, sondern das Durchschnittsöl, wie es aus den gesammten, an die Leitung angeschlossenen Bohrlöchern hervorgeht. Die schwereren Oele aus den Franklin- und anderen Gegenden, sowie manche leichteren Rohöle werden deshalb für sich in Fässern befördert. Von Interesse ist das Verfahren, welches beim Reinigen der Röhrenleitungen befolgt wird. Der Reiniger, „go devil“ genannt, besteht in vielen Fällen aus einer Bürste aus Stahldraht von kegelförmiger Gestalt, welche an dem Boden des Kegels mit einem 4theiligen Lederventile und langen Stahldrahtführungen versehen ist. Diese Vorrichtung wird durch den Oelstrom vorwärts getrieben und legt ungefähr 5km in der Stunde zurück. Da es zuweilen vorkommt, daſs der Reiniger bei gröſseren Verstopfungen liegen bleibt, so laſst man diesen von einer Station zur anderen von Arbeitern begleiten, welche an dem kratzenden Geräusch, das der Reiniger durch sein Vordringen verursacht, jederzeit den Punkt bestimmen können, an dem er sich befindet. Die Beförderung des russischen Erdöles erfolgt jetzt in ähnlicher Art (vgl. Engler 1886 260 352). Die Gewinnung des Ozokerits in Galizien geschieht durch Bergbau. Es werden 40 bis 80m tiefe Schachte gegraben, bis man auf die Ozokerit führenden Schichten stöſst, worauf mit dem Baue von Stollen begonnen wird. Der Schacht führt gewöhnlich ungefähr 7,5 bis 9m durch Kies oder Geschiebe und darauf durch blauen Lehm und plastischen Thon. In letzterem befindet sich der Ozokerit in Nestern von 0,3 bis 1m Mächtigkeit. (Schluſs folgt.)