Titel: A. Wöhler's Untersuchungen über den Werth der Schlagprobe bei der Prüfung von Radreifen und Schienen aus Flusseisen und Flussstahl.
Fundstelle: Band 264, Jahrgang 1887, S. 120
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A. Wöhler's Untersuchungen über den Werth der Schlagprobe bei der Prüfung von Radreifen und Schienen aus Fluſseisen und Fluſsstahl. Mit Abbildung. Wöhler's Untersuchungen über die Schlagprobe. Die Münchener Versammlung zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsarten für Bau- und ConstructionsmaterialienVgl. Beschlüsse der Conferenzen zu München und Dresden über einheitliche Untersuchungsmethoden bei der Prüfung von Bau- und Constructionsmaterialien auf ihre mechanischen Eigenschaften, zusammengestellt im Auftrage der Dresdener Conferenz von der Redactionscommission: Prof. J. Bauschinger, Baudirector Fr. Berger, Directionsrath G. Ebermayer, Prof. Dr. Hartig und Prot. L. Tetmajer. (München 1887. Th. Ackermann.)ging bei Feststellung der Beschlüsse im Wesentlichen mit von dem Grundsatze aus, daſs das Prüfungsverfahren bei den Abnahmen für jedes Material möglichst die spätere Inanspruchnahme zum Ausdrucke bringt. So wurde festgestellt, daſs bei Prüfung der Radreifen fortan allein die Schlagprobe als maſsgebend zu betrachten sei, entsprechend der Inanspruchnahme durch die Stoſswirkung der Schienenstöſse, die Zerreiſsprobe wurde hintangesetzt und wurde namentlich auf die häufig widersprechenden Ergebnisse der Zug- und Schlagversuche bei gleichem Baustoffe hingewiesen. Um der Ursache dieser Widersprüche näher zu treten, hat A. Wähler Untersuchungen angestellt, deren wesentliche Ergebnisse nach dem Centralblatt der Bauverwaltung, 1886 * S. 167 in Nachstehendem mitgetheilt werden. Ein Wagenradreifen aus Fluſseisen, welcher im gewöhnlichen Betriebe 102675km durchlaufen hatte, zeigte sich bei der Schlagprobe als sehr spröde; er zerbrach beim ersten Schlage eines Fallbärs von 450k Gewicht aus 3m Höhe (Arbeit also 1350mk) in 4 Stücke, während die aus einem warm gerichteten Bruchstücke hergestellten Zerreiſsproben sich mit Ausnahme eines Stabes als sehr zäh erwiesen. Ein zweiter Reifen aus derselben Schmelzung, welcher 100563km, und ein dritter Reifen derselben Lieferung, welcher 62145km durchlaufen hatte, zerbrachen schon bei Im Fallhöhe (450mk Arbeit). Nach diesen Ergebnissen erschien es geboten, zu untersuchen, ob solche Reifen betriebsgefährlich seien. Es wurde hierzu das bei der französischen Westbahn seit 1876 gebräuchliche Verfahren benutzt, nach welchem die auf den Rädern sitzenden Reifen mittels Hämmern von 8k vor dem Abdrehen mit 24 Schlägen auf den Laufflächen abgeklopft werden (vgl. G. Meyer 1880 237 * 444). Wähler verwendete zum Abklopfen von weiteren 8 Reifen Hämmer von 7k Gewicht, deren Stoſsarbeit zu 15mk ermittelt wurde. 6 Stück dieser Reifen blieben bei der Probe unversehrt, obgleich einer 110 und jeder der übrigen 5 Stück 500 Schläge erhielten; 2 Reifen dagegen, welche 100653 bezieh. 62145km durchlaufen hatten, brachen beim 28. bezieh. 11. Schlage. Daraus, daſs diese beiden letzten Reifen, welche im Betriebe so hohe Kilometerzahlen durchlaufen hatten, ohne schadhaft zu werden, beim 11. bezieh. 28. Schlage brachen, ist zu folgern, daſs die Wirkung dieser Hammerschläge von 15mk erheblich stärker war als die der im Betriebe auf die Radreifen wirkenden Stöſse. Zu dem gleichen Schlusse kam Wähler bei der Untersuchung von Fluſsstahlschienen mittels der Schlagprobe. Textabbildung Bd. 264, S. 121 Um die Hammerbahn so auf die Schienenstücke wirken zu lassen, wie es das Rad thut, wenn es über die Schienenstoſse hinrollt, war das Schienenstück gelagert, wie es die nebenstehende Figur verdeutlicht, nämlich so, daſs beim Aufschlage der Abstand des Mittelpunktes der nach dem Halbmesser der Radreifen gekrümmten Hammerbahn von der Senkrechten durch die Schienenstirnfläche 20mm betrug. Der Schwanzhammer hatte 30k Gewicht und 500mm Hub, also eine Schlagarbeit von wiederum 15mk. Zu dem ersten Versuche wurde ein etwa 400mm langes Stück einer Fluſsstahlschiene, wie sie zum Langschwellen-Oberbau der Reichsbahn verwendet sind, benutzt; dasselbe war auf einer Holzunterlage mit darüber liegender 20mm starken schmiedeisernen Platte befestigt. Nach 19570 Hammerschlägen erlitt der Schienenkopf die auf der Strecke zu beobachtende Anstauchung und es entstand im Stege der Schiene, etwa 43mm unter der Oberkante, ein Querriſs von 35mm Länge. Um der Wirklichkeit mehr zu entsprechen, wurde die zweite Schiene auf eine guſseiserne Lochbank von 147k Gewicht befestigt. Nach 9028 Hammerschlägen war das Schienenkopfende um 3mm gestaucht und im Stege entstand etwa 35mm unter der Schienenoberkante ein Querriſs, welcher nach weiteren 500 Schlägen eine Länge von 77mm hatte und vorn 1mm klaffte. Bei einem mittelmäſsig befahrenen Geleise rollen nun jährlich mindestens 73000 Achsen über jeden Schienenstoſs. Würden hierbei die Schlag Wirkungen auch nur denen der ersten der vorstehenden Versuche gleich kommen, möchte es überhaupt unmöglich sein, ein Eisenbahngleis dauernd in brauchbarem Zustande zu erhalten. Da aber letzteres thatsächlich geschieht, erachtet Wähler dadurch als erwiesen, daſs auf die Radreifen und auf die Schienen im gewöhnlichen Betriebe keine Stöſse wirken, deren Arbeitswerth 15mk erreicht, und daſs die gebräuchliche Schlagprobe durch die dynamische Beanspruchung des Materials unmöglich begründet werden kann. Um nun noch die Ursache des spröden Verhaltens der Radreifen gegen Schlagwirkung und das Widersprechende dieses Verhaltens gegen die Zerreiſsprobe aufzuklären, wurden Schlagproben mit ausgeglühten und unausgeglühten Bogen stücken von Reifen, mit ausgeglühten ganzen Reifen, sowie Zerreiſs- und Schlagproben mit nach verschiedenen Richtungen hin aus den Radreifen herausgearbeiteten Streifen angestellt. Dieselben lehrten, daſs die Reifen durch das Walzen hart geworden waren; durch das Ausglühen wurde diese Walzharte beseitigt. Bei geglühtem Material fand ein Widerspruch zwischen Zerreiſs- und Schlagproben nicht mehr statt. Aus den Ergebnissen der übrigen Versuche, welche mit den einzelnen Schichten angestellt wurden, ist zu folgern, daſs an den Seitenflächen des Reifens ein Hartwalzen nicht stattfand und daſs auf den Innen- und Auſsenflächen die Härte nicht weiter als höchstens bis auf 10mm Tiefe eingedrungen war. Der scheinbare Widerspruch mit der Schlagprobe ist also hierdurch aufgeklärt. Uebrigens bedarf es zur Feststellung, wie tief die Walzhärte in das Material eindringt, noch weiterer Versuche. Auch bei ruhigem Drucke, bei Biegeproben, trat die Sprödigkeit vollständig zu Tage. Durch weitere Versuche wäre ferner noch zu ermitteln, ob gewisse Maſse von Festigkeit und von Zähigkeit das Material vorzugsweise zur Aufnahme der Walzhärte geneigt machen. Nach allgemeinen Betrachtungen erscheint es nicht ausgeschlossen, daſs dies bei Fluſseisen oder Fluſsstahl von groſser Zähigkeit der Fall ist und daſs darin, also in dem Hartwalzen, die Ursache zu suchen ist, wenn bei solch zähem Materiale viele Brüche vorgekommen sind. Dem könnte freilich künftig durch Ausglühen vorgebeugt werden; aber es ist auch denkbar, daſs schon durch die Benutzung im Betriebe, welche ja eine dem Walzen ähnliche Wirkung auf den Stoff ausübt, ähnliche Erscheinungen, wenn auch in geringerem Maſse, hervorgerufen werden. Mit dieser schädlichen Walzhärte des Fluſseisens darf aber die durch rasche Abkühlung des erwärmten Materials erlangte Härte, welche beim Fluſseisen in wesentlich erhöhter Festigkeit ohne bedenkliche Verminderung der Zähigkeit besteht, nicht verwechselt werden. Daſs auch von Seiten der preussischen Regierung Schritte gethan werden, um durch planmäſsig durchgeführte gröſsere Versuchsreihen die erforderlichen Eigenschaften eines zweckentsprechenden Materials zu Schienen, Achsen und Radreifen festzustellen, bezeugt die Verordnung des preuſsischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, wonach durch die kgl. technischen Versuchsanstalten zu Berlin derartige Versachsreihen anzustellen sind. Auſser Zerreiſs-, Schlag- und Biegeproben sind auch Dauerproben in Aussicht genommen. Von jeder der preuſsischen Eisenbahndirektionen soll eine Anzahl Stücke eingereicht werden, über deren Verhalten genaue Beobachtungen aufgezeichnet sind und deren Beschaffenheit sich als besonders gut oder besonders schlecht herausgestellt hat. Jedes Probestück muſs mit einer genauen Beschreibung eingeliefert werden, in welcher alle Verhältnisse, die auf die Beschaffenheit desselben Einfluſs gehabt haben könnten, nach vorgeschriebenem Schema aufgeführt sind. Die Ueberwachung der Versuche ist einem aus Vertretern des vorgenannten Ministeriums und des Vereins deutscher Stahl- und Eisen-Industriellen zusammengesetzten Ausschüsse übertragen, welchem auch die Festsetzung der Form und Beschaffenheit der von den Eisenbahnverwaltungen einzusendenden Probestücke, sowie die Entwerfung des näheren Arbeitsplanes obliegt. Die aus den Schienen, Reifen und Achsen in kaltem Zustande herauszuarbeitenden Probestücke sollen 420mm Länge haben. Ein Schienenprobestück ist durch Abtrennung des Steges am Kopf und Fuſs in drei Theile, ein Achsenprobestück in zwei Halbcylinder und ein Reifenprobestück durch eine Schnittebene senkrecht zur Achse in zwei Theile zu zerlegen.