Titel: Ueber den Einfluss des Gaslichtes auf das rasche Vergilben der Holzschliffpapiere.; von Prof. Dr. Julius Wiesner.
Autor: Julius Wiesner
Fundstelle: Band 266, Jahrgang 1887, S. 182
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Ueber den Einfluſs des Gaslichtes auf das rasche Vergilben der Holzschliffpapiere.; von Prof. Dr. Julius Wiesner. Einfluſs des Gaslichtes auf das rasche Vergilben der Holzschliffpapiere. Ich habe in dieser Zeitschrift1886 261 386 ff. das rasche Vergilben des Papieres erörtert und die Resultate meiner auf die Auffindung der Ursachen dieser unliebsamen Erscheinung abzielenden Versuche in Kürze mitgetheilt. Es wurde in meiner kleinen Abhandlung gezeigt, daſs bloſs solche Papiere dem raschen Vergilben unterliegen, welche noch aus verholzten Fasern bestehen, also vor Allem die Holzschliffpapiere, daſs diese Art der Vergilbung im Wesentlichen ein durch das Licht hervorgerufener Oxydationsprozeſs ist und daſs sich hierbei in erster Linie die stark brechbaren Strahlen des Lichtes betheiligen. Der letztere Umstand macht es begreiflich, warum das gewöhnliche an stark brechbaren Strahlen so arme Gaslicht die Holzschliffpapiere fast gar nicht beeinfluſst, hingegen das elektrische Bogenlicht, wie überhaupt alle jene Lichtquellen, welche viel stark brechbares Licht aussenden, derartige Papiere gefährden müssen. Meine Mittheilungen hatten sich einer recht weiten Verbreitung durch andere Journale zu erfreuen, wurden auch vielfach discutirtVon besonderem Interesse ist C. Wurster's Mittheilung, nach welcher die in der rohren Holzſaser vorhandenen Substanzen eine Activirung des Sauerstoffes hervorrufen, in Folge dessen die Vergilbung des Papieres sich einstellt. (Berichte der chemischen Gesellschaft, 1886 Bd. 2 S. 3217.); aber wenn auch die von mir aufgefundenen Thatsachen – so viel mir bekannt – allseitige Anerkennung fanden, so wurde doch von mehreren leiten hervorgehoben, daſs das Gaslicht, trotz der von mir hervorgehobenen Vortheile, anderweitige ungünstige Wirkungen auf das Papier ausüben, ja selbst zur raschen Vergilbung des Papieres Veranlassung geben soll und aus diesen Gründen zur Beleuchtung in Bibliotheken nicht zu empfehlen sei. Ich fühle mich nun keineswegs competent, zu beurtheilen, welche Beleuchtungsart sich für Bibliotheken am meisten empfehle, sondern will bloſs einige Versuche mittheilen, welche, wie meine früheren, von Seite der Verwaltung einiger groſsen Staatsbibliotheken angeregt, den Zweck hatten, zu prüfen, inwieweit das Gas als solches und die Strahlung der Gasflamme die Färbung des Papieres beeinflussen. Daſs dieser Einfluſs gegenüber dem Holzschliffpapiere kein groſser sein kann, geht eigentlich schon aus meinen früher mitgetheilten Untersuchungen hervor. Dieselben lehrten, daſs ein Holzschliffpapier in der Entfernung von 0m,75 von einer Gasflamme (Leuchtkraft = 8 Normalkerzen) aufgestellt, nach viermonatlicher Tag und Nacht währender Beleuchtung nur so weit vergilbt wie im Sonnenlichte nach zwei Stunden. Der betreffende Versuch wurde in einem einfenstrigen Dunkelzimmer durchgeführt, welches keine Ventilation besitzt, in welchem mithin nur ein sehr langsamer Abzug der Verbrennungsproducte stattfinden konnte. Würden die letzteren das Vergilben stark begünstigen, so hätte dies der Versuch zu erkennen gegeben. Ich entschloſs mich aber trotzdem zur Durchführung besonderer Versuche, die übrigens nicht nur den Zweck hatten, zu zeigen, wie die Verbrennungsproducte des Gases auf das Papier wirken, sondern die auch noch lehren sollten, ob das Leuchtgas als solches, welches wohl in kleinen Mengen in allen Räumen sich vorfinden wird, welche mit Gas beleuchtet sind, zur Vergilbung etwas beiträgt, ferner wie weit die durch die Gasbeleuchtung stattfindende Erwärmung des Papieres beim Vergilbungsprozesse sich bemerklich macht. Zu den im Nachfolgenden mitgetheilten Versuchen diente, so weit sie Holzschliffpapiere betreffen, das Papier des „Neuen Wiener Tagblattes“. Als Holzstoff freies Versuchsobject diente schwedisches Filterpapier. 1) Am 27. Oktober 1886 wurden Holzpapiere der continuirlichen Einwirkung von Leuchtgas bis zum 22. Juni 1887 ausgesetzt, also durch mehr als 5400 Stunden, ohne daſs bezüglich der Färbung ein Einfluſs bemerklich geworden wäre. Die Versuchsanstellung war die folgende: Papierstreifen von 1cm Breite und 8cm Länge wurden in Eprouvetten eingeführt und am geschlossenen Ende angeklebt. Die so adjustirten Eprouvetten wurden mit Quecksilber gefüllt und in einer pneumatischen Wanne aufgestellt. Hierauf wurde Leuchtgas in die Gefäſse eingeleitet; in einzelnen Eprouvetten gewöhnliches Leuchtgas, in anderen solches mit etwa ⅓at Luft gemengt. Die Gefäſse blieben, mit Quecksilber abgesperrt, während der ganzen Versuchszeit in der Dunkelkammer, woselbst sich die Temperatur nie über 21° erhob. Nach Abschluſs des Versuches wurden die Papierstreifen herausgenommen und mit dem vorsichtigst aufgehobenen Probepapier verglichen. Aus diesen Versuchen folgt, daſs die im gewöhnlichen Leuchtgase vorkommenden Gase, sowohl als solche, als auch bei Gegenwart von reichlichen Mengen von Sauerstoff das Holzstoffpapier bezüglich der Färbung gar nicht beeinflussen. 2) In einem geschlossenen chemischen Herde, dessen Ventilation so weit verringert wurde, daſs die darin brennende Gasflamme (Schmetterlingsflamme) mit merklich abgeschwächter Leuchtkraft brannte, wurden Papierstreifen (theils von Holzschliff-, theils von Filterpapieren) gebracht, welche wohl der Einwirkung der Verbrennungsproducte, nicht aber der Strahlung der Flamme ausgesetzt waren. Ich stellte nämlich in dem Herde einen offenen Zinkcylinder so auf, daſs die am Grunde desselben liegenden Papierstreifen von den Strahlen der Gasflamme nicht getroffen wurden. Die Gasflamme hatte unter normalen Verhältnissen eine Leuchtkraft von 8 Normalkerzen, sie brannte Tag und Nacht vom 3. März bis zum 24. Juli. Die Temperatur schwankte zwischen 19 und 30°. Alle Papiere hatten schon nach Ablauf eines Monates einen leichten bräunlichen Anflug erhalten, dessen Färbung sich bis zum Schlüsse des Versuches mehr und mehr steigerte, und zwar sowohl die Holzschliffes die Filterpapiere. Gleichzeitig hatten sich auch die Gläser der Herdfenster von innen her mit einer bräunlichen Schicht beschlagen, woraus sich ergibt, daſs die Versuchspapiere nur durch die in Folge unvollkommener Verbrennung von der Flamme ausgeschiedenen Ruſstheilchen gebräunt wurden. Dieser Versuch lehrt, daſs in schlecht ventilirten, mittels Gas beleuchteten Räumen frei liegende Papiere nach längerer Zeit sich mit einer bräunlich gefärbten Rufsschicht beschlagen können. Dies gilt aber für Holzschliffpapiere ebenso wie für aus reinster Cellulose bestehende. Unter gewöhnlichen, in Bibliotheken und Büchermagazinen herrschenden Verhältnissen wird dieser Einfluſs aber wohl kaum merklich werden, selbst nicht nach sehr langen Zeiträumen. 3) Während der eben beschriebene Versuch ablief, war in demselben abgeschlossenen Räume noch ein anderer im Gange. Neben dem Zinkcylinder lagen während der ganzen Versuchszeit zwei der vollen Strahlung der Gasflamme ausgesetzte 50cm lange und 6mm weite Glasröhren. In einer derselben befand sich ein Holz- in der anderen ein Filterpapierstreifen. Beide waren nach Ablauf der Versuchszeit ganz unverändert geblieben, bis auf eine auſserordentlich geringe gelbliche Färbung des Holzpapieres, welche, wie vergleichende Versuche Ergaben, auf die Lichtwirkung der Gasflamme zurückzuführen waren. Die Ruſstheilchen drangen in das Innere der Glasröhren nicht, oder nur in verschwindend geringen Mengen ein, wohl aber die gasförmigen Verbrennungsproducte der Flamme. Dieser Versuch lehrt, daſs die gasförmigen Verbrennungsproducte der Leuchtgasflamme auch nicht bei Gegenwart von Sauerstoff das Vergilben des Holzschliffpapieres in merklichem Grade hervorzurufen vermögen. 4) Es erübrigt mir nur noch, meine auf unsere Frage bezüglichen Temperaturversuche mitzutheilen. Schon aus den unter 2) mitgetheilten Versuchen geht hervor, daſs Temperaturen bis 30° auf die Holzschliffpapiere ohne Wirkung sind. Um die Wirkung höherer Temperatur auf das Papier kennen zu lernen, wurden Papierstreifen im Luftbade bei 30 bis 40° erhitzt, bei Ausschluſs von Luft. Damit eine Störung durch anfliegende Ruſstheilchen nicht zu befürchten sei, kamen die im Luftbade liegenden Streifen in gut schlieſsende Couverts. Die Erwärmung wurde nur bei Tage vorgenommen, gewöhnlich durch 10 Stunden, und dabei der Gang der Temperatur notirt. Unter 30° sank die Temperatur nie, wohl aber stieg sie zeitweilig bis 42°. Nach 300stündiger Erwärmung war an dem Holzschliffpapier eine Spur von Vergilbung schon zu bemerken, an dem Filterpapier aber keine Spur einer Farbenänderung erkennbar. Nach 1000stündiger Erwärmung war die Vergilbung schon eine sehr starke. Nebenversuche lehrten, daſs Temperaturen von 30 bis 35° viel schwächer wirken als solche von 35 bis 40°, und daſs auch die Vergilbung durch Wärme ohne Sauerstoff nicht eintreten kann. Aus allen von mir mitgetheilten Versuchen wird wohl geschlossen werden dürfen, daſs das Gaslicht in regelrecht geheizten und ventilirten Bibliotheksräumen und Büchermagazinen keinen schädigenden Einfluſs auf das Holzschliffpapier der Bücher auszuüben vermag. Wien, pflanzenphysiologisches Institut der k. k. Universität. September 1887.